Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Ansatz und Einfluss von Religion in politischen Konflikten
2.1 Primordialisten
2.2 Instrumentalisten
2.3 Konstruktivisten
2.4 Gegenüberstellung der Positionen „Religion in Konflikten“
3 Ist Religion konfliktverschärfend oder -entschärfend?
3.1 Mobilisierbarkeit der Anhänger
3.2 Religiöse Aufklärung
3.3 Strukturelle Toleranz bzw. Religiöses Bewusstsein
3.4 Innerreligiöse Öffentlichkeit
3.5 Religiöse Autonomie
4 Einleitung zum Empirieteil
5 Historischer Abriss
5.1 Vom Osmanischen Reich zum Nationalstaat Libanon
5.2 Politisches System im Libanon
5.3 Ursachen, Auslöser und Verlauf des Bürgerkrieges
6 Beteiligte Gruppen
6.1 Die maronitische Religionsgemeinschaft
6.2 Die sunnitische Religionsgemeinschaft
6.3 Die schiitische Religionsgemeinschaft
7 Profil der Gruppen mit Bezug auf den Bürgerkrieg
7.1 Maroniten
7.2 Sunniten
7.3 Schiiten
7.4 Externe Akteure
8 Analyse
8.1 Konfliktverschärfend bzw. -entschärfend
1 Einleitung
Trotz Gegenteiliger Annahmen, dass Religion als eine politische Kraft aus der modernen Gesellschaft langsam verschwindet, ist in weiten Teilen der so genannten Dritten Welt, aber auch in manchen Industriestaaten, allen voran den USA, in den letzten zwei Jahrzehnten eine „politische Renaissance religiöser Gemeinschaften“ zu beobachten (Hildebrandt 2007: 3).
Bisher lässt sich nicht absehen, ob es sich nur um eine Politisierung der Religion, im Rahmen der bisherigen Regelungen des Verhältnisses von Religion und Politik, religiösen Gemeinschaften und Staat handelt, oder ob nicht vielmehr eine genuine Renaissance der Religion im Gange ist (Minkenberg/ Willems 2002: 6).
Eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Entwicklungen deutet dabei auf die Beharrlichkeit von Religion in der Politik und ihre veränderte Rolle zur Politik hin. Hierzu zählen nicht nur die Entstehung fundamentalistischer Bewegungen, sowie ihre zunehmende Mobilisierung in nahezu allen religiösen Traditionen, sondern auch die steigende Zahl der gewaltsam ausgetragenen Konflikte, in denen religiöse Komponenten eine wesentliche Rolle spielen (Minkenberg/ Willems 2002: 6).
Gewaltsam ausgetragene Konflikte werden häufig durch religiöse Motivlagen beeinflusst. Dabei können religiös verfasste Institutionen, religiös motivierte Personen, religiöse Praxis und Tradition, sowie theologische Lehrbildung sowohl konfliktverschärfend als auch konfliktentschärfend wirken.
Ein weiteres Merkmal liegt in der „Deprivatisierung der Religion“ (José Casanova), was mit dem verstärkten öffentlichen Engagement von religiösen Gemeinschaften in der Politik und einer damit einhergehenden Politisierung des Religiösen verbunden wird. Durch Modernisierungs- und Säkularisierungsprozesse verunsicherte Menschen suchen Halt und Orientierung in alten Glaubensüberlieferungen und „schließen sich Bewegungen an, deren erklärtes Ziel es ist, diesen Überlieferungen im politischen Leben ihrer Gesellschaft wieder Geltung zu verschaffen“ (Hasenclever/Rittberger 2000a: 136).
Die Schwächung staatlicher Institutionen und nationaler Identitäten führt vor allem in Ländern der Dritten Welt zu einem ideologischem Vakuum, in dem religiöse Traditionen Mittelpunkt neuer kultureller Identitäten und transnationaler Einheitsprojekte werden. Es lässt sich somit feststellen, dass dem Verhältnis von Politik und Religion, insbesondere seit 9/11, erhöhte Aufmerksamkeit im wissenschaftlichen Diskurs zukommt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Religion auch in der Politikwissenschaft, die das Feld bisweilen überwiegend den Religionssoziologen und Staatskirchenrechtlern überließen, oder ihr allenfalls marginale Betrachtung schenkte, Einzug erhält (Minkenberg/ Willems 2007: 6).
