Die Auswirkungen von materieller Deprivation und Defiziten in der Ausbildung auf die Entstehung von Jugendkriminalität und Möglichkeiten der Prävention


Tesis, 2000

123 Páginas, Calificación: 1.7


Extracto

c_1

c_2

c_3

c_4

c_5

c_6

c_7

c_8


1.) Einleitung

 

Bei der Bekanntgabe der letzten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der Bundesrepublik Deutschland Ende Mai 1999 wurde erneut darauf hingewiesen, daß auch im Jahr 1998 die registrierte Kriminalität von Jugendlichen weiter angestiegen sei, wäh­rend diejenige der Erwachse­nen leicht abgenommen habe.

 

Damit hat sich der Anteil Jugendlicher und Heranwachsender an sämtlichen Tatverdächtigen weiter erhöht, so daß diese Altersgruppen mittlerweile ca. dreimal so häufig unter den Tatverdächtigen vertreten sind, als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht.[1]

 

Der Trend, der sich somit fortsetzt, wird bereits seit einigen Jahren in den Medien beklagt, wobei in der wachsenden Kriminalität und insbesondere der Gewalt von Jugend-lichen eine Gefahr für die Gesellschaft gesehen wird. Abgesehen davon, daß es durch die mediale Darstellung von extremen Einzelfällen leicht zu Verzerrungen der Wirklichkeit kommt, ist doch das gewachsene öffentliche, wissenschaftliche und auch politische Inter-esse an diesem Thema deutlich wahrnehmbar, was sich z.B. in der wachsenden Zahl von diesbezüglichen Reportagen, Fachpublikationen und Parteiprogrammen niederschlägt.

 

Um diesem Kriminalitätsanstieg begegnen und präventive Maßnahmen ergreifen zu können, ist es nötig, Zusammenhänge und Faktoren zu erkennen, welche die Entstehung von kriminellem Verhalten Jugendlicher begünstigen können.

 

Diese Arbeit soll mit ihrer speziellen Fragestellung einen Beitrag dazu leisten, derartige Zusammenhänge sichtbar zu machen und daraus Folgerungen für die Kriminalitäts-prävention abzuleiten.

 

Die Fragestellung, die in dieser Arbeit untersucht werden soll, ergab sich aus der sozialwissenschaftlichen Diskussion um wachsende soziale Gegensätze in unserer Gesellschaft. Zum Ausdruck kommt diese Diskussion etwa im Begriff der Zwei-Drittel-Gesellschaft, womit gemeint ist, daß zwei Drittel der Bevölkerung über einen geregelten Zugang zu Ressourcen wie Arbeit, Einkommen, Wohnraum und Bildung verfügen, während ein Drittel Unterversorgungen in einer oder mehreren dieser Dimensionen aufweist, wobei dieses Drittel nochmals unterteilt werden kann in eine Minderheit, die sich dauerhaft in einer Problemlage befindet und einem größeren Teil, der vorüber-gehend davon betroffen ist.[2]

 

Anknüpfend an derartige Entwicklungen des gesellschaftlichen Wandels wurde von Heitmeyer[3] ein Konzept vorgelegt, das die desintegrierenden Faktoren in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen aufzeigt. Ähnlich werden in dieser Arbeit spezifische ge-sellschaftliche Bedingungen für jugendliche Delinquenz untersucht.

 

Hinzu kommt, daß in der neueren kriminologischen Forschung vermehrt auf soziale Gegensätze hingewiesen wird, etwa indem Untersuchungen aus Großbritannien unter dem Titel der „Winner-Loser-Kultur“ auf deutsche Verhältnisse übertragen werden.[4]

 

In persönlichen Kontakt mit dem Thema außerhalb meines Studiums kam ich durch ein Praktikum beim Sozialplanungsamt der Stadt Braunschweig, in dem ich mich mit der Auswertung der regionalen Kriminalstatistik beschäftigte, wobei auch die räumliche Kriminalitätsverteilung mit der Armutsverteilung der Stadt Braunschweig als ein Aspekt sozialer Ungleichheit in Bezug gesetzt wurde.

 

Ich gehe nun davon aus, daß soziale Gegensätze auch bei jungen Menschen deutlich hervortreten und daß diese Erfahrung bei den deprivierten Jugendlichen Reaktionsweisen in Form von abweichendem Verhalten begünstigen kann.

 

Es soll also untersucht werden, ob und inwiefern sich gesellschaftliche Verhältnisse auf individuelles, in diesem Fall delinquentes, Verhalten auswirken können.

 

Dabei konzentriere ich mich in dieser Arbeit auf soziale Gegensätze im materiellen Bereich und im Bildungsbereich, da hier für Jugendliche die gesellschaftlichen Wand-lungsprozesse (in Form von wachsender Armut unter Jugendlichen und sinkenden Zukunftschancen für geringer Qualifizierte) m.E. am deutlichsten hervortreten, so daß Unterschiede in diesen Bereichen die bedeutendsten Auswirkungen auf die Lebenswelt und das Verhalten Jugendlicher haben, was jeweils in den entsprechenden Kapiteln deutlich herausgearbeitet werden soll. Obwohl zweifellos auch andere Faktoren zur Ent-stehung der Jugendkriminalität beitragen können, wurden diese Bereiche von großer Aktualität ausgewählt, da sie einerseits eigenständige Desintegrationspotentiale mit „sozialisationsrelevante[n] Folgen“[5] hervorbringen können und da sie andererseits ge-sellschaftspolitisch beeinflußbare Rahmenbedingungen der modernen Jugendphase darstellen, die außerdem durchaus als wichtige Triebfedern für den – noch zu überprüfenden – Anstieg der Kriminalitätsraten in Frage kommen könnten.

 

Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, inwieweit Defizite im Bildungsbereich einerseits und materielle Deprivation andererseits bei Jugendlichen zur Entstehung von abweichenden Verhaltensweisen führen können. Um die jeweiligen Zusammenhänge mit dem notwendigen analytischen Vorgehen darstellen zu können, müssen die beiden Variablen – materielle Deprivation und Defizite in der Ausbildung – getrennt vonein-ander behandelt werden.

 

Dabei kann es nicht ausreichen, lediglich etwaige direkte Zusammenhänge zwischen beiden Formen von Defiziten und Kriminalität zu untersuchen, sondern es muß zunächst geprüft werden, über welche konkreten individuellen und sozialen vermittelnden Instanzen sich die jeweiligen Benachteiligungen auf das Verhalten Jugendlicher aus-wirken können und welche empirischen Belege sich dafür anführen lassen. Hierzu sollen auch psychologische und sozialpsychologische Annahmen herangezogen werden, die zur Erhellung der Entstehungszusammenhänge von kriminellem Verhalten beitragen. Erst wenn auf diese Art ein empirisch gestützter Bezugsrahmen geschaffen wurde, können Ergebnisse aus Untersuchungen über direkte Zusammenhänge angeführt werden. Die Zielsetzung umfaßt somit auch die Identifizierung der intervenierenden Variablen und deren Wirkungsweisen, was in der kriminalsoziologischen Literatur m.E. zum Großteil nur marginal oder stichwortartig geschieht.

 

Es soll in dieser Arbeit also nicht die gesamte Jugendkriminalität mit ihren sämtlichen Ursachen behandelt oder gar erklärt werden, sondern die Entstehung von Jugendkrimi-nalität soll lediglich unter den Aspekten von Bildungsdefiziten und materiellen Depri-vationen betrachtet werden.

 

Dabei erfolgt eine Konzentration auf Jugendliche, die sich im Schulalter befinden, da die Entstehungsbedingungen der Kriminalität beleuchtet werden sollen und deviantes Ver-halten lediglich in den seltensten Fällen nach der Schulzeit zum ersten Mal auftritt, sondern dann vielmehr als eine Beibehaltung abweichender Handlungsweisen anzusehen ist.[6] Trotz dieser Begrenzung werden z.T. auch Untersuchungen angeführt, in denen die Stichprobe der Jugendlichen bzw. Heranwachsenden diese Altersgrenze ein wenig überschreitet, wenn m.E. davon ausgegangen werden kann, daß die Untersuchungsergeb-nisse für die relevante Altersgruppe ebenso zutreffend sind

 

Die Arbeit behandelt das Thema in folgenden Schritten: Nach einer kurzen theoretischen Zuordnung der in dieser Arbeit behandelten Fragestellung, vor allem mit Bezug zum Desintegrationskonzept von Heitmeyer, wird anhand von Daten der Polizeilichen Krimi-nalstatistik (PKS) dargestellt, wie sich die Jugendkriminalität in ihrer offiziellen Registrierung seit dem Ende der 80er Jahre entwickelt hat, um die gegenwärtige Situation einschätzen zu können. Um diese Daten angemessen bewerten zu können, muß jedoch auch die Aussagekraft der PKS kritisch beurteilt werden.

 

Anschließend werden im zweiten Kapitel die Auswirkungen von Defiziten im Bildungsbereich auf die Entstehung von abweichendem Verhalten Jugendlicher unter-sucht. Es soll geprüft werden, ob sich Schüler[7] mit niedrigeren antizipierten Bildungs-abschlüssen häufiger deviant verhalten als andere Schüler.

 

Zum einen soll danach gefragt werden, ob sich bei dieser Gruppe, die sich vor allem aus Hauptschülern zusammensetzt, der in den letzten Jahren verschärfte Konkurrenzdruck in pessimistischen Zukunftsvorstellungen niederschlägt und ob diese mit abweichendem Verhalten in Verbindung stehen. Dazu muß vorher verdeutlicht werden, wie sich verschärfte Konkurrenzbeziehungen auf dem Arbeitsmarkt bis in die einzelnen Schulformen hineinverlagern und wie sie von Schülern wahrgenommen werden. Ebenso wie die pessimistischen Zukunftsvorstellungen soll auch das Selbstbild der Schüler als vermittelnder Faktor betrachtet und seine Rolle im Entstehungszusammenhang von Devianz beleuchtet werden. Desweiteren sollen potentielle Auswirkungen von bildungsbedingten Statusdeprivationen bei Jugendlichen auf den Anschluß an deviante Gruppen überprüft werden.

 

Erst nach der Behandlung dieser intervenierenden Variablen soll dann der Zusammen-hang zwischen der Schulform und der Häufigkeit von deviantem Verhalten direkt unter-sucht werden, woran sich eine resümierende Bewertung der in diesem Kapitel ange-führten Untersuchungsergebnisse anschließt.

 

Auf den Einfluß des erreichten Schulabschlusses auf Jugenddevianz soll abschließend anhand des problematischen Überganges von der Schule in die Berufsausbildung, also an der ersten Schwelle, bei der sog. „Abkühlungsprozesse“[8] eine wichtige Rolle spielen, kurz in weiterführenden Überlegungen hingewiesen werden.

