Sportprojekt "Basketball um Mitternacht" in München. Ein sozialpädagogischer Ansatz in der offenen Jugendarbeit


Mémoire (de fin d'études), 1999

120 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffliche Eingrenzung
2.1 Sportpädagogik
2.2 Offene Jugendarbeit

3. Jugend und Sport
3.1 Sportbegriff der Jugend
3.2 Freizeitorientierungen und -interessen von Jugendlichen
3.3 Jugend und ihre sportlichen Lebenswelten
3.4 Sport als Freizeit- und Lebensstil
3.5 Sport als Sinnmuster in der Jugendkultur

4. Allgemeine Ziele der Sportpädagogik im Rahmen der offenen Jugendarbeit
4.1 Identitätsentwicklung
4.2 Sozialisation
4.3 Soziales Lernen
4.4 Moderation
4.5 Befindlichkeitsverbesserung

5. Sportpädagogische Grundüberlegungen in der offenen Jugendarbeit
5.1 Konzeptionelle Grundlage der offenen Jugendarbeit
5.2 Sportpädadogische Strukturelemente der offenen Jugendarbeit
5.2.1 Entscheidungsfaktoren
5.2.1.1 Zielbereich
5.2.1.2 Inhalt
5.2.1.3 Methodik
5.2.1.4 Organisationsformen
5.2.2 Bedingungsfaktoren
5.2.2.1 Mitarbeiter
5.2.2.2 Zielgruppe
5.2.2.3 Sachliche Ausstattung
5.2.2.4 Träger

6. Sportprojekt „Basketball um Mitternacht“
6.1 Entstehung des Projektes
6.2 Projektkonzeption
6.2.1 Ziele
6.2.2 Inhalt/Methodik/Organisationsformen
6.2.3 Mitarbeiter
6.2.4 Zielgruppe
6.2.5 Sachliche Ausstattung
6.2.6 Trägerkooperation
6.3 Projektverlauf
6.4 Zwischenauswertung

7. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang

Hausordnung

Gewaltpräventions-Projekt im Münchener Norden

1. Einleitung

Sport in der Jugendarbeit steht heute stellvertretend für Nachwuchsförderung im Sportverein. Aufgrund der neuhumanistisch geprägten Bildungsideale, die bis heute den Sport in staatlichen Bildungsinstitutionen ihre volle Anerkennung versagen, wurden die Turn- und Sportvereine zur ersten Adresse des Jugendsportes. Diese Hegemonie der Sportvereine wurde bis heute von keinen anderen Institutionen angetastet. Gerade auch deswegen wurde dieses Handlungsfeld in den Diskussionen über Jugendarbeit in der Vergangenheit fast völlig ignoriert.

Auch die Sozialwissenschaft, insbesondere die praxisnahe Sozialpädagogik hat dieses außerschulische Sozialisationsfeld als Teil einer offenen Jugendarbeit bisher vernachlässigt. So ist es nicht verwunderlich, daß bis weit in die 80er Jahre hinein, das Thema „Sport und Jugendarbeit“ sowohl in den großen Jugendstudien als auch in den Standardwerken zur Jugendarbeit fast unberücksichtigt blieb (vgl. Brettschneider / Bräutigam, 1990; Brand, 1997).

Während die Bedeutung der Sportvereine für die Jugendarbeit durch zahlreiche Veröffentlichungen in den letzten Jahren untersucht wird, wird Sport als ein mögliches Feld der offenen Jugendarbeit weitestgehend in sozialwissenschaftlichen Arbeiten ausgeklammert (vgl. Brinkhoff, 1992).

Genauso wenig gibt es Förderangebote für die Träger der Jugendhilfe im Rahmen des KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz). In seinem Leistungskatalog spielt Sport als eine Förderungsmöglichkeit im Feld der Jugendarbeit nur eine marginale Rolle. Zwar hat sich die rechtliche Situation im KJHG im Vergleich zum Jugendwohlfahrtsgesetz verbessert – das JWG kannte nicht einmal das Wort „Sport“- , trotzdem ist Sport bisher nicht eindeutig im Rahmen der Jugendarbeit definiert. Das KJHG kennt Sport im Kontext der Jugendarbeit nur in § 11 Abs. 3 Nr. 2: “Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeiten“. Welche Bedeutung und vor allem welche Unterstützungsmöglichkeiten für die Träger der Jugendhilfe danach bestehen, werden nicht klar bestimmt. Auch die relevanten KJHG Kommentare können den Begriff des Sports nicht verdeutlichen und äußern sich zum Teil zurückhaltend: “Der Begriff Jugendarbeit im Sport mache deutlich, daß nicht jede sportliche Betätigung an sich schon Jugendarbeit und damit Jugendhilfe ist“ (Wiesner, 1995, §11Rz17).

Nun ist es aber nicht nur der Gesetzesrahmen des KJHG, der die Träger der Jugendhilfe davon abhält, sportpädagogische Konzepte und Programme aufzunehmen. So wurde bei den Trägern bisher die eigene sozialpädagogische Professionalität ihrer Jugendarbeit auch durch die Abgrenzung von professionsfremder Jugendarbeit, wie es in den Sportvereinen praktiziert wird, vorangetrieben. Auf sportliche Aktivitäten wird weitgehend verzichtet, um das eigene Selbstverständnis der professionellen Jugendarbeit zu stützen. Andererseits will man vermeiden, daß Sozialpädagogen in den Feldern der Offenen Jugendarbeit auf eine Stufe mit ehrenamtliche Mitarbeitern der Sportvereinen gestellt werden und somit ihre Fachlichkeit in Frage gestellt wird.

Gleichzeitig wurde der DSJ (Deutsche Sportjugend) von den Trägern der offenen Jugendarbeit als Konkurrent kritisch betrachtet und beurteilt. Nach Auffassung dieser Träger bestand die geleistete Jugendarbeit des DSJ rein in der Optimierung sportlicher Leistungsfähigkeit in Form von Training und Wettkampf und ließ die konkreten Entwicklungsprobleme, Lebenslagen, Sorgen und Ängste der Jugendlichen weitgehend unberücksichtigt. Die Sportjugend wurde zwar als Träger der Jugendarbeit anerkannt, dennoch wurde sein Medium Sport in den Jugendarbeitsdebatten nie richtig ernst genommen (vgl. Kreft, Kreft², 1997).

In gleicher Weise herrschen immer noch Barrieren bezüglich Kooperationen zwischen selbstverwalteten Sport und den Organisationen der offenen Jugendarbeit. Obwohl das KJHG (vgl. §4,§74,§81) in besonderer Weise den Kooperationsauftrag zwischen Trägern der Jugendhilfe hervorhebt, werden diese Möglichkeiten nur selten genützt. Diese Berührungsängste gründen sich teilweise noch aus der Zeit der 68er Bewegung in der die Jugendarbeit hauptsächlich in Jugendzentren und Jugendbildungsstätten praktiziert wurde. In jenen Einrichtungen wurde die politische Bildungsarbeit als Schwerpunkt konzipiert (vgl. Giesecke, 1980). Dieses politische Selbstverständnis drückte sich hauptsächlich in kognitiv-geleiteter Jugendarbeit aus, die dem organisierten Sport den Beigeschmack des Normierten und Einfältigen verlieh. Diese Etikettierung des Sport durch die damalige offene Jugendarbeit konnte bis in die heutige Zeit nicht ganz abgelegt werden. So werden weiterhin Initiativvorschläge seitens sportlich qualifizierten Fachkräften oft nur zurückhaltend und skeptisch durch Verantwortliche der offenen Jugendarbeit aufgenommen.

