Regain Management in der Telekommunikationsbranche


Mémoire (de fin d'études), 1998

126 Pages, Note: 1.7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Arbeit

2 Grundlagen des Regain Managements
2.1 Der Begriff Regain Management
2.1.1 Definition des Regain Managements
2.1.1.1 Sachlicher Anwendungsbereich
2.1.1.2 Zeitlicher Anwendungsbereich
2.1.2 Abgrenzung des Regain Managements zu benachbarten Begriffen
2.2 Ziele des Regain Managements
2.3 Aufgaben eines Regain Managements
2.3.1 Regain Analyse
2.3.2 Regain Maßnahmen
2.3.3 Regain Controlling

3 Die Telekommunikationsbranche im Überblick
3.1 Begriff und Bedeutung der Telekommunikation
3.2 Faktoren des Wandels in der Telekommunikationsbranche
3.2.1 Technologische Entwicklung
3.2.2 Deregulierung
3.2.3 Globalisierung
3.2.4 Gestiegene Kundenbedürfnisse
3.3 Anbieterstrukturen in der Telekommunikationsbranche
3.3.1 Telekommunikationsausrüstung und Endgeräte
3.3.2 Netzinfrastrukturen
3.3.3 Telekommunikationsdienste
3.4 Der deutsche Mobilfunkmarkt als weiterer Untersuchungsgegenstand
3.4.1 Anbieterorientierte Marktbeschreibung
3.4.1.1 Wettbewerbssituation im Mobilfunk
3.4.1.2 Einfluß der Liberalisierung im Festnetz auf die Entwicklung im Mobilfunk
3.4.2 Nachfragerorientierte Marktbeschreibung

4 Regain Management als strategische Option zur Reduzierung der Kundenmigration im Mobilfunk
4.1 Das Problem der Kundenmigration im Mobilfunk
4.1.1 Messung und Verlauf der Kundenmigration
4.1.2 Ökonomische Bedeutung der Kundenmigration im Mobilfunk
4.2 Gründe der Kundenmigration im Mobilfunk
4.2.1 Unzufriedenheitsbedingte Kündigungsgründe
4.2.2 Preispolitische Kündigungsgründe
4.2.3 Produktpolitische Kündigungsgründe
4.2.4 Natürliche Kundenfluktuation
4.2.5 Kündigungen seitens des Anbieters
4.3 Einfluß von Wechselbarrieren im Mobilfunk auf die Kundenmigration
4.3.1 Ökonomische Wechselbarrieren
4.3.2 Technologische und Regulatorische Wechselbarrieren
4.4 Zwischenergebnis zur Problematik der Kundenmigration im Mobilfunk

5 Idealtypische Darstellung des Regain Management Prozesses im Mobilfunk
5.1 Regain Analyse im Mobilfunk
5.1.1 Database Management als Grundlage zur Segmentierung verlorener Kunden
5.1.2 Segmentierung verlorener Kunden anhand ihres Kundenwertes
5.1.2.1 Kundenwert auf Basis einer ABC-Analyse
5.1.2.2 Differenzierung des Kundenwertes anhand eines Kundenportfolios
5.1.2.3 Kunden-Scoring zur Ermittlung des Kundenwertes
5.2 Ausgestaltung der Regain Maßnahmen im Mobilfunk
5.2.1 Kommunikationspolitik als Schnittstelle zwischen Regain Analyse und Regain Maßnahmen
5.2.2 Kundenofferten im Rahmen einer kombinierten Preis- und Produktpolitik
5.2.3 Distributionspolitische Maßnahmen
5.3 Erfolgskontrolle der Rückgewinnungsaktionen im Mobilfunk
5.3.1 Aufgaben-Controlling im Mobilfunk
5.3.2 Kosten-Nutzen-Controlling im Mobilfunk

6 Einflußfaktoren für den Erfolg des Regain Managements im Mobilfunk
6.1 Unternehmensinterne Einflußfaktoren
6.2 Nachfragerspezifische Einflußfaktoren
6.3 Rechtliche Einschränkungen

7 Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der geführten Expertenbefragungen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Das Regain Management im System des ganzheitlichen Kundenmanagements

Abb. 2: Kategorisierung von ehemaligen Kunden anhand der Art der Kundenmigration

Abb. 3: Typen von Abbruchprozessen und Abbruchergebnissen

Abb. 4: Prognostizierte Entwicklung einzelner Telekommunikationsdienste in Europa

Abb. 5: Die Anbieterstrukturen in der Telekommunikationsbranche

Abb. 6: Jährliche Churn Rates im Vergleich zwischen Deutschland, Großbritannien und den USA

Abb. 7: Schematischer Verlauf der Kundenfluktuation im Mobilfunk

Abb. 8: Fiktive Beispiele zur Veranschaulichung des finanziellen Schadens durch Kundenverlust sowie der möglichen Ergebnisverbesserung mit Hilfe des Regain Managements

Abb. 9: Ausschnitt wichtiger Informationsfelder einer Database

Abb. 10: Berechnungsschema für den monatlichen Kundenumsatz im Mobilfunk

Abb. 11: Differenzierung des Kündigungsverhalten in Abhängigkeit der Vertragszeit

Abb. 12: „Moments of Truth” im Mobilfunk

Abb. 13: Inhalte einer Kundenbefragung während eines „exit interviews“

Abb. 14: Vertriebsstrukturen im Mobilfunk

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten1

1 Einleitung

Vor dem Hintergrund einer veränderten Marktsituation, die in vielen Branchen durch Deregu- lierung, Marktsättigung, Angebotsgleichheit und verstärktem Kostendruck charakterisiert ist, nutzen viele Unternehmen heutzutage hauptsächlich zwei unterschiedliche Kundenstrategien: zum einen neue Kunden gewinnen und zum anderen bestehende Kunden binden. Das Ge- winnpotential von ehemaligen Kunden wird dabei selten berücksichtigt. Auch die Wissen- schaft hat sich bislang kaum mit dem Phänomen der Kundenabwanderung und der aktiven Rückgewinnung verlorener Kunden auseinandergesetzt. Hier setzt das Konzept des Regain Managements 2 an, das einen speziellen Handlungsbereich eines umfassenden Kundenmana- gements beschreibt. Während die Strategie zur Neukundengewinnung auf potentielle („Noch nicht“-)Kunden gerichtet ist, und die Kundenbindungsstrategie zum einen die Stärkung von Geschäftsbeziehungen zufriedener Kunden und zum anderen die Stabilisierung von gefährde- ten Geschäftsbeziehungen unzufriedener Kunden zum Ziel hat, ist die Aufgabe des Regain Managements, ehemalige („Nicht mehr“-)Kunden für das Unternehmen wiederzugewinnen und somit das Gesamtspektrum des ganzheitlichen Kundenmanagements zu vervollständigen (Stauss 1997a, S. 2; Stauss/Seidel 1998, S. 26f.).

1.1 Problemstellung

Diese Arbeit verfolgt das Ziel, das Konzept des Regain Managements und dessen konkrete Anwendbarkeit in einer ausgewählten Branche näher zu untersuchen. Als Untersuchungsge- genstand dient hier die Telekommunikationsbranche, die aufgrund ihres Wachstumspotentials bereits heute schon einen der bedeutsamsten Wirtschaftszweige einer Volkswirtschaft dar- stellt. Weiterhin ist die Telekommunikationsindustrie wie kaum eine andere Branche derzeit weltweit und speziell in Deutschland einem Transformationsprozeß unterworfen, der zu dras- tischen Veränderungen der etablierten Marktstrukturen führt (Gerpott 1998, S. 1). Außerdem ist diese Branche aufgrund der folgenden Merkmale für das Regain Management von Interes- se: intensiver Wettbewerb im Mobilfunk und neuerdings auch im Festnetz, homogener Markt für Telefondienste, sinkende technologische Differenzierungsmöglichkeiten sowie wachsende Bedeutung von Service und Kundenbetreuung. Vor allem zeigt sich zunehmend das Problem einer hohen Kundenfluktuation, die bereits 20 bis 30% p.a. beträgt. Aus dieser Problematik ergeben sich bereits die zwei wichtigsten Forschungsfragen dieser Arbeit: Ist der Einsatz ei- nes Regain Managements in der Telekommunikationsbranche sinnvoll und auch notwendig? Wenn ja, wie hat die konkrete Umsetzung eines Regain Management Prozesses in dieser Branche zu erfolgen und auf welche Besonderheiten muß geachtet werden? Die Klärung die- ser Fragen erfordert eine systematische Vorgehensweise, die nachfolgend vorgestellt wird.

