Wer heiratet wen? Eine empirische Analyse bildungsspezifischer Heiratsmuster


Dossier / Travail de Séminaire, 2001

164 Pages, Note: 0,7


Extrait


1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen und bisherige Forschungsergebnisse
2.1 Vorbemerkungen
2.2 Sozialtheoretische Modelle der Partnerwahl und deren bildungsbezogenen Implikationen
2.2.1 Normativer Ansatz
2.2.2 Rational-choice-Ansätze
2.2.2.1 Familienökonomischer Ansatz
2.2.2.2 Austauschtheorie
2.2.3 strukturtheoretische Ansätze
2.2.3.1 Angebotsstrukturen des Heiratsmarktes
2.2.3.2 Teilheiratsmärkte
2.3 Empirische Ergebnisse bisheriger Studien
2.3.1 Deskriptive Analyse
2.3.2 Analyse dahinterliegender Mechanismen
2.3.2.1 Wesentliche Mechanismen der bildungsspezifischen Partnerwahl..14 2.3.2.1.1 Gelegenheitsstrukturen
2.3.2.1.2 Homogamietendenzen
2.3.2.1.3 Soziale Distanzen bzw. Affinitäten
2.3.2.1.4 Hypergamietendenzen
2.3.2.2 empirische Ergebnisse
2.3.3 Analyse unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kontextfaktoren
2.3.3.1 Ost/West-Vergleich
2.3.3.2 Internationaler Vergleich
2.3.3.3 Alter der Partner
2.3.3.4 Soziale Herkunft der Partner
2.3.3.5 Ehe/nichteheliche Lebensgemeinschaft
2.4 Diskussion der Ergebnisse im Lichte der theoretischen Modelle

3. Bildungsspezifische Partnerschaftsmuster in Deutschland
3.1 Vorbemerkungen
3.2 Beschreibung des Datensatzes
3.3 Bildungsklassifikation
3.4 Deskriptive Analyse
3.5 Loglineare Analyse
3.5.1 Statistisches Konzept loglinearer Modelle
3.5.1.1 Grundlegendes Verständnis
3.5.1.2 Das saturierte Häufigkeitsmodell
3.5.1.3 Nicht-saturierte Häufigkeitsmodelle
3.5.1.4 Messung und Anpassung der Modellqualität
3.5.2 Der Einfluss der Bildungsverteilung und die Unabhängigkeit der Partnerwahl
3.5.2.1 Die Bildungsverteilung als Angebotsstruktur des Heiratsmarktes..
3.5.2.2 Modellierung des Unabhängigkeitsmodells
3.5.2.3 Durchführung der loglinearen Analyse
3.5.2.4 Analyse der Ergebnisse
3.5.2.5 Zwischenergebnis
3.5 Strukturen der bildungsspezifischen Partnerwahl
3.5.3.1 Das Linear-by- linear-Modell
3.5.3.2 Quasi-Unabhängigkeit
3.5.3.3 Symmetrie-Modelle
3.5.3.3.1 Das Allgemeine Symmetrie-Modell
3.5.3.3.2 Das angepasste Symmetrie-Modell
3.5.3.3.3 Modell der angepassten Quasi-Symmetrie
3.5.3.4 Zwischenergebnis
3.5.4 Modellierung bildungsspezifischer Präferenzen
3.5.4.1 Einführende Überlegungen
3.5.4.2 Modellierung der bildungsspezifischen Nachfragemechanismen
3.5.4.2.1 Homogamieeffekte
3.5.4.2.2 Soziale Affinität
3.5.4.2.3 Hypergamieeffekt
3.5.4.3 Modellformulierung
3.5.4.4 Ergebnisse der Modellüberprüfung
3.5.4.5 Zwischenergebnis
3.6 Ergebnis

4. Bildungsspezifische Partnerschaftsmuster im Vergleich
4.1 Vorbemerkungen
4.2 Räumlicher Vergleich: Paare aus Ost und West
4.2.1 Bedeutung des Analyseraums der ehemaligen DDR
4.2.2 Spezifische Verhältnisse zu Zeiten der DDR und eventuelle Rückwirkungen in Bezug auf die theoretischen Grundlagen
4.2.3 Deskriptive Analyse
4.2.4 Loglineare Analyse
4.2.5 Zwischenergebnis
4.3. Zeitlicher Vergleich: junge Paare – alte Paare
4.3.1. Bedeutung des zeitlichen Vergleichs
4.3.2 Rückwirkungen auf die theoretischen Grundlagen
4.3.3 Deskriptive Analyse
4.3.4 Loglineare Analyse
4.3.4 Zwischenergebnis
4.4 Sozialer Vergleich: Hausfrauenehe und Doppelverdiener
4.4.1 Einführende Überlegungen
4.4.2 Vergleich der Partnermuster
4.4.3 Loglineare Analyse
4.4.4 Zwischenergebnis
4.5 Ergebnis

5. Gruppenspezifische Betrachtung des Heiratsverhaltens: Aufwärtsheirat, Abwärtsheirat oder Homogamie
5.1 Vorbemerkungen
5.2 Statistisches Konzept der Diskriminanzanalyse
5.2.1 Grundlegende Problemstellung
5.2.2 Formulierung und Schätzung der Diskriminanzfunktion
5.2.3 Prüfung der Diskriminanzfunktion
5.2.4 Prüfung der Merkmalsvariablen
5.2.5 Die Klassifizierung der Fälle
5.3 Durchführung der Diskriminanzanalyse
5.3.1 Beschreibung des Datensatzes bzw. der Variablen
5.3.2 Bildung der Diskriminanzfunktion
5.3.3 Prüfung der Diskriminanzfunktionen
5.3.4 Prüfung der Merkmalsvariablen
5.3.5 Klassifizierung der Fälle
5.4 Ergebnis

6. Fazit und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Mit der Analyse bildungsspezifischer Heiratsmuster wollen wir untersuchen, inwieweit das Partnerwahlverhalten von dem Bildungsstand der Partner beeinflusst wird. Wir wollen der Frage nachgehen, ob und, wenn ja, welche Mechanismen dabei wirken und inwiefern da- durch das Partnermuster strukturiert wird.

Das Interesse an diesem Thema ergab sich zunächst aus der alltäglichen und individuellen Bedeutung, welche die Partnerwahl für die meisten Menschen hat. Jeder Mensch sammelt im Laufe seines Lebens Erfahrungen bei der Suche nach dem geeigneten Partner. Dabei ist im Selbstverständnis der meisten Menschen die Wahl eines Partners Ergebnis einer indivi- duellen, durch das Gefühl der Liebe und Zuneigung bestimmten Entscheidung. Tatsächlich wird die Entscheidung jedoch nicht völlig losgelöst von sozialen Einflüssen und der Ein- gebundenheit von Menschen in soziale Kontexte sein. Die Frage, wie stark der soziale Ein- fluss der Bildung ist, soll Gegenstand unserer Analyse sein.

Aufschlussreich ist die Untersuchung bildungsspezifischer Heiratsmuster jedoch noch aus einem anderen - gesellschaftlichen - Aspekt. So sind Heiratsbeziehungen zwischen sozia- len Gruppen seit Max Weber in der Soziologie eine feste Kategorie in der Erforschung so- zialer Ungleichheit. Das Ausmaß, in welchem innerhalb sozialer Gruppen (Homogamie) bzw. zwischen sozialen Gruppen (Heterogamie) geheiratet wird, ist - neben der beruflichen Mobilität - ein wesentlicher Indikator für die Geschlossenheit bzw. Offenheit einer Gesell- schaft. Wenn die sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen Gruppen in der gesell- schaftlichen und individuellen Wahrnehmung als relevant empfunden werden, wird sich dies in einer entsprechend geringeren Wahrscheinlichkeit von Heiratsbeziehungen zwi- schen den unterschiedlichen Gruppen ausdrücken. Umgekehrt deutet ein hohes Ausmaß von heterogamen Eheschließungen auf gering ausgeprägte Barrieren zwischen sozialen Gruppen hin. Da die Bildung ganz wesentlich die Schichtenzugehörigkeit einer Person de- terminiert, drücken sich folglich im bildungsspezifischen Partnerwahlverhalten die sozia- len Interaktionen bzw. Barrieren zwischen den gesellschaftlichen Schichten aus.

Bildungsspezifische Partnerschaftsbeziehungen wurden in der Vergangenheit insbesondere von Ziegler, Teckenberg, Blossfeld und Wirth1 untersucht. Diese Untersuchungen basieren jedoch alle auf zehn bis zwanzig Jahre alten Erhebungen, die allein für Westdeutschland durchgeführt wurden (Wirth hat allerdings auch eine Analyse explizit für Ostdeutschland durchgeführt). Unsere Untersuchung basiert dagegen auf dem aktuellen Allbus-Datensatz von 1998 und bezieht erstmalig Gesamtdeutschland in die Analyse mit ein.

Die folgende Studie ist in vier große Kapitel gegliedert: Im folgenden 2. Kapitel werden die theoretischen Grundlagen gelegt. Die eigentliche Analyse beginnt mit dem 3. Kapitel, in dem mittels loglinearer Analyse das bildungsspezifische Partnerwahlverhalten in (Ge- samt-)deutschland untersucht werden soll. In Kapitel 4 werden unterschiedliche Kontext- faktoren berücksichtigt: Im einzelnen soll betrachtet werden, ob sich das Partnerwahlver- halten junger Leute von älteren Personen unterscheidet, und ob sich zwischen Ost- und Westdeutschland Unterschiede ergeben. Erstmalig wird auch ein Vergleich zweier Part- nerschaftsformen hergestellt - nämlich der traditionellen Hausfrauenehen mit moderneren Eheformen, in denen beide Partner berufstätig sind. Damit könnte u.a. die Frage beantwor- tet werden, ob sich ein verändertes - emanzipiertes - Rollenverständnis der Frau auch auf ihr Partnerwahlverhalten (in bezug auf die Bildung) auswirkt. Abschließend schauen wir im 5. Kapitel, welche Merkmale und Faktoren auf das bildungsspezifische Partnerwahlver- halten des einzelnen einwirken. Das geeignete statistische Verfahren hierzu wird die Dis- kriminanzanalyse sein.

2. Theoretische Grundlagen und bisherige Forschungs- ergebnisse

2.1 Vorbemerkungen

Im folgenden einführenden Kapitel soll ein Einblick in den bisherigen Kenntnisstand der bildungsspezifischen Partnerwahl gegeben werden, um damit die Grundlage für die eige- nen, sich daran anschließenden Untersuchungen zu schaffen.

In Kapitel 2.2 werden zunächst verschiedene sozialtheoretische Modelle der Partnerwahl vorgestellt und deren bildungsspezifische Implikationen untersucht. Durch Rückgriff auf diese Modelle können wir dann später das beobachtete Partnerwahlverhalten zu erklären versuchen bzw. die Praktikabilität der Theorien überprüfen.