Das entscheidende Faktum aber, das einem sportpädagogischen Einzug in das Feld der offenen Jugendarbeit entgegensteht, ist das Fehlen von fachübergreifenden, sportpädagogischen Lehrinhalten in den Studienplänen zur Ausbildung des Diplom Sozialpädagogen und eine fachliche Kooperation zwischen Sportpädagogen und Sozialpädagogen. Diese beiden Fundamente zur Qualifizierung der Studenten für sportpädagogische Angebote in der offenen Jugendarbeit wurden bisher in keinem oder nur geringfügigen Maße vorangetrieben. Die bisherigen Erhebungen zur Ausbildungssituation im Bereich Sport an Fachhochschulen für Sozialwesen bestätigen diese Annahme, daß es nur an wenigen Fachhochschulen ein Ausbildungskonzept für den Bereich Sport gibt, deren Angebote den Studierenden der Sozialpädagogik ermöglichen, ausreichendes Wissen zur Planung und Durchführung von Sportangeboten in sozialen Arbeitsfeldern, gerade auf dem Feld der offenen Jugendarbeit zu erlangen. Dieses Ausbildungsfeld Sport wird weder in den Zielsetzungen, Inhalten, Umfang und Gestaltung eindeutig definiert, noch ist dieses Feld eine Ausbildungsselbstverständlichkeit an den Fachhochschulen. Daraus läßt sich auch die katastrophale Lage hinsichtlich der personellen Ausstattung im Ausbildungsbereich Sport an den Fachhochschulen ableiten. Es verfügen nur die wenigsten Fachhochschulen über einen hauptamtlichen Sportpädagogen. Ebenso ist die Ausstattung für Sportmöglichkeiten sehr mangelhaft, da es weder geeignete Räumlichkeiten noch Sportgeräte gibt (vgl. Seibel, 1998).

Das oben angedeutete historisch und politisches Spannungsverhältnis zwischen Sport und offener Jugendarbeit im Rahmen der Sozialpädagogik hat zu einer Anhäufung von Mißverständnissen zwischen den beteiligten Seiten geführt, die das Medium Sport als ein chancenreiches Angebot in der offenen Jugendarbeit bisher marginalisierte.

Das aber gerade Sport eine Vielzahl von Möglichkeiten für die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen bietet wurde erst in den letzen Jahren durch sozialwissenschaftliche Studien und erfolgreiche Projektversuche (vgl. Alice-Salomon-Fachhochschule für SA/SP in Berlin / Sportjugend Berlin, 1997; Fessler / Seibel, 1998) auf dem Feld der offenen Jugendarbeit erkannt und floß dadurch in verstärktem Maße in die Themen der offenen Jugendarbeitsdebatten mit ein. Durch neue Studien erhält das früher „stiefkindliche“ Dasein des Sport in der offenen Jugendarbeit eine neue Bedeutungsdimension. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde am 22/23. September 1997 auf einem Werkstattgespräch in Bad Boll „Sport und Soziale Arbeit“ zum dritten Mal erst überhaupt in einem Gesprächsforum thematisiert.

Vertreter mit unterschiedlichen Positionen aus dem sportwissenschaftlichen Bereich der Universitäten, den Pädagogischen Hochschulen, den Sportjugendorganisationen, den Hochschulen für Soziale Arbeit sowie der öffentlichen und freien Jugendhilfe waren zu diesem Gespräch zusammengekommen, um auf der Basis bisher gelungener Modelle von Sport- und Sozialeinrichtungen zu prüfen, wie eine stärkere und effektivere Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzen zur Umsetzung von sozialer Arbeit durch das Medium Sport erzielt werden kann. Am Ende dieser Veranstaltung wurde eine „Bad Boller Erklärung“ verabschiedet, die ich hier kurz zitiere:

“Tiefgreifende Wandlungsprozesse in den Lebenswelten junger Menschen mit gravierenden Auswirkungen für das Aufwachsen stellen die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe/Jugendarbeiter vor bisher nicht gekannte Herausforderungen.

Der Sport und seine Jugendorganisationen leisten heute schon einen beachtenswerten Beitrag in präventiven und interventiven Feldern der Sozialen Arbeit. Dennoch muß er sich stärker seiner Leistungen bewußt werden und noch intensiver auf sozial benachteiligte junge Menschen und mögliche Kooperationspartner im Bereich der Hochschulen und der öffentlichen und freien Jugendhilfe zugehen.

Die Fachhochschulen für Soziale Arbeit dürfen sich nicht länger dem Thema “Sport und Soziale Arbeit“ verschließen. Sie sind vielmehr aufgefordert, ihrerseits das Thema in ihrem Ausbildungssystem zu integrieren und mit dem Sportorganisationen und sportwissenschaftlichen Instituten mit dem Ziel wechselseitiger Synergieeffekte zu kooperieren.

Die sportwissenschaftlichen Institute werden aufgefordert, in noch verstärkterem Maße ihren Beitrag zur Entwicklung und Qualifizierung einer sportbezogenen Sozialen Arbeit zu leisten und die dazu notwendigen Kooperationen mit den Sportorganisationen und Fachhochschulen für Soziale Arbeit einzugehen.

In Zeiten knapper werdender finanzieller Möglichkeiten und im Interesse einer sozial gerechten Erziehung, Bildung und Betreuung von jungen Menschen - auch in sozial benachteiligten Lebenslagen – müssen vorhandene organisatorische, personelle und finanzielle Ressourcen gebündelt und effektive Formen der Zusammenarbeit gefunden werden.“ (Fessler, 1998, S.14)

Gerade in den Abschnitten zwei und drei werden die Träger der Jugendhilfe im Rahmen der Sozialpädagogik aufgefordert, sportpädagogische Inhalte in Kooperation mit anderen Trägern oder auch alleine ein- und durchzuführen.

Zum ersten Mal wurde in diesem Werkstattgespräch der Bedeutungsgehalt und die Notwendigkeit des Sports auch für die Organisationen der offenen Jugendhilfe benannt und entsprechende Empfehlungen an ihre Träger erlassen.

Das diese Erkenntnisse und ihre abgeleiteten Forderungen ihre Richtigkeit und in vielen Bereichen der offenen Jugendarbeit auch ihre Wichtigkeit haben, soll in meiner Diplomarbeit nachhaltig belegt werden. In den folgenden Abschnitten meiner Arbeit werde ich den Versuch starten, die Sportpädagogik als einen sozialpädagogischen Ansatz in der offenen Jugendarbeit zu begründen und darzustellen. Demzufolge versuche ich zu beweisen, daß auch durch das Medium Sport die gesetzliche Aufgabe der offenen Jugendarbeit nach §11 KJHG erfüllt wird. Dies bedeutet, daß die offene Jugendarbeit durch die Bereitstellung von sportlichen Angeboten, das zugleich an die Interessen der Jugendlichen anknüpft und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet wird, die Entwicklung junger Menschen fördert, sie zur Selbstbestimmung bewegt und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregt und hinführt. (vgl. §11 Abs.1 KJHG).

In einen der wichtigsten Kommentare zum KJHG unter dem Titel „Profil und Auftrag von Jugendhilfe“ erscheinen mir zwei der dort formulierten Ebenen für den Sport in der offenen Jugendarbeit als besonders treffend. Zum einen wird dort Jugendhilfe als “offensive Interessenvertretung junger Menschen“ und andererseits als “reaktive Intervention“ verstanden (vgl. Münder, 1993, S. 81f).

Damit erhält auf der jugend- und gesellschaftspolitischen Ebene nach Münder die offenen Jugendarbeit den Auftrag, die “Lebens- und Sozialisationsbedingungen junger Menschen präventiv abzusichern und in Reaktion auf erkannte Defizite zu verbessern“ (Brandi, 1997, S.7).

Zur Realisierung dieses Auftrags sind dem Anspruch des KJHG nach für Jugendliche dementsprechende Lebensbedingungen zu schaffen, die insbesondere ihre Persönlichkeitsentfaltung, Selbstorganisation, Selbstbestimmung, soziale Interaktions-, Konflikt-, Integrationsfähigkeit, etc. der jungen Menschen fördert bzw. unterstützt (vgl. Münder, 1993).

Gerade in diesen Punkten erkenne ich wichtige Schnittstellen zwischen Sport und offener Jugendarbeit. Denn alle genannten Begriffe lassen sich im Sport verwirklichen, genauso wie das große Interesse junger Menschen an aktiver Sportausübung, was mein weiterer Argumentationsverlauf noch verdeutlichen wird.

Zur Terminologie:

Ich verwende in meiner Diplomarbeit vorrangig die männliche Form der deutschen Sprache, wobei ich darauf hinweisen möchte, daß die weibliche Form damit selbstverständlich mit eingeschlossen ist.