 

Das dritte Kapitel widmet sich den Auswirkungen materieller Deprivation auf die Ent-stehung von Jugenddevianz. Auch hier soll wiederum untersucht werden, über welche vermittelnden Faktoren derartige Deprivationen auf das Verhalten einwirken können.

 

Dabei werden zunächst die Auswirkungen auf das Erziehungsverhalten der Eltern und das daraus möglicherweise resultierende abweichende Verhalten der Jugendlichen be-trachtet, da davon ausgegangen wird, daß sich materielle Deprivation bei Jugendlichen primär über die Familie vermittelt.

 

Anschließend werden die möglichen Einschränkungen im Freizeitbereich materiell deprivierter Jugendlicher im Hinblick auf die Entstehung von Devianz – auch angesichts wachsender Gegensätze zwischen Armut und Wohlstand – behandelt. Darauf folgt die Betrachtung von potentiellen Ausgrenzungsprozessen im Bereich der Gleichaltrigen-gruppe aufgrund materieller Beschränkungen.

 

Nachdem auf diese Art wiederum die möglichen Verbindungslinien zwischen materieller Deprivation und Devianz bei Jugendlichen hergestellt wurden, sollen Untersuchungen herangezogen werden, die den direkten Zusammenhang zwischen Deprivation und  Devianz erforschen.

 

Nach einem kürzeren Abschnitt über die besondere Problemlage, die durch das Auftreten einer Kumulation von sowohl materiellen als auch Bildungsdefiziten entsteht, bilden die Folgerungen, die sich aus der untersuchten Thematik für die Kriminalprävention ergeben, den Gegenstand des Abschlußkapitels. Dabei sollen sowohl gesellschafts-politische als auch kommunale kriminalpräventive Maßnahmen, die der primären und sekundären Prävention zuzuordnen sind und die sich auch aus der Identifizierung der potentiellen vermittelnden Faktoren ergeben, angeführt werden. Zur Veranschaulichung der Umsetzungsmöglichkeiten werden Beispiele aus der Praxis angeführt.

 

Als Material werden neben den Daten aus den offiziellen Kriminalitätsstatistiken sowie den Armuts- und Bildungsberichten zum überwiegenden Teil Untersuchungen aus der jugendsoziologischen Literatur, insbesondere möglichst aktuelle Befragungen zur selbst-berichteten Devianz, zur Durchführung von Sekundäranalysen herangezogen. Dabei sollen Studien, die quantitative Methoden (z.B. Fragebogenerhebungen) anwenden und Untersuchungen, die mit qualitativen Verfahren (z.B. offenen Interviews) arbeiten, einander ergänzend angeführt werden.[9] Aus Platzgründen ist es jedoch nicht möglich, jede einzelne Studie (methoden-)kritisch umfassend zu betrachten, zumal die Frage im Vordergrund steht, welche Wirkungszusammenhänge sich aus den Untersuchungen in der Tendenz ergeben. Desweiteren werden Ergebnisse aus Gesprächen mit Vertretern relevanter Instanzen (Kriminalpolizei, Jugendamt) wiedergegeben sowie insbesondere zum Bereich der präventiven Maßnahmen beispielhaft Projekte herangezogen, die mir durch das Praktikum im Sozialplanungsamt der Stadt Braunschweig bekannt wurden.

 

Aufgrund der Materiallage, besonders der Dunkelfelduntersuchungen, kann keine ein-heitliche Operationalisierung von „Kriminalität“ benutzt werden, sondern es muß auf den allgemeineren Begriff der „Devianz“ zurückgegriffen werden, da häufig z.B. generell nach „aggressivem Verhalten“ anstatt nach konkreten Straftatbeständen gefragt wurde. Bei unterschiedlicher Erfassung von Gewalt wird gewalttätiges Verhalten in seiner engeren Definition als physische Schädigung von Personen oder Gegenständen berücksichtigt, da diese Verhaltensweisen in einem engeren Zusammenhang mit den als „kriminell“ bezeichneten Handlungen stehen als z.B. psychische Gewalttaten wie Be-schimpfungen oder Beleidigungen. 

 

Desweiteren kann materielle Deprivation nicht durch eine standardisierte Armutsgrenze erfaßt werden, sondern wird z.T. über das subjektive Gefühl einer Mangellage beschrieben, was meiner Ansicht nach keinen Nachteil bedeuten muß, da in der Arbeit namentlich die Reaktionsweisen auf erlebte Deprivation thematisiert werden sollen.

 

Überdies kann im Rahmen dieser Arbeit eine Differenzierung zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen nicht geleistet werden. Wird in den Studien ausnahmsweise eine nach Nationalität getrennte Auswertung vorgenommen, so werden hier die Er-gebnisse der deutschen Jugendlichen wiedergegeben, da sich bei nichtdeutschen  Jugend-lichen spezifische Problemlagen ergeben, die sich zudem nach der Nationalität unter-scheiden und explizit bisher nur unzureichend untersucht worden sind.[10] Sollten sich dessenungeachtet Zusammenhänge zwischen den hier untersuchten gesellschaftlichen Verhältnisse und Jugenddevianz zeigen, so sollte es selbstverständlich sein, daß Maßnah­men zur Verbesserung der Situation der Jugendlichen unabhängig von ihrer Nationalität ergriffen werden müssen.

 

1.1) Theoretische Bezüge

 

Bevor auf die quantitative Entwicklung der Jugendkriminalität eingegangen werden soll, wird die Fragestellung dieser Arbeit zunächst in kurzer Form zu verwandten kriminalitäts- und gesellschaftstheoretischen Konzepten in Bezug gesetzt. Dabei geht es weder darum, einen Überblick über die Theorien kriminellen Verhaltens zu geben, noch darum, Kriminalitätstheorien kritisch zu würdigen, sondern es soll lediglich eine ab-grenzende theoretische Einordnung geschaffen werden.

 

Als ein meine Fragestellung umfassender theoretischer Bezugsrahmen ist insbesondere die Anomietheorie von R. K. Merton[11] anzuführen, die Zusammenhänge zwischen der Sozialstruktur und dem Auftreten von abweichendem Verhalten in einer Gesellschaft herstellt.[12]

 

Merton unterscheidet dazu zwischen der kulturellen und der sozialen Struktur einer Gesellschaft. Die kulturelle Struktur wird dabei definiert als der für sämtliche Ge-sellschaftsmitglieder gültige Komplex der kulturell festgelegten Wert- und Zielvor-stellungen und der erlaubten Wege in Form von Normen und Vorschriften zur Erreichung dieser Ziele.[13] Die soziale Struktur bezieht sich auf das Gefüge der sozialen Beziehungen, in das die Gesellschaftsmitglieder in unterschiedlicher Weise eingebunden sind, was nach Merton wiederum von der Zugehörigkeit zu bestimmten Schichten abhängig ist.[14]

 

Als Zustand der Anomie beschreibt Merton die Diskrepanz zwischen den kulturellen Zielen und Normen und den sozial-strukturellen Möglichkeiten, in Übereinstimmung mit diesen Normen die Ziele zu erreichen. Dadurch gerät das Gesellschaftsgefüge und mit ihm ein Teil der Gesellschaftsmitglieder in die Lage einer anomischen Spannung:

 

„Die Sozialstruktur gerät also in Spannung zu den kulturellen Werten, indem sie wert- und normadäquates Handeln den Inhabern bestimmter Positionen in der Gesellschaft ohne weiteres ermöglicht, anderen dagegen erschwert oder gar unmöglich macht.“[15]

 

Merton beschreibt nun in Form einer Typologie verschiedene mögliche Reaktionen auf diese anomische Spannung, von denen die der „Innovation“[16] an dieser Stelle am be-deutsamsten ist. Dabei wird versucht, die kulturell festgelegten Ziele durch institutionell nicht vorgegebene Mittel, also durch abweichendes Verhalten zu erreichen. Andere Anpassungsformen sind neben der Konformität die Aufgabe der Ziele, während an den Mitteln zur Erreichung der Ziele festgehalten wird (Ritualismus), die Distanzierung von Zielen und Mitteln (Rückzug) und der Versuch, die gegebenen Ziele und Mittel durch neue zu ersetzen (Rebellion).[17] 

 

Der Bezug zu der Fragestellung dieser Arbeit läßt sich insofern herstellen, als daß in unserer erfolgs- und prestigeorientierten Gesellschaft sowohl die Erlangung einer guten gesellschaftlichen Position durch entsprechende Berufstätigkeit als auch der Besitz von materiellen Gütern und ausreichende Möglichkeiten zum Konsum als kulturell be-stimmte Zielvorstellungen angesehen werden können, was zu Beginn der Kapitel 2 und 3 deutlicher dargestellt wird. Ist der gesellschaftlich akzeptierte Zugang zu diesen Zielen – durch Defizite in der Ausbildung bei einer hohen Arbeitslosenquote bzw. durch materielle Deprivation – eingeschränkt, kann nach der Anomietheorie die Entstehung abweichenden Verhaltens begünstigt werden, um die Ziele – z.B. in ihrer symbolischen Form von Statusgütern – doch zu erreichen. Während es sich bei Mertons Typologie der möglichen Reaktionsformen auf anomische Strukturen lediglich „um ein rein deskrip-tives Schema handelt, das keine Erklärungen über die Entstehungsbedingungen ent-sprechender Handlungen bietet“[18], sollen in dieser Arbeit gerade diese Entstehungs-bedingungen auf der konkreten Handlungsebene näher untersucht werden. Außerdem wird hier davon ausgegangen, daß Abweichung nicht nur in Form von instrumenteller Devianz, also zur Erreichung eines Ziels auftreten kann, sondern ebenso eine expressive, z.B. gewalttätige Reaktionsweise darstellen kann.[19] 

 

1.1.1) Das Desintegrationskonzept von Heitmeyer

 

Die Anomietheorie von Merton, die in den 30er Jahren mit Bezug auf amerikanische Verhältnisse entstanden ist, wurde ebenso wie das ihr vorausgegangene Anomiekonzept von Durkheim[20] im Zuge des Desintegrationskonzepts von Heitmeyer und seinen Mitarbeitern wieder aufgegriffen und in aktualisierter Form auf deutsche Verhältnisse übertragen.[21]

 

Dabei werden als ein flexibles Analyseschema drei Formen von Systemkrisen angeführt, aus denen sich Anomietendenzen für bestimmte Bevölkerungsgruppen ergeben können: die Strukturkrise, die Regulationskrise und die Kohäsionskrise.[22] Diese gesellschaft-lichen Krisenerscheinungen, die auch in Wechselwirkung miteinander stehen können, wirken sich nach dem Desintegrationskonzept bis auf das individuelle Verhalten aus.[23]

 

Dabei bezieht sich die Strukturkrise[24] auf die von Merton dargestellte Disbalance zwischen kultureller und sozialer Struktur, also die ungleich verteilten Zugangschancen zu kulturellen Zielen wie Wohlstand, Erfolg oder Prestige. Daraus ergibt sich meine übergeordnete Fragestellung nach den Auswirkungen von eingeschränkten Mitteln zur Zielerreichung (Wohlstand und Konsum sowie Erfolg) im materiellen Bereich (aufgrund eingeschränkter materieller Möglichkeiten) und bei der Ausbildung (durch das Fehlen von guten Zertifikaten) von Jugendlichen. Denn nach Heitmeyer

 

„[...] verknappen sich [..] für immer mehr Personen die Chancen auf die Realisierung der Optionen, d.h., alte soziale Fragen der Armut bzw. relativen Deprivation etc. kehren auf die gesellschaftliche Tagesordnung zurück“[25].

