Wie äußert sich der nazarenische Freundschaftsgedanke im Bildnis des Franz Pforr von Johann Friedrich Overbeck?


Dossier / Travail, 2005

24 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kapitel 1
Overbeck und der Lukasbund
Die Nazarener in Rom
Literarische Vorbilder
Die romantische Kunstauffassung
Freundschaftsbünde in der Romantik
Freundschaftsbilder

Kapitel 2
Das Bildnis des Franz Pforr
Die Allegorie der Freundschaft
Das Bild Sulamith und Maria
Das Bild Italia und Germania
Schlussbetrachtung

Einleitung

Seit dem Erscheinen der Bücher und Traktate des Kunstgelehrten Johann Joachim Winkelmann, (1717-1768), galt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Antike als vorbildliche Kunst.1 Die Kunstakademien versuchten „altbewährtes“ zu bewahren und ihre Erkenntnisse über die Nachahmung der Antike, an die jüngere Generation weiterzugeben.2 Diese junge Generation jedoch lehnte, unter dem Eindruck der napoleonischen Eroberungskriege, diese ständige Vorherrschaft des Klassizismus ab. Sie suchten nach eigenen kulturellen und geistigen Quellen, nach einem neuen Kunstideal.3

Eine Gruppe junger Maler gründete 1809 den Lukasbund, die Maler dieses Bundes sind auch unter dem Namen „Nazarener“ in die Kunstgeschichte eingegangen.4 Die jungen Maler begehrten gegen den sterilen Lehrbetrieb der Akademien auf, verließen sie und gingen nach Rom, um sich ganz bewusst den alten Meistern, wie z.B. Raffael und Dürer, ganz bewusst zuzuwenden. In ihren Werken glaubten sie Aufrichtigkeit und Wahrheit zu sehen.5

Die Freundschaft zwischen Johann Friedrich Overbeck und Franz Pforr bildete die Keimzelle des Lukasbundes. Das Kunstideal der beiden Freunde nahm die Gestalt einer Heilslehre an. Ihr Ziel war es, die Kunst zu verändern, sie wieder auf ihren wahren Kern und ihre echten Inhalte zurückzuführen, nicht nur der Kunst wegen, sondern als Heilmittel für den gesellschaftlichen Umbruch ihrer Zeit, und der daraus resultierenden Entfremdung des Menschen von sich, und seiner wahren seelischen Befindlichkeit. Die Gemeinschaft, die dieses Ideal umsetzt, sollte auf Freundschaft fußen. Sie soll nicht verstanden sein als loser Zusammenschluss verschiedener Individuen, sondern als Zusammenschluss dieser Individuen, im Dienste einer größeren Sache, einer Verbindung von verschiedenen Menschen, die alle das gleiche Ziel verfolgen.6 Die Idee einer Freundschaft, die mehr bedeutete als geschlechtliche Liebe, schöpfte sich aus der Entwicklung der deutschen Literatur zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Diese Art von Freundschaft bedeutete die schöpferische Kreativität einen jeden Einzelnen zu wecken und zu fördern. In der Gemeinschaft lassen sich Menschen sittlich und ethisch bilden, „ eine moralische Revolution gehe der künstlerischen voraus“.7

In der Abgeschiedenheit des römischen Klosters, in dem die Lukasbrüder seit 1810 lebten und arbeiteten, vertiefte sich die Freundschaft zwischen Overbeck und Pforr auf fruchtbare Weise. Mehrere Freundschaftsbilder entstanden als Ausdruck ihrer Zuneigung zueinander, und als Widerhall ihrer Vorstellung von Kunst, Philosophie und Religion. Im selben Jahr malte Overbeck seinen Freund Pforr. Dieses „Bildnis des Franz Pforr“ ist Untersuchungsgegenstand dieser Hausarbeit. Vor dem politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund des beginnenden 19. Jahrhunderts, soll untersucht werden, wie sich der nazarenische Gedanke von Freundschaft in diesem Bild artikuliert und inwieweit sich dieser Gedanke, auch in den weiteren Bildern „Sulamith und Maria“, sowie „Italia und Germania“, der beiden Künstler Overbeck und Pforr wieder finden lassen.