2. Begriffliche Eingrenzung

Um meine wissenschaftliche Arbeit auch auf ein wissenschaftliches Fundament zu stellen, ist es notwendig, den begrifflichen Rahmen exakt und präzise abzustecken. In meinen fortlaufenden Erörterungen wird dieser Rahmen sich im wesentlichen auf zwei Begriffe stützen, die für die einheitliche Auseinandersetzung und einer Konzeptentwicklung essentielle Bedeutung haben werden. Dadurch können argumentative Mißverständnisse und Unklarheiten vermieden und im Sinne einer Typologie dieser Begriffe wissenschaftliche Folgerungen schärfer rekonstruiert werden.

Wie aus meiner Themenstellung ersichtlich wird, bilden die Begriffe „Sportpädagogik“ einerseits und „offene Jugendarbeit“ andererseits das begriffliche Fundament meiner Arbeit. Nur durch die Konkretisierung dieses Begriffe ist es auch möglich, die sozialpädagogischen Schnittstellen zwischen Sportpädagogik und offener Jugendarbeit herzustellen und daraus Ansatzpunkte für ein sozialpädagogisches Konzept zu entwickeln.

2.1 Sportpädagogik

Um 1970 wurde der Begriff „Sportpädagogik“ eingeführt und verdrängte den bis dato anerkannten Begriff der „Leibeserziehung“. Die Theorie der Leibeserziehung stammte noch aus der Anfangszeit der Lehrerausbildung und deren Verwissenschaftlichung. In dieser Tradition wurden die damaligen Konzepte der Leibeserziehung auch an der allgemeinen Pädagogik und Didaktik orientiert.

Die Sportpädagogik übernahm ihre Stelle und reihte sich zugleich als Teildisziplin der Sportwissenschaft ein. Sportpädagogik wurde somit zu gleichen Anteilen ein Teilgebiet der Erziehungswissenschaft wie auch der Sportwissenschaft.

Sportpädagogik ist deswegen einerseits spezielle und angewandte Pädagogik (Intrabeziehung) und anderseits Theoriefeld der Sportwissenschaft (Interbeziehung). Sie ist im Rahmen eines Theoriefeldmodels in der Interbeziehung ganz eng eingebunden in die sozial- und verhaltenswissenschaftlich geprägten Theoriefelder, d. h. zwischen Sportpsychologie und Sportsoziologie. Daneben bestehen noch weitläufige Beziehungen zu medizinisch-naturwissenschaftlichen Bereichen der Sportwissenschaft (Sportmedizin, Sportbiomechanik) und zu historisch-philosophischen Bezügen (Sportgeschichte, Sportphilosophie). Daneben steht sie auch mit den neuen Theoriefeldern der Sportwissenschaft in Verbindung (Sportinformation, Sportpolitik, Sportrecht, Sportstätten-/Sportgerätekunde, Sportökonomie, Sportökologie). In dieser Theoriefeldorientierung hat sie einen zentralen Standort, der gespeist wird durch eine entsprechende Ausgestaltung der Interbeziehungen in der Sportwissenschaft und eine intensive Intrabeziehung zur Erziehungswissenschaft.

Ein zweiter Versuch, sich ihrem Standort zu nähern, geschieht durch die Themenfeldorientierung. Hier werden Themenfelder aufgestellt, in denen die Sportpädagogik in bestimmten Maße wissenschaftliche Erkenntnisse im Hinblick auf dieses Thema bündelt und integriert. In dieser Orientierung unterscheidet man grundsätzlich zwischen sportspezifisches und allgemeines Themenfeld. Zu den sportspezifischen Themenfelder der Sportpädagogik gehören insbesondere Bewegungs- und Spieltheorie im Sinne einer Bewegungs- und Spielerziehung, sowie in Anlehnung an den Sportunterricht die Unterrichtstheorie. Bei den allgemeinen Themenfeldern liegen die Schwerpunkte im Freizeitsport, Gesundheitssport, Sport mit Sondergruppen und Aggression/Gewalt im Sport.

Im Allgemeinen befaßt sie sich mit funktionalen (ungeplanten) und intentionalen (geplanten) Möglichkeiten und Grenzen der Bildung und Erziehung zu und durch Bewegung, Spiel und Sport. Überdies beschäftigt sie sich mit Lehren und Lernen im Hinblick auf alle Altersgruppen. Dabei werden Lehr- und Lernorte innerhalb und außerhalb staatlicher Bildungsinstitutionen berücksichtigt. Ihre Bezugsgruppen unterliegen keinen spezifischen Kriterien, so daß beispielsweise leistungsschwache wie auch –starke Menschen in ihre Überlegungen eingebunden werden (vgl. Haag, 1995; Meinberg, 1985).

In der Definition ihres Gegenstandsbereiches wurde im Zuge der Verdrängung der Leibeserziehung ein neuer und umfassender Sportbegriff als wissenschaftlicher Gegenstand entwickelt. War noch aus Sicht der Theoretiker der Leibeserzieher das traditionelle Verständnis von Sport in Abgrenzung gegenüber den Begriffen Turnen, Gymnastik, Spiel und Tanz noch relativ klar abgefaßt, so hat die neue Unterordnung aller Leibesübungen unter den Begriff Sport den Sportbegriff als Gegenstand erheblich erweitert. Diese Subsumierung aller Leibesübungen unter „Sport“ machte eine weite Auslegung des Begriffes notwendig. Vom Dauerlaufen bis zum Freizeitspiel, vom Angeln bis zum Reiten umfaßt Sport alle bewußten Tätigkeiten, bei denen sich der Mensch mit etwas außerhalb seiner selbst liegend vor allem physisch auseinandersetzt. Es wird nicht mehr nur das als vordergründig sichtbare Verhalten von Menschen als Sport bezeichnet, sondern kann heute nur noch in seinem Entstehen und Bestand verstanden werden, wenn es als Teil eines sozialen Systems mit vielfältigen gesellschaftlichen Verflechtungen verstanden wird. In diesem Zusammenhang gilt für die Sportpädagogik, den Sport in seiner institutionellen Verfaßtheit zu untersuchen. Denn gerade der Tatbestand, daß sich Sport als soziales System neben anderen Systemen in der Industriegesellschaft fest etabliert hat, beweist seine Verflochtenheit, aber auch seine Eigendynamik in jenen Systemen. Über diese Klärung der Frage wird dann die pädagogische Inanspruchnahme des Sport als eine für alle Menschen tragfähiges Bewegungskonzept beurteilt (Dietrich / Landau, 1987).

Für die Grundfragenstellung der Sportpädagogik bedeutet dies, ihre Forschung auf die Körper- und Bewegungssozialisation der einzelnen Menschen in ihren jeweiligen Lebenswelten zu richten. Über diese bewegungssoziale Fragestellung ist eine systematische Einbindung einer Lebensweltanalyse notwendig, um sich damit ein genaues Bild über die Körper- und „Bewegungsverhältnisse“ der Menschen zu entwerfen.

Im Sinne einer sportpädagogischen Gegenstandskonstitution werden die zwei zentralen Punkte „Bewegung“ und „Verhältnis“, über das Sportverständnis als kulturelle Erscheinungsform hinaus, folgendermaßen in Beziehung gesetzt:

“Das Phänomen „Bewegung“, die anthropologische Tatsache, daß die Menschen sich in der bewegungsmäßigen Auseinandersetzung die Welt aneignen, und

das „Verhältnis“, das die Menschen über diesen Aneignungsprozeß in Abhängigkeit von je spezifischen historisch-gesellschaftlichen Bedingungen zu ihrem Körper gewinnen.“ (Dietrich / Landau, 1987, S.391)

Aus diesem Begriffsverständnis des Gegenstandsbereiches der Sportpädagogik heraus wird einerseits klar, daß Sport im Sinne von Bewegung zur Aneignung der Welt führt und andererseits, daß erst durch diesen Prozess selbst der Mensch ein spezifisches Verhältnis zu seinem Körper erwirbt. Das heißt Sport als zentrales Medium der Sportpädagogik ermöglicht den Menschen, sich die Welt und seinen Körper zu seinem Eigenen zu machen.