1.2 Gang der Arbeit

Die vorliegende Arbeit behandelt zunächst die konzeptionellen Grundlagen des Regain Ma- nagements, die in Teil 2 aufgrund der bislang noch geringen theoretischen Durchdringung etwas ausführlicher dargestellt werden. Dem folgt im dritten Teil eine Erörterung der gesam- ten Telekommunikationsbranche. Die Komplexität dieses Marktes und die zum Teil stark differierenden Wettbewerbssituationen einzelner Teilmärkte bedingen allerdings eine not- wendige Eingrenzung, wobei hier aus Anbietersicht die digitale zellulare Mobilfunkbranche in Deutschland und aus Nachfragersicht das Privatkundensegment gewählt werden. Nach ei- ner Darstellung der branchenspezifischen Problematik der Kundenmigration in Teil 4, wird anschließend im fünften Teil ein idealtypischer Regain Management Prozeß für den Mobil- funk ausführlich erörtert. Dem folgt in Teil 6 eine Betrachtung verschiedener Einflußfaktoren, die für den Erfolg des Regain Management Prozesses wichtig sind. Eine kurze Zusammenfas- sung sowie ein Ausblick runden die Arbeit ab.

2 Grundlagen des Regain Managements

Das Konzept des Regain Managements ist noch relativ neu. In der Praxis finden sich bereits in einigen Branchen (z.B. Telekommunikationsbranche, Versicherungs- und Verlagswesen) konkrete Ansätze einer Umsetzung (Bandorf, Expertenbefragung), aber in der wissenschaftlichen Literatur wurde dieses Thema bislang erst wenig diskutiert. Dieser Teil soll daher zunächst ein Grundverständnis bzgl. des allgemeinen Konzeptes vermitteln, indem die terminologischen und konzeptionellen Grundlagen des Regain Managements dargestellt werden. Dazu wird zunächst der Begriff Regain Management erläutert, anschließend werden dessen Ziele und Aufgabenbereiche aufgeführt und näher erörtert.

2.1 Der Begriff Regain Management

Der Begriff Regain Management ist bislang noch nicht eindeutig definiert. Eine Schwierigkeit bei der Begriffsbestimmung stellt dabei weniger die inhaltliche Charakterisierung als viel- mehr die zeitliche Abgrenzung und die Einordnung in das Gesamtspektrum kundenorientier- ter Managementkonzepte dar. Zur eindeutigen Erklärung des Begriffes wird daher erst eine Definition vorgestellt, anschließend folgt eine Abgrenzung von verwandten Begriffen.

2.1.1 Definition des Regain Managements

Der in dieser Arbeit verwendete Begriff des Regain Managements lehnt sich im wesentlichen an die folgende Definition von STAUSS (1997a) an:

Regain Management encompasses the planning, realization, and control of all actions that the company takes to keep customers who give notice to terminate a business relationship respectively regain customers who already have ended the business relationship “ (Stauss 1997a, S. 2).

Demzufolge richtet sich das Regain Management inhaltlich an die Rückgewinnung derjenigen Kunden, die signalisieren, daß sie ihre Geschäftsbeziehung beenden wollen, bzw. die diese bereits beendet haben. Die einzelnen Schritte des Regain Managements setzen sich dabei aus der Planung, der Durchführung und der Kontrolle aller Aufgaben zusammen, die für die Rückgewinnung der Kunden notwendig sind. Die zwei wesentlichen Bestandteile dieser De- finition, die nachfolgend näher erläutert werden, betreffen zum einen die Art der Geschäftsbe- ziehung (sachlicher Anwendungsbereich) und zum anderen deren Beendigung (zeitlicher An- wendungsbereich).

2.1.1.1 Sachlicher Anwendungsbereich

Der sachliche Anwendungsbereich bezieht sich auf die Art der Geschäftsbeziehung3, die zwi- schen einem Anbieter und einem Nachfrager besteht. LOVELOCK (1996, S. 39f.) differenziert zwischen formalisierten und nicht-formalisierten Kundenbeziehungen. Im Gegensatz zu nicht-formalisierten Kundenbeziehungen gilt für formalisierte Kundenbeziehungen („mem- bership“ relations), daß ein Vertragsverhältnis zwischen Kunde (Nachfrager) und Lieferant (Anbieter) zugrunde liegt. Beispiele dieser Art sind Bankverbindungen, Versicherungsverträ- ge, Zeitungsabonnements und Telekommunikationsdienstleistungen (Bandorf 1998, S. 158). Charakteristisch für diese Art von Geschäftsbeziehungen ist, daß im allgemeinen Kundenda- ten, die eine Notwendigkeit für den Einsatz eines Regain Managements darstellen, in Form einer Datenbank (database) gespeichert werden können. Im folgenden wird daher davon aus- gegangen, daß nur eine formalisierte Geschäftsbeziehung vorliegt.

2.1.1.2 Zeitlicher Anwendungsbereich

Der zweite und wesentlich kritischere Bestandteil dieser Definition bezieht sich auf die Been- digung der Geschäftsbeziehung, also den zeitlichen Anwendungsbereich. Hier sollte differen- ziert werden, ob die Beendigung aufgrund einer Kündigung, die von einem der beiden Ver- tragspartner initiiert wird, erfolgt oder ob die Geschäftsbeziehung „einschläft“ und dadurch als verloren betrachtet werden kann. Des weiteren muß beachtet werden, daß der Grad der Abwanderung jeweils von Branche zu Branche unterschiedlich sein kann (Homburg/Werner 1996, S. 93; Roos/Strandvik 1997, S. 620). REICHHELD (1996, S. 60f.) führt dazu aus, daß es drei Szenarien einer Abwanderung gibt:

a) eine komplette Abwanderung,
b) eine Teilabwanderung („fractional defections“) und
c) eine indirekte Abwanderung („smaller share of wallet“).

Diese Differenzierung hat zur Konsequenz, daß in manchen Fällen der Zeitpunkt, ab dem ein Kunde als verloren betrachtet werden kann, vor dem eigentlichen Kündigungstermin liegt.4 Dieses Problem ergibt sich vor allem bei „… several parallel relationships with different ser- vice providers“ (Roos/Strandvik 1997, S. 620), z.B. Bankkonten bei verschiedenen Bank- instituten. Eine Beendigung kann in diesen Fällen auch konkludent durch sinkende Umsätze oder ein verändertes Nutzungsverhalten erfolgen (Martz, Expertenbefragung). Bei der Deut- schen Bank wird dieser Prozeß daher auch treffend als „stiller“ Wechsel bezeichnet, weil der Kunde die Bank nicht über den Wechsel oder seine Motive informiert (Lange 1998, S. 455).

Für das Regain Management ist somit die Frage nach der Art der Abwanderung (zeitlich, qualitativ) ein zentraler Untersuchungsgegenstand, der von Branche zu Branche unterschiedlich zu betrachten ist. Für die vorliegende Arbeit wird allerdings aufgrund dieser Problematik und aus Gründen der Praktikabilität vorgeschlagen, den zeitlichen Rahmen für das Regain Management einzugrenzen. In Anlehnung an SIEGERT (1997a) soll daher die Rückgewinnung von Kunden nur zwischen dem Zeitpunkt der Kündigung gegenüber dem Unternehmen und dem eigentlichen Vertragsende angesiedelt werden.

2.1.2 Abgrenzung des Regain Managements zu benachbarten Begriffen

Für die Einordnung in das System der kundenorientierten Managementaufgaben ist noch eine Abgrenzung des Regain Managements von verwandten Bereichen und Begriffen notwendig.

Im folgenden werden daher die relevanten Bereiche Kundenmanagement, Beziehungsma- nagement, Kundenbindungsmanagement sowie Churn Management kurz vorgestellt und von dem Regain Management abgegrenzt. Des weiteren werden die Begriffe Kundenbindung und Loyalität erläutert, da sie für das Verständnis des Regain Managements relevant sind.

Das (ganzheitliche) Kundenmanagement zeichnet sich durch ein auf Kundenorientierung ausgerichtetes Managementkonzept aus (ausführlich Diller 1995a). Dabei handelt es sich nicht nur um eine kundenorientierte Organisationsform, sondern um „… ein spezielles Management-Subsystem mit typischen, aber speziell auf bestimmte Kunden(gruppen) fokussierten Managementfunktionen …“ (Diller 1995a, Sp. 1363). Das Regain Management ist wie das Neukundengewinnungsmanagement und das Kundenbindungsmanagement dem ganzheitlichen Kundenmanagement als Teilbereich untergeordnet.

