Das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel'

Charakteristika, Funktionen und Intentionen


Seminararbeit, 1994

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

I. Vorbemerkungen

II. Der Aufbau des SPIEGEL
1. Die SPIEGEL-Story
2. Die Leseanreize Der Lead, die Bildunterschrift, der Titel

III. Funktionen und Intentionen des SPIEGEL
1. SPIEGEL-Leser wissen mehr!?
1.1 Die Leserspezifität
1.2 Die Leserinteressen
2. Herr Augstein, was sagen Sie dazu?
3. Kritik- und Urteilsfähigkeit
3.1 Kritik contra Konformität
3.2 Urteil über die Kritik und Kritik an den Urteilen

IV. Die Sprache des SPIEGEL
1. Die Wortwahl

V. Aktuelle Textbeispiele
1. Die Stilmittel
2. Die Story "Alle Enkel pleite"

VI. Schlußbemerkungen

Literaturverzeichnis

I. Vorbemerkungen

Am Anfang war das Wort und nicht das Geschwätz, und am Ende wird nicht die Propaganda sein, sondern wieder das Wort. Gottfried Benn

Gegenstand dieser Arbeit ist das Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL". Dabei sollen der Aufbau des Magazins im allgemeinen und die Funktionen und Intentionen und deren Umsetzung, unter Berücksichtigung der gewählten Sprache, im besonderen berücksichtigt werden.

Zunächst wird eine Zusammenfassung bisher geleisteter Analysen als Kombination von externen, aber auch internen Ansichten, vorgenommen , während danach die Anwendbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse auf aktuelle Ausgaben des SPIEGEL überprüft werden soll.

Dies erscheint umso notwendiger, als die Quellen des Eingangteils überwiegend aus den 70er Jahren datieren.

Die Überprüfung der aufgestellten Thesen und der Ergebnisse kann nur rein subjektiv erfolgen, da die Auswahl der Textbelege ja schon eine subjektive Entscheidung ist. Inwieweit diese aber repräsentativ sind, ist schwer nachzuprüfen, da dies eine äußerst akribische Analyse jedes einzelnen Heftes mehrerer Jahrgänge notwendig machte. Es liegt in der Natur der Sache, daß die hier vorliegende Arbeit dies nicht leisten will und auch nicht leisten kann.

II. Der Aufbau des SPIEGEL

1. Die SPIEGEL-Story

Bevor ich mich mit den Funktionen und Intentionen des SPIEGEL beschäftige, erscheint ein Blick auf die äußere Struktur der Textgestaltung angebracht.

Der im SPIEGEL vorherrschende Texttypus ist die Story, die überwiegend in den Sparten Deutschland, Ausland, Sport und Kultur verwendet wird.1

Dem SPIEGEL-Statut zufolge, ist diese Form dazu geeignet, "den Bericht über ein aktuelles Geschehen in Aktion (Handlung) umzusetzen", um dem Leser den Eindruck zu vermitteln, nah am Geschehen zu sein.2

Die Gefahr einer solchen lebhaften, ereignisnahen Erzählweise für den Leser besteht jedoch darin, daß die Story auch immer impliziert kommentiert und eine Unterscheidung der kommentierten Tatsachen und den Tatsachen selber kaum noch möglich ist.

Grimminger bezeichnet aufgrund der nicht ganz objektiven Darstellungsweise die Story auch als "kommentierte Erzählung".3

Die aktuellen Fakten dienen "als Aufbauelemente von Geschichten, in die Menschen verstrickt sind", wobei die Story jedoch nicht abbildet und mitteilt, sondern hinzufügt.4

Um die Bestandteile der Story einmal klar darzustellen, greife ich auf eine von Just erstellte Auflistung zurück:

1. der Lead, also der Textanfang
2. das Prinzip, die "Fakten um die im Lead genannte Person zu ranken"
3. den Schluß, der "als Fazit der Story wirken kann oder den Leser überraschen soll".5

Der Lead ist die konkret zusammenfassende Einleitungspassage, während der Mittelteil eine extensiv, breiter ausgebaute Darstellung der im Anfang eingeführten Situationen oder Personen leistet und der Schluß die Nachricht in ihrer Bedeutung zusammenfaßt.