Anschließend werden die bisherigen Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet kurz zu- sammengefasst (2.3), die uns später als Vergleichsbasis für unsere Ergebnisse dienen kön- nen. In diesem Zusammenhang werden auch die wesentlichen Mechanismen der Partner- wahl eingeführt, die in ihren verschiedenen Ausprägungen und Facetten Hauptgegenstand der Untersuchung sein werden.

Abgeschlossen werden soll der theoretische Teil mit einer Interpretation der bisherigen Forschungsergebnisse vor dem Hintergrund der Partnerwahlmodelle (2.4), um die Ver- knüpfung von Theorie (als inhaltlichem Erklärungsmodell) und Empirie (als statistisch aufbereitete Abbildungen der Realität) - wie sie uns in unserer weiteren Studie begleiten wird - zu illustrieren.

2.2 Sozialtheoretische Modelle der Partnerwahl und deren bildungs- bezogenen Implikationen

2.2.1 Normativer Ansatz

Der normative Ansatz war lange Zeit das vorherrschende Erklärungsmuster des Partner- wahlverhaltens. Dieser Ansatz nimmt an, dass die Wahl des Ehepartners in hohem Ausmaß durch gesellschaftliche Wertvorstellungen und Normen geprägt wird. Dies geschehe in den heutigen westlichen Demokratien jedoch „nicht mehr explizit in Form von gesetzlich ver- ankerten Heiratsverboten oder starren Klassenschranken, sondern implizit durch intersub- jektiv geteilte Vorstellungen über die jeweils „richtige“ Partnerwahl“2. Im Verlauf der So- zialisation internalisieren Individuen bestimmte Werte und Normen, die einerseits direkt

den gesellschaftlich heiratsfähigen Kreis einschränken (z.B. die wohl auch heute noch in den USA geltende „Norm“, als Weißer keinen Schwarzen zu heiraten), andererseits indi- rekt wirken, indem sie den Lebensstil und die Lebenskultur einer Person prägen und damit Präferenzen für einen kulturähnlichen Partner hervorrufen3.

Nach diesem Ansatz wären überwiegend bildungshomogame Partnerschaften zu erwarten. Zum einen, weil Partnerschaften sehr ungleich gebildeter Partner - insbesondere vom ge- sellschaftlichen Umfeld des höher gebildeten - sozial nicht oder nur schwer akzeptiert wer- den. Zum anderen, da gerade die Bildung einen wesentlichen Einfluss auf die Herausbil- dung von Wertorientierungen und Lebensstilen nimmt, die dann auch beim Partner gesucht werden. Im Zuge einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft4 ist jedoch in jüngster Zeit mit einer abnehmenden Bedeutung gesellschaftlicher Normen für die Part- nerwahl - und damit zunehmend bildungsheterogamen Heiraten - zu rechnen5.

2.2.2 Rational-choice-Ansätze

Zu den Rational-choice-Ansätzen der bildungsbezogenen Partnerwahl gehören die Aus- tauschtheorie und die familienökonomische Theorie. Gemeinsam stellen beide Ansätze in- dividuelle Präferenzen (statt Normen und Werte) in den Mittelpunkt ihrer Erklärung. Beide Theorien fußen auf der Annahme subjektiv rational handelnder Akteure, die ihre Bedürf- nisse unter Kosten-Nutzen-Aspekten optimal zu befriedigen versuchen6.

2.2.2.1 Familienökonomischer Ansatz

Die von Gary S. Becker7 entwickelte familienökonomische Theorie versucht das Partner- wahlverhalten aus mikroökonomischer Sicht, also unter dem Aspekt der Kostenminimie- rung und Nutzenmaximierung, zu erklären. Während Kosten etwa zeitliche Ressourcen o- der der Verzicht auf Einkommen sein können, liegt der spezifische Nutzen einer Ehe in den durch diese Gemeinschaft produzierten Gütern (sog. commodities). Solche Güter kön- nen in emotionaler Zuneigung, gegenseitiger Fürsorge und materieller Sicherheit bestehen. Hauptziel und -nutzen einer Ehe sieht Becker aber in dem Aufziehen von Kindern. Dies gestaltet sich aufgrund von Spezialisierungsvorteilen dann am effizientesten, wenn die

Haus- und die Erwerbsarbeit je genau einem Partner zugeteilt wird (ökonomische Arbeits- teilung). Im Sinne komparativer Kostenvorteile sind dann diejenigen Ehen ökonomisch op- timal, bei denen ein Partner ein geringes Einkommenspotential, der andere aber ein hohes Einkommenspotential aufweist. Weisen nämlich beide Partner ein gleichermaßen hohes

Einkommenspotential auf, entstünden demjenigen, der seine Erwerbsarbeit für die Hausar- beit aufgibt, hohe Opportunitätskosten8.

Während die Einkommenspotentiale also substitutiv wirken und bei Ungleichheit den Nut- zen maximieren, unterstellt Becker für die meisten anderen Eigenschaften Komplementari- tät, sprich eine Nutzenmaximierung durch Gleichheit: so zum Beispiel in bezug auf Intelli- genz, Bildung oder Konfession.

Je nach Zuordnung der Ressource Bildung als primär kulturelles oder primär ökonomi- sches Kapital kommt dieser Ansatz folglich zu unterschiedlichen Ergebnissen: Als primär kulturelles Gut verspricht sie vor allem bildungshomogame Partnerschaften, da durch Kul- turähnlichkeit - z.B. durch größeres gegenseitiges Verständnis - ein erhöhter Nutzen erzielt werden kann. Legt Bildung dagegen in einem hohen Maße die spätere berufliche Stellung und damit das Einkommenspotential fest - wie es gerade in europäischen Staaten üblich ist

- kann sie auch primär als ökonomisches Kapital verstanden werden. Dann müsste nach der familienökonomischen Theorie eine Präferenz für bildungsungleiche Partner bestehen. Bei einem häufig anzutreffenden durchschnittlich niedrigerem Bildungsniveau der Frau er- gäben sich folglich insbesondere hypergame Partnerschaften (d.h. „Aufwärts“heiraten der Frau). Bei einer Angleichung des Bildungsniveaus der Frau an das des Mannes würden nach diesem Modell dagegen auch Männer vermehrt „aufwärts“ heiraten (Hypogamie)

bzw. - bei ausgeprägtem Rollenverständnis9 – mehr Frauen (und damit auch Männer) ledig

bleiben.

2.2.2.2 Austauschtheorie

Nach der Austauschtheorie10 beruht die Partnerwahl, wie die meisten sozialen Interaktio- nen, auf dem Prinzip von „Geben und Nehmen“, d.h. auf einem Austauschverhalten. Da ein Austausch immer wechselseitig ist, müssen die beteiligten Personen über Ressourcen verfügen, die der jeweilige Interaktionspartner als belohnend bzw. äquivalent für die von ihm eingebrachten Ressourcen wahrnimmt. Dabei können die ausgetauschten Güter grund- sätzlich gleicher oder unterschiedlicher (z. B. Schönheit der Frau und hohes Einkommen des Mannes oder vice versa) Art sein. Aufgrund des menschlichen Strebens nach sozialer

Anerkennung, Unterstützung und Selbstbestätigung, nehmen Vertreter der Austauschtheo- rie dann jedoch an, dass Partner mit gleichen oder ähnlichen Ressourcen bevorzugt werden („Matching-These“). Dies gilt um so mehr für die Bildung, da diese bestimmte Werte, Einstellungen und Lebensstile vermittelt, die durch den Partner bestätigt, nicht aber er- schüttert werden sollen11 (vgl. auch die Ausführungen im Rahmen der normativen Theo- rie). Damit würde der Ansatz für eine Tendenz zu bildungshomogamen Ehen sprechen.

Andere Vertreter der Austauschtheorie12 gehen jedoch zumindest für die Status- bzw. Pres- tigeebene (und Bildung lässt sich hier gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten hinzu- zählen) eher von einer wettbewerbsorientierten Partnersuche aus, d.h. einer Konkurrenz um die attraktivsten Partner („Competition-These “). Wenn jeder bei gegebener eigener Ressourcenausstattung einen Partner mit möglichst hoher Ressourcenausstattung sucht, werden sich über den „Marktmechanismus“ letztendlich wieder Partnerschaften mit glei- cher oder ähnlicher Ressourcenausstattung bilden - in bezug auf Bildung also ähnlich aus- gebildete Partner zusammenfinden. Dies gilt jedoch nur bei Bildungsgleichheit zwischen Männern und Frauen. Bei geschlechtsspezifisch unterschiedlicher Bildungsverteilung der Heiratswilligen werden aufgrund des Marktmechanismus zwar immer noch die relativ zu den „Mitbewerbern“ gleich attraktiven Partner zusammenfinden, diese besitzen dann aber nicht mehr eine absolut gleiche Ressourcenausstattung. Unter der Annahme eines allge- mein geringeren Bildungsniveaus der Frauen, müssten sich dann überwiegend hypergame Partnerschaften ergeben.

2.2.3 strukturtheoretische Ansätze

Im Gegensatz zu den vorhergehenden Ansätzen versucht der strukturtheoretische Ansatz die Muster der Partnerwahl durch äußere Rahmenbedingungen zu erklären (Gelegenheits- strukturen). Betrachtet werden insbesondere die Verteilungsstruktur bezogen auf den Ge- samtheiratsmarkt, also zum Beispiel die Bildungsverteilung von Männern und Frauen (An- gebotsstrukturen des Heiratsmarkts), sowie Gelegenheitsstrukturen im engeren Sinne, die den allgemeinen Heiratsmarkt anhand institutioneller Rahmenbedingungen vorstrukturie- ren und auf diese Weise Teilheiratsmärkte mit erhöhten Kontaktchancen der Individuen schaffen. Die erste Betrachtungsweise ist somit gewissermaßen unabhängig, die zweite ab- hängig von individuellen Handlungskontexten13.

2.2.3.1 Angebotsstrukturen des Heiratsmarktes

Hinter der Betrachtung der Angebotsstrukturen des Heiratsmarktes (sprich der Randvertei- lungen in einer Kontingenztabelle) steht der (triviale) Gedanke, dass die individuellen Wahlmöglichkeiten durch die geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Größenverhältnisse von sozialen Gruppen beschränkt werden - etwa wenn Angehörige einer großen Gruppe Präferenzen für eine relativ kleine Gruppe besitzen.