Das Beziehungsmanagement hat zur Aufgabe, durch die systematische Analyse der Bezie- hungsstrukturen und -profile einzelner aus dem Umfeld eines Unternehmens stammender Partner strategische Handlungsempfehlungen für den Umgang mit diesen Geschäftsbeziehun- gen zu entwerfen (ausführlich: Diller 1995b; Diller 1995c). Das Konzept ist einerseits Be- standteil des Kundenmanagements, andererseits beschränkt es sich nicht nur auf Kundenbe- ziehungen, sondern betrifft auch andere Beziehungsfelder (z.B. zu Lieferanten, Wettbewer- bern, Drittinstitutionen) (Diller 1995c, S. 442). Ein wichtiges Merkmal des Beziehungsmana- gements besteht darin, daß Geschäftsbeziehungen als Investitionsfelder interpretiert werden, die effizient und ressourcenbewußt zu bearbeiten sind (Diller 1995b, Sp. 286). Das Regain Management überträgt diese Idee auf ehemalige Geschäftsbeziehungen.

In Zusammenhang mit der Erforschung eines umfassenden Kundenmanagements gewinnt seit einigen Jahren die Kundenbindung 5 (customer retention) einen immer höheren Stellenwert.

Vor allem in der Praxis hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß Maßnahmen zur Stärkung der Kundenbindung nachhaltig positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben (Diller/Müllner 1998, S. 1220f.; Peter 1997, S. 41ff.; Stauss/Seidel 1998, S. 20ff.). In gesät- tigten Märkten mit geringen Wachstumsraten wird Kundenbindung mittlerweile sogar als zentrale Unternehmensaufgabe gesehen (Stauss 1997a, S. 1; Stauss/Seidel 1998, S. 23). Die Ursachen für eine Bindung können dabei von unterschiedlicher Natur sein. Im einzelnen zäh- len dazu psychologische, situative, rechtliche, ökonomische und technologische Gründe (Meyer/Oevermann 1995, Sp. 1341f.). Das Kundenbindungsmanagement stellt im wesentli- chen eine instrumentell geprägte Managementperspektive der Kundenbindung dar (Diller/ Müllner 1998, S. 1223) und beinhaltet „… die systematische Analyse, Planung, Durchführung sowie Kontrolle sämtlicher auf den aktuellen Kundenstamm gerichteten Maßnahmen …“ (Homburg/Bruhn 1998, S. 8). Dem Kundenbindungsmanagement können weitere Teilberei- che untergeordnet werden, wobei hier vor allem die folgenden von Interesse sind:

- Mit Hilfe des Zufriedenheitsmanagements sollen die Beziehungen zufriedener Kunden gestärkt werden. Hier gilt als Maxime, Unzufriedenheit von vornherein zu vermeiden und gleich das aus Kundenperspektive Richtige zu tun (Stauss/Seidel 1998, S. 24). Weiterhin soll die Kundenbindung durch gezielte Maßnahmen (z.B. Club-Konzepte, Vielfliegerprogramme) gefestigt werden.
- Im Gegensatz zum Zufriedenheitsmanagement soll das Beschwerdemanagement die Beziehungen unzufriedener Kunden stabilisieren (Stauss/Seidel 1998, S. 25). Hierzu ist eine schnelle Problembeseitigung erforderlich, die Kundenunzufriedenheit wieder in Zufriedenheit umwandelt. Hintergrund des Beschwerdemanagements ist die Tatsa- che, daß Unzufriedenheit eine zentrale Ursache für eine Abwanderung des Kunden darstellt (Stauss/Seidel 1998, S. 25). Das Beschwerdemanagement soll somit präventiv vor einer Kundenabwanderung schützen. Obwohl hier ein wesentlicher Unterschied zum Regain Management besteht, zeigen sich Gemeinsamkeiten bei der Aufbau- und Ablauforganisation, dem Mitarbeiterverhalten und dem Controlling (Seidel 1997b).  Als Ergänzung dazu richtet sich das Reaktivierungsmanagement an die Kunden, deren Geschäftsbeziehung „eingeschlafen“ ist (servmark 1998). Als Indikatoren dafür kön- nen z.B. eine geringere Kauffrequenz, sinkende Umsätze oder ein verändertes Kundenverhalten betrachtet werden. Die Grenze zwischen dem Reaktivierungsmanagement und dem Regain Management kann unter Umständen fließend sein.

Der Unterschied zwischen dem Kundenbindungsmanagement und dem Regain Management besteht darin, daß das Kundenbindungsmanagement und dessen Teilkonzepte sich nur an aktuelle und nicht an ehemalige Kunden richtet.

In engem Bezug zu dem Regain Management steht auch der Begriff der Loyalität, die als „… intensive und enge Form der KB [Kundenbindung] angesehen …“ (Diller 1996, S. 89) werden kann.6 Entscheidend dabei ist, daß die Loyalität unabhängig von dem Zufriedenheits- niveau des Kunden verschiedene Ausprägungen haben kann (zur Beziehung von Zufrieden- heit und Loyalität vgl. für viele: Hallowell 1996). Eine hohe Unzufriedenheit korreliert zwar positiv mit einer geringen Loyalität, aber eine hohe Zufriedenheit führt nicht immer zu einer hohen Loyalität (vgl. hierzu die Ergebnisse von Stauss/Neuhaus 1996). Vor allem auf wett- bewerbsintensiven Märkten haben JONES/SASSER (1995, S. 92f.) festgestellt, daß ein großer Unterschied zwischen der Loyalität zufriedener und begeisterter Kunden besteht. Als Fakto- ren können u.a. situative Umstände, die Attraktivität von Alternativen und das sogenannte „variety seeking“-Motiv (Stauss/Neuhaus 1996, S. 129; zum Begriff variety seeking vgl. Dil- ler 1992, S. 1182) genannt werden. Ein eindeutiges Zeichen für den vollständigen Verlust der Loyalität äußert sich im allgemeinen durch die Kündigung gegenüber einem Anbieter.

Das Konzept des Churn Managements (engl.: to churn = abwandern) stammt aus dem angel- sächsischen Raum und kann als Bestandteil einer Kundenbindungsstrategie angesehen wer- den. Das Ziel ist, die Abwanderung von Kunden zu erfassen bzw. zu begrenzen (Möller, D.F. 1998, S. 17f.).7 Das bedeutet, daß das Gefährdungspotential, bestimmte Kundengruppen zu verlieren, erkannt werden muß, um dann entsprechend agieren zu können. Als Hilfsmittel bedient man sich hier vor allem des Data Minings (s. Abschnitt 5.1.1), mit dem zunächst Ver- haltensmuster abgewanderter Kunden anhand der Kundenhistorie untersucht werden, um an- schließend Vorhersagen über das potentielle Abwandern „guter“ Kunden treffen zu können. Das Churn Management wirkt somit präventiv, während das Regain Management reaktiv ist.

Einen zusammenfassenden Überblick zu den bisherigen Ausführungen visualisiert Abb. 1 auf der folgenden Seite, in der das Regain Management in das System des ganzheitlichen Kundenmanagement eingeordnet und den anderen kundenorientierten Managementaufgaben (Interessenten-, Neukunden-, Zufriedenheits-, Beschwerde- und Reaktivierungsmanagement) gegenübergestellt wird. Die Abgrenzung erfolgt dabei anhand der Kriterien „Kundentyp“, „Zustand der Geschäftsbeziehung“ und „Zielrichtung“. Die Abbildung verdeutlicht außerdem den zeitlichen Rahmen, der dem Regain Management gesetzt wird.

2.2 Ziele des Regain Managements

Das Regain Management verfolgt mehrere Ziele. Das primäre Oberziel des Regain Manage- ments ist die Rückgewinnung von ehemaligen Kunden. Das bedeutet, daß die „Churn Rate”, also die Abwanderungsquote von Kunden, minimiert werden soll, indem versucht wird, Kun- den nach einer Kündigung erneut an das Unternehmen zu binden. Daraus ableitend ergeben sich verschiedene Unterziele, die sich gemäß STAUSS (1997a, S. 3) in allgemeine und speziel- le Ziele gliedern lassen.

Zu den allgemeinen Zielen zählen die Verbesserung der eigenen Dienstleistungsqualität durch die Analyse der Kündigungsgründe von ehemaligen Kunden, die Minimierung von negativen Auswirkungen einer Kündigung von unzufriedenen Kunden und „… to make use of the full potential of current customers …“ (Stauss 1997a, S. 3).