In dieser Arbeit soll auch untersucht werden, wie die drei Bilder in ihrem Entstehungsprozess zusammen gehören, und ob sich gemeinsame Aussagen darüber finden lassen. Welche künstlerische Idee steckt hinter den Bildern, gibt es ein künstlerisches Konzept? Die Entstehung des Lukasbundes soll beschrieben und von der Freundschaft Overbecks und Pforr erzählt soll erzählt werden. Zum besseren Verständnis für die Ideen der Nazarener und besonders für die Kunstauffassung von Pforr und Overbeck, muss ihr geistiger, ihr politischer und sozialer Hintergrund beschrieben werden. Ihr Aufenthalt in Rom kann nur ganz kurz angeschnitten werden, das gleiche gilt für ihre literarischen Einflüsse, sowie ihre Vorbilder in der Malerei. Der romantischen Kunstauffassung ihrer Zeit ist ein Kapitel gewidmet, sowie der Freundschaftsbünde, und der Freundschaftsbilder. Nach den Kapiteln „Sulamith und Maria“ sowie „Italia und Germania“ wird die Schlussbetrachtung diese Arbeit beenden.

Overbeck und der Lukasbund

Johann Friedrich Overbeck war am 3.07.1789 als Sohn eines hochgebildeten, sehr ambitionierten, humanistisch-evangelisch, freidenkenden Vaters geboren. Sein Vater war zum einen in der Aufklärung, zum anderen in der klassischen Bildungs- und Lebensweise zu Hause. Das prägte die Erziehung Overbecks in doppelter Weise. Es gab ihm schon früh die aufgeklärte, offene Geisteshaltung und zugleich die religiöse Grundhaltung für sein Leben. Voller Enthusiasmus und schöpferischem Tatendrang zog er, siebzehnjährig, im Jahr 1806, nach Wien an die Akademie, um sein Malerstudium aufzunehmen, musste aber schon sehr bald feststellen, dass ihn dieses Studium mehr behinderte, als das es ihn förderte. An seinen Vater schrieb er 1808: „Das sklavische Studium auf den Akademien führt zu nichts. […] Man lernt einen vortrefflichen Faltenwurf malen, eine richtige Figur zeichnen, lernt Perspektive, kurz alles; und doch kommt kein Maler heraus.“

Seiner Ansicht nach fehle den Gemälden: „ […] Herz, Seele, Empfindung“.8

Overbeck war durchaus in der Lage die akademische Forderung zu erfüllen. Es machte ihm keine technischen Schwierigkeiten dem vorgegebenen Lehrpfad zu folgen, und die Zeichnungen und Aktstudien anzufertigen, aber schwierig für ihn war das Verbot, eigene Kompositionen herzustellen. Früh schon zeigte sich sein schöpferischer Geist, sein „ […] ganz selbstständiges zeichnerisches Temperament“.9

In dieser kontroversen Zeit lernte er Franz Pforr kennen, der, gleichaltrig mit Overbeck, im selben Jahr die Akademie besuchte. Auch Pforr protestierte früh gegen die Ausbildungstendenzen der Akademie, weigerte sich „leblose Vorbilder der Gipsantike nachzuzeichnen“.10

Von diesem Zeitpunkt an waren Overbeck und Pforr Freunde; ihr gemeinsames Streben nach künstlerischer Wahrheit und ihr Wissen um die gleiche Kunstauffassung verband sie auf eine tiefe Weise. Ihr gemeinsames künstlerisches Ideal hob ihre Freundschaft von Anfang an über den Bereich der persönlichen Zuneigung hinaus.11 Um die beiden bildete sich schnell ein Kreis von gleich gesinnten jungen Malern, wie Josef Sutter, Ludwig Vogel und Josef Hottinger, um nur einige zu nennen.

Diese Gemeinschaft formte eine regelrechte Opposition zur Akademie. Sie wollten die Kunst erneuern, waren von den alten italienischen und deutschen Meistern begeistert, waren ergriffen von dem Wunsch nach künstlerischer Echtheit, Innerlichkeit und der Abkehr von zeitgenössischen Konventionen.

