Durchsetzungsvermögen messen und weiterentwickeln: Konstruktion und Erprobung eines Orientierungscenters zur Durchsetzungsfähigkeit


Diplomarbeit, 2000

270 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorie
2.1. Das Orientierungscenter als Weiterentwicklung des AC-Verfahrens
2.1.1. Die Güte des Assessment-Centers
2.1.1.1. Standards und klassische Gütekriterien
2.1.1.2. Objektivität und Reliabilität
2.1.1.3. Validität
2.1.1.4. Relevanz der verschiedenen Validierungsansätze
2.1.1.5. Erklärungsansätze für die geringe Konstruktvalidität
2.1.1.6. Infragestellung des Konzepts der Konstruktvalidität
2.1.1.7. Einflußfaktoren auf die Konstruktvalidität
2.1.1.8. Ökonomie und soziale Validität
2.1.2. Entwicklungstrends des Assessment Centers
2.1.2.1. Gewandelte Anwendungsziele
2.1.2.2. Personalentwicklung als neues Einsatzfeld
2.1.2.3. Spezielle Neuerungen
2.1.2.4. Von der Status- zur Prozeßdiagnostik
2.1.2.5. Einbezug von Peerbeurteilungen
2.1.2.6. Einbezug von Selbstbeurteilungen
2.1.3. Das Orientierungscenter als Personalentwicklungsinstrument
2.2. Vorbetrachtungen zum Konstrukt Durchsetzungsfähigkeit
2.2.1. Durchsetzungsfähigkeit als berufliche Schlüsselqualifikation
2.2.1.1. Zur Bedeutung der Durchsetzungsfähigkeit
2.2.1.2. Durchsetzung als Anforderung in Stellenanzeigen
2.2.2. Durchsetzungsfähigkeit als psychologisches Konstrukt
2.2.2.1. In der Alltags- und Laienpsycholgie
2.2.2.2. In der Persönlichkeits- und Differentiellen Psychologie
2.2.2.3. In der Klinischen Psychologie
2.2.2.4. In der Arbeits-, Betriebs- u. Organisationspsychologie
2.2.3. Durchsetzungsfähigkeit im Rahmen dieser Arbeit
2.2.3.1. Definition von Durchsetzungsfähigkeit
2.2.3.2. Einflußfaktoren auf die Durchsetzungswirkungen

3. Fragestellungen
3.1. Mißt das Orientierungscenter Durchsetzungsfähigkeit?
3.2. Eignet sich das Orientierungscenter zur Personalentwicklung?

4. Methoden
4.1. Entwicklung des Orientierungscenters zur Durchsetzungsfähigkeit
4.1.1. Ziele des Orientierungscenters
4.1.2. Konstruktion der Orientierungscenter-Aufgaben
4.1.3. Operationalisierung der Durchsetzungsindikatoren
4.1.4. Gestaltung der diagnostischen Situation
4.2. Untersuchungsplan zur Validierung
4.2.1. Operationalisierung weiterer Variablen
4.2.2. Untersuchungsplan im Überblick
4.3. Durchführung der Untersuchung
4.3.1. Probandenstichprobe
4.3.2. Ablauf der Orientierungscenter
4.3.3. Voruntersuchung
4.4. Auswertung der quantitativen Daten
4.4.1. Aggregationen und deskriptive Statistiken
4.4.2. Korrelationsanalysen
4.4.3. Vergleiche zwischen Verteilungen
4.4.4. Faktorenanalysen

5. Ergebnisse
5.1. Ergebnisse zur diagnostischen Güte des Orientierungscenters
5.1.1. Ergebnisse zu den Indikatoren der Durchsetzungsfähigkeit und der Durchsetzungswerte
5.1.1.1. Adjektiveinschätzungen
5.1.1.2. Bewertung der Filmszenen
5.1.1.3. Rangreihe zum bevorzugten Führungsverhalten
5.1.1.4. Zusammenhänge zwischen den Indikatoren der Durchsetzungs- fähigkeit und der Durchsetzungswerte
5.1.2. Ergebnisse zu den Indikatoren der Durchsetzungswirkungen
5.1.2.1. Gesamtbenotungen
5.1.2.2. Übungsrankings
5.1.2.3. Emotions- und Zufriedenheitsratings
5.1.2.4. Diskussionserfolg
5.1.2.5. Zusammenhänge zwischen den Wirkungsindikatoren
5.1.2.6. Zusammenhänge zwischen den Wirkungsindikatoren und den Indikatoren der Durchsetzungsfähigkeit und Durchsetzungswerte
5.1.3. Ergebnisse zu den Indikatoren des Durchsetzungsverhaltens
5.1.3.1. Ratings zum Durchsetzungsverhalten
5.1.3.2. Vergleich der Verhaltensratings über die verschiedenen Beurteiler
5.1.3.3. Zusammenhänge der Verhaltensratings mit den Indikatoren der Durchsetzungswirkungen
5.1.4. Ergebnisse zum Einfluß situativer Faktoren
5.1.4.1. Abweichungseinschätzungen
5.1.4.2. objektiver Abweichungsgrad
5.1.4.3. Zusammenhänge zwischen den situativen Faktoren und den Indikatoren der Durchsetzungswirkungen
5.1.5. Ergebnisse zum Einfluß motivationaler Faktoren
5.1.5.1. Wichtigkeitseinschätzungen
5.1.5.2. Zusammenhänge zwischen den Wichtigkeitseinschätzungen und den Indikatoren der Durchsetzungswirkungen
5.1.6. Ergebnisse zu weiteren Persönlichkeitsmerkmalen
5.1.6.1. BIP
5.1.6.2. IPS
5.1.6.3. LPS
5.1.6.4. Filmszenenleistungen
5.1.6.5. Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen
5.1.6.6. Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen und den Durchsetzungsindikatoren
5.1.7. Ergebnisse zu den Außenkriterien
5.1.8. Integration der Ergebnisse zur diagnostischen Güte des Orientierungscenters zur Durchsetzungsfähigkeit
5.2. Ergebnisse zur Eignung des Orientierungscenters zur Personal- entwicklung
5.2.1. Ergebnisse zur Qualität der Feedbacks
5.2.2. Ergebnisse zu den individuellen Veränderungen infolge des Orientierungscenters
5.2.4. Integration der Ergebnisse zur Eignung des Orientierungscenters zur Personalentwicklung

6. Diskussion
6.1. Modifikation des Orientierungscenters
6.2. Untersuchungskritik und Ausblick

7. Zusammenfassung

Anhang
A: Ergebnisse aus der Voruntersuchung zur Analyse der Ratingitems
B: Moderatorenmappe
C: Checklisten zur Auswertung der Filmszenen
D: Statistische Berechnungen
E: Ergebnisse aus den Kartenabfragen
F: Ergebnisse aus den Nachbefragungen

1. Einleitung

Ausgang für die vorliegende Arbeit ist das Zusammentreffen folgender Punkte:

1. Durchsetzungsfähigkeit (populärer aber synonym sind die Begriffe Durchsetzungsvermögen, Durchsetzungsstärke oder Durchsetzungskraft) steht immer wieder im Vordergrund, wenn es um den individuellen Erfolg in beruflichen Situationen geht. So ist für den beruflichen Erfolg vieler Personengruppen in der Regel ein bestimmtes Mindestmaß an Durchsetzungsfähigkeit unabdingbar. Zu erwähnen seien zum Beispiel Vertriebsmitarbeiter, Existenzgründer und Unternehmer. Aber insbesondere für Führungskräfte ist Durchsetzungsfähigkeit eine bedeutende Schlüsselqualifikation. Aus diesem Grunde wird der Durchsetzungsfähigkeit bei der Personalauswahl und -entwicklung ein ungemein wichtiger Rang zugeschrieben.
2. Zur wissenschaftlich abgesicherten Diagnose der Durchsetzungsfähigkeit und weiterer sozialer Kompetenzen wird in der betrieblichen Praxis das Assessment-Center eingesetzt. Das AC-Verfahren ist eine multiple eignungsdiagnostische Prozedur (Kleinmann & Strauß, 1998), welche durch die Prinzipien Verhaltensorientierung, Methodenvielfalt, Mehrfachbeurteilung und Anforderungsbezogenheit gekennzeichnet ist (Touet, 1997). Aufgrund der hohen Einsatzhäufigkeit von AC-Verfahren (laut einer Studie von Schuler et al. (1993) wurden in über 30% der befragten deutschen Organisationen AC-Verfahren zur Personalauswahl eingesetzt) sollte man auf eine fundierte meßtheoretische Güte des AC‘s schließen können. Doch im Vergleich zur guten prädiktiven Validität des AC‘s sticht die bei herkömmlichen AC-Verfahren in der Regel überaus problematische Konstruktvalidität hervor. So ist unabhängig davon, ob AC-Verfahren prädiktiv das richtige messen, bis heute nicht klar, welche psychologischen Konstrukte sie eigentlich erfassen (Scholz, 1994).
3. Nachdem das AC in Zeiten seiner Entwicklung und Rezeption vorrangig als Prognoseinstrument zur Personalauswahl diente, wird es heute eher als Instrument zur Personalentwicklung eingesetzt (z.B. Lattmann, 1989). Mit dem Entwicklungs-AC sollen individuelle Kompetenzen von Mitarbeitern eingeschätzt, Entwicklungsbedarfe aufgedeckt und Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt werden. Der zunehmende Einsatz des AC zu PE-Zwecken erhöht zugleich die Bedeutung der Konstruktvalidität gegenüber der prädiktiven Validität. Denn für das Entwicklungs-AC ist im Gegensatz zum Auswahl-AC die Güte der Diagnose wichtiger ist als die Güte der Prognose (Sarges, 1998). Im Rahmen der Entwicklung der AC-Technik hin zu einem PE-Instrument gewinnt speziell der Einbezug von Teilnehmereinschätzungen und -feedback sowie eine stärkere Lernorientierung an Bedeutung. Daraus resultierte auch der Gedanke des Orientierungscenters. Dessen Charakteristika sind angeregte und strukturierte Selbstreflexion und Sensibilisierung (Prinzip der Selbstverantwortung), geleitete Peer- und Selbsteinschätzung (statt Beobachterbeurteilung), Betonung des Feedbackcharakters sowie ein insgesamt lern- und prozeßorientiertes Vorgehen (Freund, 1997a).

