Das Theater hat für Polen immer eine wichtige Rolle gespielt: In der Zeit nach der dritten polnischen Teilung von 1795, hatte Polen bis 1918 kein eigenes Staatsgebiet mehr, die polnische Sprache und Kultur wurde von den Besatzungsmächten unterdrückt. Die einzigen Orte, an denen Polnisch gesprochen werden durfte, waren die Kirche und das Theater. Doch gerade aufgrund der widrigen Umstände seiner Geschichte konnte sich in Polen eine ganz besondere, experimentierfreudige Form des Theaters entwickeln: Bereits in der polnischen Romantik entstand eine poetische, metaphorische und häufig grotesk wirkende Literatur, auch aus dem Grund um die Zensur der Besatzungsmächte zu umgehen. Diese Literaturtradition wurde dann zu einem Grundstein des experimentellen Theaters des 20. Jahrhunderts. Stanisław Ignacy Witkiewicz bildete mit seiner Theorie von der „Reinen Form des Theaters“ zusätzlich noch eine theoretische Grundlage für die Entstehung des experimentellen Theaters in Polen.
In dieser Arbeit möchte ich mich mit dem experimentellen Theater in Polen anhand dreier Beispiele beschäftigen: Das Theaterensemble Reduta von Juliusz Osterwa, das in der Zwischenkriegszeit von 1918-1939 aktiv war; das Teatr Laboratorium von Jerzy Grotowski, das von den 50ern bis in die 90er gewirkt hat und das experimentelle Theater Gardzienice, das bis heute noch Stücke aufführt. Mich interessieren dabei besonders die Umstände ihrer Entstehung und Entwicklung und die Art und Weise wie diese verschiedenen Theater experimentieren. Ziel meiner Arbeit ist es eine kurze Übersicht über die Geschichte, die Arbeitsweise und die Wirkung des experimentellen Theaters in Polen zu liefern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Entstehung und Entwicklung der Reduta in der Zwischenkriegszeit
- Die Vorstellung vom experimentellen Theater in der Reduta
- Die Rahmenbedingungen für das Theater nach 1945
- Historischer Überblick zu Grotowskis Werdegang und Theater
- Die Vorstellung vom experimentellen Theater bei Grotowski
- Die Entstehung des Theaters in Gardzienice
- Das experimentelle Theater bei Staniewski
- Schluss
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem experimentellen Theater in Polen im 20. Jahrhundert und untersucht die Entstehung, Entwicklung und Arbeitsweise dreier wichtiger Theaterensembles: Die Reduta von Juliusz Osterwa, das Teatr Laboratorium von Jerzy Grotowski und das Theater in Gardzienice von Wlodzimierz Staniewski. Die Arbeit analysiert die spezifischen Umstände, die zur Entwicklung des experimentellen Theaters in Polen beigetragen haben, und beleuchtet die jeweiligen Vorstellungen der Theatermacher von Schauspielkunst und Theaterpädagogik.
- Die Geschichte und Entwicklung des experimentellen Theaters in Polen
- Die Rolle des Theaters in der polnischen Geschichte und Kultur
- Die verschiedenen Ansätze und Konzepte des experimentellen Theaters
- Die Bedeutung des Körpers und der Schauspielkunst
- Die Beziehung zwischen Schauspieler und Zuschauer
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Bedeutung des Theaters für Polen im 20. Jahrhundert dar und erläutert die Entstehung des experimentellen Theaters im Kontext der polnischen Geschichte und Literatur. Die Arbeit fokussiert auf die Reduta von Juliusz Osterwa, das Teatr Laboratorium von Jerzy Grotowski und das Theater in Gardzienice von Wlodzimierz Staniewski als Beispiele für experimentelles Theater in Polen.