Ist die Bildungsverteilung von Männern und Frauen sehr unausgewogen zugunsten der Männer - wie dies vor der Bildungsexpansion der Fall war -, sind viele Männer aus den höheren Bildungsschichten strukturell gezwungen „nach unten“ zu heiraten, da sie sich nur einer kleinen Gruppe gleich gebildeter Frauen gegenübersehen. Für die Frauen ergibt sich entsprechend eine strukturell bedingte Hypergamie. Bei Angleichung der Bildungsvertei- lungen steigen die Chancen innerhalb der eigenen Gruppe zu heiraten und damit die Wahr-

scheinlichkeit homogamer Partnerschaften14.

Neben strukturellen Beschränkungen lassen sich über die Angebotsstrukturen (mit Hilfe der Indifferenztabelle) auch die bei statistischer Unabhängigkeit zu erwartenden Heiratsbe- ziehungen ableiten. Abweichungen zu den empirisch beobachteten Heiratsmustern sind dann ein Indikator für spezifische Affinitäten (Präferenzen) bei der Partnerwahl: „Since heterogeneity is defined in terms of chance exspectations, it should be perfectly related to intermarriage if chances alone were governing mate selection“15.

2.2.3.2 Teilheiratsmärkte

Als Teilheiratsmärkte werden soziale Handlungsfelder bezeichnet, in denen ein Indivi- duum sich hauptsächlich bewegt, so dass dort die Kontaktchancen zu anderen Menschen am größten sind. Dem einzelnen steht folglich kein allumfassendes „Gesamtangebot“ po- tentieller Partner zur Verfügung, in dem er seine Präferenzen uneingeschränkt realisieren kann, sondern eine numerisch begrenzte und selektive Auswahl16. Diese macht Partner mit diesen oder jenen Eigenschaften mehr oder weniger wahrscheinlich. Solche Teilheirats- märkte können zum Beispiel der Arbeitsplatz, der Sportverein oder die Nachbarschaft sein.

Die wichtigsten Teilheiratsmärkte für die bildungsbezogene Partnerwahl sind die diversen Bildungsinstitutionen, denen angesichts des (jungen) Alters der Menschen und der (langen) Zeit, die sie dort verbringen, eine sehr hohe Bedeutung zukommt. Je früher die Selektion der Schüler und je rigider die räumliche Trennung zwischen den Ausbildungswegen, desto

geringer sind die Kontakt- und damit auch Heiratschancen zwischen Angehörigen unter- schiedlicher Bildungsgruppen. Gerade das strenge 3-gliedrige Bildungssystem der Bundes- republik dürfte demnach einer Homogenisierung der Partnerschaften Vorschub leisten.

Betrachtet man neben der räumlichen auch noch die zeitliche Ebene, berücksichtigt also, dass mit jeder weiteren Bildungsstufe die Gruppen kleiner und homogener werden, sollte die Wahrscheinlichkeit bildungshomogamer Ehen mit zunehmendem Bildungsniveau stei- gen. Weniger Qualifizierte dagegen scheiden früher aus dem Bildungssystem aus und tref- fen im Beruf wahrscheinlich auf einen heterogeneren Partnerpool17.

Die Auswirkungen der Bildungsexpansion schließlich dürften sich auch aus dieser Per-

spektive homogenisierend auswirken, da sich die Geschlechterverhältnisse auf den Teilhei- ratsmärkten angleichen. Öffnungstendenzen - insbesondere zwischen Abiturienten und Re- alschülern - könnten sich dagegen durch das gesteigerte Interesse an beruflichen Ausbil- dungsgängen auch unter Abiturienten ergeben18.

2.3 Empirische Ergebnisse bisheriger Studien

Die Analyse bildungsspezifischer Heiratsmuster ist zwar sicherlich noch kein umfassend erforschtes Feld, gleichwohl finden sich in Deutschland einige Soziologen, die sich in den vergangenen zwanzig Jahren - und gerade in jüngster Zeit - mit diesem Thema auseinan- dergesetzt haben. Dazu zählen insbesondere Ziegler, Handl, Teckenberg, Klein und Wirth19. Spezifische Fragestellungen werden noch von einer Reihe weiterer Autoren be- handelt. Ihre Ergebnisse - die sich ausschließlich auf Westdeutschland beziehen - sollen im folgenden zusammengefasst werden. Ausgehend von deskriptiven - also rein beschreiben- den - Beobachtungen, sollen anschließend die von den Wissenschaftlern analysierten da- hinterliegenden Wirkungsmechanismen vorgestellt werden. Im dritten Teil schließlich werden Studien erörtert, die den Einfluss unterschiedlicher Kontextfaktoren berücksichti- gen.

2.3.1 Deskriptive Analyse

Eine Analyse von Partnerschaften unter dem Aspekt der Bildung lässt zunächst die Be- trachtung der Bildungsverteilungen zwischen Männern und Frauen und ihre zeitliche Ent- wicklung sinnvoll erscheinen. Allgemein ist in den letzten Jahrzehnten eine stetige Anhe- bung des Bildungsniveaus und eine Angleichung der Ausbildungsabschlüsse der Frauen an

diejenigen der Männer zu konstatieren. Abbildung 1 aus einer Studie von Wirth20 veran- schaulicht das Verhältnis der Bildungsverteilungen von Männern und Frauen in West- deutschland (zur Legende siehe FN21 ).

Die Analyse erfolgt in Form von log-odds. Sind diese positiv, tritt der jeweilige Bildungsabschluss bei den Männern mit einer größeren Wahrscheinlichkeit auf als bei den Frauen. Sind sie negativ, ist der entsprechende Abschluss bei den Frauen wahrscheinlicher.

Die Graphik verdeutlicht die Angleichung der geschlechtsspezifischen Bildungsverteilun- gen im Zeitverlauf. Getragen wird dieser Trend vor allem durch zwei Entwicklungen: Zum einen ist eine kontinuierliche Annäherung bei den Fachhoch- und Hochschulabschlüssen festzustellen, wobei der Anteil der Frauen, die einen solchen Abschluss erreichen, jedoch nach wie vor unter dem der Männer liegt. Zum anderen zeigt sich eine Angleichung hin- sichtlich des Hauptschulabschlusses ohne Lehre. Insgesamt sind die bildungsspezifischen Gelegenheitsstrukturen allmählich symmetrischer geworden, ohne sich jedoch völlig an- zugleichen. Aufgrund dieses Trends ist anzunehmen, dass sich im Zeitverlauf die Wahr- scheinlichkeit des Auftretens von homogamen Ehen erhöht hat und „dass die stärksten Veränderungen in den obersten und untersten Bildungsabschlüssen zu erwarten sind“22.

Abbildung 2-1: Verhältnis der Bildungsverteilungen von Mä nnern zu Frauen (Quelle: Wirth H., Wer heiratet wen?, S. 379)

Die meisten Untersuchungen spiegeln jedoch nur einen leichten Anstieg bzw. eine relative Konstanz bildungshomogamer Partnerschaften wider, wie es die folgende auf ALLBUS- Daten von 1980, 1982 und 1984 beruhende Abbildung 2 veranschaulicht23.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-2: Homogamie und Heterogamie im Wandel (Quelle: Statistisches Bundesamt, Datenreport 1987, S. 481)

Einen eindeutigen Trend bildet die Grafik dagegen bei den heterogamen Ehen ab: Kontinu- ierlich nimmt der Anteil der Ehen zu, in denen die Frau einen höheren Ausbildungsab- schluss besitzt als der Mann (bildungshypogame Ehen), während sich der Anteil der Ehen verringert, in denen der Mann besser ausgebildet ist (bildungshypergame Ehen). Die auf- grund der Bildungsexpansion erwartete Abnahme hypergamer Ehen erfolgt also offenbar nicht - wie etwa unter wettbewerbstheoretischen Gesichtspunkten (vgl. 2.2.2.2) zu vermu- ten wäre - vorwiegend zugunsten der homogamen Ehen, sondern ist hauptsächlich mit ei- nem Anstieg der hypogamen Ehen verbunden. Gleichwohl ist der Anteil der bildungsho- mogamen Ehen mit ca. 40% (nach Wirth sogar 50%24 ) überdurchschnittlich hoch.

Dies zeigt auch die relativ junge Studie von Frenzel25, der hinsichtlich der Partnerwahl in

Ehen die in Abbildung 3 dargestellten Kreuztabellen generierte. Die Prozentwerte der Dia- gonalzeilen demonstrieren bei Männern und Frauen ein starkes Übergewicht bildungsglei- cher Partnerschaften. Insbesondere für die Extremgruppen trifft dies zu. So sind ca. 80 - 90% der Männer und Frauen die einen Hauptschulabschluss (HOB/HMB) haben, mit ei- nem Partner verheiratet, der über denselben Abschluss verfügt. Bei den Universitätsabsol- venten (UNI) heiraten 40% der Männer und sogar 70% der Frauen homogam. Deutlich sind zudem erhöhte Anteile der Männer die „abwärts“ bzw. Frauen die „aufwärts“ heiraten.

Insbesondere sind viele Abiturienten (ABI), Fachhochschul- (FHS) und Hochschulabsol- venten mit Frauen, die nach der mittleren Reife eine Berufsausbildung gemacht haben (MMB), verheiratet. Je weiter die Bildungsschichten auseinanderliegen, desto unwahr- scheinlicher scheint jedoch eine Heirat zu werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-3: Partnerschaftschancen von Frauen und Männern 1989 (Quelle: nach Frenzel H., Bil-

dung und Partnerwahl, S. 71/73)

Generell sind überdurchschnittlich viele Männer mit Frauen mit mittlerer Reife + Be- rufsausbildung, und überdurchschnittlich viele Frauen mit Männern mit Hauptschulab- schluss + Berufsausbildung (HMB) verheiratet. Offenbar sind diese Gruppen von dem ent- sprechendem Geschlecht besonders stark besetzt. Dies verdeutlicht jedoch auch die be- grenzte Aussagefähigkeit der Tabellen, da die Prozentwerte abhängig von den Randvertei- lungen, also den geschlechtsspezifischen Berufsgruppengrößen, sind. Um ein aussagekräf- tigeres Bild der Heiratsmuster zu bekommen und den verteilungsstrukturellen Einfluss von verschiedenen norm- und präferenzgeleiteten Tendenzen abzugrenzen, bedarf es einer ein- gehenderen statistischen Analyse.

2.3.2 Analyse dahinterliegender Mechanismen

2.3.2.1 Wesentliche Mechanismen der bildungsspezifischen Partnerwahl

Um die wesentlichen Mechanismen, die zu der empirisch beobachteten Partnerschaftsver- teilung beisteuern, herauszufiltern, bietet sich nach Ziegler26 eine Unterscheidung in Ange- bots- und Nachfragemechanismen an. Während zu den Angebotsmechanismen die struktu- rellen Randbedingungen (Gelegenheitsstrukturen) gehören, werden die nachfrage- bzw. präferenzgesteuerten Mechanismen nach übereinstimmender Meinung im wesentlichen durch drei Faktoren bestimmt: Erstens, einer generellen Neigung, Partner mit gleichem

Bildungsniveau zu bevorzugen (Homogamietendenzen); zweitens, der sozialen Distanz re- spektive Affinität zwischen Bildungsgruppen; drittens, einer geschlechtsspezifischen A- symmetrie bei der bildungsspezifischen Partnerwahl, die sich darin ausdrückt, dass Frauen tendenziell eher „über“ als „unter“ bzw. Männer eher „unter“ als „über“ ihrem eigenen Bildungsniveau heiraten (Hypergamietendenzen)27.