Aus diesen drei Punkten ergibt sich das Ziel der vorliegenden Arbeit: Aufbauend auf der Methodik des OC‘s und bisherigen Erkenntnissen zur Durchsetzungsfähigkeit wird ein Orientierungscenter zur Durchsetzungsfähigkeit konzipiert. Dieses Orientierungscenter soll zwei Anforderungen erfüllen:

1. eine konstruktvalide Diagnose individueller Durchsetzungsfähigkeit ermöglichen

2. individuelle Entwicklungsprozesse bezüglich der Durchsetzungsfähigkeit unterstützen.

Darauffolgend wird dieses Orientierungscenter im Rahmen einer empirischen Untersuchung an einer studentischen Stichprobe erprobt.

2. Theorie

2.1. Das Orientierungscenter als Weiterentwicklung des AC-Verfahrens

In diesem Kapitel werden zu Beginn die für psychodiagnostische Verfahren geltenden Gütekriterien kurz behandelt sowie deren Erfüllung durch das klassische AC-Verfahren. Dabei wird ausführlich auf die Validität der AC-Methode und die Problematik der Konstruktvalidität eingegangen. Im zweiten Teil des Kapitels werden die aktuellen Entwicklungen bei der Anwendung des AC-Verfahrens dargestellt, wobei vertiefend auf den Einsatz des AC-Verfahrens als Instrument der Personal- entwicklung, auf den prozeßdiagnostische AC-Ansatz und auf das Hinzuziehen von Peer- und Selbstbeurteilungen im Rahmen der AC-Methode eingegangen wird. Im letzten Teil dieses Kapitels wird dann das Orientierungscenter als Weiterentwicklung des AC-Verfahrens näher dargestellt.

2.1.1. Die Güte des Assessment Centers

2.1.1.1. Standards und klassische Gütekriterien

Das AC-Verfahren hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem in der Praxis von Unternehmen recht häufig eingesetzten Beurteilungsinstrument entwickelt. Um auch zukünftig einen dauerhaften Erfolg des AC-Verfahrens zu sichern und die Güte von AC-Verfahren überprüfen zu können, stellte 1992 der „Arbeitskreis Assessment Center e.V.“ folgende neun Qualitätsstandards auf:

- Anforderungsorientierung: die Entwicklung eines AC-Verfahrens basiert auf einer unternehmensspezifischen Anforderungsanalyse
- Verhaltensorientierung: nur das beobachtbare Verhalten der AC-Teilnehmer ist die Grundlage für deren Beobachtung und Bewertung
- Prinzip der kontrollierten Subjektivität: Beobachtung und Beurteilung im AC erfolgt durch mehrere Beobachter, welche zuvor hinreichend dafür trainiert wurden
- Simulationsprinzip: das Verhalten wird in Situationen, die repräsentativ und erfolgskritisch für die jeweilige Position sind, beobachtet und beurteilt
- Transparenzprinzip: alle Beteiligten können Ziel, Ablauf und Bedeutung des AC-Verfahrens verstehen
- Individualitätsprinzip: die Teilnehmer erhalten direkt, konkret auf ihre Individualität zugeschnittene Rückmeldung, welche sie individuell sinnvoll nutzen können
- Systemprinzip: das AC-Verfahren wird gezielt in das Gesamtsystem der Personal- und Organisationsentwicklung eingebettet
- Lernorientierung des Verfahrens selbst: ein AC-Verfahren wird fortlaufend auf seine unternehmensspezifische Güte hin geprüft und angemessen verbessert
- Organisierte Prozeßsteuerung: der Ablauf eines AC-Verfahrens wird durch klar strukturierte Organisationshilfsmittel inklusive eines Moderators geregelt.

Mit diesen Kriterien läßt sich aber nur prüfen, wie nahe ein einzelnes Assessment-Center dem „Ideal-AC“ kommt. Sie erlauben aber noch keine Aussagen darüber, wie gut das AC-Verfahren im allgemeinen im Vergleich zu anderen diagnostischen Verfahren ist.

Dazu können die klassischen Testgütekriterien herangezogen werden. Nach Lienert (1969) sind dies die Objektivität, die Reliabilität und die Validität eines psychodiagnostischen Instrumentes. Die Objektivität zeigt an, wie weit sich die Erfassung menschlichen Verhaltens standardisieren bzw. wie weit es sich eindeutig quantifizieren läßt (Fisseni & Fennekels, 1995). Zur Erfüllung dieser Forderung läßt sich Objektivität, den Phasen des testdiagnostischen Prozesses entsprechend, in die vier Aspekte Provokation, Registrierung, Auswertung und Interpretation gliedern (Guldin, 1996). Die Reliabilität bezieht sich auf den Grad der formalen Genauigkeit einer Messung, unabhängig von dem, was inhaltlich gemessen wird (Guldin, 1996). Gewöhnlich werden drei Methoden zur Ermittlung der Reliabilität unterschieden: Retestreliabilität, Paralleltestreliabilität sowie Halbierungsreliabilität und interne Konsistenz (Fisseni & Fennekels, 1995).

Die Validität geht auf die Angemessenheit und Gültigkeit der spezifischen Schlüsse, welche aus den Testwerten diagnostischer Verfahren gezogen werden, ein (Schuler, 1989). Der Prozeß der empirischen Überprüfung der Validität eines psychodiagnostischen Verfahrens wird als Validierung bezeichnet. Zumeist werden drei Validitätsarten unterschieden:

1. Kriteriumsvalidität: Diese ergibt sich aus einem Korrelationsschluß, in dem ein empirischer Zusammenhang zwischen dem Prädiktor (= dieser bildet das Verhalten in der Testsituation ab) und dem Kriterium (= dieses bildet das Verhalten außerhalb der Testsituation ab) nachgewiesen wird. Dieser empirische Zusammenhang kann entweder bei zeitgleicher Erhebung von Prädiktor und Kriterium (= konkurrente oder Übereinstimmungsvalidität) oder bei zeitlich vorgeordneter Erhebung des Prädiktors (= prädiktive oder Vorhersagevalidität) ermittelt werden (Fisseni & Fennekels, 1995).
2. Kontentvalidität: Diese ergibt sich aus einem Repräsentationsschluß, in dem das Testverhalten als repräsentativ für ein Gesamtverhalten angesehen wird. Ein Test ist kontentvalide, wenn dessen Items eine repräsentative Stichprobe aus der zuvor definierten Grundgesamtheit von Items darstellen (Klauer, 1984).
3. Konstruktvalidität: Diese ergibt sich aus einem Korrelationsschluß, in dem vom Testverhalten auf das diesem zugrundeliegende, nicht direkt beobachtbare psychologische Konstrukt geschlossen wird. Ein Test ist konstruktvalide, wenn er mißt, was er psychologisch-inhaltlich messen soll (Touet, 1997). Die Konstruktvalidierung erfolgt im wesentlichen über das empirische Überprüfen von Hypothesen, die sich aus der Position des Konstrukts im nomologischen Netz (= das Bezugssystem theoretisch verwandter und theoretisch entfernter Konstrukte) ergeben. Die Konstruktvalidierung bedient sich vielfältiger Methoden, ist sehr komplex und umfaßt alle Schritte der Testentwicklung und -konstruktion sowie auch das Überprüfen der anderen „Validitätsarten“. Zugleich kann der Prozeß der Konstruktvalidierung niemals als abgeschlossen gelten, sondern er ist vielmehr als sukzessive Annäherung an das zu erfassende Konstrukt zu verstehen (Schuler, 1989).

Doch inwieweit erfüllt das AC-Verfahren diese wissenschaftlichen Gütekriterien? Zur Beantwortung dieser Frage sollen im folgenden kurz die empirischen Befunde bisheriger Forschungen und Evaluationsstudien aufgeführt werden.

2.1.1.2. Objektivität und Reliabilität

Die bisherigen Ergebnisse zur Objektivität des AC-Verfahrens beziehen sich fast ausschließlich auf die Phase der Registrierung. Dabei wird Objektivität einengend mit interpersoneller Übereinstimmung der Beobachter in deren Beurteilungen gleichgesetzt (Guldin, 1996) und als Korrelation zwischen den Urteilen verschiedener Beobachter bezüglich einer Dimension und einer Übung erfaßt. Diese Interrater-Übereinstimmung wird in der AC-Literatur zumeist fälschlicherweise als Interrater-Reliabilität bezeichnet, obwohl sich aus ihr keine Aussagen über das Verhältnis von wahrer Varianz und Fehlervarianz der Daten ableiten lassen, wenn man die Meßgenauigkeit des gesamten Meßvorganges innerhalb einer AC-Übung bzw. innerhalb des gesamten AC-Verfahrens untersuchen möchte und nicht die Meßgenauigkeit der Beobachter (Guldin, 1996, Touet, 1997). Die dabei ermittelten Koeffizienten können als ausreichend hoch bezeichnet werden, da sie durchschnittlich um .70 liegen (Barell, 1992). Beispielhaft seien die Beobachter-Übereinstimmungen bei Fennekels (1987) erwähnt: Die Pearson Produkt-Moment-Korrelationen schwanken zwischen .56 und .87. Insgesamt liegen über 70% aller Korrelationen über .80. Kritisch merkt Guldin (1996) aber an, daß in den meisten Studien zur Interrater-Übereinstimmung keine Trennung von Registrierung und Bewertung erfolgte, was die Interpretation der ermittelten Koeffizienten erschwert.