Zu den speziellen Zielen des Regain Managements zählen im einzelnen:

- Wachstumschancen, die sich durch die Rückgewinnung eines verlorenen Kunden er- geben (Stauss 1997a, S. 3). Das bedeutet, daß in Hinblick auf den möglichen Leben- sumsatz dieses Kunden das Umsatzpotential noch nicht ausgeschöpft ist.8 Weiterhin können wiedergewonnene Kunden einen Referenzeffekt aufgrund positiver Mund-zu- Mund-Kommunikation („referrals”) bewirken.
- Steigerungen der Rentabilität als Folge der Erneuerung der Geschäftsbeziehung. Das heißt, es werden Akquisitionskosten (Reichheld 1997, S. 57f.; Stauss 1997a, S. 3) und einmalige Startkosten (Henneberg 1997, S. 220f.), die bei der Gewinnung neuer Kun- den anfallen, vermieden.9 Außerdem können wieder-initiierte Geschäftsbeziehungen zu einer längeren Dauer beitragen, weil die wiedergewonnenen Kunden loyaler sind als vor einer Kündigung (o.V. 1997c, S. 41; Penta 1994, S. 7). Verschiedene Studien haben gezeigt, daß sich die Dauer der Geschäftsbeziehung wiederum positiv auf die Rentabilität auswirkt (ausführlich Reichheld 1996, S. 52-75).
- Vermeidung von negativer Mund-zu-Mund-Kommunikation ehemaliger Kunden (Stauss 1997a, S. 3). Untersuchungen haben ergeben, daß schlechte Erfahrungen ca. elfmal weitererzählt werden, wohingegen positive Erfahrungen nur sechsmal kommuniziert werden (Hart/Heskett/Sasser 1990, S. 153).10 Im Rahmen des Regain Managements bietet sich somit die letzte Chance für Unternehmen, negative Äußerungen der bereits verlorenen Kunden zu vermeiden.
- Generierung von wertvollen Informationen zur kontinuierlichen Verbesserung aller Prozesse und betrieblichen Leistungen (Reichheld/Sasser 1990, S. 106). Häufig wechselt ein Kunde den Anbieter ohne eine Äußerung (Stauss/Seidel 1998, S. 48f.). Durch das Regain Management lassen sich somit auch wertvolle Informationen für andere Bereiche des Unternehmens erlangen, z.B. können Fehler bei der Kundenbetreuung aufgedeckt werden. Außerdem sind die gewonnenen Informationen für die Akquisition neuer Kunden nützlich (Reichheld 1996, S. 64).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich die ersten beiden speziellen Ziele sehr an den ökonomischen Zielen des Kundenbindungsmanagements orientieren. Diese sind auch eher zu realisieren, da sie in einem direkten Zusammenhang zu einer Reduzierung der Churn Rate stehen. Allerdings sollten auch die beiden nachfolgenden speziellen Ziele strategisch berücksichtigt werden und nicht nur - wie in der Praxis üblich - als ein „Nebenprodukt“ toleriert werden. Langfristig sind diese Ziele von größerer Bedeutung.

2.3 Aufgaben eines Regain Managements

Das Regain Management setzt sich aus drei Aufgabenbausteinen zusammen, die zusammen den eigentlichen Regain Management Prozeß bilden. Im einzelnen zählen dazu die Regain Analyse, die Regain Maßnahmen und das Regain Controlling (Stauss 1997a, S. 3). Die Re- gain Planung, die „ex definitione” auch Bestandteil des Regain Managements ist, soll hier nicht weiter untersucht werden, da sie sich über alle anderen Aufgabenbereiche erstreckt.

2.3.1 Regain Analyse

Die Regain Analyse bildet die erste Phase eines Regain Management Prozesses und besteht aus zwei wesentlichen Untersuchungsgegenständen (Stauss 1997a, S. 4ff.):

- der Kundenwertanalyse (Customer Value Analysis) und
- der Kundenmigrationsanalyse (Lost Customer Analysis bzw. Termination/Migration Analysis).

Mit Hilfe der durch die Analysen gewonnenen Daten erfolgt anschließend eine Segmentie- rung der Zielgruppe, die als Basis für eine erfolgreiche Rückgewinnungsstrategie dienen soll. Hintergrund dazu ist die Überlegung, daß nicht jeder der ehemaligen Kunden es „wert“ ist zurückgewonnen zu werden. Im folgenden werden die beiden Bestandteile der Regain Analy- se kurz näher vorgestellt.

Hauptgegenstand der Customer Value Analysis (CVA) ist die Analyse des Kundenwertes11. Bei dieser Untersuchung werden Altkunden anhand verschiedener Kriterien nach ihrem Wert für das Unternehmen kategorisiert. In der Literatur sind dazu diverse Verfahren zu finden, die nicht nur jeweils unterschiedlich präzise hinsichtlich ihrer Operationalisierung und ihrer Quantifizierung sind (Plinke 1995, Sp. 1330f.), sondern auch bzgl. ihrer Periodenbezogenheit. Im folgenden werden kurz einige Methoden für eine monetäre Beurteilung des Kundenwertes sowie vorökonomische Kennzahlen aufgelistet.12 Zu den ökonomischen Verfahren zählen:

- die ABC-Analyse,
- die Analyse des Kundendeckungsbeitrages,
- das Kunden-Scoring mit Hilfe der RFMR-Methode,
- die Kunden-Portfolio-Analyse und
- die Analyse des Customer Lifetime Value.

Ansätze für vorökonomische Größen (ausführlich Cornelsen 1996, S. 14ff.) bilden:  das Referenzpotential,

- das Cross-Selling-Potential und
- das Informationspotential.

Mit Hilfe der hier genannten Methoden zur Kundenwertanalyse soll der bisherige (aktuelle) Kundenwert bzw. ein möglichst genauer Gesamtwert, der Lifetime Value, ermittelt werden. Die Ergebnisse bilden die Grundlage für die spätere Segmentierung der ehemaligen Kunden. Die Daten der bisherigen Kundenbeziehung sind somit eine wichtige Orientierungshilfe für die Planung der Regain Maßnahmen.

Aufgabe der Lost Customer Analysis (LCA) ist die Analyse der Kundenabwanderung (Corner 1996, S. 4; Homburg/Werner 1996, S. 93; Sampathkumaran 1994, S. 18; Stauss 1997a, S. 6f.). Dazu werden zum einen die Kündigungsgründe und zum anderen die jeweiligen Prozesse und Ergebnisse von Abbrüchen näher untersucht. Das Ziel dieser Untersuchungen ist, die Ge- samtmenge von Kündigern anhand diskreter Merkmale zu unterscheiden, um jede einzelne Komponente besser analysieren zu können (Corner 1996, S. 4). Als erstes müssen daher die einzelnen Kündigungsgründe ermittelt und systematisch klassifiziert werden.13 Einen mögli- chen Ansatz dazu visualisiert Abb. 2, wonach Kündigungen nach push - und pull -Faktoren differenziert werden können (Engel/Blackwell/Miniard 1990, S. 550f.; Seidel 1997a; Stauss 1997a, S. 6f.).14 Diese Einteilung besagt, daß ehemalige Kunden zum einen absichtlich (inten- tionally) oder unabsichtlich (unintentionally) vom Unternehmen verdrängt bzw. „verstoßen“ (pushed away) oder zum anderen von einem Konkurrenten abgeworben bzw. „weggezogen“ (pulled away) werden können. Außerdem wird der Fall berücksichtigt, daß sich Kundendaten verändern können (z.B. Umzug, Tod, Wechsel des Arbeitsplatzes). Anhand dieser Kategori- sierung lassen sich anschließend unterschiedliche Rückgewinnungsmaßnahmen für jedes Segment ableiten.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Kategorisierung von ehemaligen Kunden anhand der Art der Kundenmigration Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Seidel 1997a Obwohl die Ermittlung der Kündigungsgründe bereits wertvolle Informationen liefert, sollte das Ziel der LCA sein, ein Verständnis über das Phänomen der gesamten Kundenmigration, die sich in mehrere Phasen gliedern kann (Butzer-Strothmann 1998, S. 71f.; Reichheld 1996, S. 65; Roos/Strandvik 1997, S. 618f.), zu erlangen. In der Forschung sind bislang aber erst wenige Studien zu dieser Thematik zu finden (z.B. Keaveney 1995; Moody 1997; Roos/Strandvik 1997; Stewart 1998; eine ausführliche Literaturrecherche stellt Moody (1997, S. 9-26) zusammen). KEAVENEY (1995) hat erfolgreich die Critical Incident Technique (CIT)15 verwendet, um kritische Ereignisse als Auslöser (triggers) zu identifizieren. ROOS/STRANDVIK (1997) verwenden als Variante die Critical Path Analysis Technique (CPAT), um den gesamten Pfad eines Abbruchs und nicht nur ein Ereignis zu analysieren. Sie kommen zu dem Ergebnis, daß ehemalige Kunden auch anhand der Intensität ihrer Reaktion und der Dauer des Abbruchprozesses charakterisiert werden können (Abb. 3). Bzgl. der Reak- tionsintensität kann der Abbruch z.B. „revocable” oder „irrevocable” sein (Roos 1996, zit. n. Stewart 1998, S. 236). Aus dieser Einteilung lassen sich wiederum spezifische Rückgewin- nungsstrategien ableiten, z.B. bestehen bessere Möglichkeiten einer Rückgewinnung bei einer schwachen Abbruchintensität (Typ 3 und 4) als bei einer starken Reaktion (Typ 1 und 2).

