1. Einleitung
Ein Großteil von Theodor Fontanes Romanoevre handelt von Ehe und Ehebruch,unstandesgemäßer Liebe und von Beziehungen, die der gesellschaftliche Kodex der Zeit für unerlaubt erklärte. In seinen Romanen Effi Briest, L´ Adultera und Graf Petöfy steht, wie auch in anderen großen europäischen Werken des 19. Jahrhunderts, die Figur der Ehebrecherin im Mittelpunkt. Die `gefallene
Frau´ avancierte zu einem populären literarischen Motiv, wobei sich die Darstellung nicht mehr in erster Linie auf den gehörnten Ehemann, sondern auf die untreue Ehefrau und ihre fremdbestimmte Existenz im Spannungsfeld unerfüllter Sehnsüchte, verbotener Leidenschaften, patriarchalischer Bevormundung, erstickender sozialer Zwänge und bigotter Sittenrichterei konzentrierte. Das Interesse an der Figur der Ehebrecherin stand im Zusammenhang mit einem Wandel der Institution der Ehe, die sich aus
theologischen Denkmustern löste und damit problematisch wurde. Tradierte Normen wurden in Frage gestellt, und zwar bevorzugt aus dem Blickwinkel der Frau.
Da der Motivkomplex des Ehebruchs und die Darstellung der ehebrechenden Frauenfiguren innerhalb des Fontaneschen Romanwerks einen solch breiten Raum einnehmen, werden sie auch in der Sekundärliteratur in nahezu allen romanspezifischen Interpretationen berührt, allerdings fast ausschließlich unter dem Aspekt, inwiefern der Ehebruch auf Gesellschaftskritisches, Politisches,
Zeittypisches oder Transzendentes verweist. „In der Regel werden Ehe und Ehebruch wie Geschlecht auf zeitgenössisch „Bedeutsameres“ transparent. (…) Ob es Ehe, Ehebruch oder Scheidung ist, letztendlich verweist alles auf Bismarck und Preußen“.Dies wird damit begründet, dass der individuelle Fall erst durch
die Einbettung in einen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Kontext zum symptomatischen 'erhöht' wird, und damit der Eheroman zum Gesellschaftsroman werde. Gerne beruft sich die Forschung dabei auf ein Fontane-Zitat, in dem der Romancier anscheinend selbst die Aspekte in seiner Dichtung, die auf Zeitgeschichtliches und Gesellschaftskritisches verweisen, hervorhebt und
Handlung und Protagonisten zur Nebensache erklärt: „Liebesgeschichten, in
ihrer schauderösen Ähnlichkeit, haben was Langweiliges – , aber der
Gesellschaftszustand, das Sittenbildliche, das versteckt und gefährlich Politische,
das diese Dinge haben […], das ist es, was mich so sehr daran interessiert.“
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Ehebruch
- 2.1. Elliptisches Erzählen
- 2.2. Präfigurationen
- 3. Konvenienzehe - Liebesheirat
- 3.1. Der Ehehandel und die partnerschaftliche Liebesehe L'Adultera
- 3.2. Die arrangierte Ehe – Effi Briest
- 3.3. Die Spuk-Ehe
- 3.4. Die asexuelle höfische Ehe - Graf Petöfy
- 4. Selbstbestimmung - Fremdbestimmung
- 4.1. Imaginierte Weiblichkeit
- 4.2. Naturhaftigkeit
- 4.3. Die Ehebrecherin zwischen Selbst-und Fremdbestimmung
- 4.4. Die selbstbestimmte Künstlerin als Gegenbild zur Ehebrecherin
- 5. Sinnlichkeit - Keuschheit
- 5.1. Die Ehefrau zwischen `Hure' und 'Heiliger'
- 5.1.1. Die Kindbraut – Effi Briest
- 5.1.2. Die sinnliche Ehebrecherin - Melanie van der Straaten
- 5.1.3. Das,,Marienmotiv“ in Graf Petöfy – Franziska Franz
- 5.2. Ideal der Mütterlichkeit vs. Sinnlichkeit der Ehebrecherin
- 5.1. Die Ehefrau zwischen `Hure' und 'Heiliger'
- 6. Langeweile - Selbstverwirklichung
- 6.1. „Bovarisme“ und „femme incomprise“
- 6.2. Ennui
- 6.3. Beruf
- 6.4. Kommunikation
- 7. Leidenschaft - Vernunft
