Die Ressource Wasser als politisches Instrument im israelisch-palaestinensischen Konflikt


Dossier / Travail de Séminaire, 2003

26 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hydrologische und geographische Gegebenheiten

3. Wasserverteilung und –verbrauch in Israel und den palästinensischen Gebieten

4. Streitpunkt Wasser: Ein Dauerbrenner im Nahost-Konflikt
4.1. Historie des Konflikts
4.2. Das Wasser im Friedensprozess
4.3. Der Prozess von Oslo: Eine kurze Bewertung unter hydrologischen Aspekten

5. Hypothesen zur weiteren Konfliktentwicklung oder: Wer bekommt das Wasser unter der Westbank?

Anhang

Karten:
- Grundwasserressourcen der Westbank
- Der Jordan und seine Quellen
- Verwaltungszonen in der Westbank seit 1995

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Konfliktraum Naher Osten. Dazu gehören im engeren Sinne die Jordan-Anrainer Libanon, Syrien, Jordanien, Israel und die autonomen palästinensischen Gebiete. Viele Publikationen beschäftigen sich mit den Problemen und Streitigkeiten, die sich um die Teilhabe und die Nutzung des Jordanwassers drehen. In der hier vorliegenden Arbeit jedoch liegt der Focus auf den Wasserressourcen Israels, der Westbank und des Gaza-Streifens. Es geht um die Frage einer gerechten Verteilung und nachhaltigen Nutzung des Wassers zwischen Israel und den Palästinensern im Zuge der Friedensverhandlungen. Dabei bleibt zu beantworten, in wie weit das Wasser (Zugang und Nutzung) in den Friedensverhandlungen eine Rolle spielt, bzw. ob eine Lösung in der Wasserfrage den Friedensprozess positiv beeinflussen würde.

Einen „Krieg um Wasser“[1] prophezeite Klaus Polkehn 1992 den Bewohnern im Nahen Osten. Er begründete dies u. a. mit dem zu erwartenden, raschen Bevölkerungswachstum, ungeklärten Besitz- und Nutzungsverhältnissen (besonders im Einzugsgebiet des Jordan und des Yarmuk), und mit einer falschen, da nicht nachhaltigen Nutzung der verfügbaren Frischwasserressourcen. Es mag hoffnungsfroh stimmen, dass sich die Befürchtungen Polkehns bis heute nur teilweise erfüllt haben. Einen Krieg, der sich hauptsächlich um den Besitz und die Nutzung von Wasserressourcen drehte, gab es noch nicht. Der Streit um das Wasser in dieser trockenen Region stand aber spätestens seit der Staatsgründung Israels 1948 immer im Hintergrund der meisten Konflikte: es wurde, wie im Kapitel 4.1. gezeigt wird, zum Auslöser für kriegerische Auseinandersetzungen oder zur Demonstration von staatlicher Macht instrumentalisiert.

Besonders der sich verhärtende Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist spätestens seit der Besetzung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens 1967 ein Konflikt, in dem Wasser eine stark politisierte und emotionalisierte Rolle spielt, da Wassereinzugsgebiete und umstrittenen Territorien sich in vielen Fällen überlagern. Die vorliegende Arbeit versucht, so objektiv wie möglich, die hydrologischen Vorraussetzungen und die Geschichte des israelisch-palästinensischen Konfliktes unter wasserpolitischen Aspekten zu schildern und daraus resultierend den Friedensprozess in dieser Hinsicht kritisch zu hinterfragen.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema bietet fundierte und übersichtliche Literatur, die besonders aus den 90er Jahren stammt (der Grund hierfür ist wohl das zunehmende öffentliche Interesse im Zuge des Nahostfriedensprozesses). Allerdings zeigen m. E. nach einige Bücher, und besonders die Informationen aus dem Internet, eine Tendenz, zugunsten der politisch schwächeren Palästinenser zu urteilen. Viele Informationen (bes. Zahlen und Angaben zu Wassermengen) müssen deshalb unter Vorbehalt gesehen werden, da sie ohne Überprüfung (aufgrund fehlender Quellen aus israelischer Perspektive), verwendet werden mussten.