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Typen von Abbruchprozessen und Abbruchergebnissen

Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Roos/Strandvik 1997; Seidel 1997a

Obwohl „… between negative trigger event occurrence and subscription reconsideration …“ (Moody 1997, S. 149) eine starke Beziehung besteht, sollte beachtet werden, daß auch nicht- kritische Ereignisse zu einem Abbruch führen können (Stewart 1998, S. 238). Deshalb ist es wichtig, auch die Gründe von zufriedenen Kunden, die gekündigt haben, zu analysieren. Des weiteren ist bei der Untersuchung der Kundenmigration interessant zu erfahren, wann die Abwanderung erfolgt ist bzw. wie lange die Kundenbeziehung vor Abbruch bestand.16 Schließlich sind noch die Fragen bzgl. der „controllability“ sowie der „stability“ von Interes- se, die Auskunft darüber geben, ob die Abwanderung vermeidbar (controllable) war bzw. ob das Problem, das zur Abwanderung geführt hat, wiederauftreten wird (Corner 1996, S. 4).

Die erworbenen Daten aus der LCA und der CVA werden anschließend für eine Segmentierung der ehemaligen Kunden verwendet. Dabei wird in Anlehnung an STAUSS (1997a, S. 7) die Segmentierung in zwei Schritten durchgeführt:

1. Die erste Einteilung der verlorenen Kunden erfolgt anhand des Kundenwertes, wobei entweder der gegenwärtige Kundenwert, der Lifetime Value oder eine Kombination beider Werte mit Hilfe eines Kundenwertportfolios als Entscheidungskriterium ge- wählt werden kann (Stauss 1997a, S. 7ff.).
2. Im zweiten Schritt der Segmentierung werden die verlorenen Kunden anhand des je- weiligen Kündigungsgrundes kategorisiert. Damit wird die Planung der einzelnen Re- gain Maßnahmen erleichtert. So kann bereits an dieser Stelle entschieden werden, kei- ne Aktivitäten bzgl. der „intentionally pushed away“-Kunden und der „moved away“- Kunden zu unternehmen, da dieser Kundenkreis nicht zurückgewonnen werden soll bzw. deren Rückgewinnung unverhältnismäßig teuer sein kann (Stauss 1997a, S. 10).

2.3.2 Regain Maßnahmen

Die Regain Maßnahmen sind denen einer Kundenbindungsstrategie in gewisser Weise ähnlich. Sie lassen sich entsprechend den vier P ’ s des Marketing-Mix (Product, Price, Place and Promotion) einteilen.17 Allerdings sind im Regain Management andere Akzente zu setzen als bei einem Kundenbindungsmanagement, die auch branchenspezifisch Unterschiede aufweisen können. Wichtige Maßnahmen für das Regain Management sind zunächst in der Kommunika- tions- und der Preispolitik anzusiedeln und sollen im folgenden daher kurz erläutert werden. Der Einsatz der Produkt- und Distributionspolitik bestimmt sich in Abhängigkeit der zu unter- suchenden Branche.

Im Zuge der Kommunikationspolitik wird zunächst ein aktiver Dialog zu den verlorenen Kunden gesucht. BANDORF (1997, S. 7) unterscheidet hier zwischen drei Formen der Kunden- ansprache: der telefonischen Ansprache (Telemarketing18 ), der schriftlichen Ansprache (z.B. Mailing mit Rückantwort) und einem Besuch durch den Außendienst oder die Kundenbetreu- ung. Die Wahl der Kommunikationsform hängt dabei im wesentlichen von den Gepflogenhei- ten in der jeweiligen Branche ab (vgl. Bandorf 1998, S. 166). Der telefonische Kontakt ist aber im Gegensatz zum schriftlichen Kontakt zu präferieren, da ehemalige Kunden bei einer Befragung ihrer Kündigungsgründe direkt kategorisiert werden können (Stauss 1997a, S. 12). Danach richtet sich auch das weitere Handeln des Mitarbeiters bzw. die Dauer des Telefonge- sprächs (Stauss 1997a, S. 13f.). Wird im Rahmen des Gespräches festgestellt, daß der ehema- lige Kunde ein Wieder-Interesse zeigt, sollte versucht werden, im Rahmen der Preispolitik mit kundenindividuellen Angeboten ein Abwandern zu verhindern (Stauss 1997a, S. 13). Hierbei sind allerdings verschiedene Faktoren zu beachten, die von der Berücksichtigung des jeweili- gen Kundenwertes bis zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen (z.B. RabattG, ZugabeVO) reichen können.

2.3.3 Regain Controlling

Für den Einsatz des Regain Managements ist auch eine Erfolgskontrolle von großer Bedeu- tung. Es erscheint daher sinnvoll, die Aktivitäten des allgemeinen Controllings auch auf den Aspekt der Kundenrückgewinnung auszudehnen und ein spezielles Regain Controlling einzu- setzen, das sich wie das Beschwerdemanagement-Controlling (vgl. Stauss/Seidel 1998, S. 247-304) aus den Bestandteilen eines Aufgaben-Controllings und eines Kosten-Nutzen- Controllings zusammensetzt.

Mit Hilfe des Aufgaben-Controllings wird die „… Güte der Aufgabenerfüllung … anhand aussagefähiger Standards überwacht ..“ (Stauss/Seidel 1998, S. 249). Damit ist gemeint, daß Leistungsindikatoren und -standards formuliert werden müssen, die alle Aktivitäten auch im Rahmen einer Rückgewinnung steuern und überwachen. Im Rahmen des Kosten-Nutzen- Controllings wird die Rentabilität der Aktivitäten des Regain Managements bestimmt. Dazu ist zunächst eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen der Regain Maßnahmen notwen- dig. Die Kosten eines Regain Managements ergeben sich aus allen Maßnahmen, die für eine Rückgewinnung unternommen werden, z.B. Personalkosten, Kosten für die systemtechni- schen Voraussetzungen (z.B. Data Warehouse) und Kosten für die Kommunikation (Stauss 1997a, S. 14f.). Der Nutzen des Regain Managements besteht im wesentlichen aus einem di- rekten Wiederkaufsnutzen, einem Kommunikationsnutzen sowie einem Informationsnutzen (Stauss 1997a, S. 15). Aus dieser Gegenüberstellung läßt sich anschließend eine Erfolgsquote kalkulieren (Stauss 1997a, S. 14f.), die Return on Regain Management (ROR) genannt wird.

Zusammenfassend soll hier festgehalten werden, daß dieser Teil die terminologischen und konzeptionellen Grundlagen des allgemeinen Regain Management Konzeptes erläutert hat. Das Regain Management stellt demnach eine eigenständige Strategie zur Kundenwiederge- winnung dar, mit der das Gesamtspektrum der kundenorientierten Managementaufgaben komplettiert wird. Um die konkrete Anwendbarkeit dieses Konzeptes in der Telekommunika- tionsbranche beurteilen zu können, erfolgt zunächst ein Überblick über diese Branche und deren Strukturen.

3 Die Telekommunikationsbranche im Überblick

In diesem Teil wird zunächst der Begriff der Telekommunikation und dessen Bedeutung erläutert. Dem folgt eine Darstellung über den sich noch immer vollziehenden Wandel in dieser Branche unter Berücksichtigung der relevanten Faktoren. Im Anschluß daran sollen die Anbieterstrukturen für die gesamte Branche aufgezeigt werden, wobei der Schwerpunkt auf den Telekommunikationsdiensten liegt. Der Teil schließt mit einer Betrachtung des für diese Arbeit relevanten Teilmarktes, dem deutschen Mobilfunkmarkt.