Aus diesem Aufbaumuster und gerade wegen des Mittelteils, der auch Rückblenden in die Vorgeschichte und historische Lösungsansatzpunkte liefert, wird deutlich, daß die Story sprachlich eine Kombination aus der Empirie der Fakten (Bericht) und der Subjektivität der Meinung (Kommentar) sein muß.1

Dem Lead kommt zudem auch die Funktion zu, einen Leseanreiz bieten zu müssen. Deshalb muß er sprachlich so gestaltet werden , daß dem Leser sofort klar wird, warum und aus welchem aktuellen Anlaß die Geschichte geschrieben wurde, und er unmittelbar entscheiden kann, ob er diese Geschichte liest oder nicht.

Ähnlich wichtig ist auch das Textende, das den Leser mit einem "effektvollen und überraschenden Schluß" oder einem wichtigen Fazit, als letztem Eindruck, aus dem Lesevergnügen entlassen soll.2

2. Die Leseanreize

Der Lead, die Bildunterschrift, der Titel

Nach Jacobi/Engel gibt es neben dem o.a. Lead noch zwei "weitere Möglichkeiten, den Leser zum Lesen einer Geschichte zu verführen"3, nämlich die Bildunterschrift und den Titel.

Während der Lead aufgrund seines Layouts (Fettdruck) und seiner sprachlichen Gestaltung auf den Artikel aufmerksam macht, ist es bei den Bildunterschriften "die von Time übernommene Komposition von Überschrift und Bildunterschrift zu einem - oft stark pointierten - Zyklus".4

Der Bezug des Bildtextes zum Foto und den darauf abgebildeten Personen ist meist nicht erläuternd oder sachlich, sondern auf den Tenor der Geschichte abgestimmt.

Die dritte Möglichkeit des Leseanreizes bietet die Überschrift, die das Thema prägnant umreißt und aufgrund der darin versprochenen Informationen den Leser zum Lesen anregen soll.1

Auffallend ist, daß es innerhalb ein und derselben SPIEGEL-Ausgabe zu ein und derselben Story verschiedene Überschriften gibt.

Die Titel-Story über den Kritiker Marcel Reich-Ranicki wurde auf der Umschlagseite mit "Der Verreißer" angekündigt, im Inhaltsverzeichnis als "Marcel Reich-Ranicki - vom Kritiker zum Fernsehstar" bezeichnet und im Textteil letztlich mit "Der Herr der Bücher" überschrieben.2

Somit ergeben sich für den SPIEGEL in diesem Fall drei Gelegenheiten, mit dem Titel den Leser auf die Geschichte aufmerksam zu machen:

Zunächst mit dem grell formulierten, kurzen Titel auf der Umschlagseite, dann mit der eher sachlichen Ankündigung im Inhaltsverzeichnis und schließlich mit dem Wortspiel auf Goldings "Der Herr der Fliegen", der zusätzlich auch auf die Bildung des Lesers anspielt.3

Die Funktion dieser drei Teile hat Rolf Grimminger prägnant zusammengefaßt:

Story-Titel, Bild-Untertitel und die Strategie der Einleitung sind nun genau jene Teile im Kommunikationsproze ß , die der eigentlichen Lekt ü re des Textes vorangehen, also auf prim ä res Interesse oder Desinteresse sto ß en. [...], um diese Alternative so gering wie m ö glich zu halten, sind sie derart auf den Effekt zugeschnitten: der potentielle Nicht-Leser soll ausgeschaltet werden. Doch signalisieren sie nicht nur Atmosph ä re, sondern bereiten in der Tiefe, [...], zugleich Informationen und Urteile vor. 4

III. Funktionen und Intentionen des SPIEGEL

1. SPIEGEL-Leser wissen mehr!?

1.1 Die Leserspezifität

Mit dem Slogan "SPIEGEL-Leser wissen mehr" wirbt der SPIEGEL allwöchent- lich für seine neueste Ausgabe; aber wer sind denn nun diese Leser, die angeblich mehr wissen?