Es sollte eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Politik und Religion angestrebt werden, die sich nicht nur auf Religion in der Ausprägung des Fundamentalismus bezieht. Es wäre falsch, „angesichts des Anstiegs religiös motivierter Gewalt einseitig das Konfliktpotenzial von Religionen zu betonen und deren Friedens - und Versöhnungspotenzial zu vernachlässigen“ (Hildebrandt 2007: 3).
Religiöse Überzeugung und ihr Einfluss auf politisches Handeln zeichnet sich vielmehr durch „die Komplexität der Ambivalenz des Sakralen“ aus, in Folge derer sich Religion im Spannungsfeld von Toleranz und Fanatismus, sowie Gewalt und Versöhnung bewegt (Hildebrandt 2007: 3).
Generell lässt sich feststellen, dass der Rückbezug auf das Heilige sowohl konservativ und reaktionär, als auch reformerisch und revolutionär wirken kann. So kann Religion die politische und gesellschaftliche Ordnung sowohl befrieden, stabilisieren und integrativ wirken, als auch destabilisieren, desintegrieren und zur Legitimation von Gewalt dienen. Aus diesem Grund soll in der folgenden Arbeit untersucht werden inwieweit Religion einen Unterschied in Konfliktsituationen ausmacht bzw. ob Religion sich eher konfliktverschärfend oder konfliktentschärfend auswirkt. Nach einer kurzen theoretischen Einleitung, die auf dem Ansatz von Andreas Hasenclever und Volker Rittberger beruht, soll die Rolle von Religion im libanesischen Bürgerkrieg, welche von 1975 bis 1990 andauerte, untersucht werden. Im Speziellen wird die Frage behandelt werden, inwieweit man von einer Politisierung der Religion im Libanon sprechen kann bzw. inwieweit Religion während dieses Konfliktes von den einzelnen Konfliktparteien instrumentalisiert wurde. Da der Libanon eines der Länder mit den meisten konfessionellen Gruppen ist, in dem u.a. die drei wichtigen monotheistischen Glaubensgemeinschaften, Christentum, Islam und Judentum, vertreten sind, scheint der Libanon besonders interessant für die Untersuchung welche Funktion Religion in der Konfliktaustragung einnimmt.
2 Theoretischer Ansatz und Einfluss von Religion in politischen Konflikten
Für viele Betrachter besteht ein einfacher Zusammenhang zwischen Glaube und Gewalt. Demnach machen religiöse Unterschiede den Ausbruch von Konflikten wahrscheinlicher und erhöhen ihre Dauer. Da das Phänomen des modernen Fundamentalismus vielerorts von blutigen Auseinandersetzungen begleitet wird, lässt es diese These nur allzu plausibel erscheinen. „Für die Friedens- und Konfliktforschung ist es deshalb nahe liegend, wie auch von ihrem Selbstverständnis her geboten, über mögliche Zusammenhänge zwischen Konflikt, Religion und Gewalt nachzudenken“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 136). In diesem Zusammenhang lassen sich drei Positionen in der sozialwissenschaftlichen Diskussion unterscheiden, die im Folgenden vorgestellt werden sollen.
2.1 Primordialisten
Die erste Position, die unter anderen von Samuel Huntington, Basam Tibi, und Gilles Kepel vertreten wird, lässt sich als Primordialisten bezeichnen. Primordialisten gehen davon aus, dass religiöser Überzeugung eine eigenständige Wirkmacht in der Weltpolitik zukommt. Religiöse Überzeugung wird als „urwüchsige Antriebskraft“ menschlichen Denkens, Wertens und Handelns angesehen. Dieses führt dazu, dass Angehörige verschiedener Glaubensrichtungen zwangläufig gegeneinander aufgebracht sind und regelmäßig in Konflikte geraten. Kooperationen und Frieden werden durch religiöse Überzeugung festgelegt, die Gläubige von Ungläubigen unterscheidet und bestimmt „wer als Freund und wer als Feind gilt“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 136).