Das Kapitel "Die Entstehung und Entwicklung der Reduta in der Zwischenkriegszeit" beschreibt die Gründung der Reduta, ihre Anfänge in Moskau und die Bedeutung des Instituts Reduty für die Ausbildung von Schauspielern. Der Fokus liegt auf der besonderen Arbeitsweise der Reduta, die sich durch Reisen durch ganz Polen, die Aufführung von polnischen Stücken und die Ablehnung eines kommerziellen Theaterbetriebs auszeichnete.
Das Kapitel "Die Vorstellung vom experimentellen Theater in der Reduta" analysiert Osterwas Kritik an der traditionellen Theaterauffassung und seine Vision eines neuen Theaters, das sich durch die Konzentration auf das „Nacherleben" von Situationen, die Abschaffung des Souffleurs und die Betonung der Ensembleleistung auszeichnete. Die Reduta fungierte als eine Art Kommune, die den Schauspielern einen neuen Lebensstil vermitteln sollte.
Das Kapitel "Die Rahmenbedingungen für das Theater nach 1945" beschreibt die politischen und kulturellen Veränderungen in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Auswirkungen auf die Theaterlandschaft. Der Fokus liegt auf der Verstaatlichung des Kulturbetriebs und der Einführung des sozialistischen Realismus, die jedoch nur eine kurze Zeit andauerte. Die Arbeit zeigt, dass trotz der Repressionen ein experimentelles Theater in Polen entstand, das von staatlicher Finanzierung profitierte und sich von der Gunst eines Massenpublikums unabhängig machen konnte.
Das Kapitel "Historischer Überblick zu Grotowskis Werdegang und Theater" zeichnet einen Überblick über Grotowskis Karriere und seine wichtigsten Stationen, darunter seine Arbeit am Theater 13 Rzedöw in Opole und die Gründung des Teatr Laboratorium. Die Arbeit beleuchtet Grotowskis Interesse an Theaterpädagogik und Forschung und seine Reisen nach Russland, Mittelasien, Indien und Haiti.
Das Kapitel "Die Vorstellung vom experimentellen Theater bei Grotowski" analysiert Grotowskis Konzept des „Armen Schauspielers" und seine Vorstellung von der „Translumination", die eine vollständige psychische und physische Grenzüberschreitung des Schauspielers beinhaltet. Die Arbeit beleuchtet Grotowskis Kritik am bürgerlichen Theaterpublikum und seine Versuche, die Barriere zwischen Schauspieler und Zuschauer zu beseitigen.
Das Kapitel "Die Entstehung des Theaters in Gardzienice" beschreibt die Gründung des Theaters durch Wlodzimierz Staniewski und die Entstehung des Konzepts des „Theaters in der freien Natur". Die Arbeit beleuchtet Staniewskis Reisen durch Polen, Weißrussland und die Ukraine und die Auseinandersetzung mit der dörflichen Kultur. Das Theater in Gardzienice wurde zu einem Ort der Begegnung und des Austauschs zwischen Theater und dörflicher Tradition.
Das Kapitel "Das experimentelle Theater bei Staniewski" analysiert Staniewskis Konzept des „Theaters in der freien Natur" und seine Auseinandersetzung mit der dörflichen Kultur. Die Arbeit beleuchtet den Einfluss von Michail Bachtin auf Staniewskis Theater und die Verwendung von „Karnevalisiemng" und „Grotesker Realismus" in seinen Inszenierungen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das experimentelle Theater, die Reduta, Juliusz Osterwa, Jerzy Grotowski, Teatr Laboratorium, Wlodzimierz Staniewski, Theater in Gardzienice, polnische Geschichte und Kultur, Schauspielkunst, Theaterpädagogik, „Reine Form des Theaters", „Translumination", „Armer Schauspieler", „Karnevalisiemng", „Grotesker Realismus", und die Beziehung zwischen Schauspieler und Zuschauer.
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- Matthäus Wehowski (Autor), 2010, Das experimentelle Theater im 20. Jahrhundert in Polen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/178550