2.3.2.1.1 Gelegenheitsstrukturen

Bezogen auf die Bildung sind die Gelegenheitsstrukturen des Heiratsmarktes insbesondere durch die jeweiligen Bildungsverteilungen von Männern und Frauen bestimmt. Wie unter Abschnitt 2.2 erläutert, wird der Heiratsmarkt dadurch in der Weise vorstrukturiert, dass sich - bezogen auf den Gesamtheiratsmarkt - unterschiedliche Chancen ergeben, mögliche Partner mit bestimmen Ausbildungsabschlüssen kennen zu lernen. Diese Chancen spiegeln sich in dem Heiratsmuster wider, das bei statistischer Unabhängigkeit, also zufälliger, bil-

dungsunabhängiger Partnerwahl zu erwarten wäre. Auf diese Weise lässt sich der Einfluss der Bildungsverteilung unter Berücksichtigung ihrer zeitlichen Veränderung abschätzen28. Bestehen zwischen den bei zufälliger Partnerwahl erwarteten Heiratsbeziehungen und den tatsächlich beobachteten Heiratsmustern Abweichungen, weist dies auf weitergehende, nachfrageseitige Selektionsmechanismen hin.

Erst diese - da sie auf dem sozialen Verhalten von Individuen beruhen - ermöglichen Aus- sagen über die Offenheit bzw. Geschlossenheit sozialer Interaktionskreise.

2.3.2.1.2 Homogamietendenzen

Ein erster solcher Nachfragemechanismus sind Homogamiebestrebungen, d.h. die Tendenz innerhalb der eigenen Gruppe zu heiraten. Diese für eine Reihe von Merkmalen (z.B. Intel- ligenz, Bildung, Konfession, Rasse, sozioökonomischer Status, Werte und Einstellungen29 ) belegten Homogamiemuster lassen sich - wie im Theorieteil erläutert - aus normativer, so- ziokultureller und sozioökonomischer/wettbewerbstheoretischer (die beiden letzteren im Rahmen der Austauschtheorie) Perspektive erklären.

2.3.2.1.3 Soziale Distanzen bzw. Affinitäten

Durch den Indikator der sozialen Distanz bzw. Affinität wird die wechselseitige Akzeptanz oder Ablehnung zwischen den Bildungsgruppen, die sich in den heterogamen Heiratsmus- tern spiegelt, ausgedrückt. Liegt die beobachtete Anzahl von Paarbeziehungen zwischen zwei unterschiedlichen Bildungsgruppen über der bei Zufälligkeit/statistischen Unabhän- gigkeit erwarteten Anzahl, spricht dies für soziale Affinität, liegt sie darunter, für soziale Distanz zwischen den Bildungsgruppen. Getrennt wird also nicht mehr nur - wie bei der Homogamietendenz - zwischen der eigenen Gruppe und Fremdgruppen, sondern die Be- ziehungen zu den Fremdgruppen werden weiter unterschieden. Aufgrund der Bedeutung der Bildung für die soziale Position und den Lebensstil einer Person ist im allgemeinen mit steigenden Distanzen zur rechnen, je größer der formale Unterschied im Bildungsabschluss ist.

2.3.2.1.4 Hypergamietendenzen

Hypergamietendenzen drücken die Tendenz der Frauen zur „Aufwärts“heirat aus. Zwar werden hypergame Ehen durch ungleiche Bildungsverteilung quasi strukturell erzwungen, gleichzeitig können sie jedoch - wenn Bildung primär als ökonomisches Gut verstanden wird (vgl. familienökonomische Theorie) - auch Ausdruck eines tradierten Rollenverständ- nisses und einer traditionell geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung sein. Bei einem Rück- gang der Hypergamie können die homogamen, die hypogamen (d.h. „Aufwärts“heiraten des Mannes) oder beide Partnerschaftsformen zunehmen.

2.3.2.2 empirische Ergebnisse

Einen ersten Zugang zu den beschriebenen Mechanismen der Partnerwahl bietet die soge- nannte Assoziationstabelle. Dabei weisen Assoziationskoeffizienten größer als „1“ auf eine Bevorzugung der entsprechenden Bildungskombination über das durch die Randverteilun- gen (also die Angebotsstrukturen) gegebene Limit hinaus hin, Werte kleiner als „1“ zeigen an, dass solche Partnerschaften seltener gewählt werden, als dies bei zufälliger Wahl der Partner der Fall wäre. Exemplarisch sei die Assoziationstabelle einer Studie von Wirth aus dem Jahr 1996 wiedergegeben (Abbildung 2-4, Legende s. FN 24). Die Assoziationskoef- fizienten bestätigen im wesentlichen das schon in Abbildung 2-3 gewonnene Bild, nach welchem die Heirat innerhalb der eigenen Gruppe das dominierende Muster der bildungs- spezifischen Heiratsbeziehungen ist - auch unabhängig von der Verteilungsstruktur. Zudem gibt es offenbar tatsächlich eine stärkere Tendenz der Frauen, „aufwärts“ zu heiraten, als

umgekehrt. Schließlich lassen sich auch die mit den Bildungsunterschieden einhergehen- den sozialen Distanzen aus der Tabelle herauslesen.

Darüber hinaus wird deutlich, dass es zwischen den Bildungsgruppen erhebliche Unter- schiede gibt. So liegt die Homogamietendenz der Hochschulabsolventen und Abiturienten durchweg höher als bei den übrigen Bildungsgruppen, was auf besondere Schließungsten- denzen der gehobenen Bildungsschichten hindeutet. Die Koeffizienten ermöglichen zudem eine Präzisierung der heterogamen Heiratsbeziehungen. Es zeigt sich zum einen, dass für Frauen mit einem mittleren Abschluss die relativ rigide Abgrenzung des Partnerpools auf maximal eine Stufe Bildungsunterschied nicht zutrifft. Sie heiraten nahezu ebenso häufig eine wie zwei Bildungsstufen über ihrem eigenen Abschluss. Gerade diese Gruppe hat folglich eine ausgeprägte Tendenz zur Hypergamie. Eine Tendenz zur Hypogamie kommt dagegen ausschließlich zwischen Hochschulabsolventinnen und Abiturienten vor.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-4: Assoziationskoeffizienten nach Kohorten

(Quelle: Wirth H., Wer heiratet wen?, S. 385)

Weitere Beobachtungen - insbesondere auch der zeitlichen Veränderungen - sollen nun mittels der Ergebnisse einer loglinearen Analyse angestellt werden, wie sie von Wirth in einer zweiten Studie mit dem Mikrozensus von 1993 durchgeführt wurde30. Dabei können verschiedene Modelle erzeugt werden - mit jeweils spezifisch wirkenden Mechanismen (sog. Effekte) - und deren Erklärungsgüte in bezug auf das empirisch beobachtete Muster festgestellt werden. In der Studie von Wirth werden ausgehend von einem Basismodell (M1), bei dem statistische Unabhängigkeit der Heiratsmuster unterstellt wird (sich die Hei-

ratsmuster also nur an den Angebotsstrukturen orientierten)31, sukzessive aufeinander auf- bauende Modelle entwickelt, bei denen zunächst Homogamieeffekte (M2), dann Affini- tätseffekte (M3) zwischen benachbarten Bildungsgruppen und schließlich Hypergamieef- fekte (M4) berücksichtigt werden. In den Modellen 5, 6 und 7 wird dann noch zugelassen, dass sich die Effekte im Zeitverlauf gewandelt haben können. In Abbildung 5 sind die Er- gebnisse des Modellvergleichs dargestellt. Die erste Spalte enthält das jeweils überprüfte Modell, Spalte 2 und 3 geben den Liklihood Ratio Square (L2)32 und die verbleibenden Freiheitsgrade (DF) wieder, Spalte 4 (Predicted) zeigt die durch die berücksichtigten Vari- ablen erklärte Devianz zum Basismodell 33, Spalte 5 schließlich enthält die BIC-Statistik 34.

Abbildung 2-5: Devianzwerte verschiedener loglinearer Modelle (Quelle: Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 152)

Wie aus der Abbildung hervorgeht, ist die Neigung, Partner aus der eigenen Bildungsgrup- pe (Homogamie) zu wählen, das dominierende Muster der Heiratstabelle. Modell 2, das ei- ne konstante Homogamie-neigung spezifiziert, klärt bereits über 61 Prozent der Devianz des Unabhängigkeitsmodells auf. Berücksichtigt man zusätzlich die Affinität zwischen den Bildungsgruppen (Modell 3), werden 98 Prozent der Devianz des Unabhängigkeitsmodells erklärt. Die oben theoretisch abgeleiteten Nachfragemechanismen der bildungsspezifischen Partnerwahl, Homogamie und Affinität, bilden die beobachteten Heiratsbeziehungen in der Heiratstabelle damit nahezu ab. Der Hypergamieeffekt (Modell 4) trägt kaum noch zur Devianzaufklärung bei, erbringt aber gemessen am L2-Wert, eine signifikante Verbesse- rung der Modellschätzung. Wird die Anpassung der Modelle an die beobachteten Heirats- muster anhand der BIC-Werte beurteilt, ist Modell 4 das am besten angepasste Modell. Bei einer hinreichend guten Schätzung der beobachteten Datenstruktur kommt es mit einer sparsamen Hypothesenformulierung aus: Danach sind die bildungsspezifischen Heirats-

muster insgesamt durch ein zeitlich konstantes Assoziationsmuster gekennzeichnet. Der auf deskriptiver Ebene beobachtete Wandel in den bildungsspezifischen Heiratsmustern scheint also vor allem auf den Veränderungen der strukturellen Randbedingungen, d.h. der geschlechtsspezifischen Bildungsangleichung, und nicht auf Veränderungen individueller Präferenzen (Nachfragemechanismen) zu beruhen.

