Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einłührung
1.1 Methodik und die Kriterien der Fallauswahl
1.2 Bestimmung der Variablen und der Indikatoren
2. Theoretischer Teil
2.1 Theorienpluralismus
2.2 Hypothesenbildung
3. Empirischer Teil
3.1 Belarus
3.2 Polen
3.3 Zusammenfassung und Überprüfung der Hypothese
4. Schlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Einführung
Der Zusammenbruch der Sowjetunion bot den ehemaligen Staaten der UdSSR die Möglichkeit, ihr politisches Schicksal und den Weg in eine Demokratie, selbst zu bestimmen. Vielen dieser Staaten gelang es demokratische und marktwirtschaftli− che Strukturen zu etablieren und für einige führte der Weg in die EU−Integration. Diese Erfolgsmeldungen mischen sich aber auch mit Meldungen über gravierende Misserfolge im Transformationsprozess. Dies verdeutlicht sich nicht zuletzt in Pres− semeldungen wie „Regime nimmt führenden Menschenrechtler fest” (SPIEGEL ONLINE: 2Off).
Obwohl die Transformationen der post−sozialistischen Länder eine Vielzahl wissen− schaftlicher Arbeiten zu diesem Thema hervorbrachte, gibt es kaum gesicherte Annahmen darüber, welche Faktoren und Voraussetzungen die Demokratisierung fördern und welche sie behindern. Im Gegenteil stellen die Transformationsverläu− fe der ehemaligen Ostblockländer die aus früheren Transformationen gewonnenen Erkenntnisse wieder infrage. Dabei besitzt gerade die Sicherung der Transformati− on vom Sozialismus zur Demokratie eine enorme politische Relevanz. Schließlich gilt es eine erneute Aufsplittung zwischen einem „Europa des Westens − und im Osten das Europa des ,Rests'” nicht entstehen zu lassen (GRISCHTSCHENKO 2Off: S. f7f). Die vorliegende Arbeit soll im Folgenden einen Beitrag zur Schließung die− ser Erklärungslücke leisten. Die Fragestellung dieser Arbeit lautet dabei: Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen sowie politischen Fakto− ren und dem unterschiedlichen Stand im Transformationsprozess der Nachfolge− staaten der Sowjetunion?
Im Verlauf dieser Arbeit werden zunächst die Methodik und die Kriterien der Fall− auswahl erläutert, bevor dann im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit beleuchtet werden. Dort werden auch die Hypothesen dieser Arbeit abgeleitet. Im dritten Kapitel erfolgt schließlich der eigentliche Vergleich der bei− den Länder Belarus und Polen und die Vergleichzusammenfassung. Im vierten Ka− pitel erfolgt schließlich die Schlussbetrachtung der gewonnen Erkenntnisse.
1.1 Methodik und die Kriterien der ¢allauswahl
Die hier zur Beantwortung der Fragestellung zum Einsatz kommende qualitative vergleichende Methode ist der Kategorie der sm all−n− Studien zuzuordnen. Da die Ursachen für den unterschiedlichen Transformationsstand erklärt werden sollen, kommt ein kontrollierter Vergleich nach dem most −similar−case−design zur Anwen− dung. Demnach werden nur solche Fälle verglichen, die möglichst ähnliche Hinter− grundvariablen aufweisen, um die externe Varianz gering zu halten. Bei der Fall− auswahl ist zudem auf eine möglichst hohe Varianz der unabhängigen Variablen zu achten. Das Ziel dieses Designs besteht in erster Linie im Aufdecken von Unter− schieden zwischen diesen Ländern. Dabei wird der Grundgedanke verfolgt, dass die Gemeinsamkeiten dieser Länder nicht die gefundenen Unterschiede verursa− chen können. Ein Nachteil dieses Ansatzes ist, dass zwar mögliche Ursachen für gefundene Unterschiede ausgeschlossen werden können, aber trotzdem immer noch viele Erklärungsalternativen unberücksichtigt bleiben.
Aus der Grundgesamtheit, die die post−sozialistischen Staaten der ehemaligen Sowjetunion repräsentiert, wurden für diese Arbeit die Staaten Belarus und Polen ausgewählt. Die Staaten eignen sich für diesen Vergleich, da sie spezifische Ge− meinsamkeiten aufweisen. Sie sind einerseits alle gemeinsam geprägt durch eine Epoche sozialistischer Politik und andererseits durch den in den f99Oer Jahren beginnenden Transformationsprozess. Beide sind aus einem autoritären Einpartei− ensystem hervorgegangen. Auch die geografische Lage, die gemeinsame Staats− grenze trägt zur erforderlichen Kongruenz bei.