Sie bildeten 1809 den Lukasorden oder auch Lukasbund genannt, benannt nach dem Evangelist Lukas, dem Schutzpatron der Maler.

1810 verließen sie die Akademie und gingen nach Rom. San Isidoro, ein altes leer stehendes Franziskanerkloster, wurde ihre neue Heimat, das sie in einer Art christlicher Bruderschaft gemeinsam bewohnten.12

Die Nazarener in Rom

Unter dem Einfluss der Aufklärung, der französischen Revolution und der Säkularisierung des Landes, verlor die Kunst ihren geistigen Überbau. Sie war nicht mehr Teil der Gesellschaft und büßte ihren sozialen Auftrag ein. Die Nazarener und ihre Ideale sind als Teil einer romantischen Reaktion auf die tief greifenden epochalen Umwälzungen in Europa zu verstehen. Diese Einflüsse veränderten die Kunst und die Kunstschaffenden, und die Nazarener versuchten eine gesamtkulturelle Erneuerung der Kunst, unter christlicher Führung, herbeizuführen.13

Der Kreis um Overbeck und Pforr hatte sich in Rom, in Reminiszenz an die alten Meister Raffael und Dürer, ein „nazarenisches“ Äußeres zugelegt. Sie trugen ihr Haar lang, und in der Mitte gescheitelt, sowie Jesus es nach alten Überlieferungen getragen haben soll. Dürer hatte sich in einem Selbstbildnis von 1500 auf diese Weise dargestellt und auch Raffael soll diese Haartracht getragen haben. Das trug den jungen Malern wohl den Namen „Nazarener“ ein, der ihr Äußeres, sowie ihre Lebens- und Kunstanschauung kennzeichnen sollte.14

Sie suchten in Rom nicht die klassische Antike zu finden, sondern das Mittelalter. Vorbilder für ihr angestrebtes Ziel die Malerei zu erneuern, waren Albrecht Dürer, die italienischen Maler vor Raffael, besonders Fra Angelico und Perugino, sowie Raffael selbst natürlich. In ihren Werken glaubten sie die spirituelle Tiefe wieder zu entdecken, nach der sie in der gegenwärtigen Kunst suchten. Gleichzeitig gesellte sich zu ihrer religiösen Orientierung ein neuer Patriotismus hinzu, eine Rückbesinnung auf vaterländische Werte der Vergangenheit.

Mit dieser Verbindung von spiritueller Malerei und rückbesinnender politischer „Utopie“ versuchten sie eine neue Nationalkunst zu entwickeln.15

Literarische Vorbilder

Frühromantische Schriften haben die bildenden Künstler geprägt, auch Overbeck und die Lukasbrüder. In diesen Texten wurden Ideen zur Funktion des Künstlers formuliert, die für Overbeck zum Leitmotiv wurden. Der Künstler hatte einen entscheidenden Stellenwert in der Ideenwelt der Frühromantik. Er wird zum Ideal eines Bild- und Sprachkünstlers. Seine Persönlichkeit und seine Arbeit stehen in vollkommener Harmonie zueinander. Der Künstler wird zum „Träger einer umwälzenden Veränderung“. wo er vorher in der alten Gesellschaft noch „Dienender“ war. Er trägt hohe Verantwortung, denn seine Kunst verbindet durch sein Talent, Irdisches mit Unendlichem. Der Künstler hat Vermittler zwischen Gott und der Welt zu sein und die Kunst wird zum alles beherrschenden Prinzip.16

In Wilhelm Wackenroders „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ und Ludwig Tiecks „Franz Sternbalds Wanderungen“ wird das Mittelalter wiederbelebt und der Künstler zum Werkzeug für Gottes Verherrlichung. Dafür muss er rein sein, ganz von Gott erfüllt, frei von allen irdischen Instinkten, die ihn von seiner Arbeit ablenken könnte. Diese moralische Integrität kennzeichnete den Künstler.17

Wilhelm Wackenroder und Ludwig Tieck entwarfen kein historisches, sondern ein Idealbild der mittelalterlichen Welt. Der Künstler lebt sein Leben in Harmonie mit seiner Arbeit und christlicher Religion.18 Unter diesen Einflüssen entwickelten die Nazarener ihre religiösen und weltliche Bildmotive, verquickt mit ihrem eigenen christlichen Glauben und ihrer national-vaterländischen Gesinnung.

