Experimentell induzierte Störungen der Aufmerksamkeit - Inattentional Blindness


Referat (Ausarbeitung), 2010

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Anforderungen an Untersuchungen zur Blindheit durch Unaufmerksamkeit

3 Darstellung einer Auswahl von Studien
3.1 Unaufmerksamkeitsblindheit bei wenig komplexen Reizen
3.1.1 Aufbau der Studie von Mack & Rock
3.1.2 Resultate und Schlussfolgerungen
3.1.2.1 Einflussfaktoren auf die Unaufmerksamkeitsblindheit: räumliche Anordnung, Bedeutsamkeit und Größe
3.1.2.2 Selektionsprozesse der Wahrnehmung
3.2 Unaufmerksamkeitsblindheit bei länger andauernden, dynamischen Ereignissen
3.2.1 Fragestellungen
3.2.2 Aufbau der Studie von Simons & Chabris
3.2.3 Resultate und Schlussfolgerungen

4 Kritik an der Theorie der Blindheit durch Unaufmerksamkeit

5 Blindheit durch Unaufmerksamkeit: Nutzen oder lästiges Übel?

6 Zusammenfassung

7 Literatur

1 Einleitung

Tagtäglich ist der Mensch einer wahren Flut sensorischer Reize ausgesetzt, die der Wahrnehmung[1] zugänglich sind und für eine enorme Reichhaltigkeit der sinnlichen Erfahrungswelt sorgen. Angesichts dieses riesigen Spektrums von Stimuli, die bewusst wahrgenommen werden, neigen Personen nicht selten zur Überschätzung der Verlässlichkeit ihrer eigenen Sinne, indem sie wie selbstverständlich davon ausgehen, dass sämtliche potentiell wahrnehmbaren Stimuli der Umgebung auch bewusst wahrgenommen und erinnert werden. Jedoch wird die visuelle Wahrnehmung beispielsweise durch Aufmerksamkeitsprozesse derart beschränkt, dass aus der Fülle wahrnehmbarer Reize nur einige wenige ins Bewusstsein vordringen. Verschiedene Studien zeigen, dass grundsätzlich gut sichtbare visuelle Charakteristika der Umgebung bisweilen nicht bewusst wahrgenommen werden und führen dies zumeist auf einen Mangel an Aufmerksamkeit zurück, etwa in Augenblicken starker Konzentration auf andere Aspekte (Mack & Rock, 1998, Simons & Chabris, 1999) . Diese Blindheit durch Unaufmerksamkeit („inattentional blindness“), die Myers (2008, S. 260) als „Unfähigkeit, sichtbare Objekte zu sehen, wenn sich unsere Aufmerksamkeit auf andere Dinge richtet“ definiert, ist eine Form „kognitiver Blindheit“ (Simons & Chabris, 1999, S. 1059) deren Bedingungen und Eigenheiten durch unterschiedliche experimentelle Ansätze erforscht wurden. Allgemeine notwendige Charakteristika experimenteller Stimulationen des Phänomens, einige Studien zum Thema, die jeweiligen Rückschlüsse auf die Rolle der Aufmerksamkeit für die Perzeption und auf Faktoren, die die Unaufmerksamkeitsblindheit beeinflussen, eine kritische Alternativtheorie sowie der angenommene funktionellen Sinn des Phänomens werden im Folgenden erläutert.