Ein Blick auf die einzelnen Parameterwerte der loglinearen Modelle für die Kohorten 1918-25 und 1958-65 scheint diese These im ganzen zu bestätigen (Abbildung 2-6, Legen- de s. FN 24). Die abgedruckten Werte sind Lambda-Werte, also Exponenten der e- Funktion. Ein Homogamieparameter von 3,5 besagt folglich, dass Hochschulabsolventen ca.33 mal (e3,5) häufiger einen Partner der eigenen Gruppe wählen, als bei einer zufälligen Partnerwahl zu erwarten wäre.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2-6: Parameterschätzung loglinearer Modelle (Quelle: Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 162)

Im Vergleich zu den Assoziationskoeffizienten der vorhergehenden Studie aus dem Mikro- zensus von 1991 liegen diese Werte wesentlich höher. Zudem sind die Homogamie- tendenzen beider Extremgruppen, also der Hochschulabsolventen und der Hauptschüler ohne Abschluss, ausgeprägt hoch, während dies in der vorhergehenden Studie nur für die Hochschulabsolventen galt. Auch Teckenberg35 kommt jedoch zu diesem Befund. Offen- bar stehen den Schließungstendenzen am oberen Ende der Bildungsskala, Ausgrenzungs- tendenzen am unteren Ende gegenüber; in dem Sinne, dass Hauptschülern ohne Ausbil-

dung nichts anderes übrig bleibt, als unter sich zu heiraten. Aus zeitlicher Perspektive blie- ben die Homogamieraten über die Kohorten hinweg relativ konstant.

Die Tabelle zeigt daneben deutliche Affinitäten zwischen Personen, die einen

Hauptschulabschluss gemacht haben (mit/ohne Berufsausbildung) und zwischen Personen,die Abitur gemacht haben(Abiturienten und Hochschulabsolventen). Hier macht sich

gemacht haben (Abiturienten und Hochschulabsolventen). Hier macht sich offensichtlich die Vorstrukturierung durch Bildungsinstitutionen (Teilheiratsmärkte) bemerkbar. Abgän- ger mit mittlerer Reife sind dagegen mehr nach „oben“ oder „unten“ orientiert. Diese Beo- bachtungen gelten für die älteren wie für die jüngeren Kohorten.

Nicht verändert haben sich auch die Hypergamietendenzen der Frauen, während die Hypogamiewerte der Männer deutlich angestiegen sind. Dies spricht dafür, dass der Rückgang hypergamer Ehen hauptsächlich - wie schon oben vermutet - auf dem Angleichungsprozess in der Ausbildung beider Geschlechter beruht, es aber nie eine starke persönliche Tendenz unter den Frauen gab, einen besser ausgebildeten Mann zu heiraten. Umgekehrt deuten die steigenden Hypogamietendenzen der Männer auf eine veränderte Einstellung hin, auch einen Bildungsvorsprung ihrer Frauen zu akzeptieren.

Vergleicht man diese Ergebnisse mit denen von Ziegler36 und Teckenberg37 ergeben sich überwiegend Übereinstimmungen. Anders als Wirth konstatiert, Teckenberg jedoch leicht zunehmende Schließungstendenzen am oberen und unteren Ende der Bildungsleiter, wäh- rend Ziegler am unteren Ende von einer leichten Entstrukturierung, also Vermischung der Bildungsschichten, spricht. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um die Beobachtung von Entwicklungstendenzen. Auch sie konstatieren grundsätzlich eine starke Schließung der beiden Grenzgruppen. Abweichend von Wirth stellen beide Autoren schließlich eine Ab- nahme der Hypergamietendenzen fest, also auch ein nachfrageseitig verändertes Rollen- verständnis der Frauen - eine Entwicklung, die im Zuge der weiblichen Emanzipation plausibel erscheint.

Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:

- Bei der bildungsspezifischen Partnerwahl gibt es allgemein eine starke Tendenz, einen Partner mit gleichem Bildungsgrad zu heiraten. Besonders stark sind diese Tendenzen am oberen und unteren Ende der Bildungsskala ausgeprägt.
- Bei heterogamen Partnerschaften bestehen Affinitäten insbesondere zu benachbarten Bildungsgruppen, häufig haben beide Partner zudem denselben allgemeinbildenden Schulabschluss.
- Die früher ausgeprägte Tendenz der Frauen „aufwärts“ zu heiraten war insbesondere angebotsseitig - durch die ungleiche Bildungsverteilung - bedingt. Nachfrageseitig lässt sich dagegen bei Männern eine steigende Tendenz zur „Aufwärts“heirat beobachten.
- Mittlere Bildungsschichten haben am ehesten die Tendenz heterogam, also nach „oben“ oder „unten“, zu heiraten.
- Bildungsspezifische Partnerpräferenzen haben sich mit der Zeit kaum geändert; verän- derte Heiratsmuster sind hauptsächlich auf veränderte Gelegenheitsstrukturen (Stich- wort: Bildungsangleichung) zurückzuführen.

2.3.3 Analyse unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kontextfaktoren

2.3.3.1 Ost/West-Vergleich

Wie Wirth in ihrer Studie über bildungsspezifische Heiratsbeziehungen in West- und Ost- deutschland feststellt38, folgt die Strukturierung der Heiratsbeziehungen in Ostdeutschland

„im wesentlichen dem gleichen Muster wie in Westdeutschland“39. Auch bei den ostdeut-

schen Kohorten ist zum einen die Neigung zur bildungshomogamen Partnerwahl das do- minierende Charakteristikum, zum anderen konzentrieren sich die Heiratsbeziehungen - ähnlich wie im Westen - hauptsächlich auf Personen mit dem gleichen allgemeinbildenden Abschluss. Erhebliche Unterschiede zum Westen lassen sich jedoch in den zentralen Ent- wicklungstendenzen erkennen. Während die markanteste Entwicklung in Westdeutschland der Rückgang der geschlechtsspezifisch asymmetrischen Partnerwahl ist, beobachtet Wirth im Osten insbesondere den Übergang von einer Phase der relativen Offenheit zu einer Pha- se der Schließung zwischen den Bildungsgruppen. Wirth führt dies insbesondere auf die politisch gewollte Durchmischung der Schichten und die gezielte Förderung von Arbeiter- kindern während der Aufbauphase der DDR und der Abgrenzung der politisch führenden Klasse nach der Etablierung des Systems zurück40.

2.3.3.2 Internationaler Vergleich

Einen internationalen Vergleich der Heiratsmuster liefert die Studie von Rüffert41. Vergli- chen werden die Partnerschaften in den europäischen Ländern Niederlande, Irland, Öster- reich, Deutschland, Polen und Ungarn sowie in Australien und den USA. Eine auffällig niedrige Bildungshomogamie und signifikant niedrige soziale Barrieren konstatiert Rüffert für die Niederlande und Australien, während die Werte in allen übrigen Ländern höher lie- gen. Hierfür sind in Irland und Österreich allerdings hauptsächlich die Verteilungsstruktu- ren verantwortlich: Beide Länder haben einen relativ hohen Anteil an Personen mit niedri- ger Bildung, so dass sich auch schon bei zufälliger Partnerwahl hohe Homogamiewerte er- geben. In Deutschland, Polen, Ungarn und den USA sind dagegen überwiegend soziale

Ausgrenzungsprozesse zwischen den Bildungsgruppen für die beobachteten Heiratsbarrie- ren und Homogamietendenzen verantwortlich. Polen hat hohe Heiratsbarrieren zwischen den unteren und mittleren Ausbildungsgruppen, die USA und Deutschland hohe Barrieren zwischen den mittleren und hohen Ausbildungsgruppen. In diesen beiden Ländern gibt es also offenbar die stärkste Tendenz gebildeter Bevölkerungsteile, sich gegenüber anderen Bildungsschichten abzugrenzen, während in Polen insbesondere die Niedriggebildeten ausgegrenzt werden. Wie erwähnt findet sich die größte bildungsbezogene Offenheit - so- wohl sozial wie strukturell bedingt – in den Ländern Australien und Niederlande; was inso- fern überrascht, als die Trennlinie zwischen den europäischen und nicht-europäischen Ländern erwartet werden konnte. Die zeitliche Entwicklung indiziert für fast alle unter- suchten Länder - mit Ausnahme von Australien - eine leicht abnehmende Bildungshomo- gamietendenz. Gleiches gilt für Heiratsbarrieren bzw. -affinitäten. Auf der Suche nach Er- klärungsfaktoren für die beobachteten Länderunterschiede analysiert Rüffert eine mit dem Säkularisierungsgrad sinkende und dem Anteil ländlicher Bevölkerung steigende Bil- dungshomogamiequote (vgl. Abbildung 2-7)42. Ein Zusammenhang mit der Frauener- werbsquote lässt sich dagegen nicht erkennen.

2.3.3.3 Alter der Part ner

Eine Verknüpfung zwischen dem Alter der Personen und den Homogamieraten besteht in zweierlei Hinsicht. Zum einen stellt Klein43 für Männer - aber nicht für Frauen ! - mit dem Alter tendenziell abnehmende Heiratsbarrieren fest. Klein begründet diesen Befund damit,

„dass die mit zunehmenden Alter fortschreitende Auseinanderentwicklung der bildungs- spezifischen Berufskarrieren zu einem steigenden Tauschwert hoher Bildung beiträgt, wäh- rend sich die Bedeutung des kulturellen Kapitals bei der bildungsbezogenen Partnerwahl in der Tat reduziert“44. Nach der familienökonomischen Theorie ergibt sich daraus eine Ten- denz zur Hypergamie (vgl. 2.2.2.1).

Zum anderen hat das Alter über die Verweildauer im Bildungssystem einen indirekten Ein- fluss. So konnten Blossfeld/Timm45 mittels logistischer Regression nachweisen: „Je länger Frauen und Männer im Bildungssystem verweilen, desto größer ist für sie die Chance, ei- nen gleich- oder höherqualifizierten Partner zu heiraten“. Der dahinterliegende Mechanis- mus ist einleuchtend: Durch den Selektionsprozesse scheiden sukzessive die jeweils We- nigerqualifizierten aus. Damit bleiben diejenigen Frauen und Männer länger zusammen

(mit hohen Kontaktchancen), die ein gleiches oder später eventuell höheres

Abbildung 2-7: Bildungshomogamie und Indikatoren nach Land

(Quelle: Rüffert W., Bildungshomogamie im int. Vergleich, S. 126)

Bildungsniveau erreichen werden (vgl. 2.2.3.2). Auf diese Weise lassen sich auch die ho- hen Homogamieraten der Hochschulabsolventen erklären.