 

Die Regulationskrise entspricht der mangelnden Eingrenzung der menschlichen Aspi-rationen im Sinne des Durkheimschen Anomiekonzeptes, umfaßt aber auch die defizitäre Regulation wesentlicher gesellschaftlicher Probleme.[26] Hier sollen in erster die „im Falle überschüssiger Aspirationen zu Unzufriedenheiten“[27] führenden Aspekte der Regula-tionskrise berücksichtigt werden. In diesen Bereich fallen die zu untersuchenden nega-tiven Folgen der Bildungsexpansion für diejenigen, die den individuell und gesellschaft-lich gestiegenen Bildungsansprüchen im Gegensatz zu anderen nicht nachkommen können. Denn

 

„[i]nfolge der im Prozeß des Aufwachsens vorgefundenen materiellen und sozialen Lebens-bedingungen und gefördert durch liberale Erziehungstechniken in Familie und Schule einerseits und durch voranschreitende Individualisierungsprozesse andererseits wird die Selbstverwirk-lichung zu einem zentralen Anliegen in der Lebensplanung der heute heranwachsenden Generation“[28].

 

Das damit verbundene Interesse an inhaltlich interessanten Tätigkeiten kann jedoch aufgrund struktureller Beschränkungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsstellenmarkt bei einem nicht unerheblichen Teil der Jugendlichen nicht umgesetzt werden.

 

Auch im materiellen Bereich zeigt die Regulationskrise Auswirkungen, und zwar auf diejenigen, die den Verheißungen des modernen „entgrenzten Wohlstandskonsums“[29] aufgrund ungenügender finanzieller Mittel nicht folgen können.

 

Die sich daraus ergebenden Folgen auf die Devianzentstehung sollen ebenfalls untersucht werden.

 

Die Krise der sozialen Kohäsion beschreibt die Auflockerung der sozialen Beziehungen und der gemeinschaftsbildenden Kräfte und untergräbt somit auch die „Absehbarkeit sozialer Handlungsstandards“[30]. Auf die Lebenswelt Jugendlicher bezogen ergeben sich aus diesem Aspekt Fragestellungen zu potentiellen Ausgrenzungsprozessen im Bereich der peer-group und zu problematischen familiären Interaktionsformen infolge von mate­rieller Deprivation. Die Kohäsionskrise könnte aber auch eine Rolle spielen bei der Anti-zipation einer mißlingenden Integration in den Arbeitsmarkt aufgrund unzureichender Bildungsabschlüsse und dem damit verbundenen Gefühl, kein „vollwertiges“ Mitglied der Gesellschaft zu sein und sich somit vermittelt über die individuellen Zukunftsaus-sichten auf das Verhalten auswirken.

 

Um das Anomiekonzept an die Sozialstrukturen in der ausdifferenzierten, modernen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland anzupassen, bedarf es nach Bohle, Heit-meyer u.a. sowohl der Berücksichtigung gesellschaftlicher Teilgruppen als auch gesell-schaftlicher Funktionsbereiche.[31] Dies soll in dieser Arbeit durch die Konzentration auf Jugendliche in den Funktionsbereichen Schule/Ausbildung und Freizeit/Konsum unter Berücksichtigung der individuellen Folgen und der Einflüsse von Gleichaltrigengruppe und Familie erfolgen.

 

Bevor die Analyse der genannten Funktionsbereiche erfolgt, soll im nächsten Abschnitt die Entwicklung des sozialen Problems, das dieser Arbeit zugrunde liegt, der Jugend-kriminalität, kurz untersucht werden, um ihr Ausmaß und ihre Entwicklungslinien in der gegenwärtigen Situation zu überblicken.

 

1.2) Die Entwicklung der offiziell registrierten Jugendkriminalität

 

Um die Problematik, die besonders von den Medien und Politikern beklagt wird, näher zu untersuchen, soll die Entwicklung der Jugendkriminalität der letzten Jahre nun anhand der Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik[32] (PKS) überblicksweise dargestellt wer-den. Eine Beurteilung der Aussagekraft dieser Daten erfolgt anschließend.

 

Wie bereits in der Einleitung angedeutet wurde, ist in der Altersverteilung der Anteil der Tatverdächtigen[33] an der Bevölkerung der jeweiligen Altersklasse (Tatverdächtigen-belastungszahl) bei den Jugendlichen und Heranwachsenden am höchsten, was in Abbildung 1 anhand der Daten aus dem Jahr 1998 verdeutlicht wird.

 

 

Abb. 1: Deutsche Tatverdächtige der jeweiligen Altersgruppe bezogen auf je 100.000 Einwohner  derselben Altersgruppe.[34]

 

Um zu untersuchen, wie sich die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen und Heran-wachsenden in den letzten Jahren entwickelt haben, ist es ebenfalls notwendig, die Tatverdächtigenbelastungszahlen der einzelnen Jahre heranzuziehen, da es bei der Dar-stellung der absoluten Zahlen zu Verzerrungen durch Schwankungen in der Bevölke-rungs­zahl der jeweiligen Altersgruppe kommen kann. Somit kann ein eventueller Anstieg der Tatverdächtigenzahlen, der lediglich auf einer Zunahme der jugendlichen Be-völkerung beruht, ausgeschlossen werden.

 

Abbildung 2 gibt einen Überblick über die Entwicklung der Tatverdächtigenbelastungs-zahlen von Jugendlichen und Heranwachsen­den, sowie zum Vergleich von Erwachsenen in den letzten zehn Jahren in den alten Bundesländern bzw. ab 1993 für das gesamte Bundesgebiet.

 

 

Abb. 2: Entwicklung der Tatverdächtigenbelastungszahlen (TVZ) deutscher Tatverdächtiger nach  Altersgruppen für die Jahre 1988-1998. Bereich: 1988-90 alte Bundesländer; 1991-92 alte Länder  mit Gesamt-Berlin; ab 1993 Bundesgebiet insgesamt.[35]

 

Wie Abbildung 2 verdeutlicht, hat sich die Tatverdächtigenbelastungszahl allein in den letzten zehn Jahren bei den Jugendlichen mehr als verdoppelt (von 3.478 im Jahr 1988 auf 7.288 im Jahr 1998). Auch bei den Heranwachsenden ist sie stark angewachsen (von 4.094 auf 7.271), während sie bei den Erwachsenen beinahe konstant geblieben ist (1988: 1.784; 1998: 1.985).

 

Bevor überprüft werden soll, ob die gestiegenen Zahlen an tatverdächtigen Jugendlichen tatsächlich für eine Zunahme der Jugendkriminalität sprechen, erfolgt eine kurze Übersicht über die Entwicklung derjenigen Deliktarten, die in dieser Arbeit von besonderem Interesse sind (s. Abb. 3 und 4). Dies sind in erster Linie Diebstahlsdelikte sowie Gewalttaten wie Körperverletzung und Sachbeschädigung, da sie die am häu-figsten auftretenden Deliktformen der Kriminalität Jugendlicher darstellen. Andere Straftatbestände kommen entweder nur in sehr geringer Anzahl vor, oder sie zählen zu den innengerichteten Formen der Problemverarbeitung (wie z.B. Drogenkonsum[36]) und fallen dann bei der Eingliederung in die Typologie von Merton in die Anpassungsform „Rückzug“, so daß sie eine gesonderte Betrachtung erforderlich machen würden, die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden kann.

 

 

Abb. 3: Belastungsziffern deutscher Tatverdächtiger (TVZ) in den alten Bundesländern

 

             von 1988 bis 1998, Diebstahlsdelikte insgesamt.[37]

 

 

Abb. 4: Belastungsziffern deutscher Tatverdächtiger (TVZ) in den alten Bundesländern

 

             von 1988 bis 1998, Gewaltdelikte.[38]

 

Abbildung 3 und 4 zeigen, daß auch die Tatverdächtigenzahlen der in dieser Arbeit hauptsächlich behandelten Deliktform in den letzten zehn Jahren einen starken Zuwachs bei den Jugendlichen und Heranwachsenden im Gegensatz zu denen der Erwachsenen aufweisen. Es soll nun geprüft werden, ob die hier herangezogenen Daten Rückschlüsse auf die tatsächliche Entwicklung der Jugendkriminalität zulassen.