Primordialisten gehen davon aus, dass die Bildung und der Zusammenhalt von Allianzen zwischen Akteure auf nationaler, sowie auf internationaler Ebene, zukünftig von geteilter kultureller und religiöser Überlieferung bestimmt sein wird, während die Relevanz innerweltlicher-ideologischer Nähe, sowie gemeinsamer politischer und wirtschaftlicher Interessen abnimmt. Sie gehen aus diesem Grund von einer tief greifenden Umgruppierung in der internationalen Politik aus, in der neue Staatenblöcke entlang kulturell- und religiös definierter Konfliktlinien entstehen (Hasenclever/ Rittberger 2000: 643).
2.2 Instrumentalisten
Als Instrumentalisten werden die Vertreter jener Position bezeichnet, die davon ausgeht, dass Unterschiede im Glaubensbekenntnis nur in den seltensten Fällen genuine Ursache von Konflikte sind. Diese Position wird von Autoren wie Dieter Senghaas, Thomas Meyer und Georg Elwert vertreten. Sie gehen davon aus, dass innerstaatliche, wie auch zwischenstaatliche Konflikte wegen handfester materieller und politischer Interessen von konkurrierenden politischen Eliten ausgelöst werden (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 137).
Die instrumentalistische Position gibt zu, dass Konflikte durch unterschiedliche Religionszugehörigkeit zwar verschlimmert werden können, sie gehen aber nicht davon aus, dass Religion zu Konflikten führt. „Die weltweit zu beobachtende Renaissance der Religionen erscheint aus dieser Perspektive deshalb als Epiphänomen, das auf Macht- und Wohlfahrtskonflikte zwischen konkurrierenden Gruppen, z.B. Ethnien, und deren Eliten aufruht“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 136).
2.3 Konstruktivisten
„Nach konstruktivistischer Überzeugung sind soziale Konflikte aus Perspektive der Beteiligten immer in intersubjektive Strukturen wie beispielsweise Ideologie, Nationalismus, Ethnizität oder eben auch Religion eingebettet“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 139). Diese Strukturen ergeben sich durch kollektive Weltdeutungen, sowie geteilten Werten und wechselseitigen Verhaltenswahrnehmungen und -erwartungen. Sie prägen das Selbst- und Fremdverständnis der Akteure und beeinflussen sie in sozialen Auseinandersetzungen in ihrer Strategiewahl. Im Unterschied zu den Primodialisten sehen Konstruktivisten intersubjektive Strukturen nicht als urwüchsig und dem menschlichen Einfluss entzogenen Größen, sondern gehen davon aus, dass sie von den sozialen Diskursen abhängen, in „denen Akteure mit anerkannten Gründen um die rechte Weltdeutung, das angemessene Wertverständnis oder die richtigen Normen ringen“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 139).
Konflikte und insbesondere Gewalt brauchen Legitimation, aus diesem Grund kann es sein, dass religiöse Führer Religion zur Legitimation heranziehen, sie können es aber auch ablehnen, so dass Religion friedensstiftende Wirkung entfaltet. Hier stimmt der konstruktivistische Ansatz in Teilen mit dem instrumentalistischen Ansatz überein, denn beide sehen politische Führer in gewisser Weise als Auslöser von Konflikten (Hasenclever/ Rittberger 2000: 642; 649).
Da sozialer Diskurs nach konstruktivistischer Annahme nicht beliebig ist, ist auch die rhetorische Macht der politischen Eliten begrenzt. Denn sie müssen ihre Anhänger von der „Richtigkeit ihrer Situationsinterpretation und der Angemessenheit ihrer Handlungsprogramme überzeugen“, wodurch sie anfällig für Gegenargumente bleiben, die ihre Autorität untergraben können (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 140). Von den Instrumentalisten unterscheidet sich der konstruktivistische Ansatz darin, dass er intersubjektive Strukturen nicht als „Überbau, der auf grundlegende Macht- und Herrschaftsstrukturen zurückgeführt werden kann“, ansieht, sondern ihnen ein Eigenleben zuspricht, die Macht- und Herrschaftsstrukturen überhaupt erst begreifbar machen. Im Bezug darauf, dass Unterschiede im Glauben zu Konflikten führt, stimmen Konstruktivismus und Instrumentalismus überein, dass Religion nur in seltensten Fällen genuine Ursache von Konflikten ist (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 139-140). Sowie beide Ansätze davon ausgehen, dass Macht und Interesse die Hauptmerkmale zum Verstehen von Politik sind. (Hasenclever/ Rittberger 2000: 648).
