Die Rhône-Kultur in der Westschweiz

Eine Kultur der Bronzezeit von etwa 2200 bis 1600 v. Chr.


Textbook, 2011

74 Pages


Excerpt


Inhalt

Vorwort

Die Frühbronzezeit in der Schweiz
Abfolge und Verbreitung der Kulturen und Gruppen

Die geheimnisvolle Totenstätte
Die Rhône-Kultur von etwa 2200 bis 1600 v. Chr.

Anmerkungen

Literatur

Bildquellen

Die wissenschaftliche Graphikerin
Friederike Hilscher-Ehlert

Der Autor Ernst Probst

Bücher von Ernst Probst

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der dänische Archäologe

Christian Jürgensen Thomsen (1788-1865) hat 1836 die Urgeschichte

nach dem jeweils am meisten verwendetem Rohstoff

in drei Perioden eingeteilt:

Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit.

Vorwort

Eine Kultur der Bronzezeit, die von etwa 2200 bis 1600 v. Chr. in der Westschweiz und in Ost- frankreich existierte, steht im Mittelpunkt des Ta- schenbuches »Die Rhône-Kultur in der Westschweiz«. Geschildert werden die Siedlungen, die Kleidung, der Schmuck, die Keramik, die Werkzeuge, die Waffen, die Haustiere, das Verkehrswesen, der Handel und die Re- ligion der damaligen Ackerbauern, Viehzüchter und Bronzegießer.

Verfasser dieses Taschenbuches ist der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst. Er hat sich vor allem durch seine Werke »Deutschland in der Urzeit« (1986), »Deutschland in der Steinzeit« (1991) und »Deutschland in der Bronzezeit« (1996) einen Namen gemacht. Das Taschenbuch »Die Rhône-Kultur in der West- schweiz« ist Dr. Gretel Gallay (heute Callesen), Dr. Albert Hafner und Dr. Jürg Rageth gewidmet, die den Autor mit Rat und Tat unterstützt haben. Es enthält Lebensbilder der wissenschaftlichen Graphikerin Friederike Hilscher-Ehlert aus Königswinter.

Die Frühbronzezeit in der Schweiz

Abfolge und Verbreitung der Kulturen und Gruppen

Die Frühbronzezeit dauerte in der Schweiz etwa von 2300 bis 1600 v. Chr. Ihr erster Abschnitt, in dem noch weitgehend gehämmerte Metallobjekte hergestellt wurden, wird als ältere Frühbronzezeit bezeichnet. Der zweite Abschnitt dagegen, in dem man bereits massive Bronzeobjekte goss, heißt entwickelte Frühbronzezeit. In der Westschweiz existierte von zirka 2200 bis 1600 v. Chr. die Rhône-Kultur (s. S. 19). Ihre ältere Phase von ungefähr 2200 bis 1800 v. Chr. ist bisher nur durch Grabfunde im Unterwallis und in der Region des Thuner Sees im Berner Oberland belegt. Während der jüngeren Phase von etwa 1800 bis 1600 v. Chr. existierten die westschweizerische Aare-Rhône-Gruppe und die ostfranzösische Saône-Jura-Gruppe.1

Die Funde aus der Zeit zwischen etwa 1800 und 1600 v. Chr. im nordostschweizerischen Mittelland werden der Arbon-Kultur zugerechnet. Nach der Altersdatierung von Hölzern aus Seeufersiedlungen im nordostschweizerischen Mittelland zu schließen, sind diese Dörfer erst in der ausklingenden Frühbronzezeit errichtet und bewohnt worden.

Zeichnung auf Seite 15:

Rekonstruktion einer Seeufersiedlung

der Arbon-Kultur (etwa 1800 bis 1600 v. Chr.)

von Zürich-Mozartstraße

Ob dieses Dorf am Zürichsee

mit zehn Häusern in drei Reihen

tatsächlich von einer Palisade geschützt wurde, gilt als nicht gesichert.

Zeichnung von Friederike Hilscher-Ehlert, Königswinter, für das Buch »Deutschland in der Bronzezeit« (1996) von Ernst Probst

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Von den Relikten der Rhône-Kultur und der Arbon- Kultur unterscheiden sich die frühbronzezeitlichen Funde in weiten Teilen des Kantons Graubünden ganz deutlich. Deshalb spricht man dort von der Inneralpinen Bronzezeit-Kultur in der Frühbronzezeit (etwa 2300 bis 1600 v. Chr.). Diese Eigenständigkeit setzte sich auch in der Mittelbronzezeit und teilweise noch in der Spät- bronzezeit fort.

