[...] Die althistorische Forschung hat bis in die späten 1950er Jahre die demographische Entwicklung im Vorfeld der Reform als ein Bevölkerungsschwund gewertet. Dieser quantitative Mangel an wehrfähigem Potenzial wurde als Hauptgrund für das Nichterfül-len der Vermögensqualifikation angeführt. Seitdem hat sich jedoch eine Tendenz zur Revision der demographischen Entwicklung herausgebildet. Kernaussage dieser Neubewertung ist, dass ein allgemeines Bevölkerungswachstum stattgefunden hat, dessen Konsequenz eine zunehmende Verarmung der italischen Bevölkerung war.
In dieser Arbeit werde ich mich mit der Frage befassen, inwiefern nach der wissenschaftlichen Neubewertung der demographischen Entwicklung im römisch-republikanischen Italien im 2. Jhd. v. Chr. nun nicht auch die Agrarreform von 133 selbst neubewertet werden muss.
Zunächst werde ich eine Auswertung und Interpretation der Zensuszahlen, welche als demographisches Material dienten, vornehmen (Kapitel 2). Im nächsten Schritt werde ich die bereits angesprochene Neubewertung der demographischen Entwicklung nachzeichnen (Kapitel 3). Vor diesem Hintergrund werde ich die Forschungsdiskussion um die Agrarreform darstellen (Kapitel 4).
Als historische Quelle dient Livius, der die Zensuszahlen als demographisches Material überliefert hat. Ferner berichteten die antiken Historiographen Appian und Plutarch im 1. /2. Jhd. n. Chr. sowohl über die Brüder Tiberius und Gaius Gracchus, als auch über die demographische Entwicklung im Vorfeld. Ihre Theorie prägte bis in die späten 1950er Jahre das moderne geschichtswissenschaftliche Forschungsbild und wird deshalb in dieser Arbeit ausführlicher vorgestellt. Der Schwerpunkt meiner Betrachtung liegt im Zeitraum von 200-120 v. Chr., der die Vorlaufzeit und die ersten Auswirkungen der Reform umfasst. Inhaltlich betrachtet geht es überwiegend um die freie Bevölkerung als demographisch-militärisches Potenzial. Eine sozial stratifizierte Darstellung in Sklaven, Großgrundbesitzer etc. tritt daher in den Hintergrund. Auf die Umsetzung und die Auswirkung der Agrarreform sowie deren heftige Ablehnung durch die römische Elite kann ebenfalls nur am Rande eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Zensus als demographisches Material
- Die Bevölkerungsentwicklung im 2. Jhd. v. Chr.
- Theorie der Bevölkerungsabnahme
- Theorie des Bevölkerungswachstums
- Die Gracchischen Landreformen 133 v. Chr.
- Historischer Kontext und Bewertung der Reform in der älteren Forschung
- Eine Neubewertung der Agrarreform?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern die wissenschaftliche Neubewertung der demographischen Entwicklung im römisch-republikanischen Italien im 2. Jhd. v. Chr. eine Neubewertung der Gracchischen Agrarreform von 133 v. Chr. erfordert. Im Fokus stehen die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der demographischen Entwicklung und deren Einfluss auf die Durchführung der Reform. Dabei wird untersucht, ob die Agrarreform als Reaktion auf ein Bevölkerungsschwund oder auf ein Bevölkerungswachstum zu betrachten ist.
- Die Rolle des Zensus als demographisches Material
- Die unterschiedlichen Theorien zur Bevölkerungsentwicklung im 2. Jhd. v. Chr.
- Die Gracchische Agrarreform und ihre historischen Hintergründe
- Die Neubewertung der Agrarreform im Licht der demographischen Entwicklung
- Die Auswirkungen der Agrarreform auf die römische Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2 analysiert die Zensuszahlen als demographisches Material und beleuchtet deren Bedeutung für die Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung. Kapitel 3 zeichnet die Neubewertung der demographischen Entwicklung im 2. Jhd. v. Chr. nach und diskutiert die Theorien des Bevölkerungsschwunds und des Bevölkerungswachstums. Kapitel 4 stellt die Forschungsdiskussion um die Gracchische Agrarreform vor und beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf die Reform im Kontext der demographischen Entwicklung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der römischen Geschichte, wie der Bevölkerungsentwicklung im 2. Jhd. v. Chr., der Gracchischen Agrarreform von 133 v. Chr., der Rolle des Zensus als demographisches Material, der Bedeutung der Landverteilung und den sozialen und wirtschaftlichen Folgen der demographischen Entwicklung für die römische Gesellschaft.
- Quote paper
- Samuel Lissner (Author), 2010, Die Gracchische Agrarreform 133 v. Chr. als Reaktion auf die Bevölkerungsentwicklung Roms im 2. Jhd. v. Chr., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/180648