2.4 Gegenüberstellung der Positionen „Religion in Konflikten“
Die Position der Instrumentalisten wird vor allem durch eine Reihe quantitativer Untersuchungen im Bezug auf Huntingtons These „Clash of Civilisation“, die den prognostizierten Umbruch nach Ende des Ost-West-Konflikts, nicht feststellen konnten, gestützt. Weder konnte die Zunahme bewaffneter Konflikte zwischen Staaten aus unterschiedlichen Religions- und Kulturkreisen, noch eine Zunahme von religiös homogenen Allianzen auf internationaler Ebene festgestellt werden. Dies wird besonders im Bezug auf Sicherheit deutlich. So wandten sich beispielsweise die Anrainerstaaten des Iraks trotz religiöser und kultureller Heterogenität an externe (westliche) Staaten, um die Machtausweitung des Iraks einzuschränken (Hasenclever/ Rittberger 2000: 646).
Ebenso verhält es sich bei einer Analyse der innerpolitischen Gewaltkonflikte. Es stehen sich hier zwar häufig Anhänger verschiedener Religionen gegenüber, die Ursache der Konflikte liegt aber i.d.R. in Staats- und Wirtschaftskrisen. Des Weiteren lässt sich feststellen, dass stabile Demokratien oder stabile Diktaturen nur selten in Bürgerkriege versinken und dass die Gewaltanfälligkeit reicher Länder im Vergleich zu armen Länder äußerst gering ist, so dass die meisten Bürgerkriege ein Armutsphänomen darstellen. Im Gegensatz zu Huntingtons These vom Zusammenprall der „großen“ Kulturen, lässt sich dabei im Zuge der Eskalation von Macht-, Wohlfahrts- oder Herrschaftskonflikten vielmehr von einem Zusammenprall vergleichsweise geringer religiöser und kultureller Unterschiede konstatieren, wie bspw. zwischen Sunniten und Schiiten, Katholiken und Protestanten (Hasenclever/ Rittberger 2000: 647).
Ebenfalls lässt sich feststellen, dass religiöse Radikalisierung und die Politisierung von Religion häufig mit sozialer Verelendung und wirtschaftlicher Diskriminierung einhergeht. Wenn die Gewinner und Verlierer der Modernisierung klar unterscheidbar werden, erhalten religiöse Bewegungen den stärksten Zulauf. Religionsgemeinschaften bieten Halt und Sicherheit und praktizieren konkrete Nächstenhilfe. Wo der Staat versagt, übernehmen die Mitglieder von Religionsgemeinschaften die soziale Sicherung und stellen Bildungs- und Gesundheitszentren zur Verfügung. Politische und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen erhalten in Krisenzeiten neue Plausibilität und erscheinen als „eine Alternative zum säkularen Staatsmodell des Westens, dessen Übernahme durch postkoloniale Eliten von vielen Menschen im Süden für ihre gegenwärtige Notlage verantwortlich gemacht wird“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 138).
Eine Politisierung der Religion findet aber erst statt, wenn machtbewusste oftmals religiösopportunistische (Gegen-) Eliten religiöse Loyalitäten für ihre Interessen einsetzen. Politische Gegner werden zu Feinden des Glaubens schematisiert, was ihnen die Unterstützung derjenigen sichert, die im Glauben eine Zuflucht vor sozialer Bedrohung und Enttäuschung sehen (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 139).
Es lässt sich folglich eine empirische Evidenz aufzeigen, die die These der Primordialisten widerlegen, dass Religion eine urwüchsige, kontextunabhängige konfliktstiftende Kraft zukommt (Hasenclever/ Rittberger 2000: 647).
Stattdessen ist davon auszugehen, dass Religion erst im laufe sozialer und ökonomischer Konflikte an politischer Bedeutung gewinnt.
Konstruktivisten dagegen gehen davon aus, dass Religion einen Einflussfaktor zwischen einem gegebenen Konflikt und der Auswahl des Konfliktverhaltens darstellt. Hieraus ergibt sich somit das ambivalente Verhältnis, dass religiöse Traditionen einerseits konfliktentschärfend andererseits aber auch konfliktverschärfend wirken können.