Laut Guldin (1996) weisen die wenigen empirischen Studien zur Objektivität in der Provokationsphase heterogene Ergebnisse auf und sind zu spärlich für eine abschließende Einschätzung. Hinsichtlich der Phasen Auswertung und Interpretation sprechen die wenigen Befunde für eine geringe Objektivität des AC-Verfahrens. Guldin (1996) meint, daß dies u.a. daran liegt, daß die Beobachter zur Ermittlung eines diagnostisch bedeutsamen Gesamtwertes erheblich weniger Informationen heranziehen als potentiell verfügbar, und daß sich die Urteilsmodelle der Beobachter interindividuell unterscheiden.

Wenn man wie Fisseni & Fennekels (1995), Guldin (1996) und Touet (1997) die Interrater-Übereinstimmung nicht mit der Reliabilität des AC-Verfahrens gleichsetzt, sondern als eine Quantifizierung des Gütekriteriums Objektivität ansieht, dann ist die verbleibende Anzahl empirischer Studien zur Reliabilität des AC-Verfahrens sehr gering. Daher konstatiert auch Obermann (1992), daß „zwischen den drei theoretisch denkbaren Varianten der Reliabilitätsmessung und den in der Literatur berichteten AC-spezifischen Untersuchungen eine große Lücke“ (Obermann, 1992, S. 235) klafft. Die wenigen Studien zeigen eine große Streubreite der ermittelten Reliabilitätskoeffizienten und legen eine niedrige bis mittlere Reliabilität des AC-Verfahrens nahe. Zur Illustration seien die bei Scholz (1994) wiedergegebenen Ergebnisse mehrerer Untersuchungen aus den 50er bis 90er Jahren aufgeführt: Die Paralleltest-Reliabilitätskoeffizienten für die AC-Übung „Gruppendiskussion“ liegen zwischen .35 bis .80, für die AC-Übung „Rollenspiel“ zwischen .18 und .49 und für die Postkorb-Übung zwischen .21 und .43. Die Retest-Reliabilitätskoeffizienten schwanken für das AC-Gesamturteil um .70 und für einzelne AC-Übungen zwischen .06 und .90.

2.1.1.3 Validität

Die Validierungsforschung zum AC-Verfahren wurde seit Beginn der Validierungsbemühungen stark von der Kriteriumsvalidität dominiert. Daher ist die empirische Befundbasis zur Kriteriumsvalidität des AC-Verfahrens (insbesondere zur prädiktiven Validität) auch sehr breit und solide. Thornton et al. (1987) führten die bis dato umfangreichste Metaanalyse zur prädiktiven Validität des AC-Verfahrens durch. Dabei konnten sie über 50 Studien mit insgesamt 107 Validitätskoeffizienten zwischen der AC-Gesamtbeurteilung und verschiedenen Kriterien einbeziehen. Sie ermittelten eine um den Meßfehler der Kriterien und Meßbereichseinschränkungen korrigierte mittlere Validität von .37 mit einer Varianz von .02. Ihre Ergebnisse belegten auch, daß sich mit dem AC-Verfahren Potentialeinschätzungen besser prognostizieren lassen als Leistungsmaße (korrigierte mittlere Validität von .53 bei Kriterium „Potential“ vs. .36 bei Kriterium „tatsächliche Leistung“). Obermann (1992) faßt die Ergebnisse zur prädiktiven Validität des AC-Verfahrens dann auch folgendermaßen zusammen: das AC ist anderen „alternativen Methoden, wie Interviews, zumindest in der Prognose späterer Vorgesetztenurteile oder Aufstiegsmaße, trotz einiger methodischer Fragezeichen, überlegen“ (Obermann, 1992, S. 261). Als methodische Fragezeichen führt er die Effekte der direkten und indirekten Kriterienkontamination, der „Selbsterfüllenden Prophezeiung“ sowie die z.T. zweifelhafte Aussagekraft der verwendeten Kriterien auf.

Gegenüber den vielen empirischen Studien zur Kriteriumsvalidität des AC-Verfahrens erscheint die Zahl der Untersuchungen zur Kontentvalidität des AC-Verfahrens recht gering. Ein wichtiger Grund dafür ist scheinbar, daß Assessment Center „von Natur aus“ als kontentvalide gelten, da aufgrund der fundierten Anforderungsanalyse die Übereinstimmung zwischen AC-Übungen und Arbeitssituationen sowie zwischen den in den AC-Übungen provozierten Verhaltensweisen und den für ein erfolgreiches Erfüllen der Arbeitssituationen relevanten Verhaltensweisen gesichert scheint. Guldin (1996) weist aber darauf hin, daß eine solide Anforderungsanalyse noch kein Garant für die gewünschte Kontentvalidität ist und daher eine empirische Prüfung der Kontentvalidität durch von den AC-Konstrukteuren unabhängige Prüfer nicht ausbleiben sollte. Zu den bisher publizierten Ergebnisse zur Kontentvalidität des AC-Verfahrens meint Barell (1992), daß sie „generell für die Kontentvalidität der betrachteten Assessment Center sprechen, aber auch Wege für punktuelle Verbesserungen aufzeigen“ (Barell, 1992, S. 157). Für Guldin (1996) ist demnach die Verhaltensstichprobe „Verhalten im Assessment Center“ als hinreichend repräsentativ für das Verhaltensuniversum „Verhalten am Arbeitsplatz der Zielposition“ zu bewerten.

Bei den Untersuchungen zur Konstruktvalidität des AC-Verfahrens lassen sich Validierungen mit Binnenorientierung von Validierungen mit Außenorientierung unterscheiden. Die Validierungen mit Binnenorientierung untersuchen das Beziehungsmuster aller innerhalb des AC-Verfahrens gemessenen Variablen, währenddessen außenorientierte Validierungen die innerhalb des AC-Verfahrens gemessenen Variablen mit außerhalb des AC-Verfahrens erhobenen Variablen in Beziehung setzen (Guldin, 1996).

Das Schwergewicht der bisherigen Studien zur Konstruktvalidität des AC-Verfahrens liegt eindeutig bei der Validierung mit Binnenorientierung. Hierbei wird in den meisten Fällen die Multitrait-Multimethod-Matrix (MTMM) der Dimensionsurteile in den AC-Übungen analysiert. Der Grundgedanke dabei ist, daß Messungen des gleichen Merkmals mit verschiedenen Methoden hoch miteinander korrelieren müßten (konvergente Validität), Messungen unterschiedlicher Merkmale mit der gleichen Methode dagegen nur gering miteinander korrelieren dürften (diskriminante Validität). Des weiteren sollten sich bei der Faktorenanalyse der Daten Merkmalsfaktoren (indizieren vorhandene konvergente Validität) und nicht Methodenfaktoren (indizieren fehlende diskriminante Validität) ergeben. Beim AC-Verfahren bilden die AC-Übungen die verschiedenen Methoden und die Beurteilungsdimensionen die unterschiedlichen Merkmale ab.

Die Ergebnisse der richtungsweisenden Untersuchung von Sackett & Dreher (1982) widersprachen aber den Erwartungen an die konvergente und diskriminante Validität des AC-Verfahrens: „... the within-exercise ratings correlate more highly than the across-exercise ratings of specific dimensions, resulting in a factor pattern in which the factors clearly represent exercises rather than dimensions“ (Sackett & Dreher, 1982, S. 406). Den Ergebnissen lagen die Daten von 559 Teilnehmern aus den Assessment Centern dreier Organisationen zugrunde. Sie folgerten aus den Befunden: „The lack of agreement among the various ratings of the same dimension is the most striking finding of the study. ... the results provide virtually no support for the view that the assessment center technique generates dimensional scores that can be interpreted as representing complex constructs ...“ (Sackett & Dreher, 1982, S. 409).

Die Resultate von Sackett & Dreher (1982) wurden daraufhin immer wieder repliziert. So zum Beispiel von Robertson et al. (1987), deren Ergebnisse auf den Daten von 222 Teilnehmern aus den Assessment Centern von vier Unternehmen basierten: „The results indicate that within-exercise ratings of different traits correlate more highly than across-exercise ratings of the same trait. Factor analyses of the data reveal that underlying factors represent exercises and not dimensions“ (Robertson et al., 1987, S. 187). Auch Untersuchungen neueren Datums aus dem deutschsprachigen Raum belegen die mangelnde Konstruktvalidität des AC-Verfahrens im Binnenaspekt. Die geringe konvergente und diskriminante Validität des AC’s wurde dabei nicht nur anhand der MTMM-Analyse, sondern auch mit Hilfe der methodisch angemesseneren Auswertungsstrategien linearer Kovarianzstrukturmodelle und der konfirmatorischen Faktorenanalyse nachgewiesen (z.B. Fennekels, 1987, Barell, 1992, Guldin, 1996).

Wertvolle Beiträge zur außenorientierten Konstruktvalidierung des AC-Verfahrens erbrachte die Metaanalyse von Scholz & Schuler (1993) zum nomologischen Netzwerk des AC-Verfahrens. Dazu faßten sie 51 Studien mit 66 voneinander unabhängigen Stichproben und insgesamt 22106 Teilnehmern zusammen. Mit dem AC-Gesamtergebnis korrelierten insbesondere die Konstrukte Intelligenz, Soziale Kompetenz, Leistungsmotivation, Selbstvertrauen und Dominanz, wobei die korrigierten mittleren Korrelationen dafür zwischen .33 (Intelligenz) und .23 (Dominanz) lagen. Daraus schlußfolgerten sie, daß im Assessment Center „eher Eigenschaften relevant sind, die beruflichem Aufstieg zugrunde liegen, als solche, die berufliche Leistung prognostizieren“ (Scholz & Schuler, 1993, S. 82). Unklar bleibt aber, was die Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsvariablen und dem AC-Verfahren beeinflußt.