 

1.2.1) Beurteilung der Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalstatistik

 

Beschränkungen der Aussagekraft der PKS ergeben sich vor allem aus dem Problem des Dunkelfeldes. Einerseits werden nicht sämtliche Straftaten von der Polizei registriert, da es nicht in jedem Fall zu einer Anzeige von Opfern oder Zeugen kommt oder die Polizei selbst entsprechende Beobachtungen anstellt. Andererseits werden von der Polizei nur in etwa der Hälfte aller registrierten Fälle überhaupt Tatverdächtige ermittelt, die dann in der Tatverdächtigenstatistik verzeichnet werden. Beides, sowohl die Registrierung als auch die Aufklärung der Taten, variiert zudem nach der Art der Delikte. Aus diesen Gründen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die PKS das reale Kriminalitäts-geschehen in der Gesellschaft abbildet.[39]

 

Dennoch können aus der PKS relative Aussagen über die Entwicklung des Kriminalitäts-aufkommens im Längsschnitt abgeleitet werden, wenn die Rahmenbedingungen der Erfassung von Straftaten (z.B. das Dunkelfeld) im betrachteten Zeitraum konstant geblie-ben sind. Um also die Aussagekraft der oben dargestellten Steigerung (Abb. 2 bis 4) der jugendlichen Tatverdächtigenzahlen zu bestimmen, ist zunächst zu prüfen, ob dieser Anstieg auf einer verstärkten Ermittlungspraxis der Polizei gegenüber Jugendlichen be-ruht. Dies erscheint angesichts der Arbeitsbelastung der Polizei nicht plausibel, da z.B. die Zahl der registrierten Straftaten in den alten Bundesländern zwischen 1989 und 1995 um 20,1% gestiegen ist, während die Planstellen der Polizei lediglich um 7,7% erhöht wurden, so daß kaum Spielraum für eine Intensivierung der Ermittlungsarbeit gegenüber jungen Menschen bestanden haben dürfte.[40] Zudem sind die Aufklärungsquoten in diesem Zeitraum entweder konstant geblieben oder haben sich nur leicht erhöht.[41]

 

Eine andere Ursache für die Zunahme der Tatverdächtigenzahlen könnte in der gestie-genen Anzeigebereitschaft der Opfer oder Zeugen liegen. Gegen diese Annahme spre­chen jedoch einige Überlegungen. Zum einen gehen Pfeiffer u.a. davon aus, daß es infolge der Anfang der 90er Jahre geänderten Versicherungsbedingungen eher zu einem Rückgang der Anzeigebereitschaft bei Diebstählen mit einer Schadenssumme unter 500,- DM, eines der Hauptdelikte Jugendlicher, gekommen ist.[42] Als weiteres Argument führen sie die Abnahme der Tatverdächtigenzahl jugendlicher Nichtdeutscher zwischen 1993 und 1995 an, während im gleichen Zeitraum die Kriminalitätsbelastung der jungen Deutschen weiter zugenommen hat. Wären diese Entwicklungen lediglich eine Folge veränderten Anzeigeverhaltens, müßten die Opfer und Zeugen von Straftaten in diesem Zeitraum dazu übergegangen sein, Delikte von nichtdeutschen Jugendlichen immer seltener, diejenigen von jugendlichen Deutschen dagegen immer häufiger bei der Polizei anzuzeigen. Pfeiffer u.a. halten diese Annahme für unwahrscheinlich und betrachten diese Entwicklungen eher als Folge der 1993 in Kraft getretenen Reform des Asylrechts, die zu einer Änderung der Sozialstruktur unter den Nichtdeutschen führte.

 

Diese beispielhaft ausgewählten Überlegungen sprechen neben anderen[43] gegen die Annahme, daß die Erhöhung der Tatverdächtigenzahlen hauptsächlich auf einer Änderung des Anzeigeverhaltens beruht. Aus diesen Gründen kann m.E. davon aus-gegangen werden, daß die Relationen zwischen den registrierten Straftaten und dem Dunkelfeld etwa gleich geblieben sind, so daß die längsschnittlichen Befunde der Polizeilichen Kriminalstatistik tatsächlich für einen Anstieg der Jugendkriminalität generell und auch der in dieser Arbeit behandelten Deliktarten in den letzten zehn Jahren sprechen. Auch wenn diese Entwicklung besonders in den Medien durch die Darstellung von extremen Einzelfällen häufig dramatisiert wird, ist dennoch festzustellen, daß die Jugendkriminalität ein ernstzunehmendes aktuelles soziales Problem mit wachsender Bedeutung darstellt.

 

Nachdem nun das Ausmaß des hier behandelten sozialen Problems beleuchtet wurde, soll im folgenden untersucht werden, welche Faktoren sich aus defizitären Bildungs-situationen im Hinblick auf die Entstehung von jugendlicher Devianz ergeben können und ob diese den verzeichneten Kriminalitätsanstieg mitbedingt haben könnten.

 

2.) Auswirkungen von Defiziten in der Ausbildung auf die Entstehung von Jugenddevianz

 

Bevor auf direkte Zusammenhänge zwischen Defiziten in der Ausbildung und der Devianz Jugendlicher eingegangen wird, muß zunächst aufgezeigt werden, weshalb die jeweilige Bildungssituation, in der sich die Jugendlichen befinden, überhaupt einen so großen Einfluß auf das Verhalten Jugendlicher ausüben kann, daß sie zur Entstehung von devianten Handlungen beitragen könnte und weshalb besonders bei den Hauptschülern von problematischen, defizitären Bildungssituationen gesprochen werden muß.

 

Anschließend soll anhand von empirischen Untersuchungen geprüft werden auf welchen Wegen diese devianten Verhaltensformen zustande kommen können, um so eine Art Interpretationsfolie zu erhalten, auf der die hierauf anzuführenden Untersuchungen über den direkten Zusammenhang zwischen der Schulform und der Häufigkeit devianten Verhaltens betrachtet werden können.

 

2.1) Die negativen Folgen für geringer qualifizierte Jugendliche

 

Das individuelle schulische Leistungsverhalten Jugendlicher und der daraus resultierende Bildungsabschluß ist von enormer Bedeutung für den weiteren Lebenslauf, da die erworbenen Qualifikationen sich konstitutiv auf die soziale Positionierung innerhalb des Gefüges gesellschaftlicher Differenzierung auswirken.[44] Das Erwerbseinkommen, das berufliche Prestige und der soziale Status beruhen somit zu einem überwiegendem Anteil auf dem individuellen Bildungsniveau.[45]

 

Diese fundamentale Bedeutung von Bildungsabschlüssen hat sich in der Bundesrepublik Deutschland seit den 70er Jahren in zunehmendem Maße noch erhöht. Im Zuge der Bildungsexpansion[46] und als Folge der besonders seit den 80er Jahren wachsenden Arbeitslosigkeit[47] ist der Erwerb von (möglichst hochwertigen) Bildungszertifikaten zu einer Grundvoraussetzung der eigenständigen Existenzsicherung geworden.[48] Durch die Ausbildungs- und Arbeitsplatzknappheit, sowie den kontinuierlichen Trend zu höheren Bildungsabschlüssen[49] können die Arbeitgeber unter den jeweiligen Bewerbern den höchstqualifiziertesten Kandidaten auswählen, während die geringer Qualifizierten der Gefahr einer mißlingenden Integration in die Arbeitswelt ausgesetzt sind.

 

Daß die prekäre Entwicklung des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes, die sich in den 90er Jahren weiter verschärft hat, auch von Jugendlichen als ein sie selbst betreffendes Problem durchaus realistisch wahrgenommen wird, zeigen die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie von 1997.[50] Unter den Antworten auf die offen gestellte Frage, welches ihrer Meinung nach die „Hauptprobleme der Jugendlichen heute“ seien, nahm die Ar-beitslosigkeit, die von 45,3 % der befragten Jugendlichen genannt wurde, den ersten Rang ein.[51]

 

Diese Entwicklung, die hier nur in groben Umrissen wiedergegeben werden soll, führt dazu, daß sich die „Auslese- und Statuszuweisungsfunktion“[52] der Schule erhöht und daß es besonders auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu Verdrängungseffekten von Bewerbern mit niedrigeren Bildungsabschlüssen (mit oder ohne Hauptschulabschluß) durch Absolventen der Realschule oder des Gymnasiums kommt.[53] So stieg allein zwischen 1993 und 1997 der Abiturientenanteil an den Auszubildenden mit neu abge-schlossenem Ausbildungsvertrag von 13,8 % auf 16,4 %, wobei seit 1996 die Ausbil-dungsstellennachfrage insgesamt größer ist als das Ausbildungsstellenangebot.[54] In kauf-männischen Ausbildungsberufen wie z.B. zum Bank- oder Versicherungskaufmann be-trägt der Anteil der Ausbildungsanfänger mit Hochschulreife gar über zwei Drittel.[55]

 

Bereits in den achtziger Jahren sah Beck die Gefahr, daß sich der Hauptschulabschluß zu einem „Ausschließungskriterium“[56] wandelt, das die Integration in die Berufswelt zu-nehmend blockiert:

 

„Der Gang durch die Hauptschule wird zur Einbahnstraße in die berufliche Chancenlosigkeit. Die Hauptschule driftet so in das gesellschaftliche Abseits ab, wird zur Schule der unteren, auf berufliche Zukunftslosigkeit festgeschriebenen Statusgruppen.“[57]

 

Auch wenn diese Thesen sehr überspitzt formuliert sind, hat das beschriebene Problem dennoch nicht an Aktualität verloren, wie eine 1996 durchgeführte Befragung des Bundesinstituts für Berufsbildung von 2.900 Jugendlichen aus den neuen Bundesländern ergab.[58] Danach mündeten lediglich 56 % der befragten Hauptschulabsolventen direkt in eine Berufsausbildung ein, der Rest begab sich zunächst in sog. „Warteschleifen“[59], d.h. in vorübergehende schulische Ersatzmaßnahmen wie z.B. das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ) oder das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) oder besuchte eine allgemeinbildende Schule.[60]  

 

Dieser für Hauptschulabsolventen problematisch gewordene Übergang in die Be-rufsausbildung und -tätigkeit ist auch den Schülern selbst durchaus bewußt.  Eine im Jahr 1995 durchgeführte Befragung einer Quotenstichprobe von 1.944 Schülern im Alter zwischen 14 und 16 Jahren ergab, daß 65 % der Befragten die Meinung vertraten, daß das Abitur die beste Voraussetzung sei, um später einen Arbeitsplatz zu finden.[61] 30 % der befragten Schüler sahen den Realschulabschluß und nur 5 % den Hauptschulabschluß als geeignetes Fundament für eine spätere Berufstätigkeit an. Selbst unter den Haupt-schülern waren 82 % der Meinung, daß der optimale Schulabschluß hinsichtlich der beruflichen Verwertung nicht in der eigenen Schulform erreichbar sei.[62]

 

Dies ist um so schwerwiegender, als auch bei den geringer qualifizierten Jugendlichen gewachsene Ansprüche hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit zu konstatieren sind, deren Verwirklichung ihnen zumeist verwehrt wird.[63]

 

Aus diesen Entwicklungen ergeben sich für mich im Hinblick auf das Thema und die Bezüge dieser Arbeit[64] Fragestellungen nach den Reaktionen, die sich im individuellen und sozialen Bereich und auf der Handlungsebene bei den Hauptschülern[65] ergeben kön-nen: Können die ungünstigen Berufsaussichten vermittelt über die Faktoren der indivi-duellen Zukunftsperspektive oder des Selbstbilds die Entstehung von abweichenden Verhaltensweisen, insbesondere von Aggressions- und Gewaltdelikten begünstigen ? Besteht ein Zusammenhang zum Anschluß an deviante Gruppen ?