Es ist noch kein Krieg um Wasser, aber es ist ein Konflikt, in dem der Zugang zu Wasser als Druckmittel eingesetzt wird und dessen Lösung nicht ohne eine gerechte Aufteilung der wenigen Frischwasservorkommen gefunden werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Hydrologische und geographische Gegebenheiten

Die mithin wichtigste Wasserquelle für Israelis und Palästinensern ist der Jordan. Trotz seines biblischen Ruhmes ist der Jordan mit ca. 230 km Luftlinienlänge und einer nutzbaren Wassermenge von ca. 550 Millionen Kubikmeter (MKM) Wasser bei einem jährlichen Durchfluss von 1500 MKM Wasser ein recht kleiner Fluss[2]. Der obere Jordan wird von drei Quellflüssen gespeist, die, obwohl sie in unmittelbarer Nähe zueinander liegen, auf drei verschiedenen Staatsterritorien entspringen. Der Dan gehört international anerkannt zu Israel, der Hasbani zum Libanon und der Banias entspringt im syrischen Gebiet der Golan-Höhen, die Israel seit 1967 besetzt hält.

Der Jordan fließt durch israelisches Territorium bevor er den See Genezareth (auch Tiberias-See genannt) speist. Der See ist mit 167,8 km² das wichtigste Frischwasservorkommen Israels. Aufgrund von Verdunstung und hohem Salzgehalt durch Übernutzung werden die Quellen des Sees abgefangen und in einem Kanal am See vorbei in den unteren Jordan geleitet. Auch der untere Jordan ist stark salzhaltig und verliert durch die Nutzung der Anrainerstaaten zunehmend Wasser.[3] Bevor der Jordan dann die Grenze zwischen Jordanien und der Westbank bildet, bekommt er noch 400-500 KM Wasser seines wichtigsten Nebenflusses Yarmuk und fließt dann in das Tote Meer.

Seit Beginn der israelischen Ableitung durch den National Water Carrier (ab 1964) ist der Jordan allerdings auf ein kümmerliches, stark salzhaltiges Rinnsal zusammengeschrumpft, das praktisch nicht mehr nutzbar ist.

Dementsprechend sind die Grundwasservorkommen in Israel und den autonomen palästinensischen Gebieten mittlerweile die wichtigsten Wasserressourcen. Dieses Grundwasser ist in sechs Aquiferen (grundwasserführende, unterirdische Gesteinsschichten) unter der Westbank (das „Mountain-Aquifer“) und dem Gaza-Streifen gespeichert und wird durch den jährlichen Niederschlag erneuert. Das Wasserangebot des Westbank-Aquifer wird auf 600-720 MKM pro Jahr geschätzt[4] und fließt entlang der „Green Line“ nach Westen zur Küste, bzw. nach Osten zum Jordanbecken hin ab. Aufgrund der Abflussrichtungen konnte Israel dieses Wasser bereits vor der Besetzung der Westbank 1967 nutzen und es ist bis heute eines der wichtigsten und deshalb umstrittensten Wasservorkommen für Israel und die palästinensischen Westbankbewohner. Wie der Jordan ist auch das Küstenaquifer unter dem Gaza-Streifen durch eindringendes Meerwasser stark versalzt und deshalb als Trinkwasser kaum nutzbar. Übernutzung und geringere Niederschlagsquoten (200-400 mm pro Jahr – in der Westbank fallen 600-800 mm pro Jahr[5]) lassen den Wasserspiegel jährlich absinken und verschärfen dadurch die Situation für über eine Million Menschen.

3. Wasserverteilung und –verbrauch in Israel und den palästinensischen Gebieten

Durch diese schwierigen natürlichen Bedingungen, die geprägt sind von niedrigem Niederschlagsquoten und einer ungleichen Verteilung der Niederschläge in der Region, gehören Israel und die palästinensischen Gebiete zu den Ländern, die unter „Wasserstress“ leiden. Sie liegen mit einem jährlich verfügbaren Frischwasservorkommen von 370 KM Wasser pro Kopf (Israel) und 100 KM pro Kopf (Westbank/Gaza) weit unter der Grenze von 1.000 KM, die als Mindestbedarf in trockenen Regionen angesehen wird[6]. In beiden Gebieten werden ca. 70% des Wassers für die Landwirtschaft verbraucht, die besonders in Israel über eine starke Lobby verfügt. Das restliche Wasser verteilt sich in Israel auf Industrie (5%) und Haushalte (25%)[7] und in den palästinensischen Gebieten werden die restlichen 30% für privaten Haushalte und Kleinbetriebe genutzt.[8]