3.1 Begriff und Bedeutung der Telekommunikation

Für die vorliegende Arbeit ist der Begriff der Telekommunikation von zentraler Bedeutung. Eine eindeutige Abgrenzung wird bei diesem Begriff aufgrund eines fortschreitenden Struk- turwandels zunehmend schwieriger (Paterna 1996, S. 49). Bislang zählen zur Telekommuni- kation alle Produkte und Dienstleistungen, die dazu dienen, Informationen (in Form von Sprache/Ton, Text, Daten, Bilder) über größere Entfernungen zwischen einem Sender und einem Empfänger mittels nachrichtentechnischer Verfahren zu übermitteln (Beck 1997, S. 111; Gerpott 1998, S. 4; Gerpott/Pospischil 1993, S. 369; Greupner 1996, S. 35ff.; Hungen- berg 1998, S. 483; Witte 1992, Sp. 2417f.). Für die Zukunft deutet sich aber schon jetzt eine Verschmelzung mit anderen Industrien (Medien, Informationstechnik und Entertainment) an, die begleitet wird von einer „Evolution … vom technisch Machbaren zum industriell Ver- marktbaren“ (Knetsch 1995).

Der Telekommunikationsindustrie kommt schon heute eine zentrale Bedeutung zu (Greupner 1996, S. 39ff.). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaft (EU) sieht die Telekommu- nikation als Schlüsselindustrie für die Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Volkswirt- schaften an (Kühnapfel 1995, S. 12). Des weiteren bildet sie einen entscheidenden Wirt- schaftsfaktor für einzelne Branchen (z.B. Versicherung, Transport) (Gerpott/Pospischil 1993, S. 369). Die hohe Relevanz wird außerdem direkt aus der Größe und den Wachstumspotentialen dieses Wirtschaftssektors bestimmt, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen:

1. Die zehn größten Telekommunikationsunternehmen verdienten bereits 1994 weltweit mehr als die 25 größten Universalbanken. Dieser Trend dürfte sich in der Zukunft so- gar noch verschärfen (Boehringer/Vogelsang 1997, S. 11).
2. Die Telekommunikationsmärkte gehören zu den am schnellsten wachsenden Märkten. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von über 9% verlief die Um- satzentwicklung dieses Wirtschaftsbereiches in den letzten zehn Jahren weitaus expan- siver als die der restlichen Volkswirtschaft (Hasler 1996, S. 55). Das Wachstum schlägt sich auch am zunehmenden Anteil des Bruttosozialproduktes nieder, der von ca. 2% Mitte der achtziger Jahre auf ca. 7% im Jahre 2000 steigen wird (Hasler 1996, S. 55; Gerpott/Pospischil 1993, S. 369; Kühnapfel 1995, S. 14).

Einen Eindruck der zukünftigen Bedeutung der Telekommunikation vermitteln die zahlreichen Prognosen (Gerpott 1998, S. 15f.; Knetsch 1995; Müller-Veerse 1997), die allerdings sehr variieren können.19 Die folgenden Daten sind daher unter dem Vorbehalt zu sehen, daß eine genaue Prognostizierung kaum möglich ist (zur Problematik der quantitativen Erfassung vgl. Kühnapfel 1995, S. 13ff.) und ein Teil des Umsatzes aus Doppelzählungen resultieren kann, wenn sich neue Anbieter gegenseitig ihre Leistungen in Rechnung stellen (Berke 1997a, S. 126):

- Der globale Telekommunikationsmarkt wird voraussichtlich bei einer geschätzten Wachs- tumsrate von 7 bis 8% bis zum Jahre 2000 ein Umsatzvolumen von etwa 1.000 Mrd. US$ erreichen (Hasler 1996, S. 56) und sich in den folgenden zehn Jahren noch einmal auf ca. 2.300 Mrd. US$ verdoppeln (Knetsch 1995). Der wichtigste Teilmarkt bleibt weiterhin der Markt für Telekommunikationsdienstleistungen, die ca. 80% des Gesamtmarktes bil- den.
- Im Bereich der Telekommunikationsdienste wird der Basisdienst Telefonie auch wei- terhin der größte Dienst sein, die Wachstumsrate wird aber mit ca. 5% deutlich gerin- ger ausfallen (Gerpott 1998, S. 16; Gerpott/Pospischil 1993, S. 371; Knetsch 1995). Im Gegensatz dazu werden dem Mobilfunkbereich Wachstumsraten zwischen 20 und 30% bescheinigt (Hungenberg 1998, S. 485; Knetsch 1995; Oppenheim 1995, S. 19). Abb. 4 visualisiert das prognostizierte Wachstum für die einzelnen Segmente innerhalb des Teilmarktes der Telekommunikationsdienste.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Prognostizierte Entwicklung einzelner Telekommunikationsdienste in Europa Quelle: Knetsch 1995

Als Ergebnis soll an dieser Stelle festgehalten werden, daß dem Telekommunikationsmarkt auch in Zukunft ein rasantes Wachstumspotential zugesagt werden kann, das allerdings schwer zu prognostizieren sein wird. Wesentliche Beeinflussungsfaktoren für die Marktentwicklung werden in dem folgenden Abschnitt erläutert.

3.2 Faktoren des Wandels in der Telekommunikationsbranche

Im wesentlichen können vier Faktoren charakterisiert werden, die für den Wandel der Tele- kommunikationsbranche verantwortlich sind und auch die zukünftige Entwicklung sehr prägen werden. Dazu zählen im einzelnen die technologische Entwicklung, die Deregulierung der gesamten Telekommunikationsbranche, die Globalisierung und gestiegene Kundenbedürfnisse, die zu einem veränderten Kundenverhalten führen.

3.2.1 Technologische Entwicklung

Die technologische Entwicklung stellt ein wesentliches Merkmal des Transformationsprozes- ses der Telekommunikationsindustrie dar. Aufgrund der Vielfalt kann an dieser Stelle nur ein Überblick über die wichtigsten Fortschrittsfelder gegeben werden, die primär Veränderungen im Vermittlungs- sowie im Anschlußleitungsnetz betreffen (ausführlich: Boehringer/Vogel- sang 1997, S. 16ff.; Gerpott 1998, S. 17-54). Auf der Fernebene (Vermittlungsleitungsnetz) zählen dazu:

- Glasfasertechnik / Digitalisierung,  Intelligente Netze (IN),
- Asynchronous Transfer Mode (ATM) und  Internet-Telefonie / Voice Over Data. Auf lokaler Ebene (Anschlußleitungsnetz) sind bedeutsam:  Datenkompression,
- ADSL / HDSL / Voice Over Cable und  Wireless Local Loop (WLL).

Obwohl diese Auflistung keinerlei Vollständigkeit beansprucht, läßt sich zusammenfassend feststellen, daß die technologischen Fortschritte neue Anwendungsmöglichkeiten schaffen, die Kapazität und Flexibilität des Netzes vergrößern und zum Teil drastische Kostensenkungen ermöglichen (Hungenberg 1998, S. 485). Die neuen Übertragungstechnologien werden auch zu einer Konvergenz bislang getrennter Märkte führen, wie bereits der US-Markt zeigt (Picot/Burr 1996, S. 196f.). Als bestes Beispiel sei hier das zunehmende Zusammenwachsen des Festnetzes und des Mobilfunknetzes erwähnt.

3.2.2 Deregulierung

Als zweiter Faktor ist die weltweite Deregulierung20 (synonym: Liberalisierung) der Tele- kommunikationsbranche zu nennen (Anhang 1 enthält ausgewählte Schritte der Deregulie- rung auf europäischer und deutscher Ebene; ausführlich: Boehringer et al. 1997; Gerpott 1998, S. 58-94).21 Bis 1995 waren erst 13 Länder dereguliert (Boehringer et al. 1997, S. 35). Die Vorreiterrolle hatte hier die USA, die als erstes Land mit der partiellen Liberalisierung Ende der 60er Jahre begann (ausführlich hierzu: Gerpott 1998, S. 129-162; Paterna 1996, S. 93-100; Weizsäcker 1987, S. 45-51). In Europa ist die treibende Kraft die Exekutive der EU, die über „Grünbücher“ und EU-Richtlinien die Einführung von Wettbewerb im Telekommu- nikationssektor forciert (Agata 1996, S. 13; Gerpott 1998, S. 62f.; Greupner 1996, S. 123ff.; Hungenberg/Hutzschenreuter 1998, S. 15; Paterna 1996, S. 115ff.). Als Pionier gilt hier Großbritannien, wo die Marktliberalisierung bereits 1981 begann (ausführlich hierzu: Gerpott 1998, S. 105-128; Paterna 1996, S. 104-112; Weizsäcker 1987, S. 51-54).

