Seit einigen Jahren gerät der Bereich kommunaler Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zunehmend in das Visier der Europäischen Kommission als europäischer Wettbewerbshüterin. Die Kommission kontrolliert in diesem Zusammenhang die ordnungsgemäße Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, aber auch die Erteilung von Konzessionen. Zwischen Januar 2000 und Juni 2008 hat die Kommission ca. 180 Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten der EU eingeleitet, weil sie ihrer Auffassung nach bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gegen das EG-Vergaberegime verstoßen haben oder europäisches Sekundärrecht nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt haben. Fast die Hälfte der Verfahren gegen Deutschland betrifft Aufträge in der Abfall- und Abwasserwirtschaft sowie der Müllentsorgung.
Eine Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens im Falle interkommunaler Zusammenarbeit wird von der Kommission bislang grundsätzlich weit ausgelegt. Eine Korrektur dieser weiten Ansicht hat in jüngerer Zeit durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stattgefunden.
Der folgende Beitrag befasst sich mit Vergaberechtsfragen bei interkommunalen Kooperationen mit besonderem Blick auf die Situation in Baden-Württemberg. Hierbei sind zunächst verschiedene Formen der Kooperation zwischen öffentlichen Stellen zu unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Formen interkommunaler Zusammenarbeit
- 1. Zweckverband
- 2. Öffentlich-rechtliche Vereinbarung (Zweckvereinbarung)
- 3. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
- 4. Vergabe an ein eigenes Unternehmen in Privatrechtsform
- II. Das EG-Vergaberecht
- III. Auffassungen der Europäischen Kommission und deutscher Vergabesenate zur Ausschreibungspflicht
- 1. Mandatierung
- a) Europäische Kommission
- b) Deutsche Vergabesenate
- 2. Delegation
- a) Europäische Kommission
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen interkommunaler Zusammenarbeit im Kontext des Europarechts, insbesondere des Vergaberechts. Er analysiert die verschiedenen Formen der Kooperation zwischen öffentlichen Stellen und untersucht, inwieweit diese dem europäischen und nationalen Vergaberecht unterliegen oder ob sie als ausschreibungsfreie In-House-Geschäfte betrachtet werden können.
- Formen interkommunaler Zusammenarbeit (Zweckverband, öffentlich-rechtliche Vereinbarung, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Vergabe an ein eigenes Unternehmen in Privatrechtsform)
- Das EG-Vergaberecht und seine Anwendung auf interkommunale Kooperationen
- Die Auffassungen der Europäischen Kommission und deutscher Vergabesenate zur Ausschreibungspflicht bei interkommunalen Kooperationen
- Die Unterscheidung zwischen Mandatierung und Delegation im Kontext des Vergaberechts
- Die Auswirkungen der Beteiligung Privater auf die Anwendbarkeit des EG-Vergaberechts
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Der Beitrag stellt die Relevanz des Themas vor und erläutert die aktuelle Praxis im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland, wobei insbesondere das Beispiel der Abfall- und Abwasserwirtschaft hervorgehoben wird.
- I. Formen interkommunaler Zusammenarbeit: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen der interkommunalen Zusammenarbeit in Baden-Württemberg, insbesondere den Zweckverband, die öffentlich-rechtliche Vereinbarung (Zweckvereinbarung), den öffentlich-rechtlichen Vertrag und die Vergabe an ein eigenes Unternehmen in Privatrechtsform.
- II. Das EG-Vergaberecht: Dieses Kapitel behandelt die grundlegenden Prinzipien des EG-Vergaberechts, die europaweite Ausschreibung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen und die Schwellenwerte für die Anwendung des EG-Vergaberechts.
- III. Auffassungen der Europäischen Kommission und deutscher Vergabesenate zur Ausschreibungspflicht: Dieses Kapitel beleuchtet die umstrittene Frage, inwieweit Kooperationen mit öffentlicher Beteiligung dem europäischen und nationalen Vergaberecht unterfallen. Die unterschiedlichen Auffassungen der Europäischen Kommission und deutscher Vergabesenate hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Mandatierung und Delegation werden erläutert, wobei insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie die relevanten Entscheidungen deutscher Gerichte im Fokus stehen.
Schlüsselwörter
Interkommunale Zusammenarbeit, Europarecht, Vergaberecht, EG-Vergaberegime, Zweckverband, öffentlich-rechtliche Vereinbarung, Mandatierung, Delegation, In-House-Geschäft, Ausschreibungspflicht, Transparenz, Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung.
- Quote paper
- Dr. Gerald G. Sander (Author), 2011, Spielräume interkommunaler Zusammenarbeit im Hinblick auf das EU-Vergaberecht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/170933