Bisher sind aus der ganzen Schweiz etwa hundert frühbronzezeitliche Siedlungsplätze nachgewiesen. Gräber kennt man vor allem aus den Kantonen Wallis und Bern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

GEORG KRAFT,

geboren am 11. März 1894 in Bad Neuenahr,

gestorben bei einem Bombenangriff

am 27. November 1944 in Freiburg/Breisgau.

Er studierte in Tübingen

und promovierte 1922 in Freiburg/Breisgau.

1926 erfolgte seine Habilitation

in Freiburg/Breisgau,

wo er das Museum für Urgeschichte

der Universität betreute und ausbaute.

Ab 1926 war er staatlicher Denkmalpfleger für Südbaden.

Auf Kraft geht der Begriff Rhône-Kultur zurück.

Die geheimnisvolle Totenstätte

Die Rhône-Kultur

Der Zufall bescherte 1961 der Archäologie im Kanton Wallis eine Sternstunde: Damals stießen Arbeiter beim Bau einer Wasserleitung in der Avenue du Petit Chasseur von Sitten (Sion) auf eine rätselhafte Totenstätte mit imposanten Großsteingräbern und verzierten Statuenmenhiren. Bei den Ausgrabungen, die von 1961 bis 1972 andauerten, stellte sich heraus, dass an dieser Stelle mehr als 1000 Jahre lang die Menschen verschiedener Kulturen ihre Toten zu Grabe getragen hatten.

Zu den prächtigsten Entdeckungen in dieser Totenstätte gehören die Hinterlassenschaften der jungsteinzeitlichen Glockenbecher-Kultur, die in manchen Gebieten Europas von etwa 2500 bis 2200 v. Chr. existierte. Diese Kultur verdankt den typischen glockenähnlichen Tongefäßen ihren Namen.

Von ebendiesen Glockenbecher-Leuten stammen die Menschen der frühbronzezeitlichen Rhône-Kultur ab, die von etwa 2200 bis 1600 v. Chr. in der Westschweiz und in Ostfrankreich angesiedelt war. In der Totenstätte von Sitten-Petit Chasseur folgen die Bestattungen dieser beiden Kulturen aus unterschiedlichen Zeitaltern der Urgeschichte, nämlich der Stein- und der Bronzezeit, unmittelbar aufeinander.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verbreitung der Kulturen und Gruppen während der jüngeren Frühbronzezeit (etwa 1800 bis 1600 v. Chr.) in der Schweiz

Den Begriff »Rhône-Kultur« hat 1948 der am Schwei- zerischen Landesmuseum, Zürich, arbeitende Prä- historiker Emil Vogt (1906-1974) geprägt, ihn damals jedoch dem in Freiburg/Breisgau tätigen deutschen Prähistoriker Georg Kraft (1894-1944) zugeschrie- ben, der ursprünglich den Namen Walliser Kultur1 be- nutzte. Andere Prähistoriker dagegen sprachen von der Civilisation rhodanienne2 oder von der Alpinen Gruppe3.

Der damals in Freiburg/Breisgau wirkende Prähisto- riker Albert Hafner gelangte in den 1990-er Jahren nach Untersuchungen und dem Vergleich von Funden aus der Schweiz, Frankreich und Deutschland zu neuen Erkenntnissen über die Rhône-Kultur. Er unterteilte sie 1995 in eine ältere Phase von etwa 2200 bis 1800 v. Chr. und in eine entwickelte Phase von ungefähr 1800 bis 1600 v. Chr.

Die ältere Rhône-Kultur ist aus der erwähnten Glo- ckenbecher-Kultur entstanden. Als charakteristisch für erstere gilt eine einfache Metallurgie, die Experimen- tierphase genannt wird und meistens gehämmerte Ob- jekte erzeugte. Bisher hat man die ältere Rhône-Kultur nur anhand von Grabfunden aus dem Thuner-See-Ge- biet im Berner Oberland (Thun-Wiler, Thun-Renzen- bühl) und dem Wallis (Sitten-Petit Chasseur I) archäo- logisch nachweisen können.