2.2 Offene Jugendarbeit

„Offene Jugendarbeit“ versteht sich als ein bestimmtes Handlungsfeld der Jugendarbeit. Aus diesem Blickwinkel heraus erscheint es als sinnvoll, in einem ersten Schritt das Handlungsfeld der Jugendarbeit im Ganzen zu beschreiben und in einem zweiten Schritt das Spezifikum des Feldes der Offenen Jugendarbeit hervorzuheben.

Der Bereich der Jugendarbeit ist ein Teilbereich der Jugendhilfe, dessen Grundlagen das KJHG festlegt. Um die Jugendarbeit von anderen Bereichen der Jugendhilfe abzugrenzen, beziehe ich mich auf folgende Definition:

“Jugendarbeit bezeichnet diejenigen von der Gesellschaft Jugendlichen und Heranwachsenden angebotenen und im KJHG katalogisierten Lern- und Sozialisationshilfen, die außerhalb von Schule und Beruf erfolgen, die junge Menschen unmittelbar, also nicht auf dem Umweg über die Eltern, ansprechen und von ihnen freiwillig wahrgenommen werden.“ (vgl. Giesecke, 1980, S.14)

Aus dieser Definition können einheitliche Kriterien für eine begriffliche Eingrenzung abgeleitet werden. Für die Abgrenzung der Jugendarbeit ergeben sich daraus sechs Eckpunkte:

Jugendarbeit beinhaltet nur solche pädagogischen Maßnahmen, die von der Gesellschaft, d. h. von den Organisationen der öffentlichen Jugendhilfe bzw. den Trägen der freien Jugendhilfe (vgl. §3 Abs.2 KJHG), organisiert werden. Aktionen von Jugendlichen selbst fallen nur darunter, wenn sie sich in irgendeiner Form diesen Angeboten bedienen. Als Beispiele können finanzielle oder auch räumliche Unterstützung genannt werden.

In der Definition sind nur pädagogisch intendierte Angebote enthalten, d. h. jegliche Art von Lernangebote, die aber Versorgungsleistungen ausschließen.

Jugendarbeit fordert eine Altersbegrenzung. Die in den §11 Abs. 3 KJHG genannten Schwerpunkte der Jugendarbeit sind nur denjenigen zu gewähren, die nach § 11 Abs. 1 junge Menschen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 4 KJHG sind, d. h. wer noch nicht das 27. Lebensjahr erreicht hat.

Die Definition kennt nur solche Maßnahmen, die sich nach § 11, Abs. 3 primär an die jungen Menschen wenden, d. h. im Umkehrschluß nicht die Eltern bzw. Erziehungsberechtige direkt ansprechen.

Für die Teilnahme an den Maßnahmen der Jugendarbeit gilt immer das Prinzip der Freiwilligkeit. Dadurch werden Maßnahmen der Zwangserziehung automatisch ausgeschlossen.

Jugendarbeit erfolgt außerhalb von Schule und Beruf. Diese Bestimmung ordnet sie dem Freizeitbereich zu. (vgl. Giesecke, 1980, S.15)

Die genannten Kriterien ermöglichen es, die Praxis der Jugendarbeit zu verifizieren und ihren begrifflichen Rahmen abzustecken.

Als ein Handlungsfeld der Jugendarbeit (vgl. § 11 Abs.2 Satz 2 KJHG) wird das Selbstverständnis der offenen Jugendarbeit aus dem begrifflichen Rahmen der Jugendarbeit abgeleitet. Die entscheidende Eingrenzung ihres Verständnisses im Rahmen der Jugendarbeit besteht in der Charakteristik der Offenheit. Die Voranstellung des Adjektivs „offene“ drückt die Besonderheit ihres Organisationsprinzips aus. Das Organisationsprinzip der Offenheit benennt keine Kriterien für die Teilnahme an den Veranstaltungen der offenen Jugendarbeit. Die Angebote sind für jeden jungen Menschen zugänglich und beinhalten keinen Bindungsmodus an die Organisation. Das heißt, daß im Gegensatz zur verbandlichen Jugendarbeit keine Organisationsmitgliedschaft zur Teilnahmeberechtigung vorausgesetzt wird. Ihre Angebote richten sich an alle Jugendliche und versucht gerade die Jugendlichen die keinen Jugendorganisationen angehören und somit weniger an verbandlichen Bindungen, sondern vielmehr an einzelnen Veranstaltungen bzw. themenbezogener Arbeit in Projekten interessiert sind, anzusprechen. Offene Jugendarbeit wird im Gegensatz zur verbandlichen Jugendarbeit, die ihren Schwerpunkt auf feste Gruppenstruktur legt, meist von öffentlichen Trägern angeboten, deren vornehmliches Ziel es ist, offene Gruppenstrukturen zu konstituieren. Diese Form der Jugendarbeit wird heute im großen Umfang in Jugendfreizeitstätten betrieben, die sich nach dem 2. Weltkrieg in Ergänzung zu den in Verbandsheimen organisierten Gruppen und Jugendverbänden entwickelt haben. Ihre Arbeit wird dadurch bestimmt, daß unstrukturierte Kommunikationsmöglichkeiten (Cafes, Partys, etc.) und spezifische Neigungsgruppenangebote (Theater-, Photo-, Sportgruppen, etc.) für alle Jugendlichen zur Verfügung gestellt werden.

Außer Jugendzentren beinhalten Jugendclubs, Teestuben, Cafebars, Jugendbars, Jugendläden, aber auch fahrbare Jugendtreffs wie Spielbusse, Cafestände, Büchereibusse, usw. offene Angebotsstrukturen (vgl. Jordan; Jordan², 1996; Böhnisch / Münchmaier, 1992; Giesecke, 1980).

3. Jugend und Sport

In diesem Abschnitt wird ein erster Zugangsversuch zwischen den zentralen Bezugspunkten der Sportpädagogik und der Jugendarbeit, nämlich dem Sport und der Jugend, unternommen.

Für eine Annäherung dieser Begriffe und ihren Beziehungen untereinander ist es erforderlich, Sport im Kontext jugendlicher Lebensverhältnisse zu analysieren. Denn Sport bezogen auf die Lebensphase Jugend kann nur vor dem Hintergrund der momentanen Heterogenität jugendlicher Lebenswelten als eine Ausdifferenzierung ihrer Lebenskultur verstanden werden.

Angesichts dieser Entwicklung erscheint es im weiteren Verlauf wichtig, den Zusammenhang von sportlichen Aktivitäten der Jugendlichen und einerseits ihren individuellen Lebensentwürfen und allgemeinen Wertorientierungen zu beleuchten, und andererseits aktuelle gesellschaftliche, kulturelle und subkulturelle Entwicklungen in der jugendlichen Sportkultur zu erfassen.

3.1 Sportbegriff der Jugend

Bei der Verständigung über den Gebrauch des Wortes Sport gibt es erhebliche Unterschiede zwischen der objektiven Begriffsauffassung aus einem sportwissenschaftlichen Definitionsversuch heraus und dem subjektiven Sportverständnisses von Jugendlichen. Um aber eine differenzierte Analyse und Erfassung der sportlichen Aktivitäten von Jugendlichen authentisch zu rekonstruieren, ist es unumgänglich, sich über den Sportbegriff der Jugend zu verständigen. Andernfalls laufen Pädagogen Gefahr, den Bedeutungsgehalt des Sports für die Jugendlichen falsch zu interpretieren und letztendlich „an den Jugendlichen vorbeizureden“. Dies macht es notwendig, eine subjektive, semantische Bedeutung des Begriffes Sport zu konstruieren, um mit dem jugendliche Vorstellungen, Gefühle, Assoziationen und Wissensbestände kongruent zu laufen.

Sport ist kein einheitliches Phänomen. Es gibt viele Arten des Sport wie Fußball, Tennis, Basketball, etc. und viele Typen des Sports wie Leistungssport, Ausgleichssport, Familiensport, Breitensport, etc.. Von daher liegt die Annahme nahe, daß es intraindividuell keinen festen, strukturierten Begriff von Sport gibt. Sport ist immer mehrdeutig auszulegen.