Der Telekommunikationsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland ist erst seit dem 1.1.1998 von staatlicher Seite vollständig dereguliert (Anhang 2 gibt einen Überblick über die durch die Postreformen initiierten Deregulierungsmaßnahmen). Seitdem gilt er aber als einer der liberalsten Märkte weltweit. Die Liberalisierung selbst kann in drei Phasen eingeteilt werden (Hungenberg/Hutzschenreuter 1998, S. 9) und hat sich nach dem gleichen Muster vollzogen wie auch in anderen Ländern. Angefangen bei den Endgeräten (1990) wurden anschließend konkurrierende Mobilfunkbetreiber (1992) zugelassen. Seit dem 1.1.1998 sind auch der Sprachdienst und die Infrastruktur vollständig freigegeben. Für den Verlauf der Deregulie- rung, d.h. dem Wettbewerb unter den Marktteilnehmern, wird angenommen, daß sie in Deutschland schneller verlaufen wird als in anderen bereits deregulierten Ländern (sogenannte „Beschleunigungstheorie“ des Beratungsunternehmens Booz•Allen & Hamilton) (Boehringer et al. 1997, S. 40f.).

3.2.3 Globalisierung

Die weltweite Globalisierung ist eine weitere Triebfeder für den Wandel der Telekommunika- tionsindustrie. Sowohl Anbieter- als auch Nachfragerseite durchlaufen zur Zeit einen Prozeß der Internationalisierung (Hungenberg 1998, S. 485; Welfens/Graack 1996a, S. 25). Ein we- sentlicher Grund für die Netzbetreiber besteht in den hohen Investitionskosten, die für den Aufbau der Infrastrukturen notwendig sind, die aber „… für die Betätigung auf kleinen, hei- mischen Märkten … nicht mehr aufzufangen sind“ (Berger 1996, S. 38). Für die etablierten und neuen Telekommunikationsunternehmen ist es daher inzwischen eine Frage der Wettbe- werbsfähigkeit, die sie dazu zwingt, Beteiligungen und Allianzen einzugehen (ausführlich dazu Hungenberg 1998, S. 489ff.) bzw. in bislang geschützte nationale Märkte einzudringen.

3.2.4 Gestiegene Kundenbedürfnisse

Abschließend sei noch auf die gestiegenen Kundenbedürfnisse als ein Faktor für den Wandel der Telekommunikationsbranche verwiesen. System- und Geschäftskunden erwarten zuneh- mend maßgeschneiderte Komplettlösungen, ein hohes Maß an (Service-)Qualität sowie Kos- tengünstigkeit (Gerpott 1998, S. 54f.; Hungenberg 1998, S. 485). Bei den Privatkunden zeichnet sich in gleicher Weise ein veränderter Bedarf von Telekommunikationsdiensten ab, der begleitet wird von dem Wunsch nach mehr Mobilität. Hier rückt auch zunehmend das Preis-Leistungs-Verhältnis in den Vordergrund der Kaufentscheidung (Gerpott 1998, S. 57f.). Die neuen Anforderungen zwingen die Telekommunikationsunternehmen daher zu einem strategischen Umdenken und einem verstärkten Fokus hin zu Marketing und Customer Care (Boehringer/Vogelsang 1997, S. 22). Dies gilt vor allem im Kerngeschäft der klassischen Übertragungs- und Serviceleistungen einschließlich der damit verbundenen Mehrwertdienste.

3.3 Anbieterstrukturen in der Telekommunikationsbranche

In diesem Kapitel werden die Strukturen der Telekommunikationsindustrie etwas genauer untersucht. Hierzu erweist es sich als hilfreich, die Telekommunikationsbranche in einer ver- einfachenden Betrachtung in drei Segmente zu trennen: Telekommunikationsausrüstung (Te- lekommunikationseinrichtungen und Endgeräte), Netzinfrastrukturen und Telekommunikati- onsdienste (Picot/Burr 1996, S. 176; Welfens/Graack 1996a, S. 18). Abb. 5 visualisiert sche- matisch die Beziehungen der einzelnen Anbietergruppen (vgl. zu ähnlichen Prinzipdarstellun- gen Beck 1997, S. 118; Gerpott 1998, S. 4ff.; Gerpott/Pospischil 1993, S. 369f.; Greupner 1996, S. 45ff.).

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Die Anbieterstrukturen in der Telekommunikationsbranche Quelle: Eigene Darstellung

3.3.1 Telekommunikationsausrüstung und Endgeräte

Dieser Teilmarkt umfaßt alle Einrichtungen, die erforderlich sind zur Errichtung und Nutzung von Telekommunikationsnetzen. Zu den prinzipiellen Bausteine dieser Einrichtungen zählen gemäß GERPOTT (1998, S. 4):

- Übertragungssysteme (kabel-/leitungsgebunden und kabellos),
- Vermittlungssysteme (Orts- und Fernverbindung) und
- Endgeräte (z.B. Telefone, Faxgeräte/-karten, Nebenstellenanlagen).

Die Übertragungs- und Übermittlungssysteme bilden dabei die physisch existierende Infra- struktur des Telekommunikationsnetzes. Die Endgeräte ermöglichen den Zugang zu diesem Netz. Aufgrund der Tatsache, daß dieses Marktsegment nur einen geringen Anteil (ca. 20%) am Weltmarkt bildet und seit der Liberalisierung des Endgerätemarktes zum 1.7.1990 keine wesentlichen regulatorischen Veränderungen dieses Marktsegment prägen (Gerpott 1998, S. 5), wird im folgenden nicht weiter auf diesen Bereich eingegangen.

3.3.2 Netzinfrastrukturen

Anbieter von Netzinfrastrukturen (im folgenden auch Systembetreiber genannt) sind für die Planung, die Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationsnetzen verantwortlich (Gerpott 1998, S. 6). Die Systembetreiber haben dabei die Wahl zwischen unterschiedlichen Netztypen, die im folgenden kurz erläutert werden:

- Als wichtigster Netztyp wird das ö ffentliche vermittelnde Telefonnetz, kurz PSTN (Public Switched Telephone Network) oder auch Festnetz genannt, verwendet, „… das ursprünglich für die (analoge) bidirektionale Übertragung von Sprache zwischen zwei Kommunikationspartnern ausgelegt war“ (Gerpott 1998, S. 6). Eine Weiterentwick- lung dazu stellt das digitale ISDN-Netz dar, das neben Sprache auch Daten transpor- tieren kann. In der Vergangenheit nahmen in der Regel staatliche (Post- und) Fern- meldeverwaltungen, die sogenannten PTOs (Public Telephone Operators) bzw. PTTs (Post, Telegraph and Telephone administrations), den Betrieb des Festnetzes wahr. In Deutschland ist dies die Deutsche Telekom (bzw. deren Vorläuferorganisation) bis zum 1.1.1998 gewesen, als sie ihr Telefonmonopol vollständig verlor. Im Zuge der weltweiten Deregulierung der Telekommunikationsmärkte vermarkten inzwischen auch neue Anbieter eigene, alternative Telekommunikationsnetze (Gerpott 1998, S. 6).

[...]


1 Angabe in Klammern = Inhaltliche Kurzerläuterung einer Abkürzung.

2 Im folgenden wird Regain Management mit den Begriffen Wiedergewinnungsmanagement und Rückgewin- nungsmanagement synonym verwendet.

3 Merkmale zur theoretischen Erfassung von Geschäftsbeziehungen (synonym: Lieferanten-Kunden-Beziehung bzw. Anbieter-Nachfrager-Beziehung) werden vor allem in Beiträgen zum Beziehungsmanagement diskutiert (vgl. Belz et al. 1994, S. 26ff.; Diller 1995b, Sp. 286ff.; Dwyer/Schurr/Oh 1887, S. 11ff.; Hentschel 1991, S. 26f.; Plinke 1989, S. 307f.; Weiber/Beinlich 1994, S. 122ff.).

4 An dieser Stelle sei auf das Stichwort der „inneren Kündigung“ verwiesen, die wesentlich früher eintreten kann als die eigentliche Abwanderung, deren Zeitpunkt aber kaum zu bestimmen bzw. zu operationalisieren ist (Bandorf, Expertenbefragung).