 

Diese Fragen, die die Auswirkungen von makrostrukturellen Bedingungen auf der Mikro-Ebene des Verhaltens untersuchen, sollen in den folgenden drei Abschnitten nach-einander anhand von empirischem Material untersucht werden. Erst wenn auf diese Weise die potentiellen Wirkungsgefüge beleuchtet wurden, soll der direkte Zusammen-hang zwischen Schulform und der Häufigkeit devianten Verhaltens überprüft werden.

 

2.1.1) Der Einfluß von pessimistischen Zukunftsvorstellungen auf die Entstehung von Devianz

 

Aufgrund der beschriebenen Entwicklung im Ausbildungsbereich und der angeführten Umfrageergebnisse kann davon ausgegangen werden, daß ein großer Teil der Haupt-schüler die eigene berufliche Zukunft durchaus pessimistisch und somit die Integration in die Arbeitswelt als gefährdet betrachtet, besonders im Vergleich zu den Schülern anderer Schulen.[66]

 

Diese Annahme wird von den Ergebnissen weiterer Untersuchungen gestützt. Im Zeit-raum von Oktober 1992 bis Januar 1993 wurden von einer Bielefelder Forschungsgruppe unter der Leitung von Heitmeyer 1.709 Jugendliche aus den alten und 1.692 Jugendliche aus den neuen Bundesländern mittels eines standardisierten Fragebogens zu ihrem Gewaltverhalten befragt.[67] Die Stichprobe der 15 bis 21jährigen Jugendlichen umfaßte jeweils drei unterschiedliche regionale Kontextbedingungen (Großstadt, Kleinstadt und ländlicher Raum), und es wurde die Verteilung der Schüler auf die verschiedenen Schulformen im einzelnen Untersuchungsgebiet berücksichtigt.[68] Außerdem wurde die Verteilung der Klassenstufen sowie der Geschlechter kontrolliert.[69] Die Antworten der 321 zur Stichprobe gehörenden ausländischen Jugendlichen wurden bei den hier zitierten Auswertungen ausgeklammert.

 

Dabei wurden die Jugendlichen auch danach befragt, wie sie ihre berufliche Zukunft, die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft und ihre persönliche Zukunft generell be-urteilten.[70] Es zeigte sich, daß Schüler mit niedrigerem Bildungsniveau von schlechter-en Zukunftsaussichten ausgehen. So schätzten unter den westdeutschen Jugendlichen lediglich 39,5 % der Hauptschüler gegenüber 59,6% der Gymnasiasten ihre berufliche Zukunft „zuversichtlich“ ein.[71] Für die ostdeutschen Jugendlichen ergaben sich den Autoren zufolge ähnliche Relationen.[72]

 

Auch eine Befragung von 2.750 west- und ostdeutschen Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren, die im Jahr 1991 durchgeführt wurde, spricht für derartige Zusammenhänge.[73] Danach schätzten Jugendlichen mit „niedrigem schulischen Aspirationsniveau (Schul-abschlußerwartung)“ die ökonomische Entwicklung und ihre persönliche Zukunft  „über-proportional häufiger“ negativ ein als Jugendliche mit hohem Aspirationsniveau.[74]

 

Diese antizipierte Gefahr, die eigenen beruflichen Vorstellungen nicht verwirklichen zu können oder womöglich gar keine Arbeit zu finden, kann für diese Jugendlichen zu einer Dauerbelastung werden.[75] Dadurch könnte es zu Gefühlen der Sinnlosigkeit sowie zu einer Bindungs- und Beziehungslosigkeit zur Schule und somit zu Motivations- und Frustra­tionsproblemen kommen.[76] Weitere Folgen könnten Resignation, Indifferenz und daraus resultierend eine Lockerung der Bindungen an gesellschaftliche Normen sein.

 

Es soll nun geprüft werden, ob pessimistische Zukunftsvorstellungen zur Entstehung von devianten Verhaltensweisen beitragen können. Diese Überlegungen gehen z.T. auf die modifizierte Frustrations-Aggressions-Hypothese von Berkowitz zurück, nach der Fru­strationen oder aversive Reize das individuelle Erregungsniveau erhöhen, woraufhin aggressives Verhalten als mögliche Reaktion auftreten kann.[77] Dabei werden die ne-gativen Zukunftsaussichten der Struktur dieser Arbeit folgend lediglich als ein möglicher Pfad betrachtet, auf dem sich Defizite in der Ausbildung auf deviantes Verhalten auswirken könnten, es wird jedoch nicht davon ausgegangen, daß Zukunftspessimismus allein Jugenddevianz erklären kann.

 

Zur Überprüfung dieses potentiellen Zusammenhanges soll erneut die Untersuchung von Heitmeyer[78] herangezogen werden. In bezug auf den Zusammenhang von individuellen Zukunftsvorstellungen und Gewalthandlungen resultierte aus den Befragungen, daß sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern „der Anteil der Jugendlichen, die tatsächlich Gewalt ausüben, [...] unter den pessimistischen Jugendlichen höher [ist], als unter den eher zuversichtlichen Jugendlichen“[79]. Leider wurde nicht näher erläutert, mit welchem Auswertungsverfahren die Autoren zu diesem Ergebnis gelangten.

 

Auch die Ergebnisse der schriftlichen Befragung einer Zufallsstichprobe von 1.480 13-17jährigen Jugendlichen aus Bielefeld und Münster sprechen für derartige Zusammen-hänge.[80] Da die ausführliche empirische Analyse der Daten in bezug auf die hier interes-sie­renden Zusammenhänge jedoch nur als Manuskript vorhanden und somit für mich nicht zugänglich ist, können an dieser Stelle wiederum nur die Hauptergebnisse dar-gestellt werden. Es zeigte sich, daß die individuelle Perspektivlosigkeit und Hoffnungs-losigkeit bezüglich der Zukunft bei Mädchen dahingehend Einfluß darauf hat, ob Delin-quenz überhaupt auftritt, während bei Jungen die Häufigkeit von delinquentem Ver-halten beeinflußt wird.[81] Auch die Erwartung, den sozialen Status der Eltern nicht selbst erreichen zu können, was sich ebenfalls als Aspekt einer pessimistischen Zukunfts-einschätzung beschreiben läßt, „hängt offensichtlich fast durchweg mit der Ausübung von Aggressionsdelikten zusammen, insbesondere mit der Körperverletzung und der Sachbeschädigung“[82].

 

Daß auch Untersuchungen mit qualitativen Methoden zu ähnlichen Ergebnissen ge-langen, zeigen erste Ergebnisse einer Studie von Böttger.[83] Dabei wurden 100 biographi­sche Interviews nach dem Konzept des „problemzentrierten Interviews“[84] mit einer quotierten Stichprobe von Jugendlichen aus Niedersachsen zwischen 15 und 25 Jahren durchgeführt, von denen 70 mehrfach illegale Gewalt ausgeübt haben.[85] Als eine Tendenz zeichnet sich dabei ab, daß für Jugendliche, die

 

„in der Teilnahme am Unterricht subjektiv keine Chance mehr für ihr weiteres Leben sehen, [...] die Kontroll- und Sanktionsmechanismen des Schulsystems an Wirkung [verlieren] und Gewalt-handlungen [...] innerhalb wie außerhalb der Schulen ausgeübt [werden]“[86].

 

Eine Untersuchung von Willems[87] auf der Grundlage von 1.398 polizeilichen Er-mittlungsakten aus sechs west- und drei ostdeutschen Bundesländern der Jahre 1991 und 1992 zeigt darüber hinaus, daß auch bei fremdenfeindlicher Gewalt Bedrohungen und Verunsicherungen hinsichtlich der Zukunft von den meist jugendlichen Tätern (75 % waren jünger als 20 und 91,7 % jünger als 24 Jahre) antizipiert wurden.[88]

 

In diesen Fällen kann m.E. davon ausgegangen werden, daß für die Gewalt, die aus Frustrationen über die eigenen negativen Zukunftsperspektiven resultiert, nach Kana-lisierungen und Legitimationen gesucht und in ethnischen Minoritäten gefunden wird, welche aus dieser Sicht z.B. eine Bedrohung des eigenen Arbeitsplatzes darstellen. Auch Heitmeyer versteht diese „Ethnizisierung“ als den „Versuch, die eigene Integration in die Gemeinschaft dadurch zu sichern, daß andere Personen im Gegenzug ausgegrenzt werden“[89].

 

Eine Studie, die sich primär mit der Negativ-Selektion durch Lehrerbewertungen befaßt, wird von Dietz wiedergegeben.[90] Dabei zeigte sich, daß die Delinquenz von Jugend-lichen in jenen Phasen ansteigt, in denen Ausleseentscheidungen (in Form von Zeug-nissen oder Schulabschlüssen) bevorstehen oder durchgeführt werden. Dieser Befund kann m.E. dahingehend interpretiert werden, daß in diesen Phasen die antizipierte ungünstige persönliche Zukunft verstärkt in das Bewußtsein der Jugendlichen rückt und somit deutlichere Auswirkungen auf die Gegenwart, auch in Form von devianten Re-aktionsweisen, hat.

 

Auch Herr Pabst, Jugendschutzmitarbeiter im Jugendamt der Stadt Braunschweig, äußerte in einem persönlichen Gespräch mit mir, daß die Perspektivlosigkeit ein beson-deres Problem der Hauptschüler sei, das mit gewalttätigen Verhaltensweisen durchaus in Zusammenhang stehe.[91]

 

Abschließend muß festgestellt werden, daß die Auswirkungen von pessimistischen Zukunftsvorstellungen bei jugendlichen Hauptschülern auf deviantes Verhalten bislang kaum systematisch untersucht wurden. Die angeführten diesbezüglichen Untersuchungs-ergebnisse wurden meist als Nebenresultate wiedergegeben, eine direkte Erforschung dieses Zusammenhanges mit ausführlich beschriebenen Erfassungs- und Auswertungs-methoden wäre also wünschenswert, und zwar sowohl mit quantitativen als auch mit qualitativen Methoden (z.B. weiteren offenen Interviews), um besser überprüfen zu können, ob die Häufigkeitsverteilungen  auch für kausale Zusammenhänge sprechen und in welcher Richtung diese verlaufen.

 

Dennoch komme ich zu dem Schluß, daß das vorhandene empirische Material dafür spricht, daß subjektiv negative Zukunftsvorstellungen und damit verbundene Sinn-losigkeitsempfindungen und Bindungsverluste zum Schulsystem die Entstehung von Devianz als Belastungsreaktion begünstigen können und daß sie damit als eine intervenierende Variable zwischen einer defizitären Bildungssituation und Delinquenz betrachtet werden können. 