Der in Bern geborene Prähistoriker Christian Strahm, der später an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/ Breisgau in Süddeutschland lehrte, hat 1995 nach den Funden aus der Thuner Gegend die Thuner Gruppe benannt. Letztere Gruppe der älteren Frühbronze- zeit betrachtet er als Übergangsform zur Rhône-Kultur. Aus der älteren Rhône-Kultur ging die entwickelte Rhône-Kultur hervor, für die eine komplexe Bronze- metallurgie und massive gegossene Bronzeobjekte typisch sind. Letztere Phase wurde 1995 von Albert Hafner in eine westschweizerische Aare-Rhône-Gruppe und in eine ostfranzösische Saône-Jura-Gruppe geteilt. Er definierte die Aare-Rhône-Gruppe durch einen einheitlichen Bestattungsritus sowie durch Keramik- und Bronzeinventare.

Die Aare-Rhône-Gruppe war in der Umgebung des unteren Thuner Sees im Berner Oberland, im westli- chen Mittelland zwischen Aare und Genfer See, im Chablais und im Unterwallis verbreitet. In den See- ufersiedlungen am Bieler See, Neuenburger See und Murtensee wurden die östlichsten Elemente der west- schweizerischen Frühbronzezeit gefunden.

Die ostfranzösische Saône-Jura-Gruppe war in Bur- gund und im französischen Jura heimisch. Dort gab es einen ähnlichen Keramikstil und gleiche Bronzeobjekte wie bei der westschweizerischen Aare-Rhône-Gruppe. Sowohl in Ostfrankreich als auch in der Westschweiz bettete man die Toten in gestreckter Rückenlage zur letzten Ruhe. In Ostfrankreich waren jedoch Grabhügel üblich, während in der Westschweiz Flachgräber angelegt wurden.

Vereinzelte besonders reich ausgestattete Gräber und das Aufkommen von Prestigeobjekten aus dem Bereich der in Tschechien, der Slowakei, in Mitteldeutschland und in Niederösterreich nördlich der Donau verbreiteten Aunjetitzer Kultur legen die Entstehung einer sozialen Oberschicht in der Aare-Rhône-Gruppe nahe. Deren Reichtum beruhte vermutlich auf der Kontrolle und Koordinierung der heimischen Erzlagerstätten und der Produktion von Metallobjekten.

Die Bestattung eines Kriegers in der Totenstätte von Sitten-Petit Chasseur I lieferte Anhaltspunkte für die damalige Kleidung, weil bronzene Schmuckstücke teilweise noch zusammen mit Textilresten geborgen werden konnten. Der Genfer Prähistoriker Alain Gal- lay hat die Trageweise der Garderobe, des Schmucks und der Waffen dieser Bestattung beschrieben. Er war einer der Ausgräber nach dem Tod des Lehrers und Prähistorikers Olivier-Jean Bocksberger (1925-1970) aus Sitten, der die Totenstätte als erster von 1961 bis 1969 untersucht hatte.

Der Krieger aus dem Grab 3 von Sitten-Petit Chasseur trug ein großes viereckiges Stoffgewand auf dem Leib. Es war unter die Achselhöhlen gewickelt und wurde von einem Lederriemen, der die beiden oberen Tuch- enden auf dem Rücken verband, zusammengehalten. Darüber lag ein Mantel, der über die Schultern gehängt wurde.

Zur Befestigung des Mantels auf dem Stoffgewand und als Schmuck dienten zwei Bronzenadeln mit aufgerolltem Kopf. Die beiden Nadeln steckten auf der linken und rechten Brustseite. Die linke Nadel wies mit dem Kopf nach oben und mit der Spitze nach unten, bei der rechten war es umgekehrt. Auf den Zeichnung auf Seite 25:

Bestattung eines bewaffneten und geschmückten Kriegers

in der Totenstätte von Sitten-Petit Chasseur im Kanton Wallis.

Er trägt einen nach oben spitz zulaufenden Hut,

wie er durch einen gleichaltrigen Fund

in Norditalien nachgewiesen ist.

Zeichnung von Friederike Hilscher-Ehlert, Königswinter,

für das Buch »Deutschland in der Bronzezeit« (1996)

von Ernst Probst

[...]

Excerpt out of 74 pages

Details

Title
Die Rhône-Kultur in der Westschweiz
Subtitle
Eine Kultur der Bronzezeit von etwa 2200 bis 1600 v. Chr.
Author
Year
2011
Pages
74
Catalog Number
V182074
ISBN (eBook)
9783656054368
ISBN (Book)
9783656054764
File size
2129 KB
Language
German
Notes
Keywords
Rhône-Kultur, Bronzezeit, Frühbronzezeit, Archäologie, Schweiz, Westschweiz, Urgeschichte, Ernst Probst
Quote paper
Ernst Probst (Author), 2011, Die Rhône-Kultur in der Westschweiz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/182074

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