Bei der zusammenfassenden Betrachtung des bisherigen Kenntnisstandes zur Validität des AC-Verfahrens fällt auf, daß das AC-Verfahren zwar funktioniert (die prädiktive Validität ist im Vergleich zur Vorhersagevalidität anderer eignungsdiagnostischer Prädiktoren hoch), daß aber wegen der unzureichenden Konstruktvalidität unklar ist, warum das AC-Verfahren überhaupt funktioniert.

2.1.1.4 Relevanz der verschiedenen Validierungsansätze

Nun ist aber auch nicht jede Validierungsstrategie für jeden Einsatzzweck des AC-Verfahrens entscheidend:

è Für Personalauswahlzwecke ist die prädiktive Validität das zentrale Gütemaß. Die prädiktive Validität garantiert, daß die Ergebnisse eines Assessment Centers in empirisch nachweisbarer Beziehung zum späteren Berufserfolg stehen. Denn nur wenn die prädiktive Validität des AC-Verfahrens gegeben ist, sind valide Vorhersagen möglich.

è Für den Einsatz des AC-Verfahrens im Rahmen der Personalentwicklung ist hingegen die Konstruktvalidität das oberste Gütemaß (Sarges, 1996). Denn eine individuelle Stärken-Schwächen-Analyse bezüglich der relevanten Anforderungsdimensionen für eine bestimmte Zielposition und darauf aufbauende individuenbezogenen Fördermaßnahmen genauso wie Aussagen über das Potential eines Mitarbeiters im Sinne von Touet (1997) als einer nicht auf eine bestimmte Position festgelegten Handlungskompetenz machen nur Sinn, wenn die Konstruktvalidität des AC-Verfahrens gegeben ist, d.h. wenn mit dem AC-Verfahren die individuellen Ausprägungen auf den relevanten Anforderungsdimensionen bzw. auf den intendierten Konstrukten tatsächlich erfaßt werden.

è Ist die Zielposition mit ihren Tätigkeitsinhalten und Anforderungen genau bekannt und bezieht sich die angestrebte Selektion oder Modifikation gezielt auf diese Position, dann ist die Kontentvalidität das entscheidende Gütemaß, da sie nach Drees (1994) ermöglicht, daß die Verhaltensvarianz eng am realen arbeitsbezogenem Fall aufgeklärt werden kann.

Aus dem bisher gesagten folgt, daß bei der Anwendung des AC-Verfahrens zu Personalentwicklungszwecken die zur Zeit größten Unsicherheiten bestehen. Die diskriminante und konvergente Validität der AC-Beurteilungsdimensionen ist unzureichend, obwohl aber gerade diese für den Einsatz des AC-Verfahrens im Rahmen der Personalentwicklung unabdingbar ist. Wie erklärt sich nun diese mangelhafte Konstruktvalidität?

2.1.1.5. Erklärungsansätze für die geringe Konstruktvalidität

Sackett & Dreher (1982) selbst bieten drei unterschiedliche Erklärungsansätze für ihre Ergebnisse an:

1. „The first possible explanation ... is that the behavior of candidates in an assessment center is situationally determined; that is, there is no consistency of behavior from exercise to exercise“ (Sackett & Dreher, 1982, S. 406)
2. „One alternative to this explanation is that these differences are due to low interrater reliability“ (Sackett & Dreher, 1982, S. 406)
3. „Another alternative explanation is that there are wide variations from exercise to exercise in the opportunity for behavior representing a dimension to be manifested“ (Sackett & Dreher, 1982, S. 406)

Alternative 2 verwerfen sie selbst, da „research on the reliability of assessors judgements suggests that moderately high interrater agreement is likely in the assessment center context“ (Sackett & Dreher, 1982, S. 406). Eine andere Erklärung für die niedrige diskriminante Validität führt Obermann (1992) an, nämlich daß die Beobachter im AC für jede Übung lediglich mehr oder weniger ein Globalurteil treffen und die einzelnen Dimensionen diesem Globalurteil dann untergeordnet werden. Bycio et al. (1987) erklären die geringe konvergente und diskriminante Validität des AC-Verfahrens damit, daß die Besonderheiten der Situation die Konsistenz maskieren. Verhaltenskonsistenz ließe sich erst feststellen, wenn man das Verhalten über eine genügend große Zahl von Situationen mittle und die situativen Maskierungen sich dann gegenseitig neutralisieren würden. Das führt zu dem testtheoretischen Prinzip, daß zur Messung eines höherrangigen Konstrukts genügend Items vorhanden sein müssen (Maukisch, 1989).

Guldin (1996) diskutiert weitere Erklärungsansätze wie das Rollenkongruenzmodell oder den „Beobachterkopplungs-Effekt“. Er kommt aber schließlich zu dem Ergebnis, daß zur Zeit keine umfassenden Erklärungen für die unzureichende konvergente und diskriminante Validität des AC-Verfahrens existieren, sondern nur eine Reihe von mehr oder weniger empirisch begründeten Einzelerklärungen. Zur Systematisierung verweist er auf die drei möglichen Verursachungsquellen für die geringe Konstruktvalidität des AC-Verfahrens:

1. die Beobachter: dabei stehen deren kognitive Prozesse (v.a. deren Überforderung) und die Verwendung von Rollenerwartungen als tatsächliche Beurteilungsgrundlage im Vordergrund
2. die Teilnehmer: im Mittelpunkt steht deren fehlende transsituative Konsistenz, welche wahrscheinlich zu einem großen Teil auf interindividuellen Unterschieden in der Wahrnehmung des Anforderungscharakters der AC-Übungen basiert
3. die Situation „AC-Übung“: die einzelnen Übungen gelten als nicht identisch im Hinblick auf die durch sie hervorgerufenen Verhaltensweisen pro Beurteilungsdimension.

Neben der Diskussion möglicher Erklärungen für die mangelnde Konstruktvalidität des AC-Verfahrens wird meist auch die Angemessenheit des Konzeptes der Konstruktvalidierung für das Assessment Centers in Frage gestellt.

2.1.1.6. Infragestellung des Konzepts der Konstruktvalidität

Die Übertragung des Konzepts der Konstruktvalidität auf das AC-Verfahren wird zum einen wegen dessen konzeptioneller Verknüpfung mit dem Trait-Ansatz und zum anderen wegen der Klassischen Testtheorie (nachfolgend kurz „KTT“ genannt) als dessen methodischer Basis heftig diskutiert, wobei beide Aspekte eng miteinander zusammenhängen.

Den Gütekriterien Reliabilität und Validität liegen die Axiome der KTT zugrunde. Fisseni & Fennekels (1995) führen aber folgende Punkte auf, in denen das Assessment Center nicht konform zum Modell der KTT ist:

- das AC-Verfahren ist kein standardisiertes Routineverfahren, da es für jede Anwendung neu konzipiert und an die jeweiligen Unternehmensziele angepaßt wird
- das AC-Verfahren dient nicht der Erfassung stabiler Persönlichkeitsmerkmale, sondern der Ermittlung von Verhaltensprozessen („sign“- vs. „sample“-Konzept)
- im AC werden die Teilnehmer nicht mit den Werten, die an einer Eichstichprobe gewonnen wurden, verglichen, sondern mit „Idealnormen“, welche im Anforderungsprofil formuliert werden (normorientierte vs. kriterienorientierte Diagnostik)
- das AC-Verfahren dient nicht dazu, Unterscheidungen zwischen Personen (also zwischen fähigeren Teilnehmern und weniger fähigen) zu treffen, sondern die individuelle Nähe zum Anforderungsprofil zu bestimmen.

Weitere Unstimmigkeiten der KTT in Bezug auf das AC-Verfahren liegen zum Beispiel in ihrer Populationsabhängigkeit, der meist linearen Prüfverfahren sowie ihrer statusdiagnostischen Ausrichtung (der „wahre“ Wert wird als invariant vorausgesetzt). Der größte Widerspruch zwischen KTT und AC-Verfahren liegt aber darin, daß die KTT und darauf gründende Analyseverfahren situative Stabilität voraussetzen und daher alle situativen Einflüsse konstant gehalten werden, währenddessen beim Assessment Center als situativem Verfahren gerade diese situativen Einflußgrößen interessieren (Obermann, 1992).

Eng damit verknüpft sind die beiden Aspekte normorientierte vs. kriterienorientierte Diagnostik und „sign“- vs. „sample“-Konzept. Maukisch (1989) weist darauf hin, daß eine eigentümliche Ambivalenz zwischen dem Ansatz der normorientierten und kriterienorientierten Diagnostik sowie zwischen dem eigenschaftstheoretischen bzw. traitorientierten und dem verhaltensorientierten bzw. interaktionistischen Konzept in der Literatur zum Assessment Center besteht. Dem Konzept der Konstruktvalidität liegt das Trait-Konzept („trait approach“), welches auf über Zeit und Situationen stabilen Persönlichkeitsmerkmalen beruht, zugrunde. Anhand stabiler Dispositionen müssen Personen diskriminierbar sein, wobei die Unterschiede erfolgsrelevant sein müssen. Von dem spezifischen Testverhalten wird dann auf die damit assoziierte Ausprägung eines Persönlichkeitsmerkmales geschlossen. Das Testverhalten wird somit als „sign“ für dieses Konstrukt angesehen.

Der kriterienorientierten oder aufgabenorientierten Diagnostik („task approach“), für welche die Kontentvalidität entscheidend ist, liegt ein interaktionistisches Konzept zugrunde. Dieses Konzept zielt ebenfalls auf latente Variablen, also auf die Erfassung konsistenter, nicht direkt beobachtbarer Persönlichkeitsmerkmale. Nur haben diese im interaktionistischen Konzept einen geringeren Allgemeinheitsgrad als Traits und sind nicht wie diese als über breite Situationsklassen generalisierte Dispositionen zu verstehen, sondern eher als Möglichkeiten, in bestimmten Situationsklassen bestimmte Verhaltensweisen zu generieren (Maukisch, 1989). Wenn das spezifische Testverhalten als „sample“ angesehen wird, dann wird direkt von ihm auf artgleiches Verhalten außerhalb der Testsituation geschlossen (Guldin 1996). Das Testverhalten gilt in diesem Fall als Verhaltensstichprobe aus einer Menge artgleichen Verhaltens, wobei die Bewältigung bzw. Nicht-Bewältigung der Situationen im Vordergrund steht.