2 Anforderungen an Untersuchungen zur Blindheit durch Unaufmerksamkeit

Experimentelle Methoden, mit denen die Unaufmerksamkeitsblindheit untersucht werden soll, stehen zunächst vor der Herausforderung, bestimmte visuelle Reize zu präsentieren und gleichzeitig zu verhindern, dass die Versuchspersonen[2]ihre Aufmerksamkeit aktiv auf diese richten. Um dies zu gewährleisten wird den VPs typischerweise eine Aufgabe gestellt, bei der bestimmte visuelle Reize überwacht werden sollen, die somit die Aufmerksamkeit der VPs möglichst vollständig in Anspruch nehmen. Während dieser Aufgabe werden zusätzlich unerwartete visuelle Reize im Sichtfeld präsentiert. Anhand des Berichts der Personen, ob diese Stimuli bemerkt wurden, wird untersucht, ob Unaufmerksamkeitsblindheit vorliegt und welche Bedingungen dazu beitragen (Mack & Rock, 1998; Simons & Chabris, 1999). Da eine Erwartungshaltung der Versuchspersonen bezüglich der kritischen, unerwarteten Reize die Aufmerksamkeit von der Überwachungsaufgabe ablenken und eine Motivation, diese Stimuli zu verarbeiten, hervorrufen könnte, sind die experimentellen Bedingungen intransparent zu gestalten, d.h. die Personen werden nicht durch vorherige Anweisungen auf das mögliche Auftreten der zusätzlichen Reize vorbereitet, so Mack & Rock (1998).

3 Darstellung einer Auswahl von Studien

Die hierin behandelte experimentell stimulierte Aufmerksamkeitsstörung wurde anhand verschiedener Studien erforscht. Im Folgenden werden zwei dieser Ansätze erläutert und deren Ergebnisse zueinander in Bezug gesetzt.

3.1 Unaufmerksamkeitsblindheit bei wenig komplexen Reizen

Arien Mack und Irvin Rock führten 1998 eine Studie zur Beziehung von Aufmerksamkeit und Perzeption[3]durch, die zunächst auf die Frage ausgerichtet war, ob der Prozess der Perzeption automatisiert präattentiv stattfindet, oder ob er stattdessen Aufmerksamkeitsressourcen fordert. Vorhergegangene Forschung zu diesem Thema kritisierten die Autoren aufgrund methodischer Schwächen (Mack & Rock, 1998). Im Verlauf dieser Untersuchung verlagerte sich der Fokus des Interesses jedoch hin auf die gezielte Erforschung Blindheit durch Unaufmerksamkeit.

3.1.1 Aufbau der Studie von Mack & Rock 1998

Die Untersuchung arbeitete mit wenig komplexen, sehr kurz präsentierten statischen visuellen Reizen. Im computerbasierten, sogenannten „inattention paradigm“ (Mack & Rock, 1998, S. 6) wurde den VPs zunächst auf einem Bildschirm ein markierter Fixpunkt präsentiert, auf den sie ihren Blick richten sollen. Die Überwachungsaufgabe bestand darin, anzugeben, ob die horizontale oder vertikale Linie eines im Anschluss an den Fixpunkt kurzzeitig[4] präsentierten Kreuzes länger sei. Im vierten (kritischen) Trial (siehe Abbildung 1) dieser Aufgabe erschien gleichzeitig mit dem Kreuz ein unerwartetes Objekt, der „kritische Reiz“ (Mack & Rock, 1998, S. 6). Anschließend wurden die VPs befragt, ob sie außer dem Kreuz noch etwas anderes gesehen hätten, was in vorherigen Trials nicht aufgetaucht war, und angehalten, den Reiz zu identifizieren[5]. Durch diese Sensibilisierung waren die VPs nun auf etwaige andere Reize vorbereitet. Beim nun folgenden „divided attention trial“ (Mack & Rock, 1998, S. 8) sollte sowohl auf die Länge der Linien des Kreuzes als auch auf andere (nun nicht mehr völlig unerwartete) Reize geachtet werden. Es folgte das abschließende „full attention control trial“(Mack & Rock, 1998, S. 8), bei dem die Anweisung lautete, das Kreuz zu ignorieren und nur auf andere Stimuli zu achten. In diesem Durchgang wurde der kritische Reiz zu 100% erfolgreich gesehen und korrekt identifiziert (Mack & Rock, 1998).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Veranschaulichung der unkritischen Trials (Trial 1-3) sowie kritischen Trials (Trial 4-6):

Auf die Einblendung des zu Fixierenden Punktes folgen die experimentellen Stimuli sowie eine Maske, die die Verarbeitung der zuvor präsentierten Stimuli nach deren Ausblendung verhindern sollte. (Mack & Rock, 1998).