Genauso wenig bleibt auch interindividuell der Sportbegriff nicht eindeutig bestimmbar, weil er stets durch unterschiedliche Sportbiographien erworben wird und sich daher jeglichem kollektiven Einheitsverständnis entzieht. Durch die verschiedensten Einflüsse wie Medien, Kommunikation mit Freunden, Schulsport, etc. entsteht für den einzelnen Jugendlichen ein subjektives Bild von Sport.

So wird die meist unreflektierte Selbstdefinition des Sports aus Vorstellung abgerufen, zu denen der subjektive Sportbegriff in konkreter Erinnerung mit eigenen sportlichen Aktivitäten steht (vgl. Sack, 1989).

In Anlehnung an empirischen Studien von Mrazek und Stone, die in dem Beitrag von Sack (1989, S.83) diskutiert werden, können folgende zentrale Aspekte zur inhaltlichen Struktur eines subjektiven Sportbegriffs der Jugend formuliert:

Der subjektive Sportbegriff wird im wesentlichen mit Sportarten in Verbindung gesetzt. Das heißt Sport wird meistens operational verstanden als eine Gesamtheit von einzelnen Sportarten, wobei jene dominieren, die in der Öffentlichkeit, in Medien oder im Rahmen der eigenen Sportaktivität einen hohen Stellenwert besitzen. Dieses gilt im Besonderen für Spielsportarten.

Ein weiterer Moment des Sportbegriffs ist seine hohe emotionale Beladung, die sich in fast allen Assoziationen zeigt.

Im gleichen Maße korreliert der Begriff stark mit den Bewertungsdimensionen der Erholung vs. Anstrengung und Gesundheit vs. Gesundheitsgefährdung. Sport wird je nach Situation einerseits im Rahmen von Anstrengung im Sinne von körperlicher Aktivität, Leistung oder Training und Erholung in der Bedeutung von Entspannung und andererseits im Rahmen von Gesundheit und Gesundheitsgefährdung bestimmt. Ob ein Aktivität nun das Prädikat Sport erhält, hängt davon ab, ob die Bewertung dieser Aktivität den Werterahmen dieser Dimensionen unter- bzw. überschreitet. Beispielsweise gilt Kegeln für viele Menschen nicht als Sport, weil es zu geringe Anstrengung impliziert oder möglicherweise Autorennen nicht als Sport, da sie zu gesundheitsgefährdend bewertet werden.

Ebenso wird der Sport je nach Geschlecht, Schicht und eigenem Sportengagement unterschiedlich dimensioniert.

Sport weist starke Verknüpfungen mit den Begriffen Spiel und Gesundheit auf.

Schaut man sich die Ergebnisse der Untersuchungen näher an, stellt man fest, daß es Sportarten gibt, die ausnahmslos als Sport gelten und wiederum Sportarten gibt, die nicht den Sportbegriff implizieren. Besonders auffällig war in dem Zusammenhang, daß sie meist nur als Sport gelten, wenn sie intensiv und/oder wettkampfmäßig betrieben wurden. Das bedeutet, daß Jugendliche Sport sehr stark in Abhängigkeit von hoher Aktivität und Anstrengung definieren.

Ebenfalls läßt sich sagen, daß unter Sport die gesamte Palette jener Bewegungs-, Spiel-, Sportaktivitäten fällt, die in der Spiel- und Bewegungskultur am Geläufigsten sind. Dazu gehören im wesentlichen Mannschaftssportarten (Fußball, Basketball, Volleyball, etc.), Rückschlagspiele (Tennis, Tischtennis, Federball, etc.), Freiluftsport (Radfahren, Schwimmen, Jogging, etc.), Wintersport (Eislaufen, Skifahren, etc.), Fitnesssport (Gymnastik, Fitnesstraining, etc.), ästhetische Sportarten (Tanzen, Turnen, etc.), Straßensport (Skateboardfahren, Inlineskating, Steetball, etc.) und Kampfsportarten (Judo, Karate, etc.).

Für diesen Zugang zum Sportbegriff sollte noch erwähnt werden, daß es Aktivitäten für Jugendliche gibt, die im Grenzbereich des Sportbegriffs stehen und meistens nur in Verbindung mit Freizeit-, Erholungs- und Gesundheitsaspekten in seinem Kontext benannt werden. Dazu gehören unter anderem Radfahren, Spazierengehen, Wandern, Angeln, Billiard, Tanzen, Schach und Minigolf. Die Einbindung dieser Randfelder wird in der Fachliteratur als „weicher“ Sportbegriff bezeichnet (vgl. Brinkhoff / Sack, 1996).

Ein weitere Ansatz des Begriffs läßt sich in der persönlichen Auslegung von sportlichen Aktivitäten erkennen. Nach Studien von Brettschneider / Bräutigam (1990, S.100) wurden drei wesentliche Interpretationsmuster von den Jugendlichen in der Reihenfolge ihrer Varianzerklärungen genannt:

“Sport, der auf Training, Leistung und Wettkampf hin orientiert ist.

Sport, ohne sich körperlich zu verausgaben, Hauptsache man hat Spaß.

Sport als unregelmäßig und nur in der richtigen Stimmung ausgeführte Bewegungsaktivität.“

Signifikant zeigt sich bezogen auf die Geschlechterverhältnisse, daß männliche Jugendliche eine deutliche Leistungsorientierung haben, während weibliche Jugendliche eine starke Betonung der Spaß- und Stimmungsbezogenheit sportiver Praxen bekunden.

Die angedeutete Vielfalt der Faktoren konstituieren den subjektiven Sportbegriff der Jugendlichen und kennzeichnet die Aktivität als Sport. Eine exakte Abgrenzung ist aber nicht möglich, da sich der Begriff durch die individuellen und kulturellen Entwicklungen kontinuierlich neu konfiguriert.

Bei jeder Etikettierung von Sport ist zu beachten, daß Sport und Jugend sich in einem ständigen Entwicklungsprozess befindet. Gerade durch die sogenannten neuen Bewegungs- und Körperkulturen wird Sport in einem umfassenderen Sinne von den Jugendlichen gebraucht. Diese aktuellen Tendenzen verlangen daher, den Begriff für jugendkulturelle Neucodierungen ständig offen zu lassen.

3.2 Freizeitorientierungen und -interessen von Jugendlichen

Sportive Praktiken im Alltag von Jugendlichen sind ganz eng in die quanititativen und qualitativen Veränderungen der Freizeitpräferenzen der Jugend eingebunden, die ihrerseits wiederum in die Makroebene der Gesamtgesellschaft verknüpft sind. Daher ist es notwendig, wenn man Sport im Kontext der jugendlichen Freizeitinteressen untersucht, die gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse im Hintergrund zu haben.

Dazu gehört vor allem für Jugendlichem, die berufstätig sind oder in einer Ausbildungssituation stehen, die kontinuierliche Zunahme des Freizeitbudgets durch Vermehrung der Urlaubs- und Wochenendfreizeiten und der Ausdehnung des Feierabends an Werktagen, sowie die Einkommenssteigerungen nahezu aller Gruppen und sozialer Schichten. Diese Entwicklungen ermöglichen es immer mehr Jugendlichen, individuelle Interessen in der Freizeit zu befriedigen und am entsprechenden Angebot des Freizeitmarktes zu partizipieren.

In solchen Überlegungen spielt die Freizeit für den Jugendlichen eine zentrale Rolle, durch die er erst in die Lage versetzt wird, eigene Interessen und Bedürfnisse zu artikulieren. Freizeit ist, neben der schulischen und beruflichen Ausbildungswelt, eine eigene Welt für die Jugendlichen geworden, in der jugendkulturelle Lebenswelten ihren Raum finden.

Genauso wichtig ist aber auch für den Jugendlichen, um überhaupt seine Interessen in seiner Freizeit zu verwirklichen, genügend freie Zeit, finanzielle Ressourcen, sowie ein entsprechendes für ihn attraktives Angebot zur Verfügung zu haben. So bleibt zu bedenken, daß ungeachtet der verstärkten Teilhabe der jungen Generation am Freizeitsektor, nicht alle junge Menschen an diesem Sektor in gleicher Weise teilhaben können. So verfügen Schüler im Vergleich zu gleichaltrigen Auszubildenden fast dreimal soviel freie Zeit, um ihren eigenen Interessen nachzugehen. Auf der anderen Seite stehen berufstätigen Jugendlichen meistens größere finanzielle Mittel für ihre Freizeitpräferenzen zur Verfügung als Schüler.