Dem AC-Verfahren wird allgemein zugesprochen, sich von der trait- und normorientierten Diagnostik gelöst zu haben und mehr dem interaktionistischen Konzept zu entsprechen (Maukisch, 1989). Auch verdeutlichen Fisseni & Fennekels (1995), daß das AC-Verfahren von seiner Anlage her eher der kriterienorientierten Diagnostik entspricht als der auf der KTT basierenden, normorientierten Diagnostik. Doch gehen mit einer kriterienorientierten Diagnostik im Sinne des „sample“-Ansatzes auch einige Probleme einher. Fisseni & Fennekels (1995) weisen darauf hin, daß die kriterienorientierte Testtheorie zur Beurteilung der Meßqualität keine eigene Meßtheorie besitzt, sondern die Konzepte der KTT, wie die Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität, übernommen hat. Ihr Schluß lautet daher, daß die Berufung auf die kriterienorientierte Testtheorie das Meßproblem des Assessment Centers nicht löst. Sie weckt aber Gespür dafür, „daß die KTT für das Assessment Center keinen angemessenen Meßrahmen bietet“ (Fisseni & Fennekels, 1995, S. 167). Daher kann „das Verhältnis von Assessment Center und klassischen Gütekriterien nur mit vielen Differenzierungen beschrieben werden“ (Fisseni & Fennekels, 1995, S. 179).

Guldin (1996) weist zudem auf das antagonistische Verhältnis zwischen Spezifität und Reliabilität der Messungen bezüglich des „sign“- und „sample“-Ansatzes hin. Der „sample“-Ansatz führt zu einem Spezifitätsgewinn in der diagnostischen Schlußfolgerung bzw. Verhaltensvorhersage, aber auch zu einem Reliabilitätsnachteil, da strenggenommen immer nur eine Ein-Item-Messung vorliegt. Der „sign“-Ansatz dagegen bedingt einen Spezifitätsverlust, durch die Möglichkeit zur Mehr-Item-Messung steht dem jedoch der Vorteil einer höheren Reliabilität gegenüber. Hilfreich ist weiterhin die an der diagnostischen Zielsetzung des AC-Verfahrens ausgerichtete Differenzierung von Sackett & Dreher (1984): „When an assessment center is being used to determine whether a candidate is currently able to perform important job behaviors without additional training, the center is being used as a sample of job performance, and a content validity strategy is appropriate. When an assessment center is to select individuals who will need additional training and/or experience before being able to perform adequately in the target job, the center is being used as a sign of future job performance” (Sackett & Dreher, 1984, S. 190).

In eine ähnliche Richtung weist Maukisch (1995) indem er meint, daß „Verfahrenskonstruktionen nach dem Prinzip der Jobsimulation und der Inhaltsvalidierung ... um so aufwendiger und unökonomischer werden“, je komplexer und zeitlich ferner das interessierende Kriterienkonstrukt ist. Dann nämlich sei „der Übergang zu abstrakteren Konstrukten, höher generalisierten Merkmalen und der qualitative Sprung von der Messung nach dem „sampling“-Prinzip zur Messung nach dem „sign“-Prinzip indiziert“ (Maukisch, 1995, S. 59). Maukisch (1989) kritisiert zudem, daß mit der fehlenden Definition und Festlegung von Situationsklassen und der unzureichenden Explikation des Bezugssystems zur Bewertung von Verhaltensweisen in der AC-Praxis eine kriterienorientierte und dem Interaktionsparadigma verpflichtete Diagnostik mit dem AC-Verfahren kaum möglich sei. Seine Forderung lautet daher, „den Ansatz der kriterienorientierten Messung entweder konsequent zu realisieren oder ihn ganz und gar aufzugeben und ein methodisch sauberes traittheoretisches Konzept zu verfolgen“ (Maukisch, 1989, S. 266). Und auch wenn die unmodifizierte Übertragung des Konzeptes der KTT auf das AC-Verfahren, wie bereits erläutert, problematisch ist, läßt sich folgender Schlußfolgerung zustimmen: „Für das AC erweist sich somit die Überprüfung der Konstruktvalidität auch bei einem interaktionistischen Ansatz als unausweichlich“ (Harburger, 1992, S. 45). Auch Obermann (1992) wendet sich gegen eine Abkehr vom Paradigma der Konstruktvalidierung. Seiner Meinung nach sollten sich Konstruktvalidierungen aber nicht nur auf die mittels MTMM-Matrizen bestimmten konvergenten und diskriminanten Validitäten stützen, sondern auch andere Methoden einbeziehen, „zum Beispiel der Vergleich mit Kollegenurteilen, Außenkriterien, experimentelle Designs oder die Prüfung von Hypothesen zu Gruppenunterschieden, entsprechend den Vorhersagen des Konstrukts“ (Obermann, 1992, S. 246).

2.1.1.7. Einflußfaktoren auf die Konstruktvalidität

Neben der Diskussion zur Übertragbarkeit des Konzeptes der Konstruktvalidität auf das AC-Verfahren wurden eine Reihe von Untersuchungen zur Frage der die Konstruktvalidität des AC-Verfahrens moderierenden Variablen durchgeführt. Im folgenden soll ein grober Überblick über deren Ergebnisse gegeben werden, um damit Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Konstruktvalidität festzuhalten. Folgende Faktoren wurden bisher bestätigt:

è Anzahl der Beurteilungsdimensionen

Laut den Ergebnissen von Gaugler & Thornton (1989) scheint die Anzahl der Beurteilungsdimensionen die Konstruktvalidität zu beeinflussen. Beobachter, die eine kleine Anzahl von Dimensionen zu beurteilen hatten, taten dies mit größerer konvergenter Validität und einem geringeren Effekt der einzelnen Übungen als Beobachter, die eine große Anzahl von Dimensionen einzuschätzen hatten.

è Inhaltliche Homogenität der Dimensionen

Reilly et al. (1990) zufolge ist die konvergente Validität bei inhaltlich eng gefaßten AC-Dimensionen höher als bei sehr breit gefaßten, vom Konzept her vielschichtigen Dimensionen.

è Transparenz der Anforderungsdimensionen

In seiner Untersuchung konnte Kleinmann (1997) zeigen, daß das Bekanntmachen der Anforderungsdimensionen und ihrer Verhaltensoperationalisierungen gegenüber den Teilnehmer die konvergente Validität erhöht.

è Konzeption der Anforderungsdimensionen

Kleinmann (1998) führt des weiteren auf, daß Anforderungsdimensionen so konzipiert sein sollten, „daß alle theoretisch denkbaren Verhaltensausprägungen bei einer zeitgleichen Beobachtung möglich sind. Falls dies nicht möglich ist, sollten die Teilnehmerausprägungen in den Anforderungsdimensionen sukzessive für die einzelnen Übungen beobachtet werden“ (Kleinmann, 1998, S. 103).

è Einsatz von Verhaltens-Checklisten

Bei der Untersuchung von Reilly et al. (1990) wurde mittels der Anwendung von Verhaltenschecklisten die Konstruktvalidität, insbesondere die konvergente Validität, erhöht. Als Ursache dafür geben sie an, daß „using behavior checklists may improve dimension construct validity by reducing the cognitive demands placed on raters“ (Reilly et al., 1990, S. 71).

è Verwendetes Beurteilungssystem

Die Anwendung eines teilstandardisierten, auf drei Dimensionen beschränkten Verhaltensbeobachtungssystems (IBS-System) bewirkte bei Maukisch (1989) eine im Vergleich zum Einsatz der üblichen AC-Dimensionen höhere diskriminante und konvergente Validität. Er führte dieses Ergebnis auf die stärkere Standardisierung und Systematisierung der Verhaltensbeobachtung mit dem IBS-System zurück.

è Verhaltensbeobachtungen statt Eigenschaftsbeschreibungen

Kleinmann (1995) meint auf der Basis von Befunden aus der Verhaltensbeurteilung, daß die konvergente Validität bei Verwendung von Verhaltensbeobachtungen höher ist als bei Verwendung von Eigenschaftsbeschreibungen. Die Dimensionen sollten daher verhaltensnah formuliert sein.

è Unabhängigkeit der Urteilsdimensionen

Kleinmann et al. (1995) wiesen in ihrer Untersuchung mit insgesamt 115 Teilnehmer nach, daß abhängige Dimensionen mit einer geringen diskriminanten Validität einher gehen. Abhängigkeit der Anforderungsdimensionen besteht, wenn es den Beobachtern schwerfällt, beobachtetes Verhalten den jeweiligen Konstrukten differenziert zuzuweisen.

è Ähnlichkeit der Beurteilungsdimensionen für die Beobachter

In dieselbe Richtung weist die Studie von Guldin (1996). Er konnte belegen, daß die diskriminante Validität stark von der perzipierten konzeptionellen Ähnlichkeit der Beurteilungsdimensionen bestimmt wird (Korrelation von .50 zwischen heterotrait-momomethod Korrelationen und Dimensionsähnlichkeit). Bei Beurteilungsdimensionen, die von den Beobachtern als zueinander sehr ähnlich wahrgenommen wurden, war die diskriminante Validität geringer als bei Beurteilungsdimensionen, die von den Beobachtern als zueinander unähnlich wahrgenommen wurden.

è Ähnlichkeit der AC-Übungen für die Teilnehmer

Weiterhin konnte Guldin (1996) zeigen, daß die konvergente Validität davon abhängt, als wie ähnlich die AC-Übungen von den Teilnehmern wahrgenommen werden (Korrelation von .40 zwischen monotrait-heteromethod Korrelationen und Übungsähnlichkeit). Bei Übungen, die von den Teilnehmern als sehr ähnlich wahrgenommen wurden, war die konvergente Validität höher als bei Übungen, die den Teilnehmern weniger ähnlich zueinander erschienen.