Friedrich Schlegel, ein bedeutender Theoretiker und Philosoph der Frühromantik, bahnte sozusagen den Weg zu den Werken der altdeutschen und altitalienischen Kunst. In ihren Künstlern und Werken sah er den Höhepunkt abendländischer Kulturentwicklung erreicht. Tiefe Spiritualität und Einfachheit durchdringt seiner Ansicht nach ihrer Werke; so rät er den Kunstschaffenden seiner Zeit, zur Rückbindung an die alten Meister.19

[...]


1 Herbert Schindler, Nazarener, Romantischer Geist und christliche Kunst im 19. Jahrhundert, Regensburg 1982, S.14.G

2 Keith Andrews, Die Nazarener, München 1974, S.8.

3 Herbert Schindler, Nazarener, Romantischer Geist und christliche Kunst im 19. Jahrhundert, Regensburg 1982, S.14.G

4 Keith Andrews, Die Nazarener, München 1974, S.11.

5 Ebd. S. 9.

6 Ludwig Grote, Joseph Sutter und der nazarenische Gedanke, Passau 1972, S.36. 2

7 Ludwig Grote, Joseph Sutter und der nazarenische Gedanke, Passau 1972, S.44

8 Andreas Blühm und Gerhard Gerkens (Hg), Johann Friedrich Overbeck 1789-1869, Zur zweihundertsten Wiederkehr seines Geburtstages, Museum für Kunst und Kulturgeschichte Lübeck, Lübeck 1989, S.20. 9 Ebd. S. 35-36.

10 Rudolf Bachleitner, Die Nazarener, München 1976, S. 26.

11 Jens Christian Jensen, Overbeck in Wien 1806-1807, Kalendarium seiner Freundschaft mit Pforr und die Wandlung seiner Kunstanschauungen in : Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1974, S.110.

12 Rudolf Bachleitner, Die Nazarener, München 1976, S. 27-29.

13 Pia Müller Tamm, Nazarenische Zeichenkunst, Berlin 1993, S.10.

14 Herbert Schindler, Nazarener, Romantischer Geist und christliche Kunst im 19. Jahrhundert, Regensburg 1982, S.12

15 Norbert Wolf, Epochen und Stile, Malerei der Romantik, (Hg.) Ingo F. Walther, Köln 1999, S.23.16 Brigitte Heise, Johann Friedrich Overbeck, Das künstlerische Werk und seine literarischen und autobiographischen Quellen, Köln/Weimar/Wien/Böhlem 1999,S. 27-28. 17 Brigitte Heise, Johann Friedrich Overbeck, Das künstlerische Werk und seine literarischen und autobiographischen Quellen, Köln/Weimar/Wien/Böhlem 1999,S.32.

18 Pia Müller Tamm, Nazarenische Zeichenkunst, Berlin 1993, S.10.

19 Pia Müller Tamm, Nazarenische Zeichenkunst, Berlin1993, S.11.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Wie äußert sich der nazarenische Freundschaftsgedanke im Bildnis des Franz Pforr von Johann Friedrich Overbeck?
Université
Free University of Berlin  (Geschichts-und Kulturwissenschaft)
Cours
Empfindung – Charakter – Seele, Portraitmalerei in Deutschland zwischen 1750 und 1830
Note
1,3
Auteur
Année
2005
Pages
24
N° de catalogue
V170706
ISBN (ebook)
9783640897117
Taille d'un fichier
495 KB
Langue
allemand
Mots clés
freundschaftsgedanke, bildnis, franz, pforr, johann, friedrich, overbeck
Citation du texte
Veronique Grawe (Auteur), 2005, Wie äußert sich der nazarenische Freundschaftsgedanke im Bildnis des Franz Pforr von Johann Friedrich Overbeck?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170706

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