Es ist keine Häufigkeit in der Geschichtsschreibung, dass eine Nation ihr Territorium
verliert beziehungsweise gestohlen bekommt.1 Doch die Polen mussten dies am Ende
des 18. Jahrhunderts am eigenen Leibe erfahren. Preußen, Russland und Österreich
teilten das polnische Territorium in drei Teilungen unter sich auf. Polen verschwand
nach der dritten Teilung 1795 vollständig von der geographischen Landkarte.
Eine Verschärfung brachte dann im Jahre 1815 noch der Wiener Kongress, der die
Epoche der Befreiungskriege Napoleons besiegelte. Die ehemals polnischen Gebiete
wurden zu Provinzen der Teilungsmächte erklärt und jede der drei Mächte bekam ein
großes polnisches Staatsgebiet zugesprochen. Damit wurde das Verschwinden Polens
noch von den anderen Großmächten Europas gebilligt beziehungsweise unterstützt. Fast
kann man sagen, dass die Eliminierung des polnischen Staates damit noch
rechtskräftiger und endgültiger wurde.
Doch wie verlief die Integration dieser neuen Gebiete in das jeweilige Staatsgeschäft
der Teilungsmächte? Fügten die Polen sich ergeben in ihr Schicksal? Oder wollten sie
nicht kampflos hinnehmen, dass ihnen ihr gesamtes Territorium genommen worden war
und sie nun als Preußen, Österreicher oder Russen weiterleben sollten? Und inwiefern
hielten sich die Besatzer an die Festlegungen der Wiener Kongressakte?
Beziehungsweise muss man fragen, ob sie sich überhaupt in irgendeiner Form daran
hielten.
Auf all diese Fragen wird in dieser Arbeit eine Antwort zu finden versucht werden.
Dazu wird der beobachtete Zeitraum eingegrenzt zwischen den Jahren 1815 und 1848.
Der Zeitpunkt der Beginn der Betrachtungen rechtfertigt sich mit dem Stattfinden des
Wiener Kongresses und der damit einhergehenden so genannten vierten Teilung Polens,
bei der die Verteilung der ehemals polnischen Gebiete festgelegt und bis zum Ausbruch
des Ersten Weltkrieges 1914 nicht mehr verändert wurde. Die zeitliche Zäsur um 1848
wird mit der Revolution 1848/49 begründet. Auch wird das Hauptaugenmerk dieser
Arbeit auf dem Großherzogtum Posen, einem preußischen Teilungsgebiet, liegen.
1 Vgl. dazu z. Bsp. Tudjman: Das historische Schicksal. S. 205.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Fragestellung
- Forschungslage
- Wiener Kongress
- Die Bestimmungen bezüglich Polens
- Festlegungen der Wiener Kongressakte zum Schutz des Polentums
- Die ersten Jahre in Posen
- Novemberaufstand 1830/31 in Kongresspolen
- Verhalten der preußischen Behörden nach 1831
- Die Germanisierungspolitik Eduard von Flottwells
- Der Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV.
- Die,,Große Emigration"
- Arbeit der Emigranten an ausgewählten Beispielen
- Die Reaktionen auf den Fall Warschaus im Deutschen Reich
- Die Nichtberücksichtigung der Wiener Festlegungen durch Preußen
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Integration der ehemaligen polnischen Gebiete in Preußen zwischen 1815 und 1848, insbesondere im Großherzogtum Posen. Sie analysiert, wie die preußische Politik die Integration der polnischen Bevölkerung und die Umsetzung der Festlegungen des Wiener Kongresses beeinflussten.
- Die Rolle des Wiener Kongresses und die Festlegungen zur polnischen Identität
- Die preußische Polenpolitik in den ersten Jahren nach 1815
- Die Auswirkungen des Novemberaufstandes 1830/31 auf die preußische Politik
- Die Germanisierungspläne und deren Umsetzung in Posen
- Die Rolle der „Großen Emigration“ und die Reaktionen im Deutschen Reich
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der polnischen Teilungen und die Folgen des Wiener Kongresses ein. Kapitel 2 beleuchtet die Forschungslage und die unterschiedlichen Perspektiven auf die preußische Polenpolitik. Kapitel 3 analysiert die Bestimmungen des Wiener Kongresses bezüglich Polens und die Festlegungen zum Schutz der polnischen Identität. Die Kapitel 4-7 untersuchen die Integration der polnischen Gebiete in Preußen, insbesondere die Auswirkungen des Novemberaufstandes 1830/31 und die Germanisierungspolitik. Kapitel 8 thematisiert die Nichtberücksichtigung der Wiener Festlegungen durch Preußen.
Schlüsselwörter
Preußen, Polen, Wiener Kongress, Teilungen Polens, Integration, Germanisierung, Novemberaufstand 1830/31, Großherzogtum Posen, „Große Emigration“, nationale Identität, Politik.
- Arbeit zitieren
- Jenny Ebert (Autor:in), 2003, Die Unmöglichkeit des Gleichklangs. Zu den unterschiedlichen Nationskonzepten Preußens und Polens 1815-1848, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18251