2.1.1.8. Ökonomie und soziale Validität

Neben den klassischen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität werden meist noch eine Reihe weiterer Kriterien für die Güte eines diagnostischen Verfahrens herangezogen. Diese sind weniger an strengen wissenschaftlichen Standards ausgerichtet, sondern fokussieren mehr auf den Praxiseinsatz des AC-Verfahrens. Daher sind sie aber für die Anwendung des AC-Verfahrens letztendlich oft von größerer Bedeutung als die oben behandelten Testgütekriterien.

Das für den Praxiseinsatz sicherlich bedeutendste Kriterium ist der Nutzen des AC-Verfahrens bzw. das Verhältnis des Nutzens zu den Kosten (auch als Ökonomie, Rentabilität oder Utilität bezeichnet) im Vergleich zu anderen Verfahren bzw. im Vergleich zu seinem Nicht-Einsatz. Schuler (1989) führt als Einflußgrößen auf den Nutzen einer eignungsdiagnostischen Prozedur auf: die Validität, die Selektionsquote, die Basisrate, die Leistungsdifferenzen im Kriterium und die Testkosten. Aber „während sich die mit dem Assessment Center verbundenen Kosten noch relativ einfach und schnell zusammenstellen lassen, bereitet die notwendige Umsetzung der Nutzeninformationen in monetäre Informationen beträchtliche Schwierigkeiten“ (Fecker, 1989, S. 113). Nach den Standards der Investitionsrechnung korrigierte Studien konnten zeigen, daß der monetäre Nutzenzuwachs beim Einsatz eines AC-Verfahrens anstatt des bisherigen Interviewverfahrens 4.2 Mio. $ betrug, während die Kosten um „nur“ 0.7 Mio. $ anstiegen (Cascio & Ramos, 1986). Laut den Ergebnissen bisheriger Studien stellt die Standardabweichung im Kriterium die wichtigste Größe für das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Auswahlverfahrens dar. Bei großer Standardabweichung im Kriterium bewirkt schon eine geringe Erhöhung der Validität eine beträchtliche Nutzenssteigerung, wobei die Standardabweichung in der Regel mit der Positionshöhe innerhalb der betrieblichen Hierarchie steigt. Die reinen Kosten des AC-Verfahrens (v.a. für Konstruktion und Implementierung sowie bei Durchführung für die Beobachter und Teilnehmer) sind dagegen von geringerer Bedeutung für die Rentabilität und Ökonomie (Fecker, 1989).

Neben den „harten“ monetären Größen spielen in Organisationen natürlich auch die „weichen“ Faktoren eines diagnostischen Verfahrens wie Akzeptanz von seiten der Beteiligten, Fairneß gegenüber Minoritäten und Respekt vor der Integrität und Würde der Betroffenen eine große Rolle. Um die Bedeutung dieses Kriteriums im Rahmen der Eignungsdiagnostik in den Vordergrund zu stellen, fassen Schuler & Stehle (1983) die obengenannten „weichen“ Faktoren unter der Bezeichnung „soziale Validität“ zusammen. Als Bestimmungsgrößen der sozialen Validität führen sie das Berücksichtigen sozialpsychologischer Anforderungen, die Partizipation der Betroffenen, die Transparenz und die Kommunikation auf. Obermann (1992) gibt folgende Punkte zur Sicherung der Akzeptanz im Assessment Center an:

- Vorauswahl zur Vermeidung zu großer Selbstbild-Fremdbild-Diskrepanzen
- ausführliche Vorinformation
- Einbinden von Selbst- und Kollegenbeurteilungen
- „Trockenübung“ zu AC-Beginn ohne Verhaltensbewertung
- lockerer Atmosphäre im Assessment Center ohne Angst- oder Streßinduktion
- nicht in Beurteilungsprozeß eingebundener Moderator oder Hilfskraft für die Betreuung der Teilnehmer
- augenscheinliche inhaltliche Nähe der Übungen zu den Positionsanforderungen
- Wechsel zwischen analytischen, Gruppen- und Einzelübungen
- Betreuung nach dem AC und einlösen der Versprechungen bezüglich Personalentwicklungsmaßnahmen.

Die bisherigen empirischen Ergebnisse zur Akzeptabilität und sozialen Validität des AC-Verfahrens erweisen sich zumeist als positiv. Obermann (1992) kritisiert aber, daß die meisten dieser Untersuchungen nicht zweckfrei waren und fast nur auf Auswahl-AC`s beruhten.

2.1.2. Entwicklungstrends des Assessment Centers

Da es meines Erachtens für das Verständnis des Orientierungscenters unabdingbar ist, über die das Orientierungscenter begründenden Weiterentwicklungen des AC-Verfahrens informiert zu sein, werden diese im folgenden dargestellt.

2.1.2.1. Gewandelte Anwendungsziele

Während das AC-Verfahren seinerzeit als Instrument der Personalauswahl entwickelt und angewandt wurde, wird es heute vor allem zur Personalentwicklung eingesetzt (z.B. Lattmann, 1989, Sarges, 1998, Clemens, 1998). Basis für die zunehmende Verwendung des AC-Verfahrens als Personalentwicklungsinstrument ist dessen Eignung, individuelle Stärken und Schwächen in bezug auf verschiedene Anforderungsprofile deutlich machen zu können. Obermann (1992) führt exemplarisch eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten des AC-Verfahrens im Kontext der Personalentwicklung auf:

- Analyse des Weiterbildungs- und Trainingsbedarfs
- Analyse der Mitarbeiterpotentiale (v.a. für Fach- oder Führungslaufbahnen)
- gezielte Förderung und Entwicklung der sozialen Kompetenzen von Mitarbeitern
- Einflußnahme auf die Unternehmenskultur
- Überprüfung der Effizienz von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
- Überprüfung von Arbeitsplatzgestaltungsmaßnahmen
- systematische Karriereberatung und Laufbahnplanung
- Überprüfung der vorhandenen arbeitsplatzbezogenen Kompetenzen.

Doch was ist Personalentwicklung eigentlich und was soll sie leisten?

2.1.2.2. Personalentwicklung als neues Einsatzfeld

Personalentwicklung kann „verstanden werden als Methodik zur Entwicklung von Potential“ (Moser, 1998, S. 49). Dabei verfolgt Personalentwicklung zu allererst betriebliche Ziele und dient als Medium zur Steuerung und Förderung der personellen Ressourcen von Unternehmen (Laske, 1987). Hauptaufgabe von Personalentwicklung ist, „die Erreichung von Unternehmenszielen wirksam und erkennbar zu unterstützen“ (Arbeitskreis Assessment Center e.V., 1999, S. 3). Allerdings setzen PE-Maßnahmen auch eine Kongruenz zwischen den damit verbundenen betrieblichen Zielen und den Zielvorstellungen der Mitarbeiter voraus. Aus PE-Maßnahmen können zum Beispiel folgende Vorteile für die Mitarbeiter resultieren:

- Erwerb von Qualifikationen
- höhere Erfolgs- und Karrierechancen im Unternehmen
- verbesserte Arbeitsmarktchancen
- leichtere Integration in das Unternehmen
- Förderung der eigenen Zufriedenheit bei der Arbeit
- Beitrag zur persönlichen Entwicklung (Moser, 1998, v. Rosenstiel, 1999).

Bei der Personalentwicklung als Institutionalisierung der Lernprozesse in Organisationen (Lammers, 1998) bzw. als Verzahnung von Lernen und Arbeiten (Obermann, 1992) wird die gezielte Veränderung von Wissen, Verhalten, Einstellungen und Fähigkeiten angestrebt. Da stellt sich natürlich die Frage, wie es um die generelle Veränderbarkeit von Wissen, Verhalten, Einstellungen und Fähigkeiten steht? Lattmann (1989) geht dazu auf die Eigenschaftstheorie in der Psychologie ein und führt aus, daß Konstrukten über Persönlichkeitseigenschaften nicht nur angeborene, genetisch übertragene Merkmale zugrunde liegen, sondern auch solche, die auf dem Weg des Lernens erworben worden sind. Persönlichkeitseigenschaften sind „daher einer Entwicklung und Wandlung unterworfen, mit der auch eine solche des von ihnen gesteuerten Verhaltens einhergeht“ (Lattmann, 1989, S. 22). Und Brandstätter (1992) kommt unter Einbezug empirischer Untersuchungen u.a. zu folgenden Konsequenzen:

- „Bei allen genetisch bedingten, art- und personspezifischen Begrenzungen der Veränderbarkeit von Einstellungen, des Kenntnisstandes und der Leistungsfähigkeit besteht ein sehr großer ... Spielraum für Lernen in Organisationen.“ (Brandstätter, 1992, S. 71)
- Einstellungen verändern sich vor allem „entsprechend den gefühlsbetonten persönlichen oder sozial vermittelten Erfahrungen mit Personen, Dingen und Vorgängen.“ (Brandstätter, 1992, S. 72)
- „Nachhaltige Veränderungen des sozialen Verhaltens sind, wenn überhaupt, kaum durch Wissensvermittlung, schon eher durch reflektierte Erfahrung in Trainingsgruppen zu erzielen.“ (Brandstätter, 1992, S. 72)
- „Eine Stabilisierung der durch bewußtes Lernen erworbenen Einstellungen, Verhaltensweisen und Fertigkeiten ist nur dann zu erreichen, wenn die alltäglichen Erfahrungen unterstützend eingreifen.“ (Brandstätter, 1992, S. 72).