3 Ist Religion konfliktverschärfend oder -entschärfend?
Ausgehend von der Grundannahme, dass Religion sich sowohl konfliktverschärfend als auch konfliktentschärfend auswirken kann, soll nun herausgearbeitet werden unter welchen Umständen politische Eliten Religion für die Austragung von Konflikten oder zur Stiftung von Frieden einsetzen. Konflikt wird in dieser Hinsicht als Positionsdifferenz zwischen Gruppen in Bezug auf die Verteilung materieller und immaterieller Güter gesehen. Zudem sollte darauf hingewiesen werden, dass die Arbeit im Folgenden den Prämissen des instrumentalistischen Ansatzes folgt. Religion wird somit nicht als genuine Konfliktursache gesehen. Eliten werden dabei als zweckrationale Akteure verstanden, die ihre Handlungsstrategien nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten auswählen. Des Weiteren sind die handelungsstrategischen Optionen der Eliten begrenzt, da ihre Wahl durch den Wertehorizont ihrer Parteigänger beschränkt werden (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 141).
Ebenso kann unterstellt werden, dass Eliten weder zu Gewalt neigen, noch dass sie Gewalt ausschließen, damit Gegner ihre Forderungen befolgen. Da Gewalt ein Mittel darstellt, dessen Einsatz in den meisten Fällen Gegengewalt hervorruft, in Konfrontationen endet, deren Dauer teils länger andauert als erwartet, dessen Resultat die Desintegration der eigenen Gruppierung darstellen könnte, sowie in der Regel hohe Opportunitätskosten aufweist und hohe organisatorische und materielle Kosten mit sich führt, stellt der Einsatz von Gewalt in Konflikten ein riskantes Mittel dar (Hasenclever/ Rittberger 2000: 651). Der Erfolg gewaltsamer Strategien ist dabei maßgeblich von zwei Faktoren anhängig. Zum, einen von der gesellschaftlichen Unterstützung für gewaltsame Strategien in bestimmten Konflikten, zum anderen von der Mobilisierbarkeit der Parteigänger, denn ohne die Bereitschaft der Anhänger einer Konfliktpartei, Zeit und Ressourcen in die Verfolgung des gemeinsamen Ziels zu investieren, ist ein Konflikt kaum erfolgreich abzuschließen. Hieraus lässt sich die Schlussfolgerung ableiten, dass „mit wachsender Mobilisierbarkeit der Gruppenmitglieder riskantere Strategien möglich werden. Gleichzeitig gilt, dass die Erfolgsaussichten einer Konfliktpartei in dem Maße sinken, in dem in der Bevölkerung insgesamt die Ablehnung der Konfliktziele und der eingesetzten Mittel zunimmt“ (Hasenclever/ Rittberger 2000a: 142).
Es lässt sich somit feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Eliten gewaltsame Strategien wählen, mit der Mobilisierbarkeit der Anhänger und der Unterstützung durch das gesellschaftliche Umfeld zunimmt (Hasenclever/ Rittberger 2000: 652).
3.1 Mobilisierbarkeit der Anhänger
Aus diesem Grund sollten im Folgenden drei Einflussfaktoren auf die Mobilisierbarkeit der Anhänger einer Konfliktpartei vorgestellt werden.
Der erste Einflussfaktor ist der Konfliktgegenstand, wobei es darauf ankommt, ob es sich bei dem Konflikt um einen Interessen- oder um einen Wertekonflikt handelt. Während es bei Interessenkonflikten um die Verteilung knapper Güter geht, sind Wertekonflikte auf einer grundsätzlicheren Ebene angesiedelt. Aus diesem Grund sind letztere besonders gewaltanfällig. Erstens identifizieren sich die Konfliktparteien mit den Werten ihrer Gruppe, so dass ein Verlust der Werte eine existentielle Bedrohung darstellt, zweitens gilt der Einsatz von Gewalt als vergleichsweise gerechtfertig und drittens macht ein Wertekonflikt Kompromisse schwer möglich, da die Handlungslogik des Nullsummenspiels vorherrscht (Hasenclever/ Rittberger 2000: 652-653).
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