Beide Faktoren – Zeit- und Geldbudget – haben entscheidenden Einfluß auf die Art und Weise der Freizeitausgestaltung, da sie die Verwirklichungskonstanten bilden. Die Einbindung des jugendlichen Alltags und des Freizeitverhaltens in ihrer gesellschaftlichen Verflechtung muß bei jeder Interpretation jugendlicher Interessenslagen entsprechend berücksichtigt werden (vgl. Brettschneider / Bräutigam, 1990).

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat die empirische Jugendforschung mehrmals versucht, mit Hilfe vorgegebener Kategorien, die verschiedenen Freizeitorientierungen der Jugend zu erfassen. Präzise Vergleichswerte zwischen den einzelnen Untersuchungen zu ziehen ist jedoch äußerst schwierig oder gibt nur unzulängliche Ergebnisse wieder, weil meist unterschiedliche Erhebungsmethoden verwendet oder verschiedene Fragenkataloge aufgestellt werden.

Angesichts solcher Unregelmäßigkeiten werde ich zwei Studien, die in den 90er Jahren publiziert wurden, heranziehen, deren Formulierung der Kategorien zur Erfassung der Freizeitpräferenzen sich überschneiden. Diese erlauben es das Spektrum der Aktivitäten der Jugend abzubilden und gleichzeitig die Nutzungsschwerpunkte und persönliche Präferenzen der Jugendlichen zu verdeutlichen. Die zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführten Studien lassen zudem Vergleiche über Veränderungen der Freizeitgestaltung im Prozess des historischen Wandels zu.

Die erste Studie wurde von Brettschneider/Bräutigam (1990) veröffentlicht. Die Fragestellung zielte einmal nach den in der Freizeit am häufigsten ausgeübten Aktivitäten (Tab. 1) und zum anderen nach den ihnen persönlich wichtigsten Freizeitbeschäftigungen (Tab. 2).

In den Tabellen 1 und 2 (aus Brettschneider / Bräutigam, 1990, S. 43) werden die zehn meist genannten Aktivitäten dieser Untersuchung aufgelistet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Nenne die zehn Dinge, die Du in Deiner Freizeit am häufigsten tust

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Tab.2: Nenne die zehn Freizeitbeschäftigungen, die Dir persönlich am wichtigsten sind

Ein erster Vergleich zwischen den Tabellen zeigt, daß Jugendliche sehr wohl zwischen tätsächlicher Ausübung und der persönlichen Relevanz ihrer Aktivitäten unterscheiden. So ist das Fernsehen noch als vierthäufigste Freizeitbeschäftigung genannt, aber in der Rangliste der zehn wichtigsten Freizeitbeschäftigungen ist sie nicht mehr relevant für die Jugend. Dies läßt den Rückschluß nahe, daß die Wichtigkeit eines Freizeitinteresses nicht in gleichen Maße auch die Häufigkeit ihrer Ausübung bedingt. Als eine entscheidende Ursache könnte, wie oben angedeutet, das nicht zur Verfügung stehende Zeit- und Geldbudget der Jugendlichen gesehen werden. In diesem Zusammenhang zeigt der Sport in beiden Untersuchungen, sowohl in organisierter als auch in informeller Form, ein konstantes Ergebnis. Hier liegt die Folgerung nahe, daß das Zeit- und Geldbudget keinen beeinflussenden Faktor zwischen persönlicher Wichtigkeit und Häufigkeit für diese jugendliche Freizeitaktivität spielt.

Faßt man die beiden Tabellen zusammen, kristallisieren sich drei zentrale Säulen der Freizeittätigkeit in ihrer Freizeitnutzung, aber auch in ihrer Freizeitbedeutung für die Jugend heraus: Medienkonsum, Kommunikation mit Freunden und Sport.

Dies beinhaltet, daß Jugendliche neben dem Konsum- und Kommunikationsbedürfnis, ein starkes Interesse haben, auch selber etwas aktiv zu betreiben. Den Statistiken zufolge drückt sich der Wunsch sowohl im organisierten Vereinssport als auch im informellen Freizeitsport aus. Sport wird in der Befragung als duales System aufgefaßt, um Unterschiede in den beiden Bereichen besser erkennen zu können. Von der Attraktivität des Vereinssports werden im besonderen die männlichen Jugendlichen angesprochen, während es im informellen Freizeitsport kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Genauso erwähnenswert ist, daß sich hinsichtlich der Bedeutung und Häufigkeit der Aktivität im Laufe der Jugendphase, im Gegensatz zu anderen Beschäftigungen, keine wesentlichen Schwankungen ergeben. Dies beweist, daß auch Veränderungen in der Jugendphase wie Berufseinstieg oder Ausbildung, die mit einer Freizeitverringerung verbunden sind, die Wertigkeit und Ausübung des Sports für die Jugendlichen nicht mindert.

Die zweite repräsentative Studie ist die 12. Shell Jugendstudie, die im Jahre 1997 erschienen ist (vgl. Fritzsche, 1997). Im Vergleich zur ersten Studie wird in dieser nicht mehr unterschieden zwischen Wichtigkeit und Häufigkeit der Freizeitbeschäftigungen, sondern die Freizeitmuster werden nur noch durch die Nennwerte „häufige“ und „sehr häufige“ Freizeitbeschäftigungen ermittelt. Außerdem entfällt die duale Untergliederung von Sport in „Vereins-“ und „Freizeitsport“ und wird unter den Begriff „Sport treiben/Fitnessstudio/Sauna“ zusammengefaßt. Die folgende Tabelle 3 (Quelle: Auswertungsdiskette der 12. Shell Jugendstudie) illustriert die prozentual meist genannten Freizeitaktivitäten:

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Tab. 3: Sehr häufige und häufige Freizeitaktivitäten

Wie aus der Tabelle 3 ersichtlich wird, bleiben Medienkonsum und Kommunikation mit anderen Menschen die dominierenden Freizeitmuster der Jugend. Aktivitäten, die im Rahmen des Sportbegriffs liegen, haben nicht mehr die beherrschende Rolle in der Häufigkeitsrelevanz zu anderen Tätigkeiten. Trotzdem nennen immer noch 53% Sport als eine (sehr) häufige Freizeitgestaltung. Das bedeutet, daß jeder zweiter Jugendliche weiterhin regelmäßig Aktivitäten sucht, indem er sportliche Ausdrucksmöglichkeiten findet.

Nach wie vor ist Sport ein eher männliche Freizeitbeschäftigung. Für 57% der männlichen Jugend ist Sport sehr attraktiv, während nur 49% der Frauen dieser Aktivität einen gewichtigen Raum in ihrem Freizeitverhalten geben. Diese Geschlechterdifferenz begründet sich dadurch, daß von Frauen bevorzugte Sportaktivitäten wie Fahrradfahren nicht im engeren Sportbegriff der Jugend enthalten sind.

Interessant in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß weitere Untersuchungen der 12. Shell Jugendstudie (vgl. O. V., 1997) ergeben haben, daß es ein rückläufige Tendenz der jugendlichen Freizeittätigkeiten an längerfristigen Verbindlichkeiten wie formellen Mitgliedschaften in Vereinen gibt. Dies zeigt sich auch am zurückgehenden Interesse der Jugend, ihre Freizeit in Sportvereinen zu gestalten.

Die Nachfrage der jungen Leute richtet sich vielmehr auf Gruppenstile, die vor allem Spaß machen, Zerstreuung und Unterhaltung bieten, die unkomplizierten Umgang mit Gleichgesinnten ermöglichen, aber ohne dabei längerfristige Verpflichtungen eingehen zu müssen. Charakteristisch dafür ist die Straßensport- und Fitnesssportszene der Jugend, auf die später noch stärker eingegangen wird.

Falsch wäre aber das verminderte Freizeitinteresse am traditionellen Begriffsverständnis des herkömmlichen Sports als zunehmendes Desinteresse an körperlichen Aktivitäten zu interpretieren. Für Jugendliche scheinen neue Verbindungen zwischen ihrer Freizeit und Sport immer wichtiger zu werden.