2.3.3.4 Soziale Herkunft der Partner

Neben den zeitabhängigen Effekten des Bildungssystems haben Blossfeld/Timm auch den Einfluss der sozialen Herkunft auf die Partnerwahl untersucht46. Dabei gingen sie davon aus, dass die Tendenz zur Bildungshomogamie mit dem Bildungsniveau des Vaters steigen sollte. Denn: Je besser die soziale Herkunft, desto besser wahrscheinlich das Bildungsni- veau der Kinder und desto höher die Barrieren zu anderen Bildungsgruppen (vgl. die Er- gebnisse unter 2.3.2.2). Eine Überprüfung dieser These ergab tatsächlich eine signifikante Korrelation. Eine Tendenz zur Heterogamie ergibt sich nach Blossfeld/Timm dagegen im-

mer dann, wenn die Söhne und Töchter das Bildungsniveau ihrer Herkunftsfamilie über- steigen bzw. nicht erreichen. Diese haben aufgrund ihrer herkunftsspezifischen sozialen Kontakte (Freunde, Bekannte, Verwandte usw.) eine hohe Neigung, wiederum einen Part- ner aus der Herkunftsschicht zu treffen und dann nach „oben“ bzw. „unten“ zu heiraten.

2.3.3.5 Ehe/nichteheliche Lebensgemeinschaft

Mit der Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften als neue Form der Partnerschaft, stellt sich die Frage, ob dort dieselben bildungsspezifischen Mechanismen wirken wie in ehelichen Partnerschaften oder ob es signifikante Unterschiede gibt. Frenzel47, der dieser Frage nachging, fielen unter den nichtehelichen Lebensgemeinschaften insbesondere der geringere Anteil „aufwärts“heiratender Frauen und komplementär die verbesserten Chan- cen der Männer, nach „oben“ zur heiraten, auf. Eine weitere Untersuchung mittels logli- nearer Modelle ergab jedoch, dass diese im Vergleich zu Ehen größere Symmetrie in den Partnerbeziehungen beinahe ausschließlich ein Resultat unterschiedlicher Verteilungsstruk- turen ist: Frauen in nichtehelichen Partnerschaften - so Frenzel - sind nämlich durchschnitt- lich besser ausgebildet als in Ehen. Darüber hinaus unterscheiden sich die Selektionsme- chanismen in beiden Partnerschaftsformen jedoch nicht.

2.4 Diskussion der Ergebnisse im Lichte der theoretischen Modelle

Eine Analyse der Ergebnisse vor dem Hintergrund der anfangs diskutierten sozialtheoreti- schen Modelle der Partnerwahl ergibt ein differenziertes Bild. Nicht zu leugnen ist der Ein- fluss vorgegebener Strukturen im Sinne der strukturtheoretischen Ansätze. Allein durch die Verteilungsstrukturen, d.h. die Verteilung der Bildungsgruppen bei Männern und Frauen, lassen sich meist 40 - 60% des beobachteten Heiratsmusters erklären (vgl. Fn 32). Die Er- gebnisse zeigen, dass auch für die Veränderungen der letzten fünfzig Jahre - insbesondere die abnehmende Hypergamie der Frau - ganz überwiegend die mit der Bildungsexpansion einhergehende Bildungsangleichung zwischen Männern und Frauen - also die veränderte Verteilungsstruktur - verantwortlich ist(vgl. 2.3.2.2). Ebenso beruhen unterschiedliche Hei- ratsmuster in verschiedenen Ländern häufig auf einer unterschiedlichen Verteilung der Bildung (vgl. 2.3.2.2) und angebotsstrukturell lässt sich auch die bildungsspezifische Symmetrie nichtehelicher Partnerschaften begründen (vgl. 2.3.3.5). Gleichwohl handelt es sich hierbei eher um eine statistisch-mathematische Erklärung, die zwar eine Verbindung zwischen der Bildungsstruktur einer Gesellschaft und den bildungsbezogenen Partnermus- tern herstellt, aber keine „Besonderheiten“ oder „Überzufälligkeiten“ im Partnerwahlver- halten aufdeckt.

Dies vermag schon eher die zweite strukturtheoretische Teiltheorie, die den Einfluss von Teilheiratsmärkten postuliert. Sie erlaubt zum Beispiel die auffälligen Affinitäten zwi- schen Personen mit demselben allgemeinbildenden Schulabschluss zu erklären (vgl. 2.3.2.2). Auch die mit der Verweildauer im Bildungssystem steigenden Homogamiequoten sind ein Ausfluss dieses Wirkungsmechanismus (vgl. 2.3.3.2). Offenbar nutzen die meisten

Menschen die sich ihnen bietenden Gelegenheiten und Kontakte zur Partnerwahl, und sind nicht bereit, viel Zeit und Ressourcen für eine Partnersuche außerhalb ihres Handlungsum- feldes zu investieren. Ein strenges dreigliedriges Bildungssystem, das die Schülerpopulati- onen früh voneinander trennt, scheint somit nicht unwesentlich zur sozialen Schließung ei- ner Gesellschaft beizutragen. Die im Vergleich zu den Niederlanden hohen sozialen Bar- rieren der Bundesrepublik bezogen auf die Partnerwahl geben dann keine Rätsel mehr auf.

Die Relevanz struktureller Begebenheiten für die Partnerwahl hat sich also durch die empi- rischen Ergebnisse bestätigt. Schwieriger ist der Erklärungsbeitrag der nachfrageorientier- ten Theorien abzuschätzen.

Die überzufällig hohen Homogamieraten etwa ließen sich sowohl normativ als auch aus- tauschtheoretisch begründen. Allerdings müssten unter normativen Gesichtspunkten und der Annahme einer zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft im Laufe der Zeit abnehmende Homogamieraten zu beobachten sein. Die Ergebnisse weisen jedoch eher auf eine relative Konstanz hin (vgl. 2.3.2.2).Offenbar spielen austauschtheoretische Mecha- nismen eine größere Rolle: Sei es, dass ähnliche Partner präferiert werden, um das eigene Selbstbild zu bestätigen (Matching-These) oder – gemäß der Competition-These – sich beim Wettbewerb um die attraktivsten Partner jeder letztendlich mit einem „gleichguten“ Partner zufrieden geben muss. Allerdings führt letzteres nur bei gleicher Bildungsvertei- lung zwischen Männern und Frauen zur Homogamie (vgl. 2.2.2.2). Ist ein Teil durch- schnittlich weniger gut gebildet, spräche das umgekehrt für hohe Heterogamiequoten, weil dann der Marktmechanismus relativ gleichgestellte Personen (also in bezug auf die ande- ren Männer bzw. Frauen, nicht in bezug auf den Partner) zusammenführt. Die Bildungsex- pansion der vergangenen fünfzig Jahre in Westdeutschland hätte folglich nach diesem An- satz zu einem Anstieg der Homogamierate führen müssen, der jedoch (s.o.) nicht beobach- tet werden konnte. Auch der wettbewerbstheoretische Ansatz taugt damit wenig zur Erklä- rung der ausgeprägten Homogamietendenzen. Es ist also wohl insbesondere die soziokul- turelle Ähnlichkeit, die viele Menschen Partner mit gleicher Ausbildung wählen lässt.

Den geringsten Erklärungsbeitrag hätte in dieser Hinsicht die familienökonomische Theorie erbracht, die aus ökonomischer Perspektive eher bildungsungleiche Partnerschaften erwar- tet. Andererseits wäre aus ökonomischer Perspektive zu erklären, warum bei Bildungsan- gleichung der Geschlechter, nicht der Trend zur Homogamie, sondern zur Aufwärtsheirat des Mannes ansteigt. Ökonomisch sinnvoll wären nämlich Ehen mit Hausfrauen ebenso wie mit Hausmännern! Fraglich ist allerdings, ob in diesen Partnerschaften wirklich der Mann die Hausarbeit übernimmt oder ob nicht in dem meisten Fällen beide Partner berufs- tätig sind, so dass sich die familienökonomische Theorie nicht anwenden lässt.

Diffizil gestaltet sich die theoretische Auslegung der Hypergamietendenzen der Frau, die besonders früher für ein sehr asymmetrisches Heiratsmuster sorgten. Zwar bietet hier die familienökonomische Theorie eine gute Erklärungsgrundlage, indem sie den ökonomi- schen Nutzen einer „Hausfrauenehe“ postuliert (vgl. 2.2.2.1), empirisch beobachtet werden konnte jedoch, dass die Hypergamie der Frauen hauptsächlich verteilungsstrukturell zu be- gründen ist und nur zu einem geringen Anteil durch individuelle (d.h. auch rollenspezifi- sche) Präferenzen. Andererseits lässt sich argumentieren, dass die Frauen sich von vorn- herein schlechter ausbildeten - in der Erwartung später in der Familie die Hausarbeit zu übernehmen. Insofern wären letztendlich gesellschaftliche Wertvorstellungen - also norma- tive Kriterien - für die Tendenz der Frauen zur „Aufwärtsheirat“ verantwortlich - Wertvor- stellungen, die sich im Lauf der Zeit ändern können und so zu symmetrischeren Partner- mustern geführt haben.

Nicht eindeutig theoretisch klären lassen sich auch die übermäßig hohen Homogamieraten der beiden Randgruppen, also der Hauptschüler ohne Berufsbildung und der Hochschulab- solventen, soweit man sie nachfrageseitig zu begründen versucht. Anzunehmen ist, dass hier sowohl normative als auch wettbewerbstheoretische Aspekte eine Rolle spielen. Nor- mativ, insofern als Hochgebildete eher besondere Statuspräferenzen haben, wettbewerbs- theoretisch, wenn Hauptschüler ohne Ausbildung keine Chance haben, einen besser gebil- deten Partner zu finden.

Dehnt man den empirisch-theoretischen Vergleich auch auf die Wirkung von Kontextfakto- ren aus, spiegeln sich auch hier die verschiedenen sozialtheoretischen Modelle wider. Län- derunterschiede ergeben sich aufgrund unterschiedlicher Verteilungsstrukturen, aber auch aufgrund einer mehr oder weniger wertgebundenen Bevölkerung (gemessen anhand des Säkularisierungsgrades und des Anteils der Landbevölkerung; vgl. 2.3.2.2). Normativ las- sen sich ebenso die Entwicklungstendenzen in Ostdeutschland erklären: Hier hatte sogar die Politik Einfluss auf die Heiratsmuster (vgl. 2.3.3.1). Austauschtheoretisch mag der Ein- fluss der sozialen Herkunft begründet werden - nämlich durch die Neigung, Partner mit ähnlichen Lebensstilen zu heiraten (unter der Annahme, dass der eigene Lebensstil mehr durch die soziale Herkunft als durch die eigene formale Ausbildung geprägt wird; vgl. 2.3.3.4). Bei der mit dem Alter steigenden Heterogamie spielen (neben strukturellen) wahrscheinlich ökonomische Motive eine Rolle (vgl. 2.3.3.2).

Es zeigt sich, dass keine der sozialtheoretischen Theorien das Partnerwahlverhalten voll- ständig abbilden kann, dass aber alle Theorien umgekehrt an der ein oder anderen Stelle einen Erklärungsbeitrag liefern können. Offenbar ist das Partnerwahlverhalten zu komplex,

um durch eindimensionale Modelle erfasst werden zu können. Die wichtigsten – jeweils ineinandergreifenden - Mechanismen wurden auf den vorangegangenen Seiten dargestellt.