 

2.1.2) Negatives Selbstbild als Prädiktor für Devianz

 

Als nächste potentielle vermittelnde Variable zwischen einer ungünstigen Bildungs-situation und deviantem Verhalten Jugendlicher soll nun das Selbstbild der Jugendlichen untersucht werden. Dies geht aus der Perspektive der Regulationskrise hervor, nach der auch in beruflicher Hinsicht den Jugendlichen „die erweiterten Handlungsspielräume und Optionsmöglichkeiten [..] vor Augen“[92] geführt werden, die von den Hauptschülern aufgrund der Abwertung der Bildungszertifikate jedoch nicht realisiert werden können, was sich m.E. besonders auf das Selbstbild der Jugendlichen auswirken könnte.

 

Aufgrund der unterschiedlichen Definitionen in den empirischen Untersuchungen soll das Selbstbild an dieser Stelle lediglich als Summe der positiven und negativen Einschätzungen des Jugendlichen bezüglich seiner eigenen Fähigkeiten und Eigen-schaften umschrieben werden.[93] Wie bei Einstellungen generell, so kann auch bei diesen Einstellungen gegenüber sich selbst davon ausgegangen werden, daß sie kognitive (Selbstbewertung), affektive (Selbstwertgefühl) und konative (auf das Verhalten aus-gerichtete) Komponenten umfassen.[94]

 

Die schulische Situation der Jugendlichen, in der sie sich als „individualisierte Fähigkeitsbesitzer verorten lassen“[95] müssen, kann m.E. deshalb einen so großen Einfluß auf das Selbstbild der Schüler ausüben, weil schulischer Erfolg bzw. Mißerfolg unter der Annahme der Chancengleichheit generell internal attribuiert wird:

 

„Nach allgemeinem gesellschaftlichen Verständnis tragen Jugendliche heute den Schlüssel zum Erfolg oder Mißerfolg im schulischen Sektor bei sich. Das individuelle Leistungsverhalten entscheidet über die Position in der Hierarchie von Belohnungen im Schulsystem. [...] Versagen gilt als ein persönlich-individuell zuschreibbares Verhalten, ebenso wie Erfolg.“[96]

 

Auch nach den Annahmen der Streßreaktionsforschung kann die internale Mißerfolgszu-schreibung und die Vorstellung, nicht über ausreichende Kompetenzen zur Verbesserung der eigenen Lage zu verfügen, zu erheblichen Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls führen.[97] Diese Effekte konnten auch empirisch nachgewiesen werden. Im Jahr 1993 wurde eine schriftliche Befragung von 2.663 Schülern der Klassenstufen 5 bis 9 aus je drei unterschiedlichen Regionen in Hessen und Sachsen-Anhalt mit einer Quotierung nach Schulform durchgeführt.[98] Dabei zeigten leistungsmäßig schlechtere Schüler eine „deutlich ungünstigere Wahrnehmung der eigenen Person und ihrer Handlungs-kompetenz“[99].

 

Eine im Herbst 1986 durchgeführte schriftliche Befragung einer nach Schulform und Jahrgang proportional geschichteten Stichprobe von 1.717 Schülern des 7. und 9. Schul-jahrgangs aus den Städten Essen, Bielefeld und dem Landkreis Lippe erfragte u.a. die subjektive Gewißheit der Schüler, eigene berufliche Wünsche realisieren zu können.[100] Zusätzlich wurde das Selbstwertgefühl anhand der Zustimmungen oder Ablehnungen zu acht Aussagen auf einer vierstufigen Rating-Skalen erhoben.[101]

 

Bei der Untersuchung eines potentiellen Zusammenhangs zwischen beiden Variablen zeigte sich, daß von den Jugendlichen, die sich sicher waren, ihre beruflichen Vorstellun­gen verwirklichen zu können, 38 % ein eher schwaches Selbstwertgefühl aufwiesen, während dieser Anteil bei denjenigen Schülern, die sich hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft sehr unsicher zeigten, auf 63 % anstieg.[102]

 

Angesichts dieser Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, daß vor allem Haupt-schüler durch ihre schulische Situation die größte Beeinträchtigung ihres Selbstbildes erfahren.[103] Insbesondere die schlechten Zukunftsaussichten können bei den Jugendlichen das Gefühl entstehen lassen, in dieser Gesellschaft nicht gebraucht zu werden, was sich äußerst negativ auf das Selbstwertgefühl auswirken kann. Dies soll anhand von Ausschnitten aus einem offenen, leitfadengestützten Interview verdeutlicht werden, das 1989 von Dietz[104] mit „Kunifrede“ durchgeführt wurde, die in der Orientierungsstufe eine Empfehlung für die Hauptschule bekam:

 

„Ich fand irgendwie so, oh, jetzt bist du die Schlechteste, jetzt gehörst du zu den Doofen. Meine Eltern wollten, daß ich auf`s Gymnasium komme. Und dann hat die Klasse das irgendwie rausgekriegt. Und dann haben sie mich gehänselt: `Was, auf`s Gymnasium ?  Du gehörst auf die Hauptschule !´ [...] Von den Mitschülern vom Gymnasium und Realschule wurden wir wie der letzte Dreck behandelt.“[105]

 

Welch einen großen Einfluß die als unangenehm erlebte Situation des Hauptschulbe­suchs auf die gesamte Persönlichkeit des Jugendlichen hat, veranschaulicht auch die Aussage von „Kari“: „Wenn man auf Hauptschule ist, dann will man so aufgeben. Alle sagen das fast.“[106] Allein die Tatsache, auf die Hauptschule zu gehen, kann also eine belastende Situation darstellen. Kommen dann noch schulische Leistungsprobleme hinzu und wird nur ein schlechter oder womöglich gar kein Hauptschulabschluß antizipiert, wird das Selbstwertgefühl bei diesen Gruppen am massivsten in Frage gestellt.[107]

 

Infolgedessen wird nun der Frage nachgegangen, ob ein negatives Selbstbild die Ent-stehung von deviantem Verhalten begünstigen kann und somit als intervenierende Vari-able zwischen der Zugehörigkeit zu der unteren Bildungsgruppe und Devianz angesehen werden kann. Ich knüpfe damit an Kaplans[108] sozialpsychologischer Theorie der Devianz an, die – verkürzt dargestellt – unter der Annahme eines allgemeinen Motivs zur Erhal-tung bzw. Steigerung des Selbstwertgefühls davon ausgeht, daß bei selbstabwertenden Erfahrungen alternative, d.h. abweichende, Handlungen begangen werden, um auf diesem Wege Selbstwertsteigerungen herbeizuführen.[109]

 

Speziell in bezug auf gewalttätige Verhaltensweisen geht auch Kornadt davon aus, daß die „Selbstwertdienlichkeit der Aggression [als] der funktionelle Kern des Aggressions-motivs zu sehen ist“[110]. Diese Selbstwertdienlichkeit sieht Nolting aus lerntheoretischer Perspektive darin begründet, daß „der Schmerz des anderen zum Signal des eigenen Er-folges werden kann“[111]. Gelingt es dem Jugendlichen, durch sein deviantes Verhalten Selbstwertsteigerung z.B. durch die Aufmerksamkeit anderer zu erfahren, kann dies nach den Annahmen der Lerntheorie eine positive Verstärkung darstellen, woraufhin sich die Neigung erhöht, diese Verhaltensweisen zu wiederholen.[112]

 

Ergebnisse der psychologische Forschung weisen desweiteren darauf hin, daß Personen mit geringem Selbstwert eine niedrigere Frustrationstoleranz aufweisen und proble-matische Interaktionen häufiger als Provokationen interpretieren.[113]

 

Eine Untersuchung, die den Zusammenhang zwischen internaler Mißerfolgszuschrei-bung, die sich negativ auf den Selbstwert auswirkt, und Devianz erfaßt, ist eine schrift-liche Befragung von 1.583 Schülern der Sekundarstufe I und 2.086 Jugendlichen der Sekundarstufe II, die im Winter 1989/90 in Nordrhein-Westfalen von Mansel und Hurrel-mann durchgeführt wurde.[114] Dabei wurden drei unterschiedliche regionale Kontexte sowie die Verteilung auf die verschiedenen Schul- und Ausbildungstypen berück-sichtigt.[115] Aggressive Verhaltensweisen wurden erfaßt durch die Angabe, in den letzten 12 Monaten jemanden verprügelt oder genötigt oder Sachen anderer mit Gewalt weg-genommen oder zerstört zu haben.[116]

 

In bezug auf die hier interessierende Fragestellung kommen die Autoren zu dem Schluß, daß Jugendliche, die mit der bisherigen Schullaufbahn oder der aktuellen beruflichen Situation unzufrieden sind und die Ursache für diese Situation bei sich selbst suchen, „eher zu aggressiven Verhaltensweisen [tendieren]“[117] als andere Jugendliche. Auch hier werden jedoch leider keine konkreteren Angaben gemacht.

 

Die Einflüsse des allgemeinen Selbstbilds auf die Devianz von Jugendlichen wurden auch in der bereits in Abschnitt 2.1.1 zitierten Befragung von Heitmeyer[118] untersucht. Hier wurde der subjektive Selbstwert mit dem Grad der Zustimmung zu drei Aussagen auf einer vierstufigen Rating-Skala erfaßt.[119]

 

Dabei ergab sich, daß bei der männlichen westdeutschen Gruppe von denjenigen mit niedrigem Selbstwertgefühl 44 % in den letzten 12 Monaten gewalttätiges Verhalten gezeigt hatten, während dies nur bei 26 % derjenigen mit hohem Selbstwertgefühl der Fall war.[120] Die weiblichen westdeutschen Jugendlichen mit niedrigem Selbstwert hatten zu 22% Gewalt ausgeübt, bei hohem Selbstwert waren es 9 %.[121] Für die ostdeutsche Stichprobe ergaben sich ähnliche Relationen, wenn auch die Differenzen nicht ganz so hoch ausfielen wie bei den westdeutschen Jugendlichen.[122]

 

Eine weitere Untersuchung, die das Selbstwertgefühl von Jugendlichen erfaßte, ist die schriftliche Befragung einer geschichteten Stichprobe von 115 Berliner Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 16 Jahren, die im Winter 1982 durchgeführt wurde.[123] Trotz der im Endeffekt relativ kleinen Stichprobe soll diese Untersuchung hier wiedergegeben werden, da in ihr konkrete Angaben zu der Höhe von Korrelationen gemacht werden.