Die letzte Schlußfolgerung Brandstätter‘s führt zugleich zur Frage nach den Anforderungen an PE-Maßnahmen im allgemeinen bzw. an ein PE-Instrument zur Förderung sozialer Kompetenzen im speziellen. In der Literatur werden folgende Notwendigkeiten, damit PE-Maßnahmen die angepeilten Veränderungen bewirken, aufgeführt:

- Einbezug der aktuellen beruflichen Situation, Sicherstellen des Praxistransfers
- Setzen und Kontrollieren von Lernzielen
- individuelle, nachvollziehbare und verhaltensbezogene Rückmeldungen
- Einbindung des Vorgesetzten und vorbildhaftes Verhalten der Vorgesetzten
- Förderung der Eigenverantwortung und Möglichkeiten zur Partizipation
- Belohnung erfolgreicher Veränderungen (Obermann, 1992, Schöning, 1996).

Diese Faktoren müssen genauso beim Einsatz des AC-Verfahrens als PE-Instrument beachtet werden. Die Integration des AC-Verfahrens in das PE-Konzept des jeweiligen Unternehmens ist daher unabdingbar. Dazu gehört insbesondere:

- die konsequente Ausrichtung der AC-Dimensionen und AC-Übungen auf die konkreten beruflichen Anforderungen hin
- die Homogenisierung von AC-Dimensionen mit dem Beurteilungssystem, dem institutionalisierten Mitarbeitergespräch und den Aufstiegskriterien im Unternehmen
- die unmittelbare Umsetzung der Ergebnisse und Empfehlungen aus dem Assessment Center (wie z.B. spezifische Trainings- und Fördermaßnahmen, das Einschlagen einer Fachlaufbahn) (Obermann, 1995).

2.1.2.3. Spezielle Neuerungen

In den letzten zwei Jahrzehnten veränderte sich aber nicht nur das Einsatzspektrum des AC-Verfahrens, sondern das klassische AC entwickelte sich auch in seinen Bausteinen und deren Zusammenspiel weiter. Im folgenden werden die anderen Weiterentwicklungen und Spezialisierungen des klassischen AC‘s nur kurz aufgeführt. Detaillierte Angaben sind bei Sarges (1996) und Jochmann (1999) zu finden.

- Dynamisches AC: Beim Dynamischen AC werden den Teilnehmern, statt isolierter Übungen ohne inhaltlich gemeinsamen Kontext, komplexe und zusammenhängende Aufgaben vorgegeben.
- Computergestütztes AC: Im computergestützten AC werden nicht nur computergestützte Testverfahren und PC-Postkörbe, sondern auch computergestützte Managementsimulationen eingesetzt.
- On-the-job- bzw. In-vivo-AC: Um mehr Realitätsnähe zu erreichen, wird das AC in das Arbeitsleben verlagert.
- extramurales AC: Dieses findet außerhalb üblicher Räumlichkeiten statt.
- Einzel-AC: Ein Einzel-AC enthält keine gruppenbezogenen Tätigkeitssimulationen, dafür erlaubt es aber individualisierte Abläufe und wird v.a. für die Zielgruppe des mittleren und oberen Managements eingesetzt.
- Einsatz neuer Verfahren, Medien und Instrumente: Im Sinne der Konzeptes der Methodenvielfalt werden im AC neben den üblichen situativen und Einzelübungen zunehmend neuere Verfahren (wie computergestützte Planspiele und Szenarien sowie Videotests) eingesetzt.
- Internationales AC: Im Internationalen AC finden sich Teilnehmer aus verschiedenen Ländern und Kulturen zusammen und müssen in interkulturellen Live-Situationen in einer gemeinsamen Sprache agieren

Für das Orientierungscenter ausschlaggebende AC-Entwicklungen waren die Überführung klassischer AC-Arrangements in prozeßdiagnostische Anordnungen und die Hinzuziehung weiterer Beurteiler.

2.1.2.4. Von der Status- zur Prozeßdiagnostik

Laut Touet (1997) reicht für modifikationsorientierte, auf Personalentwicklung abzielende, Potentialanalysen ein statusdiagnostischer Ansatz nicht aus. Doch stellte Obermann (1996) fest, daß sich mit dem klassischen AC-Verfahren genaugenommen nur die zum Augenblick der Testung bestehenden Fähigkeiten im Sinne des psychologischen Ist-Zustandes messen lassen, aber nicht die potentiell mögliche Verhaltensbandbreite einer Person im Sinne ihres Entwicklungspotentials. Ausgehend von dieser Erkenntnis wurde der prozeßdiagnostische Ansatz auf das AC-Verfahren übertragen.

Die prozeßdiagnostischen AC-Variationen bauen insbesondere auf dem Lerntest-Ansatzes von Guthke und dessen Übertragung auf die betriebliche Diagnostik in Form des Trainability-Konzeptes auf (Guthke & Wiedl, 1996). Lerntests unterscheiden sich von herkömmlichen Statustests durch den Einbau standardisierter Lernanregungen in den Testprozeß, wobei zwischen Kurzzeitlerntests (nur eine Sitzung mit eingebauten Feedbacks und Lösungshilfen) und Langzeitlerntets (Prätest-Trainingsphase-Posttest) unterschieden wird. Das Trainability-Konzept verbindet den Lerntest-Ansatz mit dem Prinzip der Arbeitsprobe (work sample) und strebt damit eine fairere und gleichzeitig validere Eignungsdiagnostik an (Guthke & Wiedl, 1996).

In Anlehnung an die Langzeitlerntests konzipierte Obermann (1992) ein prozeßdiagnostisches AC. Bei diesem verzichtete er allerdings auf die teure AC-Wiederholung. Sein zwei- bis dreitägiges Lern-AC besteht aus der Messung des Verhaltens in zwei gleichen situativen Übungen und einer zwischengeschalteten Trainingsphase. Die Verhaltensbeurteilungen erfolgen durch die AC-Beobachter. Zusätzlich beurteilen sich die Teilnehmer nach der Übung anhand der gleichen Verhaltenskriterien selbst. Noch am selben Tag erhalten sie ausführliches individuelles Feedback und sollen danach über ihre Rückmeldungen reflektieren. Bei der empirischen Überprüfung dieses Konzeptes ließ sich durch den Einbezug des Prädiktors „Lernzuwachs“ (= Differenzwert zwischen Beurteilung 2 und Beurteilung 1) zusätzlich zum Prädiktor „Gesamtergebnis im AC“ die prädiktive Validität (bezogen auf das Kriterium „Beförderung nach 2 Jahren“) von R=.35 auf .48 erhöhen (Obermann, 1996).

Sarges (1995) wählte für seine prozeßdiagnostische AC-Variante ein anderes Vorgehen. Bei seinem Lernpotential-AC spielt die Messung zu zwei verschiedenen Testzeitpunkten mit einer dazwischen geschobenen Trainingsphase eine geringere Rolle. Zur Erfassung des Lernpotentials der Teilnehmer nutzt er den Effekt einer vor dem AC liegenden längeren inhaltlichen und methodischen Vorbereitungs- und Lernphase aus. Damit wird die Lernphase sozusagen schon vor die Erstmessung gelegt. Durch systematisches Feedback von den anderen Teilnehmer und den Beobachter wird die Lernphase während des Lernpotential-AC weitergeführt. Sarges (1995) meint, daß nur durch hinreichende Iterationen von Verhalten und Feedback, von Konfrontationen der Selbst- mit der Fremdwahrnehmung zielgerichtete Verhaltensänderungen bewirkt werden.

Auch Jeserich (1996) präferiert in seinem Förder-AC eine intensive Trainings- und individuelle Lernphase durch Literaturstudium, Trainings, Projektarbeit, Workshops und Feedback einige Wochen vor dem Förder-AC. Und auch wie bei Sarges (1995) folgt in seinem Konzept nach dem AC eine kontrollierte Phase der Umsetzung von Förderempfehlungen, der Follow up-Maßnahmen und Validitätsüberprüfungen. Angestrebt wird damit der Übergang von der punktuellen AC-Maßnahme in einen permanenten Lernprozeß vor Ort. Die bisherigen Befunde sprechen dafür, daß diese prozeßdiagnostischen AC-Konzepte nicht nur prädiktiv valider und fairer sind, sondern vor allem durch die systematischen, in die Übungen eingebauten Feedbacks viel besser von Teilnehmern und Beobachtern akzeptiert werden als klassische AC-Verfahren (Guthke & Wiedl, 1996).

2.1.2.5. Einbezug von Peerbeurteilungen

Zur Erweiterung der verfügbaren diagnostischen Basis im AC-Verfahren und damit der Erhöhung der Validität werden ergänzend zu den üblichen AC-Beobachtern in zunehmendem Maße weitere Beurteiler hinzugezogen. Dies bezieht sich zum einen auf die Verknüpfung des AC-Verfahrens mit dem 360°-Feedback-Ansatz. Bei diesem werden vor oder nach dem Assessment Center die Beurteilungen von Kunden, Unterstellten, Vorgesetzten und Kollegen zum täglichen Arbeitsverhalten der AC-Teilnehmer erhoben und mit den Ergebnissen aus dem Assessment Center verknüpft (z.B. Seegers, 1996). Vor allem aber bezieht sich die Erweiterung der verfügbaren diagnostischen Basis auf den Einbezug von Peer- und Selbstbeurteilungen während des Assessment Centers. Bei Peerbeurteilungen handelt es sich um die Beurteilung von Gleichgestellten untereinander. Im Rahmen von AC-Verfahren würde dies also die gegenseitige Beurteilung der Teilnehmer untereinander betreffen, welche zumeist nach den interaktiven Übungen wie der Gruppendiskussion sowie zusätzlich als Gesamturteil über alle Übungen abgegeben wird. Jeserich (1995) weist daneben auf den überaus häufigen Einsatz von Peerbeurteilungen im Rahmen von PE- und Weiterbildungsveranstaltungen hin. Gewöhnlich steht dann allerdings nicht die Diagnose, sondern individuelles Lernen durch direktes und offenes Feedback im Vordergrund.