Ein Blick auf die Objekte des jugendlichen Freizeitvergnügens zeigt in den Studien des Jugendwerk der Deutschen Shell, daß sie fast alle mit körperlichen Einsatz zu tun haben. Diese reichen von Sport, Tanzen, Musikmachen über Erlebnisfahrten, Höhlenforschung bis zur Rave-Kultur. All diese Aktivitäten haftet etwas physisch Attraktives an. Diese Tätigkeiten vermitteln ihnen eher einen Lustgewinn über die eigene Körperlichkeit nach dem Prinzip „Fit for Fun“, als Sport der immer noch an Training, Leistung und Wettkampf orientiert ist.

Auch jetzt noch sind körperliche Aktivitäten, die sich in einem weiterem Rahmen des Begriffs Sport bewegen, Schwerpunkte in der Lebenswelt der Jugendlichen. Gestützt wird diese Entwicklung durch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Badischen Sportjugend (1998, S.88f), in der nach den fünf beliebtesten Hobbys die Jugend befragt wurde. Bei dieser Erhebung wurde festgestellt, daß in der Rangskala der 11 beliebtesten Hobbys, acht dem Sport zuzuordnen sind und sogar unter den ersten 5 Plätzen sich vier sportliche Hobbys befinden. Natürlich sollte man diese Umfrageergebnisse nicht überbewerten, weil diese Erhebung nicht die tatsächliche Häufigkeit der Ausübung widerspiegelt, und somit in der realen Freizeitgestaltung erhebliche Differenzen entstehen können. Dennoch zeigen sie, daß Sport nach wie vor einen zentralen Bereich in den jugendlichen Lebenswelten ausmacht, aber ein neues Verständnis und eine neue Ausformung von Jugendsport einen Wandel im traditionellen Sport mit sich bringen wird.

3.3 Jugend und ihre sportlichen Lebenswelten

Gesamtgesellschaftliche Wandlungsprozesse mit ihren Entwicklungen der Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen, Veränderungen in der Lebensphase Jugend, sowie auch die Entstehung eigener Sportkulturen haben ihre Auswirkungen auf die sportiven Lebenspraxen der Jugend. Zum Leitprinzip jugendlicher Lebensgestaltung wird mehr und mehr der individuelle Lebensstil, der zugleich Ausdruck einer pluralisierten Sportkultur und einer Ausdifferenzierung sportlicher Lebenswelten ist. Dieser Trend zur Individualisierung und vermehrten Pluralisierung hinterlassen deutliche Spuren in den sportlichen Lebenswelten. Ihre Kennzeichen sind eine immer größer werdende Vielfalt und Variationsbreite sportiver Praxen (vgl. Brinkhoff, 1992).

Vor diesem Hintergrund haben sich auch tiefgreifende Veränderungen in den drei dominanten Sportfeldern der Jugend ergeben:

a) Sport in der Schule

Die derzeitige Suche nach einer neuen Legitimation des Schulsports, sowie die Auseinandersetzung um die Inhalte des Sportunterrichtes und die begrenzte Offenheit seiner didaktischen Gestaltung hat auf Seiten der jugendlichen Schüler zu einem negativen Bild des Schulsports beigetragen. Er wird meist als unattraktiv, langweilig und wenig anregend wahrgenommen. In den sportlichen Lebenswelten der Jugend hat es eine zunehmend nebensächliche Bedeutungszuschreibung erhalten und gilt bei vielen als eine verzichtbare Aktivität. Sport in der Schule hat seinen Stellenwert in den sportlichen Lebensbereichen der Jugend verloren und dient nicht mehr so stark als Anregung für sportive Praxen über den Schulsport hinaus (vgl. Brettschneider / Brandl-Bredenbeck, 1997).

b) Streetsport und Kommerzsport

Der Schulsport hat gegenwärtig nicht zuletzt deshalb an Gewicht verloren, weil die Attraktivität auf neue Sportarten als ein Element jugendlicher Freizeitgestaltung ständig zunimmt und zur Entstehung einer „neuen Sportkultur“ geführt hat. Aus dieser Nachfrage hat sich ein eigenständiger Markt entwickelt, auf dem meist kommerzielle Sportanbieter um die Gunst der Heranwachsenden konkurrieren. Besonders Fitness-Center, Tanz-Studios, Squash- und Tennis-Courts erleben momentan einen neuen Boom durch jugendlichen Zulauf. Die große Beliebtheit der Fitnessstudios bei den Heranwachsenden äußert sich in der Besucherstruktur der Studios. Fast 60% der Teilnehmer sind zwischen 18 und 30 Jahre alt (vgl. Kösterke, 1989). Im Unterschied zu traditionellen Vereinsmitgliedschaften ist die Zugehörigkeitsdauer deutlich kürzer.

Eine neue Bedeutungsdimension in der jugendlichen Sportwelt gewinnen auch die sogenannten „Sport-Events“, d. h. Turniere, die in erster Linie von Sportartikelherstellern organisiert werden. Diese Hersteller nehmen aktuelle Trendsportarten wie Streetball, Beach Volleyball, Streetsoccer oder Streethockey in ihre „Events“ auf, um eine Popularitätssteigerung ihrer Firmenmarken zu erreichen (vgl. Trosien, 1997)

Diese Sportaktivitäten sind bei den jungen Menschen nicht nur als kommerzielle Angebote „in“, genauso erfreuen sie sich in informell und privat organisierter Form großer Beliebtheit. Hinzu kommen eine Vielzahl von unreglementierten Sportaktivitäten wie Rollerblading, Mountainbiking oder Snowboarding, deren Möglichkeit zur eigenen Körperpräsentation und somit als Mittel zur sozialen Anerkennung von den Jugendlichen immer häufiger genutzt wird

Obgleich zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Verbreitung und Akzeptanz der genannten Aktivitäten kein umfassendes empirisches Material vorliegt, darf angenommen werden, daß Streetsport als eines der wichtigsten Elemente der jugendspezifischen Sportkultur gilt (vgl. Adolph / Ritter, 1997).

Der Begriff „Streetsport“ ist in der wissenschaftlichen Beschäftigung bei der Untersuchung von Jugend und Sport ein neuer Terminus, der oft bei der Interpretation von Sportpraktiken im jugendkulturellen Alltagsleben nicht richtig erfaßt wird. Eine allgemeinverbindliche Definition liefert Wenzel (1997, S.183):

“Unter Streetsport bzw. Straßensport werden sportliche Aktivitäten verstanden, die sich in Zeiten stetig ausdehnender urbaner Räume nicht, wie meistens typisch für traditionelle Sportarten, in extra angelegte und funktionalisierte Räume oder Plätze zurückziehen, sondern die Straße oder den öffentlichen Platz für ihre Zwecke okkupieren und auch umfunktionalisieren.“

Streetsport wird immer in Szenen betrieben. Deswegen spricht man auch von der Skatingszene oder der Streetballszene, die sich meist im unorganisierten Freizeitbereich der Jugendlichen wie Schulhöfe, Parkanlagen, Hinterhöfen und anderen öffentlichen Plätzen treffen, um ihren Sport auszuüben. Diese Szenen sind nicht nur reine Sportszenen, sondern Sport ist mediales Kommunikationsmittel des jugendkulturellen Alltagsleben. Für die Jugendlichen manifestieren sich typische Verhaltensweisen aus dem Sport heraus, die als Distinktionskriterium der Jugendlichen untereinander, aber auch gegenüber traditionellen Sportarten benutzt werden. Die Gruppe erscheint zudem als ein soziales Gebilde in der Szene, bei dem das Individuum seine Selbstwertschätzung besonders über sein Bewegungskönnen erwirbt (vgl. Brettschneider / Brandl-Bredenbeck, 1997; Brettschneider / Bräutigam, 1990).

c) Sport im Verein

Knapp die Hälfte aller jugendlichen Sportbiographien wird in einem der 75000 Sportvereine in Deutschland geprägt. Trotz diesem hohen Organisationsgrades von 35% bei den weiblichen und 50% bei den männlichen Jugendlichen, verbuchen die Jugendabteilungen der Sportvereine einen Mitgliederrückgang. Der ungebremste Wachstum in den letzten Jahrzehnten scheint damit gebrochen zu sein. Zwar treten heute immer früher die Jugendliche in Vereinen ein, doch treten die Jugendlichen früher als bisher, meist zwischen 15 und 18, aus. Diese Gruppe ist größer als der Anteil der noch aktuell verbleibenden Vereinszugehörigen (vgl. Brinkhoff, 1992).