5 Der Begriff der Kundenbindung ist bislang weder im Sprachgebrauch noch in der Literatur eindeutig defi- niert. Im Rahmen der Begriffsbestimmung finden sich in der wissenschaftlichen Diskussion aber inzwischen zahlreiche Beiträge für eine Abgrenzung und eine Typologisierung (z.B. Diller 1996, S. 81ff. und 87ff.; Dil- ler/Müllner 1998, S. 1221ff.; Peter 1997, S. 22ff.), die hier nicht weiter vorgestellt werden.

6 Das Phänomen der Loyalität kann aus einer Kombination zweier Variablen, der „relativen Einstellung“ (atti- tude) und dem „tatsächlichen Wiederkauf- bzw. Besuchsverhalten“ (patronage), interpretiert werden (Dick/Basu 1994, zit. n. Diller 1996, S. 90). GREMLER/BROWN (1998, S. 119) fügen in ihrer Definition von Service Loyalty als dritte Variable den „Bedarf nach einer Dienstleistung“ hinzu.

7 Für das Phänomen der Kundenabwanderung gibt es in der wissenschaftlichen US-Literatur zahlreiche Be- zeichnungen, z.B. customer defection, customer switching, customer exit (vgl. Stewart 1998, S. 236). In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe Churn, Abwanderung, Migration und Fluktuation synonym ver- wendet.

8 Der potentielle Lebensumsatz wird durch den Lifetime Value eines Kunden beschrieben. Hierbei handelt es sich um einen prognostizierten Wert, der alle zukünftigen Umsätze abzüglich der damit resultierenden Aus- gaben während der Gesamtdauer der Kundenbeziehung auf den heutigen Zeitpunkt abdiskontiert (Berger/ Nasr 1998, S. 18f.; Homburg/Daum 1997, S. 400ff.; Link/Hildebrand 1997b, S. 164f.; Stauss 1997a, S. 5).

9 STAUSS/SEIDEL (1998, S. 22) führen hier an, daß „[d]ie Höhe des ökonomischen Vorteils der Kundenbindung … nicht genau quantifizierbar“ sei. In der Literatur finden sich aber häufig Kostenrelationen, die davon aus- gehen, daß es etwa fünf bis siebenmal so viel kostet, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bisherigen Kunden zu halten (Diller/Müllner 1998, S. 1220; Hart/Heskett/Sasser 1990, S. 149; Keaveney 1995, S. 71).

10 Das Verhältnis zischen der negativen und positiven Kommunikation hängt gemäß WILSON (1991, S. 37) von der Branche ab. Allerdings dürfte sich diese Quote mit der schnellen Ausbreitung des Internets drastisch än- dern. Die heutige Technologie ermöglicht es, positive oder negativen Erfahrungen weltweit Millionen von Menschen zu kommunizieren (vgl. Stauss 1997b; Stauss 1998b).

11 Hier wird in Anlehnung an CORNELSEN (1996, S. 4f.) ein sehr weitgefaßter Kundenbegriff zugrundegelegt, der sich auf das „numerische Kundenpotential“ einer Unternehmung bezieht. Danach zählen auch Altkunden zum Kundenbegriff. Des weiteren wird in Anlehnung an CORNELSEN (1996, S. 7ff.) die Auffassung vertre- ten, daß sich der Kundenwert sowohl aus ökonomischen als auch „vorökonomischen Potentialgrößen“, d.h. nicht-monetären Kriterien, zusammensetzt.

12 Im Rahmen dieser Arbeit können weder alle Kriterien vollständig aufgelistet noch detailliert erläutert wer- den. Für eine ausführliche Darstellung wird daher auf die Literatur verwiesen (z.B. Berger/Nasr 1998; Cor- nelsen 1996; Dubinsky/Ingram 1984; Dwyer 1989; Homburg/Daum 1997; Köhler 1998; Link 1995; Link/ Hildebrand 1997b; Plinke 1995).

13 Hier ergibt sich eine Besonderheit für das Regain Management: Die Kündigungsgründe können nur im Ge- spräch mit ehemaligen Kunden erfahren werden. Der Kundendialog ist aber eigentlich Bestandteil der Regain Maßnahmen, wodurch es zu einer zeitlichen Überschneidung mit der Regain Analyse kommt.

14 Eine Alternative bietet die Einteilung nach DESOUZA (1992, S. 25f.), der sechs unterschiedliche Typen von Migranten unterscheidet: Price defectors, Product defectors, Service defectors, Market defectors, Technolo- gical defectors und Organizational defectors. CORNER (1996, S. 4) wiederum differenziert den „locus“ von Abwanderungsgründen nach external (the business, the competition or societal factors) und internal (the customer themselves) Gründen.

15 CIT ist ein Verfahren zur Erhebung und Auswertung einzelner kritischer Ereignisse (Zollner 1995, S. 112; ausführlich Stauss 1994, S. 237ff.). Unter kritischen Ereignisse werden dabei „… specific interactions be- tween customers and service firm employees that are especially satisfying or especially dissatisfying“ (Bit- ner/Booms/Tetreault 1990, S. 73) verstanden.

16 Hier liegt die Vermutung nahe, daß die Verlustrate im Anfangsstadium wesentliche höher ist als der Durch- schnitt und im Laufe der Kundenbeziehung sinkt (Page/Pitt/Berthon 1996, S. 823; Reichheld 1997, S. 70ff.).

17 Neben diesen bekannten Mixbereichen aus dem Konsumgütermarketing erfolgt im Dienstleistungsmarketing zwar eine Erweiterung um die Bereiche Process, Participants und Physical Evidence (Bitner 1990, S. 70; Meffert 1998, S. 1079), diese werden aber vernachlässigt, da sie im Rahmen dieser Arbeit als integrativer Bestandteil des traditionellen Marketing-Mix verstanden werden.

18 Das Telemarketing ist eine ausgeprägte Form des Direct Marketings. Auf eine ausführliche Darstellung des Direct Marketings sowie des Database Marketings muß im Rahmen dieser Arbeit allerdings verzichtet wer- den (vgl. hierzu z.B. Dallmer 1995; Kreutzer 1995; Link/Hildebrand 1997a; Wilde/Hippner 1998). Der Ver- trieb von Produkten/Diensten erfolgt beim Telemarketing über ein Call Center, wobei zwischen Inbound Call Center (der Kunde ruft das Unternehmen an) und Outbound Call Center (das Unternehmen ruft den Kunden an) unterschieden wird (Friedrich 1997, S. 192f.).

19 Dies läßt sich gut an den Schätzungen des weltweiten Telekommunikationsmarktes von 1995 zeigen, die zwischen 600 Mrd. US$ (Knetsch 1995) und 718 Mrd. US$ (Hasler 1996, S. 56) lagen. Statistisch erfaßt wurden schließlich 788 Mrd. US$ (o.V. 1997a). Für den deutschen Gesamtmarkt variierten die Prognosen für das Jahr 1995 zwischen DM 60,5 Mrd. von Vebacom und DM 74,4 Mrd. von EITO (Hasler 1996, S. 37).

20 Unter Deregulierung wird „… die Aufhebung eines Sonderstatus bestimmter Wirtschaftszweige durch den Abbau branchenspezifischer Ausnahmeregelungen“ (Welfens/Graack 1996b, S. 768) verstanden. Dabei kommt es nicht unbedingt zu einem kompletten Abbau der staatlichen Einflußnahme. Vielmehr wird wie am Beispiel der Telekommunikationsindustrie ein ordnungspolitischer Rahmen geschaffen, der die Phase des Wettbewerbs kontrollieren soll (Gerpott 1998, S. 58; ausführlich zur Regulierung der Deregulierung: Gerpott 1998, S. 72-94). PATERNA (1996, S. 91) spricht in diesem Zusammenhang auch von „Reregulierung“.

21 Die Effekte der Deregulierung in der Telekommunikation hängen von verschiedenen Faktoren ab: Zahl der Wettbewerber, Wertschöpfungsumfang der Anbieter, Interconnection Regelung, Einwahlverfahren, Dienste- angebotsauflagen und Preisregulierung (Gerpott 1998, S. 59f.; Boehringer et al. 1997, S. 33f.).

Fin de l'extrait de 126 pages

Résumé des informations

Titre
Regain Management in der Telekommunikationsbranche
Université
Catholic University Eichstätt-Ingolstadt
Note
1.7
Auteur
Année
1998
Pages
126
N° de catalogue
V185370
ISBN (ebook)
9783656999942
ISBN (Livre)
9783867463003
Taille d'un fichier
1428 KB
Langue
allemand
Mots clés
regain, management, telekommunikationsbranche
Citation du texte
Sven Tuzovic (Auteur), 1998, Regain Management in der Telekommunikationsbranche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185370

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Titre: Regain Management in der Telekommunikationsbranche



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