 

Mittels standardisierter Fragebögen, die während der Unterrichtszeit auszufüllen waren, wurden u.a. das Selbstwertgefühl und die Transgressionsbereitschaft jeweils auf einer vierstufigen Rating-Skala erfaßt.[124]

 

Mit einer sehr signifikanten (p< 0.001) Pearson-Korrelation[125]  von immerhin r= 0.48 ergab sich bei dieser Untersuchung ein sichtbarer Zusammenhang zwischen negativem Selbstwertgefühl und der Bereitschaft zu normverletzendem Verhalten.[126]

 

Auch meine Gespräche mit Herrn Buttler, dem Beauftragten für Jugendsachen der Kriminalpolizei Braunschweig und dem Sozialarbeiter Herrn Pabst ergaben, daß ein negatives Selbstbild mit einem geringen Selbstwertgefühl bei den jugendlichen Tätern, aber auch bei den Opfern sehr häufig zu beobachten ist und nach Ansicht dieser „Experten“ durchaus einen gewissen Erklärungswert bei der Entstehung krimineller Handlungen besitzt.[127]

 

Zu einer ähnlichen Auffassung gelangen auch Jugendliche selbst, wenn sie nach Motiven für aggressive Verhaltensweisen befragt werden. Davon ausgehend, daß Schüler, die Gewalt ja häufig direkt erleben oder beobachten, die wissenschaftliche Forschung nach den Ursachen bereichern könnten, führten Dettenborn und Lautsch im Winter 1991/92 eine Befragung von 2.553 Schülern der 7. und 10. Klasse aus Berlin durch.[128] Dabei wurde den Jugendlichen die offene Frage gestellt, welche Ursachen Schüler ihrer Meinung nach haben, Gewalt gegenüber anderen Schülern oder gegenüber Gegenständen anzuwenden.[129] Aus den Antworten wurden anschließend elf Kategorien gebildet. Dabei ergab sich, daß von den Gründen, die die Schüler nannten, 32 % auf die Motivkategorie „Geltungsstreben / Suche nach Anerkennung“ entfielen, die somit am zweithöchsten besetzt wurde.[130] Demzufolge räumen die Schüler dem Motiv der Selbstwertauf-besserung eine exponierte Stellung ein. Am höchsten besetzt war mit 39 % die Motiv-kategorie „Frustrationen“ gesellschaftlicher, schulischer und familiärer Art.[131] Dazu zählten Antworten wie „keine Zukunft“ oder „Leistungsdruck“. Die Autoren gingen von einem m.E. plausiblen Zusammenhang beider Motive aus, insofern, als daß permanente Frustration zu Selbstwertlabilisierungen führen könnte.[132]

 

In Anlehnung an diese Untersuchung führte Funk im Jahr 1994 eine schriftliche Befragung von 62 Nürnberger Schulklassen (1.458 Schüler) durch, die nach Schultyp entsprechend ihrem Anteil in der Grundgesamtheit geschichtet worden waren.[133] Auch hier wurden die Schüler danach gefragt, welches ihrer Meinung nach die Gründe für gewalttätiges Handeln sind, wobei allerdings 10 Antwortkategorien vorgegeben waren. Dabei gaben 66,5 % der Mädchen und 63,5 % der Jungen „Angeberei, um Anerkennung zu erhalten“ als somit häufigstgenannten Grund für Gewalt zwischen Schülern an.[134]

 

Aufgrund dieser z.T. recht plastischen Ergebnisse über die Zusammenhänge zwischen Defiziten im Bildungsbereich und dem Selbstbild Jugendlicher sowie dem (negativen) Selbstbild und Devianz kann m.E. davon ausgegangen werden, daß das Selbstbild eine wichtige intervenierende Variable zwischen der Bildungssituation und dem Ausführen von devianten Handlungen darstellt, wobei die Devianzausübung für die Jugendlichen die (bewußte oder unbewußte) Funktion der Selbstwerterhöhung besitzt.

 

Dennoch wären auch hier weitere Untersuchungen, vor allem qualitative, wünschens-wert. Das Konzept von Dettenborn und Lautsch, die Jugendlichen selbst mit ihren all-täglichen Deutungen der Realität zu Wort kommen zu lassen, halte ich bereits für eine gelungene Bereicherung der bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen, obwohl dabei die Gefahr besteht, daß ein Teil der Jugendlichen lediglich die Ursachenzuschrei-bungen übernimmt und wiedergibt, die z.B. in den Medien vorgenommen werden.

 

Ein weiteres Problem der angeführten Untersuchungen zwischen dem Selbstbild und der Devianz Jugendlicher ist in dem querschnittlichen Forschungsdesign zu sehen. Da hier davon ausgegangen wurde, daß sich das Selbstbild von Jugendlichen und ihre Devianz gegenseitig insofern beeinflussen, als daß ein negatives Selbstbild deviantes Verhalten begünstigt und Devianz wiederum Selbstwertsteigerungen herbeiführen kann, wäre zur Beleuchtung dieser Art der Wechselwirkung eine längsschnittliche Untersuchung durch-aus angebracht.

 

Eine derartige Untersuchung soll an dieser Stelle aufgrund ihrer räumlichen und zeitlichen Entfernung lediglich als Beispiel kurz umrissen werden. Dabei handelt es sich um zwei Befragungen von 1.886 Jungen der zehnten Klasse, die im Herbst 1966 und Frühjahr 1968 vom Sozialforschungsinstitut der Universität Michigan durchgeführt wurden.[135]

 

Dabei wurde das Selbstwertgefühl mit sechs Items und das deviante Verhalten sehr ausführlich mit 47 Items gemessen.[136] Es zeigte sich, daß ein niedriges Selbstwertgefühl das Begehen von devianten Handlungen begünstigen kann, während Devianz andererseits das Selbstwertgefühl anheben kann.[137]

 

Aus diesen Gründen kann der Zusammenhang zwischen Devianz und Selbstwertgefühl bei der Messung zu nur einem Zeitpunkt geringer erscheinen, als er tatsächlich ist, da sich dann die Effekte teilweise gegeneinander aufheben. Aktualisierende, längs-schnittlich angelegte Forschungen in der Bundesrepublik Deutschland wären somit sicherlich vielversprechend.

 

2.1.3) Bildungsbedingte Statusdeprivation als Auslöser für den An-schluß an deviante Gruppen

 

Während die bisherige Analyse der Entstehungszusammenhänge von jugendlicher Devianz sich vornehmlich auf individuelle Faktoren konzentriert hat, soll nun der soziale Aspekt des Hauptschulbesuchs näher betrachtet werden.

 

In den vorangegangenen Abschnitten wurde bereits die soziale Stellung der Hauptschule und mit ihr der Hauptschüler angesprochen. Schon in den siebziger Jahren wurde für die Hauptschule eine Tendenz zur „Restschule“[138] konstatiert, die sich aufgrund der abnehmenden Schülerzahlen und der sinkenden beruflichen Chancen weiter verstärkt hat und die somit auch negative Folgen für die Hauptschüler mit sich bringt, welche dem-entsprechend von anderen Schülern als „Restschüler“ etikettiert und behandelt werden. An dieser Stelle werden Verbindungslinien zwischen der Strukturkrise und der Kohä-sionskrise sichtbar, da sich hier die Folgen von strukturellen Gegebenheiten auf die Interaktion und Kohäsion – in diesem Fall von Schülern – auswirken. 

 

Da der soziale Status zu einem großen Teil über die Leistung einer Person zugewiesen wird[139], kann davon ausgegangen werden, daß sowohl der antizipierte als auch der aktuelle soziale Status von Hauptschülern, also ihre mit einem bestimmten Prestige be-setzte Stellung im Vergleich zu Schülern anderer Schulformen, überwiegend als niedrig anzusehen ist, besonders dann, wenn noch Schulprobleme hinzukommen. Nachdem der antizipierte Status, der in den Bereich der Zukunftserwartungen (Abschnitt 2.1.1) fällt, bereits behandelt wurde, erfolgt hier eine Konzentration auf den aktuellen sozialen Sta-tus, der zunehmend durch schulische Leistungen bedingt ist, da die Konkurrenzbeziehun­gen sich lebensgeschichtlich nach vorn verlagert haben und „Bildung als Verteilungs-kriterium von sozialem Status“[140] bereits im schulischen System fungiert.

 

Die im vorangegangenen Abschnitt 2.1.1 zitierte Aussage aus dem Interview mit „Kunifrede“, die das Verhalten der Schüler vom Gymnasium und von der Realschule als Angriff auf ihr Selbstwertgefühl empfand, macht gleichzeitig den bereits unter Schülern existierenden Zusammenhang von leistungsmäßigem und sozialem Status sehr deutlich.[141] Dieser Zusammenhang wird in der Forschung bereits als so evident an-gesehen, daß in einigen Studien die besuchte Schulform mit dem sozialen Status des Schülers gleichgesetzt wird.[142]

 

Deshalb soll im folgenden überprüft werden, ob eine als Belastung empfundene Beein-trächtigung des sozialen Status bei Jugendlichen dazu führen kann, sich Gruppen anzu-schließen, für die leistungsbezogene Statuszuweisungskriterien keine Gültigkeit besit-zen, da sie durch andere – nämlich abweichende – Möglichkeiten zum Statuserwerb er-setzt wurden oder ob sich aus „normalen“ Freundschaftsgruppen derartige Subgruppen mit abweichenden Wert- und Normstrukturen entwickeln können.[143] In diesen Gruppen kön­nten sich Normen entwickeln, die Gewalt gegen Sachen oder Personen als Zeichen von Stärke, Unabhängigkeit und Mut werten und auf diesem Wege Gelegenheit bieten, individuelle Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.[144] Hierbei dürften auch soziale Lern-prozesse eine wichtige Rolle spielen, insbesondere das Lernen am Modell, also die Über-nahme eines Verhaltens, das bei einem Modell (meist eine Person, zu der eine emo-tionale Beziehung existiert und/oder die eine höhere Statusposition besetzt) Erfolg bewirkt.[145]

 

Diese Überlegungen weisen enge Parallelen zu der Subkulturtheorie von Cohen & Short auf, nach der mangelnde Möglichkeiten, auf dem Wege der gesellschaftlich anerkannten Leistungsstandards zu Erfolg zu gelangen, Statusdeprivationen und Frustrationen hervor-rufen können.[146] Die betroffenen Jugendlichen können sich daraufhin zu Subkulturen mit abweichendem „Werte- und Verhaltenssystem, das dem herrschenden entgegen-gesetzt ist“[147] zusammenschließen, um somit eigene Statuskriterien zu schaffen, die den Mitgliedern der Subkultur die Erfüllung von Statusansprüchen ermöglichen.[148]

 

Während Cohen und Short das leistungsmäßige Versagen und den Zusammenschluß zu Subkulturen bei Jugendlichen auf die Zugehörigkeit zu unteren sozialen Schichten zu-rückführen – sie nehmen an, daß die „Basis-Subkultur eine Subkultur der Arbeiterklasse ist“[149] – soll hier allein der Einfluß einer defizitären Bildungssituation auf die Ent-stehung von abweichenden Subgruppen untersucht werden. Dabei könnten die Leistungs-probleme ihrerseits zwar auch durch die Sozialisation in unteren sozialen Milieus hervor-gerufen sein, was eigens zu untersuchen allerdings den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Außerdem werden im nächsten Abschnitt 2.2 Untersuchungen über den von sozialer Herkunft unabhängigen Einfluß von Defiziten im Bildungsbereich angeführt.