Insgesamt haben sich Ehen und Partnerschaften in bezug auf die Zugehörigkeit zu Bil- dungsgruppen als relativ geschlossen erwiesen. Schaut man sich die Entwicklung der ver- gangenen Jahrzehnte in Westdeutschland an, lässt sich im übrigen feststellen, dass es we- der zu einer signifikanten Entstrukturierung noch zunehmenden Schließung der Bildungs- schichten gekommen ist, wie dies aufgrund der Individualisierung der Gesellschaft (normative Theorie) bzw. homogenerer Angebotsstrukturen (strukturtheoretische Ansätze) vermutet worden ist.

3. Bildungsspezifische Partnerschaftsmuster in Deutschland

3.1 Vorbemerkungen

Die bisherigen empirischen Forschungsergebnisse zur bildungsspezifischen Partnerwahl haben gezeigt, dass die Partnerwahl nicht unabhängig vom Bildungsstand der Partner statt- findet. Vielmehr wird das bildungsspezifische Partnerwahlverhalten von verschiedenen Wirkungsmechanismen geleitet (vgl. zusammenfassend 2.2.2.2 Ende). Diese ergeben sich sowohl angebotsstrukturell (durch unterschiedliche Bildungsverteilungen) als auch nach- frageseitig (durch spezifische subjektive Präferenzen).

Im folgenden Kapitel wollen wir versuchen diese Wirkungsmechanismen anhand der All- bus-Bevölkerungsumfrage von 1998 nach zu zeichnen. Dazu soll zunächst – nach einer Er- läuterung des Datensatzes (3.2) und der Bildungsklassifikation (3.3) - die deskriptiv zu be- obachtende Partnerstruktur dargestellt werden (3.4). Anschließend wollen wir uns mittels loglinearer Modelle (3.5.1) sukzessive näher an die Wirkungsmechanismen heran tasten: Zunächst überprüfen wir die These der Unabhängigkeit der bildungsspezifischen Partner- wahl und evaluieren den Einfluss der Bildungsverteilung auf die Partnerstruktur (3.5.2). Anschließend wollen wir versuchen, bestimmte Strukturen im Partnermuster zu erkennen, um daraus Rückschlüsse auf das Partnerwahlverhalten treffen zu können (3.5.3). Schließ- lich sollen die sich heraus kristallisierenden individuellen Nachfragemechanismen speziell modelliert werden, um exakt ihre Bedeutung für das partnerschaftliche Wahlverhalten bestimmen zu können (3.5.4).

In einer abschließenden Betrachtung (3.6) werden unsere Ergebnisse den bisherigen For- schungsergebnissen gegenübergestellt und die Frage beantwortet, ob sich in unserer aktuel- len Studie die bisherigen Erkenntnisse vollständig bestätigen oder sich eventuell davon abweichende Tendenzen beobachten lassen.

3.2 Beschreibung des Datensatzes

Als Datenbasis dient der ALLBUS-Datensatz 1998. Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) ist eine Umfrageserie zu Einstellungen, Verhaltens- weisen und Sozialstruktur der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Erhe- bungen werden seit 1980 in zweijährigem Abstand durchgeführt. In persönlichen Inter- views wird jeweils ein repräsentativer Querschnitt der bundesdeutschen Bevölkerung be- fragt.48

Die Grundgesamtheit beim Allbus 1998 besteht aus allen erwachsenen Personen (Deutsche und Ausländer), die in der Bundesrepublik Deutschland in Privathaushalten wohnen. Dabei wurden ausländische Personen nur befragt, wenn das Interview in deutscher Sprache durchgeführt werden konnte. Das Auswahlverfahren basiert auf Zufallsstichproben aus der Grundgesamtheit in drei Stufen (ADM-Design).

ADM Design:

49

Das bereinigte Brutto ergibt sich, da stichprobenneutrale Ausfälle in Höhe von N = 286 zu verzeichnen waren. Daher reduziert sich die Basis auf 5642. Stichprobenneutrale Ausfälle basierten im wesentlichen darauf, dass die Adresse unbearbeitet, der Haushalt nicht auf- findbar, die Adresse unbewohnt, die Adresse nur ein Zweitwohnsitz war oder es unter der Adresse keinen Privathaushalt gab.

Viel gravierender waren allerdings die systematischen Ausfälle, die in den auswertbaren Interviews herausgerechnet wurden. So konnten insgesamt weitere 2408 Fälle nicht in den Datensatz von ALLBUS 1998 aufgenommen werden. Die wesentlichen Gründe dafür wa- ren, dass im Haushalt niemand angetroffen wurde, die Zielperson nicht befragungsfähig

war, die angetroffene Person/Zielperson jede Auskunft verweigerte oder das Interview nicht auswertbar war wegen Zweifel an der korrekten Durchführung.

Erwähnt werden sollte noch, dass die Informationen über den Partner bzw. über den Bil- dungsgrad des Ehepartners stets auf den Angaben des/der Befragten beruhen. Getrennte Auswertungen der ALLBUS-Daten lassen jedoch keine nennenswerten Abweichungen er- kennen. Bei Frauen ergeben sich praktisch keine Unterschiede, während der Bildungsgrad von Männern geringfügig höher ist, wenn er auf deren eigenen Angaben beruht als wenn die Informationen von der Ehefrau stammen.50

Im ALLBUS 1998 wurden daher 3234 Fälle berücksichtigt. Für unsere Analyse konnten wir jedoch weitere 1324 Fälle nicht berücksichtigen, so dass 1910 auswertbare Fälle übrig blieben. Nicht in die Analyse gingen die Befragten ein, die keinen Partner hatten. Dabei haben wir den Begriff des Partners nicht nur auf den Ehepartner beschränkt, sondern die Lebenspartner mit einbezogen51. Die Einbeziehung der Lebenspartner erschien uns inso- fern als gerechtfertigt, da die Anzahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der siebziger Jahre stetig zugenommen hat. Nach Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes war 1972 erst jede 113. Partnerschaft eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1998 dagegen schon jede 10. Partnerschaft.52 Des weiteren liegen der Wahl von Lebensgefährten scheinbar dieselben Selektionsmechanis- men zugrunde wie der Wahl von Ehepartnern, so dass man diese beiden Gruppen ohne Probleme zusammenfassen kann.53 Die meisten nichtehelichen Lebensgemeinschaften können dabei als eine neue Form des „Verlöbnisses“ aufgefasst werden. Sie sind eine Form vorehelichen Zusammenlebens, die nicht als Alternative zur Ehe geplant ist. Dabei ist das nichteheliche Zusammenleben kein Phänomen einer oberen Gesellschafts- oder Bildungs- schicht, sondern kann durch alle soziale Schichtungen, in allen Ortsgrößen, Altersklassen und in allen Regionen betrachtet werden.54

Des weiteren haben wir unsere Analyse darauf angelegt, nur „etablierte“ Partnerschaften zu untersuchen, da sozio-strukturell nur die ernsthaften, längerfristigen (erfolgreichen) Partnerschaften, nicht aber zum Beispiel kurzzeitige Liebschaften oder Partnerschaften, in denen andere Aspekte als ein dauerhaftes Zusammenleben eine Rolle spielen, interessant sind. Hier mögen soziale oder charakterliche Aspekte von vornherein nur eine untergeord- nete Rolle spielen oder sie konnten sich aufgrund der kurzen Zeitspanne noch nicht als re-

levant erweisen. Als Indiz für längerfristige Partnerschaften kann vor allem ein gemeinsa- mer Haushalt gelten. Da die Partnerwahl hier als endgültiger und ernsthafter angenommen werden kann als bei (noch) getrennt lebenden Lebenspartnern, haben wir nur die Lebens- partner in unseren Datensatz aufgenommen, die einen gemeinsamen Haushalt führen. Die- se Differenzierung macht nicht nur bei Lebenspartnern, sondern auch bei den Ehepartnern einen Sinn. Da langfristig getrennt lebende Partnerschaften heutzutage noch eher die Aus- nahme sind, sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass Ehepartner vor allem dann getrennt leben, wenn die Ehe vor einer Scheidung steht. Die getrennt lebenden Ehepartner stellen von daher in der Regel oftmals „nicht erfolgreiche“ Partnerschaften dar.

Wir stellen also durch die Berücksichtigung nur zusammen lebender Paare sicher, dass nur die ehrlich gemeinte und reiflich überlegte Partnerwahl berücksichtigt wird und vermeiden dadurch eventuelle Verzerrungen. Aus den oben genannten Gründen fielen 1231 Befragte aus dem Datensatz. Zum einen gaben 1060 Befragte an keinen Partner zu haben und zum anderen lebten 171 Partner getrennt voneinander.

Weitere 93 Fälle fielen aufgrund der Bildungsvariablen aus dem Datensatz. Zum einen be- zieht sich unsere Analyse auf endgültige Abschlüsse, so dass diejenigen Fälle nicht be- rücksichtigt werden konnten, bei der sich der Befragte noch im Bildungssystem befand und noch keinen Abschluss vorweisen konnte. Aufgrund dieser Einschränkung fielen bei uns 2 Fälle heraus. Des weiteren sind diejenigen aus der Analyse ausgeklammert worden, die ü- ber gar keinen Schulabschluss verfügten. Dieses geschah im Wesentlichen aufgrund der zu

geringen Fallzahl.55 Weitere 16 Fälle konnten nicht aufgenommen werden, da bei ihnen

Angaben zu jeweils einer der Variablen fehlten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Bildungsklassifikation

Das deutsche Bildungssystem - bestehend aus einem dreigliedrigem Schulsystem, einem Universitätssystem und einem Berufsausbildungssystem - lässt eine Vielzahl möglicher Bildungsabschlüsse zu. Für eine Analyse der Bildungsmuster in Partnerschaften ist eine entsprechend feingliedrige Differenzierung jedoch unpraktikabel. Weder ließe sich im Ein- zelfall entscheiden, welcher von zwei Bildungsabschlüssen als höher einzustufen ist, noch gäbe es überhaupt eine größere Anzahl bildungshomogamer Partnerschaften. Obwohl im ALLBUS nicht alle möglichen Bildungsabschlüsse abgefragt werden, erfordert die Analy- se eine noch weitere Zusammenfassung. Die Klassifikation muss dabei insbesondere drei Ansprüchen genügen:

1) Sie muss sich an den formalen Abschlüssen des Bildungssystems orientieren, um eine Ver- gleichbarkeit des Bildungsstandes zu gewährleisten.
2) Die Bildungsstufen sollten von sozialer Relevanz sein, d.h. sie sollten unterschiedliche Berufs- chancen abbilden. Dadurch wird die Interpretation der Bildungsstufen als gesellschaftlich relevante Bildungsklassen ermöglicht, innerhalb derer es zu Öffnungs- oder Schließungsprozessen kommt56.
3) Die Besetzung der Zellen der Kontingenztabelle darf nicht zu gering ausfallen. Diese Anforde- rung entspringt einer statistischen Restriktion der loglinearen Analyse, da nicht erwartet werden kann, dass sich die Verteilung der Teststatistiken L2 und X2der theoretischen c2-Verteilung annä- hern, wenn viele der erwarteten Zellhäufigkeiten der multivariaten Tabelle nie drige Werte haben (z.B. <5). In einem solchen Fall kann die loglineare Analyse verfälschte Ergebnisse liefern57.

