Diese Arbeit wird sich mit den Ethiken befassen, die von Immanuel Kant einerseits und Ġazzālī andererseits formuliert wurden. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht die beiden Moralsysteme zuerst zu erläutern, in ihren jeweiligen Entwicklungskontext zu stellen, um sie hiernach auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zu überprüfen. Es darf nicht vergessen werden, dass die beiden Denker in zwei völlig verschiedenen Zeitperioden und Kulturbereichen gelebt haben. Das macht den Vergleich zwar sehr schwierig und problematisch aber in gleicher Weise auch spannend und interessant.
Mein Hauptaugenmerk wird auf Ġazzālī und seinem System der Ethik liegen, welches dem Leser näher gebracht werden soll. Der kategorische Imperativ Kants soll als Kontrast dienen, um vielleicht das spezifische in Ġazzālīs Denken besser erkennen zu können. Es birgt zwar auch die Gefahr in sich, dass man einen primären Zweck verfehlt: nämlich den Zugang zum ursprünglichen Charakter Ġazzālīs und seines Denkens, da man es losgelöst von seinem nativen Umfeld mit einem Denksystem vergleicht, welches nur bedingt vergleichbare Paradigmen als Grundlage des Denkens und Fühlens hat. Dieses ist aber dennoch eine sehr hilfreiche und nützliche Methode, da es erst durch eine Kontrastierung möglich ist die Intensität des zu besprechenden Charakters nachvollziehen zu können. Es ist ja bekannt, dass, wenn man allzu lange auf ein und dieselbe Farbe blickt, sie auf Dauer ihre Intensität im Auge des Betrachters verliert.
Da es aber wichtig ist den Denker zu kennen, um sein Denken richtig nachvollziehen zu können, werde ich zuerst die Lebensläufe beider Philosophen skizzieren, um sie hiernach in ihren philosophiegeschichtlichen Kontext zu stellen.
Eine wichtige Gemeinsamkeit der beiden Denker liegt darin, dass sie die spekulative Metaphysik verwerfen und der Ethik eine größere Rolle beimessen. Da beide die althergebrachte dogmatische Metaphysik auf das äußerste angreifen und auf den Trümmern dieser Metaphysik ihre Ethik aufbauen, ist es angebracht im Vorfeld näher auf diese Kritik einzugehen. Bevor also Ġazzālīs Standpunkt erläutert werden kann, wird auf den Neuplatonismus und ihren muslimischen Vertretern eingegangen. Im Falle Kants wird erst seine „Kritik der reinen Vernunft“ zu besprechen sein, da es ohne sie nicht möglich ist seine „Kritik der praktischen Vernunft“ zu begreifen.
Inhalt
I Einleitung
II Eine kurze Einführung
A Leben und Werk al-Ġazzālīs
(1) Das 12. Jahrhundert im vorderen Orient. Das Umfeld Ġazzālīs
B Immanuel Kant. Eine kurze Biographie
(1) Kant und seine Zeit
III Ġazzālīs Kritik der Metaphysik
A „‛Ilm al-yaqîn“ – Die Suche nach dem absoluten Wissen
B Ta®āfut al-Falāsifa – Die Widerlegung der Philosophen
(1) Darstellung der Emanationslehre und des Kausalitätsprinzips
(2) Widerlegung der Emanationslehre
(a) Kausalität in der Natur
(b) Kausalität in Moral
IV Ġazzālīs Ethikkonzept
A Offenbarung als einzige Quelle universaler Ethiknormen
B Das Herz als die über allem menschlichen Vermögen waltende Kraft
C Die drei Grundzustände der menschlichen Seele
D Die vier Tugenden der Seele und die Glückseligkeit
E Vernunft als Religion
V Kants „Kritik der reinen Vernunft“
A Eine Revolution der Denkart
B Die Grenzen der Vernunft
C Der Mittelweg zwischen Skeptizismus und Dogmatismus
VI Die Kritik der praktischen Vernunft
A Der kategorische Imperativ
VII Konklusion
VIII Anhang
A Quellenverzeichnis
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