Einige subjektive Charakterisierungen seien hier kurz angeführt:

Augstein bezeichnet die Zielgruppe als "bildungsfähige Durchschnittsmenschen", Stave urteilt über den SPIEGEL-Leser als einen,"bei aller scheinbaren Aufgeklärtheit, Gefangenen seiner eigenen Beschränktheit", während Enzensberger ihn für einen "Schlüsselloch-Gucker" hält, der an "Neid, übler Nachrede und Schadenfreude" interessiert ist.1

Just kategorisiert die SPIEGEL-lesenden Berliner Studenten als SPD-tendierend.

Diese Äußerungen des alleinigen Herausgebers und einiger "SPIEGEL-Analytiker" lassen allerdings keinen qualifizierten Schluß über die Leserschicht zu. Aussagekräftiger sind da Statistiken, die sich auf das Bildungsniveau und die soziale Stellung beziehen.

Leider liegt mir nur eine Statistik aus dem Jahre 1970 vor, in der die zahlenmäßig größte Lesergruppe von mittleren Beamten und Angestellten, die ebenso der ökonomischen Mittelschicht angehören, gebildet wurde. Auch hatte der SPIEGEL mit 51% den größten Anteil, im Vergleich zu anderen Zeitschriften im Jahr 1970, an Lesern mit mittlerer Schulbildung, Abitur und Hochschulausbildung.

Nachzuprüfen, ob und inwieweit diese Erhebungen heute, knapp 25 Jahre später, noch Gültigkeit haben, ist mir mangels Materialien nicht möglich. Ausgehend von dem Image, das der SPIEGEL heute als eher intellektuelles, elitär-orientiertes Magazin hat, liegt die Vermutung nahe, daß sich die Leserschicht nicht gravierend geändert hat.

Naheliegend ist, daß auch die Sprache dergestalt abgestimmt wird, daß sie die Hauptklientel anspricht.

Die durchschnittliche Lektüre des SPIEGEL beträgt 3 1/2 Stunden, so daß man ohne weiteres ein generelles Interesse beim Leser voraussetzen kann, das durch die sprachliche Verbindung von einfacher Verständlichkeit und einem gewissen Anspruch an die Bildung noch geschürt wird.2

[...]


1 Carstensen "SPIEGEL-Wörter, SPIEGEL-Worte" (1971) S.30

2 Zitiert nach Jacobi/Engel in Carstensen (1971) S.31

3 Grimminger "Kaum aufklärender Konsum" in: "Sprache und Gesellschaft" (1972) S.40

4 Willi Feld "Die Spiegel-Metaphorik" in "Der SPIEGEL" 28 (1977) S.17f

5 Just; zitiert in: Carstensen (1971) S.34

1 Grimminger (1972) S.34f

2 Carstensen (1971) S.38

3 ebd. S.41

4 Just in: Carstensen (1971) S.39

1 Carstensen (1971) S.41

2 DER SPIEGEL Nr.40 v. 04.10.1993 S.1,4,268 (Zu aktuellen Textbeispielen siehe auch Kap.V.)

3 Diesen Punkt spreche ich später in Kap III. 1.1 noch einmal an.

4 Grimminger (1972) S.38

1 Carstensen (1971) S.28f

2 Grimminger (1972) S.29 vgl. auch Anmerkung Nr.3 auf S.6

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel'
Untertitel
Charakteristika, Funktionen und Intentionen
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Germanistisches Seminar - Abteilung für Deutsche Philologie und Linguistik)
Veranstaltung
Politische Textsorten
Note
1,0
Autor
Jahr
1994
Seiten
20
Katalognummer
V176677
ISBN (eBook)
9783640980734
ISBN (Buch)
9783640980918
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
nachrichtenmagazin, spiegel, charakteristika, funktionen, intentionen, Politische Textsorten, Linguistik, Germanistik, Der Spiegel, Sprache in Nachrichtenmagazinen, Zeitschrift, Leseanreize, Leserspezifität, Journalismus, Sprachliche Stilmittel
Arbeit zitieren
Manfred Müller (Autor:in), 1994, Das Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176677

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