Nach diesen Zahlen hat Israel aber auch eine drei bis viermal höhere Quote an verfügbarem Frischwasser als die Palästinenser - und dies lediglich durch die extensive Nutzung der Wasservorkommen, die außerhalb seiner international anerkannten Grenzen (vor 1967) liegen. Israel verbraucht jährlich insgesamt ca. 1900 MKM Wasser. Davon bezieht es ca. 500 MKM aus dem Westbank-Aquifer und 350 MKM aus dem Jordanbecken[9].

In der verwendeten Literatur wird davon ausgegangen, dass Israel und die Siedlungen ca. 80% des Westbank-Aquifers beanspruchen. Darüber hinaus konnten sie nachweisbar bis in die 90er Jahre hinein über sämtliches Wasser des Jordan verfügen, da dieses von den Palästinensern bis zur endgültigen Einigung im Friedensprozess nicht genutzt werden darf.[10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zunehmender Wohlstand und Industrialisierung auf Seiten der Israeli und das Bevölkerungswachstum der Palästinenser dürften die Situation bis heute weiter verschlimmert haben, da bis auf den westlichen Teil des Westbank-Aquifers alle Wasserquellen vollständig ausgenutzt und teilweise überbeansprucht werden.

Die Konfliktlinien liegen dementsprechend auf der Hand: Damit Israel seinen Lebensstandard und seine wirtschaftliche Unabhängigkeit erhalten kann, müssen die Palästinenser auf Prosperität verzichten und erhebliche Einschränkungen in Kauf nehmen. In extremer Weise zeigt sich dies in der Westbank: hier lag das Verhältnis von bewässerter Landwirtschaft zwischen Siedlern und Palästinenser in den 90er Jahren bei 69% zu 6%.[11] Dieses Verhältnis resultiert unter anderem daraus, dass palästinensische Bauern von israelischer Wasserzuteilung (in Menge und Dauer der Nutzung begrenzt) abhängig sind und teilweise dieses Wasser für erheblich teurere Gebühren als die Siedler kaufen müssen[12]. Dies rührt unter anderem daher, dass Wasser in Israel stark subventioniert ist und weit unter den Produktionskosten abgegeben wird.[13] In den palästinensischen Gebieten fehlt dagegen eine staatliche Subventionierung, weshalb die Wasserbehörde kostendeckende Tarife erheben muss, die besonders die Kleinbetriebe in ihrer Entwicklung hemmen.[14] Diese Tatsachen wiederum werden für die Israelis zum Vorteil, da ungenutztes oder aufgegebenes Land auf rechtlicher Basis enteignet werden kann.

[...]


[1] So der Titel des Buches von Klaus Polkehn: Krieg um Wasser- Der Jahrhundertkonflikt im Nahen Osten. 1. Aufl. Berlin 1992.

[2] Diese Menge entspricht etwa einem Fünfzigstel der Wassermenge des Rheins. Daten nach: Libiszewski, Stephan: Wasserkonflikte im Jordan-Becken. in: Barandat, Jörg (Hrg.): Wasser – Konfrontation oder Kooperation. Ökologische Aspekte von Sicherheit am Beispiel eines weltweit begehrten Rohstoffs. Baden-Baden 1997.S.96.

[3] Meuss, Marina: Wasserressourcen und Wassermanagement in Israel. in: Libiszewski, Stephan / Schiffler, Manuel (Hrg.): Wasserkonflikte und Wassermanagement im Jordanbecken. Beiträge eines Kolloquiums. Berlin 1995, S. 57.

[4] Schiffler, Manuel / Al-Baz, Ismail: Wasserressourcen und Wassermanagement in Palästina und Jordanien. in: Libiszewski, Stephan / Schiffler, Manuel (Hrg.): Wasserkonflikte und Wassermanagement im Jordanbecken. Beiträge eines Kolloquiums. Berlin 1995, S. 21.

