In §243 der Philosophischen Untersuchungen beschreibt Wittgenstein die Vorstellung einer Sprache, in der jemand seine inneren Erlebnisse für den eigenen Gebrauch aufschreiben oder aussprechen könnte. Eine solche Sprache müsste jedem anderen unverständlich bleiben, weil ihre Wörter nur auf das Bezug nehmen, wovon allein der Sprechende wissen kann, nämlich auf seine unmittelbaren Empfindungen. Mit diesem Gedanken eröffnet Wittgenstein eine der bekanntesten Diskussionen seiner späten Philosophie. Die Frage, ob Sprache grundsätzlich privat sein kann, ist mehr als ein Detail der Sprachtheorie. Sie betrifft unser Verständnis davon, wie wir Empfindungen sprachlich ausdrücken und mitteilen. Empfindungswörter wie „Schmerz“ oder „Freude“ scheinen zunächst auf innere Erfahrungen zu verweisen, die nur dem jeweiligen Subjekt zugänglich sind. Dadurch entsteht das Problem, wie diese Wörter überhaupt Bedeutung gewinnen können. Wittgenstein zeigt jedoch, dass eine Sprache, die nur auf private Erlebnisse gestützt wäre, nicht funktionieren würde. Diese Frage ist auch heute noch aktuell. Oft wird von „postfaktischen Zeiten“ gesprochen. Damit ist gemeint, dass gemeinsame Grundlagen für Verständigung verloren gehen können, wenn Sprache nicht mehr durch überprüfbare Kriterien gestützt ist. Politische Schlagworte, Filterblasen in sozialen Medien oder gezielte Falschinformationen führen dazu, dass Wörter nur noch innerhalb bestimmter Gruppen Sinn ergeben. So entsteht der Eindruck, dass jeder seine eigene Sprache spricht. Wittgensteins Gedanke, dass Bedeutung immer an gemeinsamen Gebrauch gebunden ist, zeigt damit auch heute seine.
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- Finn Drossel (Autor), 2025, Das Privatsprachenargument Wittgensteins. Lässt sich über Empfindungen sprechen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1674375