Die gewandelte Einstellung der jungen Menschen läßt sich aber nicht nur in einem sinkenden Organisationsgrad feststellen, sondern auch durch ein gesteigertes Fluktuationsverhalten zwischen Sportvereinen und Sportarten und ein Trend zur gleichzeitigen Mitgliedschaft in mehreren Vereinen. Diese Phänomene sind, wie im vorigen Abschnitt schon angedeutet wurde, Anzeichen eines veränderten Bindungsverhaltens der Jugendlichen, das sich in vielen Lebensbereichen, aber gerade auch im Sportverein zeigt. Längerfristige Bindungen, wie auch längerfristiges Engagement hat bei den Jugendlichen an Anziehungskraft verloren. Dagegen scheint ein zeitlich befristetes und unverbindliches Sportengagement attraktiver zu sein. Für viele Jugendliche steht dabei das Interesse im Vordergrund, möglichst viele Bekanntschaften mit verschiedenen Sportaktivitäten zu machen, welches andererseits auch Möglichkeiten schafft, das persönlich adäquateste Sportengagement für sich herauszufinden. Geradlinige sportliche Biographien haben ihre Majorität in der Jugendkultur zugunsten einer „Patchwork“-Biographie (vgl. Stelter, 1995; Ferchhoff / Neubauer, 1997) in der Postmoderne eingebüßt. Damit verbunden ist die Veränderung der traditionellen Identitätsstruktur, die mehr und mehr aus einem puzzleartigen Stückwerk von Lebenswelten besteht, die nicht mehr an einem einzigen Punkt andocken, sondern lediglich durch ihren Rollenträger verbunden sind. Sie gehören nicht mehr zusammen und können beliebig ausgewechselt oder abgelegt werden. Daraus folgt auch im weiteren Sinne ein Verlust langsamer und langlebiger Prozesse, sowie der Verlust ein kontinuierlichen Biographie. Dieser Wandel in der Postmoderne wirkt sich nachhaltig auf das Bindungsverhalten der Jugendlichen gegenüber Sportvereinen aus.

Die „Patchwork“-Identität der Jugendlichen äußert sich in einem veränderten Nachfrageverhalten von Sportarten. Traditionelle Vereinssportarten wie Turnen, Leichtathletik, Handball oder Fußball verlieren in der Beliebtheit der Jugend immer mehr an Boden. Im Gegenzug wächst das Interesse an der angesprochenen “neuen Sportkultur“, durch die sich Jugendliche soziale Distinktionsgewinne, wie durch die beliebten Individualsportarten Tennis und Squash, aber auch durch die Angebote des Streetsports, erhoffen (vgl. Brinkhoff, 1992).

Diesem Wandel unterliegen auch die Motive, die Jugendliche mit Sport verbinden. Die in den Vereinen vermittelte Leistungs- und Wettkampfperspektive konkurriert heute mit den Orientierungsmuster der Fitness, Körperstilisierung, des subjektiven Wohlbefindens und der Entspannung (vgl. 3.5).

Der Sportverein muß im Hinblick auf die Konkurrenz durch die „neue Sportkultur“ seine traditionelle Rolle überdenken, will er nicht zukünftig seine dominante Stellung in der Lebenswelt der Jugend verlieren (vgl. Brettschneider / Brandl-Bredenbeck, 1997; Brettschneider / Bräutigam, 1990).

Mit Blick auf die Zukunft ist noch nicht genau abzuschätzen, welche Bedeutung die unterschiedlichen Sportfelder (Schulsport, Street- und Kommerzsport, Vereinssport) zukommen wird. Nur eins kann bis dato vorausgesagt werden: Die konstatierte abnehmende Kontrollfunktion des traditionellen Milieus des Sportvereins wird zugunsten der Streetsport- und Kommerzsportszene weiter schwinden und die Ausdifferenzierung der jugendlichen Sportlandschaften weiter fortschreiten.

Nach der Grobeinteilung der sportiven Lebenswelten in drei Felder, erscheint es bei einer genaueren Analyse hilfreich, die Sportwirklichkeit der Jugendlichen in ihrer konkreten Ausprägung zu erfassen. Die Sportwirklichkeit vollzieht sich in Formen, die meistens Sportarten sind oder gelegentlich Bewegungsaktivitäten beinhalten.

Rekurrierend auf die zunehmende Ausdifferenzierung des Sportengagement hat sich die Entwicklung der Pluralisierung besonders in der Vielfalt und Koexistenz von alten und neuen Sportarten verbunden mit Attraktivitätsgewinnen und –verlusten einzelner Sportarten niedergeschlagen

Bei neuestem Untersuchungen (vgl. Brinkhoff, 1998) zur Attraktivität der einzelnen Sportarten kann dieser Wandel in der Bedeutung einzelner Sportarten nur bestätigt werden. Dabei zeigen sich gerade zwischen den beiden Bereichen Vereinssport und Freizeitsport erhebliche Unterschiede in der Bewertung betriebener Sportarten.

Die Rangliste der im Freizeitsport betriebenen Sportarten ist eine beinahe völlig andere als die im Sportverein. Im Freizeitsport stehen die sportiven Bewegungsaktivitäten (Radfahren, Schwimmen) der Alltagskultur an der Spitze. Danach folgt die erste klassische Sportart, nämlich Fußball, wobei hier die Schere zwischen männlichen (49%) und weiblichen Jugendlichen (10%) weit auseinanderklafft. Kurz darauf kommen vor allem individuelle Formen des Sporttreiben wie Tanzen, Joggen, aber auch Einzelsportarten wie Tennis, Badminton zum Zuge. Auch jugenkulturelle Trends sind zu erkennen. Besonders bei den männlichen Jugendlichen gewinnt Basketball und Streetball stark an Popularität, während bei den weiblichen Jugendlichen eine zunehmende Beliebtheit beim Tanzen und Eislaufen zu verzeichnen ist. Fitnesssportarten scheinen auch weiterhin bei der Jugend großen Zulauf zu haben, wobei sich Mädchen vor allem auf gymnastische Aktivitäten konzentrieren, und Männer vor allem Bodybuilding bevorzugen. Auffällig ist in der Studie, daß gerade klassische Sportarten wie Turnen, Leichtathletik, Handball oder auch Radsport außerhalb des Vereins fast gar keine Rolle mehr spielen

Im Gegensatz zum Freizeitsport dominieren im Verein vor allem die traditionellen Sportarten Handball, Leichtathletik und Geräteturnen. Umgekehrt verbuchen im Freizeitsport Basketball im Sinne von Streetball, Schwimmen, Radfahren/Mountainbiking, Rückschlagspiele, aber auch Fitnesstraining, Tanzen, sowie Skateboardfahren und Inlineskating meist deutlichen Zuwachs.

Aus diesen doch erheblichen Differenzen einzelner Sportarten im Freizeit- und Vereinsbereich, lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten (Brinkhoff, 1998, S.136):

[...]

Fin de l'extrait de 120 pages

Résumé des informations

Titre
Sportprojekt "Basketball um Mitternacht" in München. Ein sozialpädagogischer Ansatz in der offenen Jugendarbeit
Université
Katholische Stiftungsfachhochschule München
Note
1
Auteur
Année
1999
Pages
120
N° de catalogue
V185331
ISBN (ebook)
9783668516922
ISBN (Livre)
9783867462617
Taille d'un fichier
1096 KB
Langue
allemand
Mots clés
sportprojekt, basketball, mitternacht, münchen, ansatz, jugendarbeit
Citation du texte
Mario Fabianek (Auteur), 1999, Sportprojekt "Basketball um Mitternacht" in München. Ein sozialpädagogischer Ansatz in der offenen Jugendarbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185331

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