[5] Ebd.

[6] Libiszewski, Stephan: Wasserkonflikte im Jordan-Becken. in: Barandat, Jörg (Hrg.): Wasser – Konfrontation oder Kooperation. S. 96.

[7] In Israel beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch ca. 220-250 Liter pro Tag. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 1995 ca. 145 Liter pro Kopf und Tag verbraucht. Schiffler, Manuel: Konflikte um Wasser. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Band 11/95, S. 14.

[8] Ebd.

[9] Schiffler, Manuel: Konflikte um Wasser. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Band 11/95, S. 13.

[10] Einen Beleg für den Verbrauch des Jordanwassers durch die Israeli ist der Vertrag von 1994 zwischen Jordanien und Israel. Hier wird Israel legitimiert weiterhin den größten Teil des Jordanwassers zu nutzen. Dazu: Libiszewski, Stephan: Wasserkonflikte im Jordan-Becken. in: Barandat, Jörg (Hrg.): Wasser – Konfrontation oder Kooperation, S. 116. Auch wenn diese Informationen dem Stand der 90er Jahre entsprechen, ist davon auszugehen, dass die Palästinenser bis heute von der Nutzung des Jordanwassers ausgeschlossen sind.

[11] Libiszewski, Stephan: Wasserkonflikte im Jordan-Becken. in: Barandat, Jörg (Hrg.): Wasser – Konfrontation oder Kooperation, S. 110.

[12] Die Angaben zu den Wasserpreisen in Israel und den besetzten Gebieten differieren stark in der Literatur. Im Vergleich lässt sich sagen, dass die Palästinenser ca. 2-4 Mal höhere Preise zahlen als die Israeli. Die unterschiedlichen Angaben könnten durch unklare Zeitangaben, Umrechnungskurse und unterschiedliche regionale Tarife entstehen (bspw. höhere Kosten für Siedler, Staffelung des Preissystems in Israel je nach Produktionskosten). Vergleichsdaten aus: Schmid, Claudia: Der Israel-Palästina-Konflikt und die Bedeutung des Vorderen Orients als sicherheitspolitische Region nach dem Ost-West-Konflikt. Baden-Baden 1993, S. 110; Schiffler, Manuel / Al-Baz, Ismail: Wasserressourcen und Wassermanagement in Palästina und Israel, S. 22; Meuss, Marina: Wasserressourcen und Wassermanagement in Israel, S. 70. beide in: Libiszewski, Stephan / Schiffler, Manuel (Hrg.): Wasserkonflikte und Wassermanagement im Jordanbecken; www.palaestina.org, Stichwort Wasser, Stand 25.3.03.

[13] Das Wasser als Lebensspender ist Teil des zionistischen Glaubens an die Fruchtbarmachung der Wüste. Seit der Entstehung des israelischen Staates ist dies ein zentrales Ziel und wird deshalb bis heute von allen Regierungen unterstützt.

[14] Schiffler, Manuel: Konflikte um Wasser. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Band 11/95, S. 20.

Fin de l'extrait de 26 pages

Résumé des informations

Titre
Die Ressource Wasser als politisches Instrument im israelisch-palaestinensischen Konflikt
Université
University of Hildesheim  (Institut für Politische Wissenschaft)
Cours
Konfliktraum Naher Osten
Auteur
Année
2003
Pages
26
N° de catalogue
V17044
ISBN (ebook)
9783638217255
Taille d'un fichier
2210 KB
Langue
allemand
Annotations
Geologische und hydrologische Gegebenheiten, Geschichte des Konflikts zwischen Israel und Palaestinensern unter wasserpolitischen Aspekten. Die Rolle des Wassers im Osloer Friedensprozess. Kritik und Ausblick. Mit Landkarten.
Mots clés
Ressource, Wasser, Instrument, Konflikt, Konfliktraum, Naher, Osten
Citation du texte
Christina Wolf (Auteur), 2003, Die Ressource Wasser als politisches Instrument im israelisch-palaestinensischen Konflikt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/17044

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