Unter Beachtung dieser Grundsätze und in Anlehnung an Wirth58 haben wir die im ALL- BUS aufgeführten schulischen und beruflichen Ausbildungsabschlüsse zu fünf Bildungs- gruppen zusammengefasst59.

[...]


1 Vgl. Blossfeld H.P., Der Einfluss des Bildungssystems, S. 440ff.; Teckenberg W., Wer heiratet wen?; Wirth H., Bil- dung, Klassenlage und Partnerwahl; Ziegler, Bildungsexpansion und Partnerwahl, S. 85ff.

2 Vgl. Klein/Lengerer, Gelegenheit macht Liebe, S. 267

3 Vgl. Handl J., Berufschancen und Heiratsmuster, S. 106f.; Jäckel U., Partnerwahl und Eheerfolg, S. 9ff.

4 Vgl. Möhle S., Partnerwahl in historischer Perspektive, S. 73; Wirth/Lüttinger, Klassenspezifische Heiratsbeziehungen,S. 48ff.

5 Gleichwohl ließe sich mit dem gleichen Argument eine verstärkte Suche nach kulturähnlichen Partnern (als Identifikati- onspunkt in einer komplexen und unüberschaubaren Gesellschaft) begründen. Da jedoch in einer individualisierten Ge- sellschaft persönliche Wertorientierungen zunehmend unabhängig von Bildungsständen werden, widerspricht dies nicht der These einer ansteigenden Bildungsheterogamie.

6 Vgl. Hill/Kopp, Familiensoziologie, S. 92ff.

7 Vgl. Becker G.S., A Treatise on the Family, 1981

8 Haben umgekehrt beide Partner ein niedriges Einkommenspotential, reicht dies evtl. nicht zur Familiengründung aus.

9 D.h. wenn Männer nicht den Part des Hausmannes zu übernehmen bereit sind.

10 Vgl. Winch R.F., Mate-Selection, 1955; Murstein B., Paths to Marriage, 1986

11 Vgl. Haller M., Klassenbildung und soziale Schichtung, S. 318

12 Vgl. Edwards J., Familial Behavior, 1969, S.518ff.; Schoen/Wooldredge, Marriage Choices in North Carolina, 1989

13 Vgl. Rüffer W., Bildungshomogamie im internationalen Vergleich, S. 105f.; Wirth H., Bildung, Klassenlage und Part- nerwahl, S. 50ff.; Wirth/Lüttinger, Klassenspezifische Heiratsbeziehungen, S. 52ff.

14 Allerdings muss dies nicht so sein, wie Klein (1998, S.127f.) unter der Annahme zufallsgesteuerter Partnerwahl vor- rechnet.

15 Blau et al., Heterogeneity and Intermarriage, S. 47

16 In der englischen Sprache wird dieser Sachverhalt treffend umschrieben mit: „Who does not meet, does not mate.“

17 Vgl. Blossfeld/Timm, Der Einfluss des Bildungssystems, S. 449ff.

18 Vgl. Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 53

19 Auf die entsprechenden Studien sei im folgenden an gegebener Stelle verwiesen.

20 Vgl. Wirth H., Wer heiratet wen, S. 378ff.

21 Legende zur Abbildung 1: HSO = Hauptschule ohne Berufsausbildung; HSM = Hauptschule mit Berufsausbil- dung; MR = Mittlere Reife; ABI = Abitur; FH/HS = Fachhochschul- bzw. Hochschulabschluss (MRM = Mittlere Reife mit Berufsausbildung; MRO = Mittlere Reife ohne Berufsausbildung)

22 Wirth H., Wer heiratet wen, S. 379

23 Unterschiede in den Studien beruhen insbesondere auf der Verwendung unterschiedlicher Datensätze oder abweichen- der Klassifikationen der Bildungsstände. Auf gravierende Unterschiede werde ich im folgenden besonders hinweisen.

24 Vgl. Wirth H., Wer heiratet wen, S. 383

25 Vgl. Frenzel H., Bildung und Partnerwahl, S. 71ff.

26 Vgl. Ziegler R., Bildungsexpansion und Partnerwahl, S. 92f.

27 Vgl. Wirth H., Wer heiratet wen, S. 373ff.

28 Der Einfluss von Teilheiratsmärkten (vgl. 2.2.3.2) lässt sich dagegen nicht direkt über die Verteilungsstrukturen, son- dern höchstens indirekt über die Parameter der sozialen Affinität erfassen (vgl. Ziegler R., Bildungsexpansion und Part- nerwahl, S. 92).

29 Vgl. Epstein/Guttman, Mate Selection in Man, S. 243ff.

30 Vgl. Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 145ff.

31 Damit bleibt der Erklärungswert der Angebotsstrukturen selbst unberücksichtigt. Ziegler (Bildungsexpansion und Partnerwahl, S. 94) kommt hierfür auf einen Wert von 40 – 60% (in bezug auf ein Gleichverteilung der Partnerschaften annehmendes Basismodell).

32 Je kleiner die Liklihood-Werte, desto besser die Anpassung an das saturierte Modell. Gleiches gilt für die Devianz (- 2LL = -2 ln L).

33 Predicted = (L 2 Basismodell – L 2 Alternativmodell )/(L 2 Basismodell )

34 Da L2 sehr sensitiv gegenüber der Fallzahl ist, wird als zusätzliches Gütemaß für die Modellanpassung die BIC- Statistik herangezogen. Die BIC-Statistik berücksichtigt sowohl die Sparsamkeit des Modells (gemessen an den ver- brauchten Freiheitsgraden) wie auch die Fallzahl. Je kleiner der BIC-Wert ist, desto besser ist die Modellschätzung: BIC=L 2 – (lnN)*(df), vgl. Mare R, Educational Assortiv Mating, S. 21

35 Vgl. Teckenberg, W., Wer heiratet wen, S. 146ff.

36 Vgl. Ziegler R., Bildungsexpansion und Partnerwahl, S. 85ff .

37 Vgl. Teckenberg W., Wer heiratet wen, S. 139ff.

38 Vgl. Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 165ff./240ff.

39 Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 240

40 Vgl. Wirth H., Bildung, Klassenlage und Partnerwahl, S. 141; eingehend zur sozialen Umstrukturierung in der DDR: Solga H., Klassenlagen und Mobilität, S. 5ff.

41 Vgl. Rüffert W., Bildungshomogamie im internationalen Vergleich, S. 99ff.

42 Im Sinne des normativen Ansatzes (vgl. 2.2.1) lassen sich insbesondere unter einer christlichen und ländlichen Bevöl- kerung starke auf eine Bildungshomogamie hinwirkende Wertvorstellungen vermuten.

43 Vgl. Klein T ., Determinanten der bildungsbezogenen Partnerwahl, S. 140f.

44 Klein T ., Determinanten der bildungsbezogenen Partnerwahl, S. 140

45 Blossfeld/Timm, Der Einfluss des Bildungssystems, S. 463f., Zitat: S. 463

46 Vgl. Blossfeld/Timm, Der Einfluss des Bildungssystems, S. 467ff.; Auch hier bedienten sich die Autoren der logisti- schen Regression als statistisches Untersuchungsinstrument.

47 Vgl. Frenzel H., Bildung und Partnerwahl, S. 67ff.

48 Vgl. http://zuma-mannheim.de/data/allbus/inform.html

49 Vgl. Koch/ Kurz./ Mahr-George/Wasmer, Konzeption und Durchführung der „Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“, S. 7 u. S.46

50 Vgl. Ziegler, Sozialstruktur im Umbruch, S. 85

51 Wenn im folgenden aus Gründen der einfacheren Formulierung die Begriffe „ Heirat“ oder „ heiraten “ verwendet wer- den, sind damit stets auch die nicht-ehelichen Partnerschaften berücksichtigt.

52 Vgl. Statistisches Jahrbuch 1991, Seite 71 und Statistisches Jahrbuch 1999, Seite 64

53 Vgl. ZUMA Nachrichten 36 S. 83; Schriftreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit Band 170, Nichteheliche Lebensgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland, S. 51 und. Wingen M., Nichteheliche Lebens- gemeinschaften, S. 46-49

54 Vgl. Nichteheliche Lebensgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland, S. 8

55 Vgl. Kapitel 3.3

Fin de l'extrait de 164 pages

Résumé des informations

Titre
Wer heiratet wen? Eine empirische Analyse bildungsspezifischer Heiratsmuster
Université
Carl von Ossietzky University of Oldenburg  (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften)
Note
0,7
Auteurs
Année
2001
Pages
164
N° de catalogue
V1844
ISBN (ebook)
9783638111331
Taille d'un fichier
1382 KB
Langue
allemand
Annotations
In einer umfassenden Analyse gehen die Autoren der Frage nach, inwieweit - aus einer gesellschaflichen Perspektive - die Bildung Einfluss auf die Partnerwahl hat. Dabei werden zunächst bisherige Forschungsergebnisse vorgestellt, um diese anschließend im Rahmen einer eigenen statistischen Analyse - beruhend auf den Allbus-Daten von 1998 - zu überprüfen und auszubauen. Beruhend auf loglinearen Modellen wird untersucht, inwieweit Tendenzen zur Aufwärts- und Abwärtsheirat bestehen, wie sich diese Tendenzen im Zeitablauf geändert haben und Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sowie zwischen berufstätigen Frauen und Hausfrauen aufgezeigt. Mittels diskriminanzanalytischer Instrumente wird zudem nach Einflussfaktoren gesucht, die das Partnerwahlverhalten bezogen auf den Bildungsstand des Partners bestimmen. Die Ergebnisse sind am Ende jedes Kapitels übersichtlich zusammengefasst und interpretiert. Die Erkenntnisse gehen teilweise über den Stand der aktuellen Literatur hinaus.
Mots clés
Partnerschaft, Partnerwahl, Heiratsmuster, Partnerwahlverhalten, loglineare Modelle, loglineare Analyse, Diskriminanzanalyse, Allbus, empirische Analyse
Citation du texte
Christian Gahrmann (Auteur)Wiebke Schnittger (Auteur), 2001, Wer heiratet wen? Eine empirische Analyse bildungsspezifischer Heiratsmuster, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1844

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