- 7.1. Verführung – Effi Briest
- 7.2. Ohnmacht und Entsagung – Franziska Franz
- 7.3. Leidenschaft und Musikgenuss – Melanie van der Straaten
- 8. Schuld- Sühne
- 8.1. Das „Tyrannisierende Gesellschafts-Etwas“
- 8.2. Die unschuldig-schuldige Ehebrecherin
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit analysiert die Figur der Ehebrecherin in ausgewählten Werken Theodor Fontanes, insbesondere in den Romanen "Effi Briest", "L´Adultera" und "Graf Petöfy". Ziel der Arbeit ist es, die Konstruktion von Geschlecht und weiblicher Sexualität im Rahmen der bürgerlichen Familie in Fontanes Werken zu beleuchten. Dabei wird untersucht, inwiefern Fontane etablierte Vorstellungen von Ehe und Treue als naturgegeben und sittlich legitimiert oder als gesellschaftlich überkommene Institutionen problematisiert.
- Die Rolle der Ehebrecherin in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
- Die Konstruktion von Weiblichkeit und Sexualität in Fontanes Romanen
- Die Konflikte zwischen individueller Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Erwartungen
- Die Kritik an der Institution der Ehe und den damit verbundenen sozialen Zwängen
- Die Darstellung von Leidenschaft, Schuld und Sühne im Kontext des Ehebruchs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Kontext der Untersuchung und die Relevanz des Themas im Werk Theodor Fontanes beleuchtet. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Motiv des Ehebruchs und dessen literarischen Implikationen. Im Fokus stehen die elliptischen Erzähltechniken und Präfigurationen, die Fontane nutzt, um den Ehebruch darzustellen.
Kapitel 3 analysiert verschiedene Formen der Ehe in Fontanes Werken, von der Konvenienzehe bis hin zur arrangierten Ehe. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den unterschiedlichen Erwartungen an die Ehepartnerinnen und den daraus resultierenden Spannungen.
Kapitel 4 beleuchtet die Themen Selbstbestimmung und Fremdbestimmung im Kontext des Ehebruchs. Hier werden die Konflikte zwischen der individuellen Suche nach Autonomie und den gesellschaftlichen Normen erörtert.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld von Sinnlichkeit und Keuschheit in der Darstellung der Ehebrecherin. Dabei werden die ambivalenten Rollen der Frauen als `Hure' und 'Heilige' untersucht.
Kapitel 6 widmet sich den Themen Langeweile und Selbstverwirklichung in Fontanes Werken. Es werden die Ursachen für den Unmut der Frauen in ihren Ehen analysiert und die Bedeutung von Beruf und Kommunikation in diesem Zusammenhang beleuchtet.
Kapitel 7 befasst sich mit den Konzepten von Leidenschaft und Vernunft im Kontext des Ehebruchs. Die verschiedenen Motive der Verführung, der Ohnmacht und der Entsagung werden untersucht.
Kapitel 8 schließlich behandelt die Themen Schuld und Sühne im Zusammenhang mit dem Ehebruch. Es wird analysiert, wie die Ehebrecherinnen mit den gesellschaftlichen Konsequenzen ihrer Taten umgehen und wie die Schuld und die Sühne konstruiert werden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Ehebruch, weibliche Sexualität, gesellschaftliche Normen, Konvenienzehe, Selbstbestimmung, Fremdbestimmung, Sinnlichkeit, Keuschheit, Langeweile, Selbstverwirklichung, Leidenschaft, Vernunft, Schuld, Sühne, Theodor Fontane, Effi Briest, L´Adultera, Graf Petöfy.
- Quote paper
- Claudia Schöll (Author), 2008, Die Figur der Ehebrecherin in ausgewählten Werken Theodor Fontanes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176673