1.1 Bestimmung der Variablen und Indikatoren
Unter Rückgriff auf das von Merkel und Puhle entwickelte Konzept der embedded democracy sollen die beiden Staaten Belarus und Polen zunächst transfomrati− onstheoretisch betrachtet werden (Vgl. MERKEL 2OO7b: S. 2Off.). Dieses Konzept geht dabei von einer doppelten Einbettung der Demokratie aus. Der Vorteil dabei ist, dass hier die externe Einbettung berücksichtigt und der Blick auf sozio− ökonomische Einflussfaktoren sowie den internationalen Kontext gerichtet wird.
Darüber hinaus gelingt es durch dieses Konzept die Defekte besser zu analysieren, da die innere Einbettung in fünf Teilregime ausdifferenziert ist. Sobald eines der Teilregime beschädigt ist, gilt die Demokratie auf dieser Grundlage schon als de− fekt. Sofern die Defekte aber noch stärker ausfallen, kann gar die Grenze zur Auto− kratie überschritten sein. (Vgl. MERKEL 2OO7b: S. 24). In diesem Zusammenhang ordnet Merkel Belarus und Polen gemäß seinem Konzept der embedded democr a− cy unter Zuhilfenahme des Transformationsindex der Bertelsmannstiftung aus dem Jahr 2OO8 den Regimetyp „Autokratie”, bzw. „rechtstaatlichen Demokratie” für Polen, zu (Vgl. MERKEL 2OO7a: S. 4f8ff). Auch der aktuelle Transformationsindex der Bertelsmannstiftung (BTI 2OfO) weist in diesem Zusammenhang keine signifi− kanten Änderungen für diese Zuordnung auf, sodass die Einordnung ohne Abwei− chungen so übernommen werden kann (Vgl. BERTELSMANN 2OfO).
Für die weitere Bearbeitung ist es erforderlich die Variabeln zu bestimmen und mit Indikatoren zu versehen. Das zu erklärende politische Phänomen, also der Unter− schiedliche Stand im Transformationsprozess, entspricht hier der abhängigen Vari− able. Die Einflussfaktoren, die dieses Phänomen bedingen, also die Faktoren, mit denen die Ausprägung des Phänomens erklärt wird, stellt die unabhängigen Vari− able dar. Diese sollen sein:
- Ausprägung nationaler Identität
- Umfang des Elitenwechsels
- Internationaler Kontext
Als Indikatoren für diese unabhängigen Variabeln sollen gelten:
- Indikatoren für die nationale Identität: Autonomstaatliche Erfahrungen aus vorkommunistischer Zeit, Verwendung nationaler Themen innerhalb der Programmatik von Bürgerbewegungen, Existenz demokratischer Traditio− nen und Werte.
- Indikatoren für den Elitenwechsel: Konsensbildung, personeller und ideo− logischer Austausch der Eliten, Flexibilität der Machtstrukturen, Einfluss− nahme durch oppositionelle Bewegungen.
- Indikatoren für den internationalen Kontext: Anreize aus internationaler Verflechtung, hegemonialer Einfluss externen Staaten, Verpflichtungen aus zwischenstaatlicher Zusammenarbeit.
2. Theoretischer Teil
2.1 Theorienpluralismus
Im Rahmen der Demokratieforschung befasst sich die Transformationsforschung mit dem „Systemwechsel von autoritären Regimen zu Demokratien” (NOHLEN 2OO2). Dieser Wechsel umfasst drei Phasen. Zuerst wird das autokratische Regime abgelöst. Dann erfolgt die Institutionalisierung der Demokratie, bevor schließlich die Konsolidierung der Demokratie einsetzt. (Vgl. DIAMOND f994: 242). Der trans− formationstheoretische Hintergrund dazu gestaltet sich wie folgt: Modernisierungstheoretische Ansätze nach Lipset stellen einen Zusammenhang zischen dem sozioökonomischen Entwicklungsstand eines Staates und dessen Grad an Demokratisierung auf. Der Idee nach führt eine sozioökonomisch positive Ent− wicklung zur Demokratisierung, Armut dagegen behindert diese.
Gleichwohl relativieren Merkel und Puhle auch diesen Zusammenhang, da der wirtschaftliche Wohlstand nur ein Faktor von vielen sei, der die Demokratisierung zwar fördert aber nicht bedingt (Vgl. MERKEL, PUHLE f999: 54ff).
Anders der Machtressourcenansatz nach Vanhannen. Hier lautet die Idee: Eine breite Verteilung der Machtressourcen bewirkt eine Kompromissbereitschaft und wirkt so positiv auf die Demokratisierung ein. Je höher jedoch die Machtkonzent− ration ist, desto schwieriger ist eine Demokratie zu etablieren.
Kulturalistische Ansätze folgen der Annahme, dass sich bestimmte religiöse oder kulturelle Prägungen auf Demokratiefähigkeit positive oder negativ auswirken. Auch historische demokratische, bzw. nationalstaatliche Erinnerungen und Erfah− rungen beeinflussen das Verhältnis der Gesellschaft zur Demokratie. Für die nach− haltige Etablierung einer Demokratie bedarf es auch einer zivilen Kultur, auf die sich das demokratische System stützen kann.
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