Am interessantesten erschien den Autoren der Vergleich der Fehlerraten bei der Identifikation der Stimuli im „inattention trial“ (Mack & Rock, 1998, S. 9) und im „full attention control trial“ (Mack & Rock, 1998, S. 8), welcher zeigen sollte, welchen Beitrag die Aufmerksamkeit zur Perzeption leistet. Die These lautete, dass sich eine signifikante Differenz der Fehlerwerte ergeben würde, falls die Aufmerksamkeit einen Beitrag zur Perzeption leiste, diese also nicht präattentiv stattfände. Es stellte sich heraus, dass etwa 75% der Beobachter die kritischen Reize erfolgreich wahrnehmen und identifizieren konnten. Überraschend für die Forscher, die nur erwogen hatten, dass die Aufmerksamkeit die Fähigkeit zur Identifikation bestimmter Charakteristika der Reize (Ort der Präsentation, Farbe, Form etc.) beeinflusse, nicht das Bemerken der Reize selbst, war die Tatsache, dass 25% der VPs in der Unaufmerksamkeitsbedingung die bloße Präsenz der kritischen Stimuli nicht wahrnahm. Hieraus und aus dem Fakt, dass unter Beteiligung der Aufmerksamkeit keine derartigen Wahrnehmungsstörungen vorlagen, folgerten Mack und Rock (1998), diese unerwartete Blindheit sei durch den Umstand bedingt, dass die Personen keine Aufmerksamkeit auf den Reiz, sondern stattdessen auf die gestellte Aufgabe gerichtet hatten. Es folgte die Prägung des Begriffs als „Inattentional blindness“ (Mack & Rock, 1998, S. 12) und die Formulierung der neuen Hypothese „There is no perception without attention“ (Mack & Rock, 1998, S. 13).

[...]


[1]Die Begriffe (bewusste) Wahrnehmung und Perzeption werden in diesem Text bedeutungsgleich verwendet.

[2]Im weiteren Verlauf des Textes wird die Abkürzung „VPs“ gebraucht.

[3]Der Begriff Perzeption wird von den Autoren gleichgesetzt mit „explicit conscious awareness“ (Mack & Rock, 1998, S. 13).

[4]Die Präsentation des Kreuzes dauerte 200ms; innerhalb dieser Zeit ist es nicht möglich, Augenbewegungen durchzuführen. (Mack & Rock, 1998) Die VPs konnten also den Fokus ihres Blicks während des Trials nicht ändern.

[5]In einigen Durchgängen wurden Eigenschaften der unerwarteten Stimuli, z.B. Ort, Farbe, Anzahl, Bewegung, Form variiert, um zu untersuchen welche dieser Charakteristika auch ohne Aufmerksamkeit identifiziert werden konnten. Mack & Rock gingen davon aus, dass identifizierbare Charakteristika präattentiv verarbeitet würden (Mack & Rock, 1998).

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Details

Titel
Experimentell induzierte Störungen der Aufmerksamkeit - Inattentional Blindness
Hochschule
Freie Universität Berlin
Autor
Jahr
2010
Seiten
13
Katalognummer
V175683
ISBN (eBook)
9783640968015
ISBN (Buch)
9783640967919
Dateigröße
969 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufmerksamkeit, inattentional blindness, Aufmerksamkeitsstörungen, Psychologie, Aufmerksamkeitsstörung, experimentell, Mack, Rock, Broadbent, Treisman, Deutsch, Neisser, Wolfe, Wahrnehmung, Perception, Perzeption, Störung, Studien, Filtertheorie, attention, simons, chabris
Arbeit zitieren
Veronika Zilker (Autor:in), 2010, Experimentell induzierte Störungen der Aufmerksamkeit - Inattentional Blindness, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/175683

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