In der Regel werden drei Methoden von Peerbeurteilungen unterschieden (Peer-Nomination, Peer-Ranking, Peer-Rating). Dabei sind nicht alle Formen gleich gut für die verschiedenen Anwendungen von Peerbeurteilungen geeignet. Peer-Nominations sind nicht für Feedbacks geeignet, dafür aber sehr reliabel und valide. Peer-Ratings dagegen haben eine eher geringe Reliabilität und Validität, sind aber gut für Feedback- und Veränderungsprozesse geeignet. Peer-Rankings nehmen in beiden Aspekten (Meßqualität, Tauglichkeit für Feedbacks) eine mittlere Position ein. Love (1981) konnte mit seiner Studie diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Methoden der Peerbeurteilung bestätigen. Er stellte fest, daß „peer rankings and peer nominations displayed significantly greater reliability and validity than did peer ratings“ (Love, 1981, S. 451). Als möglichen Grund dafür gab er an, daß „because peer rating requires an assessor to compare an assessee to some absolute standard of performance, peer rating is subject to interindividual errors in assessment (i.e., leniency, strictness, and central tendency) that do not bias either the peer nomination or peer ranking processes“ (Love, 1981, S. 455). Des weiteren konnte er zeigen, daß Peerbeurteilungen nicht von Freundschaftsbeziehungen oder Sympathie- bzw. Antipathieaspekten beeinflußt werden.

In einer Vielzahl von Untersuchungen wurde die recht hohe Übereinstimmung von Peerbeurteilungen mit den Urteilen der AC-Beobachter bestätigt. Angesichts dieser Befunde stellt sich natürlich die Frage, „ob sich der Aufwand für den Entwurf und die Durchführung des AC ... gelohnt hat, wenn das Endresultat der AC-Beobachter durch einige schlichte Fragen an die Kandidaten reproduziert werden kann“ (Maukisch et al., 1991, S. 165). Sie folgern: „Praktisch sinnvoll erschiene es, wenn die AC-Beobachter sich aus der Beurteilung der durch die Mitkandidaten abgedeckten Aspekte zurückzögen und sich stärker auf andere Dimensionen ... konzentrierten“ (Maukisch et al., 1991, S. 167). In der Regel lassen sich folgende positiven Effekte durch Peerbeurteilungen im AC-Verfahren finden:

- höhere prädiktive Validität
- höhere Objektivität und ökologische Validität
- höhere Akzeptanz durch Teilnehmer und Fairneß
- größere Partizipationsmöglichkeiten für die Teilnehmer.

Shore et al. (1992) erklären sich den häufig gefundenen signifikanten Beitrag von Peerbeurteilungen zur prädiktiven Validität von AC-Urteilen dadurch, daß „by engaging in group exercises, peers actually experienced the effect of others, whereas assessors only observed this same behavior. The experiential component of peer interaction may lead to valuable insights about what it would be like to work with another person” (Shore et al., 1992, S. 52). Und Obermann (1992) ergänzt dazu, daß Peerbeurteilungen gerade bei Entwicklungs-AC‘s eine wertvolle Ergänzung sind, um auch die für außenstehende Beobachter nicht immer gleich gut beurteilbare Akzeptanz und Integration der Mitarbeiter in Arbeitsgruppen transparent zu machen.

2.1.2.6. Einbezug von Selbstbeurteilungen

Unter einer Selbstbeurteilung wird die Einschätzung des eigenen Verhaltens oder Leistungsvermögens durch die Teilnehmer verstanden. Die psychometrischen Eigenschaften von Selbstbeurteilungen sind meist schlechter als die von Peerbeurteilungen. So ist in der Regel die Übereinstimmung mit den Urteilen der AC-Beobachter, die Validität und die Reliabilität von Selbstbeurteilungen geringer als bei Peerbeurteilungen. Gründe dafür sind insbesondere der Milde-Effekt, welcher auch zu einer Verminderung der Varianz von Selbstbeurteilungen führt (Shore et al. 1992), und das Fehlen eines gemeinsamen Referenzsystems der Beurteilungsmaßstäbe und Bedeutungsdimensionen zwischen Selbstbeurteilungen und anderen Beurteilungsquellen (Esser, 1995).

Die Güte von Selbstbeurteilungen, v.a. im Rahmen von Leistungsbeurteilungen, kann aber bei Beachtung folgender Einflußgrößen verbessert werden:

- Personen mit hoher Selbstachtung, hoher Intelligenz, hoher Leistungsmotivation, hoher Kontrollüberzeugung, bisherigen Erfahrungen mit Selbstbeurteilungen und hoher Bereitschaft zur Selbstbeurteilung beurteilen sich korrekter und valider
- Selbstbeurteilungen mittels verhaltensbezogener Ratingskalen und verschiedener Beurteilungsdimensionen sind valider als Selbstbeurteilungen mittels eigenschaftsbezogener Ratingskalen und globalen Einschätzungen
- wenn ein sozialer Vergleich impliziert wird, eine Überprüfung der Selbstbeurteilung erwartet wird, die Selbstbeurteilung vertraulich durchgeführt wird und die Beurteilung eher Modifikations- als Selektionszielen dient, steigt die Validität von Selbstbeurteilungen ebenfalls (Mabe & West, 1982, Donat, 1991).

Folgende Vorteile durch Selbstbeurteilungen im Rahmen von AC’s werden angeführt:

- zur Ermittlung des PE-Bedarfes herangezogene Selbstbeurteilungen steigern die Akzeptanz und Bereitschaft der Mitarbeiter zum Arbeiten an ihren Schwächen und zur Teilnahme an den abgeleiteten PE-Maßnahmen (Moser, 1998)
- Selbstbeurteilungen erhöhen wegen ihrer kommunikativen und partizipativen Wirkungen die soziale Validität des AC-Verfahrens (Esser, 1995).

Lehment (1999) nennt ferner als Vorteil von Selbstbeurteilungen, daß erst durch Selbsteinschätzungen die direkte Gegenüberstellung von Selbst- und Fremdbild möglich wird, welche Voraussetzung für die Reflexion der eigenen Wahrnehmung ist. Des weiteren setzen sich, so Lehment (1999), Personen durch die Bewertung des eigenen Verhaltens im Rahmen von Selbstbeurteilungen aktiv mit diesem auseinander, was die Selbstaufmerksamkeit fördert. Und durch die angeregte Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen nach der Entdeckung von Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbeurteilungen während des Feedbacks wird zudem die Motivation zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen erhöht.

2.1.3. Das Orientierungscenter als Personalentwicklungsinstrument

Nachdem in den letzten Abschnitten der Einsatz des AC-Verfahrens im PE-Kontext besprochen und die Brauchbarkeit von Peer- und Selbstbeurteilungen und des prozeßdiagnostischen AC-Ansatzes für diesen Anwendungszweck belegt wurde, soll im folgenden die Verschmelzung dieser Einflüsse in der AC-Weiterentwicklung Orientierungscenter dargestellt werden. Die folgenden Einzelheiten zum Orientierungs-Center-Konzept entstammen den Angaben von Freund (1997a, 1997b) und Aldering (1999).

Das Orientierungscenter ist nichts gänzlich neues, sondern die aufeinander abgestimmte Ausrichtung altbekannter AC- und PE-Bausteine auf ein neu formuliertes Ziel hin. Dieses Ziel unterscheidet sich erheblich von denen klassischer Auswahl-AC’s und teilweise von denen der Entwicklungs-AC’s. So steht nach Freund (1997b) beim OC der Gedanke individueller Standortbestimmung und differenzierter Förderung im Sinne einer breitgefächerten Potentialentfaltung im Vordergrund, nicht ein Selektions- oder Führungspotentialgedanke bezogen auf einen relativ enggesteckten Zielkorridor wie bei den meisten AC‘s. Laut Aldering (1999) wird mit dem OC-Verfahren eine „Selbstreflexion und Sensibilisierung“ der Teilnehmer „nach innen“ (eigene Stärken und Schwächen erkennen; lernen, daß eigene Verhalten realistischer einzuschätzen) „und nach außen“ (Umgang mit anderen, Teamgeist fördern, Führungsstile erfahren und üben) angestrebt. Im OC soll ein strukturierter, zielgeleiteter Reflexionsprozeß provoziert und initiiert werden. Die Beurteilungen bilden dazu die Grundlage für den möglichst objektiven Abgleich von Selbst- und Fremdbild und sollen in erster Linie als Anstoß zur Reflexion über das individuelle Verhalten dienen und nicht wie beim AC-Verfahren im Mittelpunkt stehen. Der Fokus liegt im OC auf dem Orientierungs- und Entwicklungsaspekt. Aldering (1999) weist außerdem auf den Effekt der Selbst-Selektion hin. Aufgrund der Möglichkeiten zur Sensibilisierung und individuellen, kritischen Auseinandersetzung mit Positionsanforderungen, möglichen Vor- und Nachteilen bezüglich einer Postionsübernahme, eigenen Stärken und Schwächen sowie Zielen und Erwartungen kann mit einem OC auch die Zielsetzung verfolgt werden, potentielle interne Führungskräfte (aber auch andere Mitarbeitergruppen) selbst zu der Einsicht kommen zu lassen, daß sie mehr oder weniger für die angestrebte Zielfunktion geeignet sind.

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Ende der Leseprobe aus 270 Seiten

Details

Titel
Durchsetzungsvermögen messen und weiterentwickeln: Konstruktion und Erprobung eines Orientierungscenters zur Durchsetzungsfähigkeit
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
270
Katalognummer
V185431
ISBN (eBook)
9783656999638
ISBN (Buch)
9783867461962
Dateigröße
1626 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
durchsetzungsvermögen, konstruktion, erprobung, orientierungscenters, durchsetzungsfähigkeit
Arbeit zitieren
Marcus Menzer (Autor:in), 2000, Durchsetzungsvermögen messen und weiterentwickeln: Konstruktion und Erprobung eines Orientierungscenters zur Durchsetzungsfähigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185431

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