 

Obwohl in diesem Abschnitt davon ausgegangen wird, daß resultierend aus Bildungs-defiziten die Statusdeprivation das Hauptmotiv ist, sich zu devianten Gruppen zusam-menzufinden oder sich ihnen anzuschließen, können die bereits behandelten Variablen „pessimistische Zukunftsaussichten“ und „negatives Selbstbild“ m.E. ebenfalls dazu beitragen, sich von gesellschaftlich akzeptierten Leistungsnormen zu distanzieren und sich abweichenden Subgruppen anzuschließen.[150] Auch auf den Zusammenhang von Selbstbild und sozialem Status wurde in Fußnote 141 bereits hingewiesen.

 

In den empirischen Untersuchungen zu dem hier interessierenden Zusammenhang wird davon ausgegangen, daß z.B. mit der sich entwickelnden Schuldistanz ein häufigeres Schuleschwänzen einhergeht, wobei „[man] immer die gleichen Leute trifft, die offenbar in gleicher Weise sich Schule [...] entziehen [...], so daß sich allmählich gruppenartige Strukturen herausbilden“[151]. Eine Interviewpassage aus der bereits angeführten Unter-suchung von Dietz[152] soll dies am Beispiel von „Agnes“, die in der Orientierungsstufe auf die Hauptschule empfohlen wurde, verdeutlichen:

 

„Ich wollt´ auf Real. Ganz traurig war ich. Ja, dann kam das denn, daß die Leute mich angeekelt haben [...] und ich bin einfach nicht mehr zur Schule gegangen. [...] Da war ich auch in `ner Clique drin, wo sie gehascht haben und so. [...] Ich hab´ auch geklaut, das geb´ ich auch ganz offen zu, in Geschäften und Geld von anderen Leuten und sowas. Und das alles nur, weil ich für die andern auch was tun wollte.“[153]

 

Nachdem sie ihre Statusaspiration Realschule nicht erfüllen konnte, entwickelt „Agnes“ eine wachsende Distanz zur Schule und schließt sich dann einer devianten Clique an, in der es üblich war, daß jedes Mitglied auch deviante Handlungen ausführte.

 

In den Cliquen können Gruppenstrukturen entstehen, die dazu führen, daß die Zuweisung von Status und Anerkennung über die Ausübung von abweichendem Verhalten erfolgt, wodurch zugleich die Gruppenkohäsion erhöht wird und der devianten Gruppe eine Integrationsfunktion zukommt.[154]

 

Diese Aspekte sollen durch eine weitere Passage aus einem qualitativen Interview verdeutlicht werden, das Stenger 1980 mit einem haftentlassenen Jugendlichen (ohne Altersangabe) führte, der die Hauptschule ohne Abschluß verlassen hatte.[155] Trotz des seit dem Interviewzeitpunkt inzwischen verstrichenen Zeitraums gehe ich davon aus, daß der beschriebene Sachverhalt weiterhin aktuell ist.

 

„Das ist, erst einmal will man ja nicht unbedingt zurückstecken vor den anderen, jetzt also einer, der hat jetzt einen Bauwagen aufgebrochen oder so etwas, irgendeinen Scheiß, das mußte man auch machen [...]

 

– Dann war das einfach nur wichtig, Anerkennung zu bekommen [...] ?

 

Ja, klar. Zumindest am Anfang hat das eine unheimliche Rolle gespielt.“[156] 

 

Während bei den oben (Abschnitt 2.1.1 und 2.1.2) beschriebenen Wirkungszusammen-hängen über pessimistische Zukunftsaussichten und ein negatives Selbstbild die Funktion von Devianz hauptsächlich in der Spannungsabfuhr von Frustrationen bestand und die Devianz somit überwiegend als expressiv zu betrachten war, zeigt sich im Zusammen-hang mit der Statuserhöhung der Hauptschüler durch deviantes Handeln in Gruppen ein eher instrumenteller Charakter von Devianz.

 

Die peer-group, die bei anderen Jugendlichen lediglich ein – wenn auch wichtiger –  Bezugspunkt neben anderen ist, kann sich bei den devianten Jugendlichen durch ihre Statuszuweisungs- und Integrationsfunktion zum zentralen Lebensmittelpunkt ent-wickeln.[157] Dadurch werden die devianten Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum beibehalten und es kann zu einer vollständigen Abkehr von den schulischen Leistungsnormen kommen, was sich wiederum negativ auf den beruflichen Werdegang auswirkt. Dies geht z.B. aus einem der leitfadengestützten Interviews hervor, die Kühnel und Matuschek im Sommer 1993 mit 77 Berliner Jugendlichen im Alter von 16 bis 23 Jahren durchführten.[158] Die zitierte Katrin gehörte einer gewaltorientierten Hooligan-Szene an:

 

„Ja, das war `ne Zeit [...], wo du so lange unten [bei der Clique] geblieben bist, wo deine Leute dir irgendwie wichtiger waren als die Schule. [...] ja, da war dir alles egal, da haben wir gesagt, Mensch, ach Leute und Zukunft, aber das ging dir so am Hintern vorbei mit der Zeit, war ja so egal.“[159]

 

Eine andere Interviewpassage aus der bereits angeführten Untersuchung haftentlassener Jugendlicher von Stenger[160] veranschaulicht, daß die Bedeutung der devianten Clique durchaus so groß sein kann, daß sie den Abbruch der Ausbildung herbeiführt:

 

„Wenn ich die Lehre gemacht hätte, hätt´ ich irgendwie wahrscheinlich, ja klar, die Leute waren irgendwie `n ganzen Tag zusammen. Und wenn man da nur abends hinkommt, [...] dann gehört man nicht mehr zu der Gruppe, woll. [...] Und da hab´ ich lieber auf alles verzichtet, weil ich mich in dieser Gruppe wohler fühlte. Aus Überzeugung hab´ ich das gemacht.“[161]

 

Der negative Kreislauf, der sich daraus entwickeln und zu dauerhafter Kriminalität füh-ren kann, soll an einem letzten Interviewbeispiel dargestellt werden:

 

„[A]ber die meisten [in der Clique] waren wohl auch im Eigenverständnis, das war [...] nicht ihr Ziel kriminell zu sein, aber das war eine Sache, das lohnte sich. Wenn man sonst schon nichts anderes sein konnte, dann konnte man doch möglichst mit Erfolg kriminell sein; denn eine andere Möglichkeit gab es ja kaum. Was sollte man sonst machen?“[162]

 

Eine quantitative Untersuchung, die u.a. den Zusammenhang von Schulform und Gruppendevianz erfaßt, stellt eine Befragung von 3.609 bayerischen Schülern mit Hilfe von standardisierten Fragebögen dar, die Ende 1993 durchgeführt wurde.[163] Die geklumpte und geschichtete Stichprobe der Schüler der Jahrgänge 5 bis 13 kann in bezug auf die Verteilung nach Schulform, dort nach Zahl der Schüler der jeweiligen Jahrgänge und nach regionalem Kontext als recht gutes Abbild der Schüler an bayerischen Schulen angesehen werden.[164]

 

Die Schüler wurden u.a. danach befragt, ob sie ihre Freizeit zum Großteil alleine, mit den Eltern, mit Freunden oder in einer festen Clique verbringen.[165] In Verbindung mit den Antworten auf die Frage zu der im laufenden Schuljahr ausgeübten Gewalttätigkeit zeigte sich, daß vor allem Schüler der Haupt- und Berufsschulen, „die in der Freizeit mit ihrer Clique zusammen sind, eindeutig gewaltaktiver sind als ihre Mitschüler“[166], die ihre Freizeit anders als in einer Clique verbringen. Für Schüler anderer Schulformen ergaben sich aus ihrem Freizeitkontext kaum Differenzen im Gewaltverhalten. Diese Befunde können dahingehend interpretiert werden, daß abweichende Gruppenkontexte, in denen etwa Gewalt zur Statuserhöhung ausgeübt wird, bei Hauptschülern eine größere Rolle spielen als bei Schülern anderer Schulen.

 

In derselben Untersuchung wurden die Schüler auch konkret zu ihrer Mitgliedschaft in hierarchisch strukturierten Gangs oder Banden mit abweichenden Normen und entsprechend deviantem Freizeitverhalten befragt.[167] Derartige Gruppen, die durchaus als faktische Subkulturen anzusehen sind, treten natürlich nur sehr selten auf, und selbst-verständlich werden gewalttätige Handlungen auch von anderen Jugendlichen begangen. Auch hier ergab sich, daß der Anteil der Gangmitglieder unter den männlichen Haupt- und Berufsschülern mit 5,7 % bzw. 8 % höher lag als bei den Gymnasiasten mit  2 %.[168]

 

Weitere aktuelle quantitative Untersuchungen, die sich direkt auf den hier untersuchten Zusammenhang sozialem Status und Mitgliedschaft in einer devianten Gruppe beziehen, wären wünschenswert, und zwar möglichst längsschnittlich angelegte, da auch in bezug auf den Status, ähnlich wie bei dem Selbstbild, davon ausgegangen werden muß, daß sich der subjektive Status vor der Zugehörigkeit zu einer devianten Gruppe von demjenigen nach dem Beitritt unterscheidet.

 

Dennoch spricht m.E. vor allem das anschauliche qualitativ erhobene Material dafür, daß die von Hauptschülern im Bildungssystem erfahrene Statusdeprivation tatsächlich zu einer Entstehung von oder einem Beitritt zu devianten Gruppen führen kann, da hier das Motiv, einen gewissen Status und Anerkennung zu erreichen, auf anderen, nämlich abweichenden Wegen erreicht werden kann. Dadurch wird außerdem die Integration in eine Gruppe vollzogen, so daß auch hier die Devianz spezifische Funktionen erfüllt. Eine besondere Gefahr ist in diesem Zusammenhang in der Tendenz zu längerfristig devian-tem Verhalten mit der vollständigen Abkehr vom Ausbildungssystem zu sehen.

 

Der Aspekt der Gruppendevianz erfährt auch dadurch besondere Bedeutung, daß ein großer Teil der offiziell registrierten Straftaten in Gruppen begangen wird. In höchstem Maße trifft dies für fremdenfeindliche Gewalt zu, was z.B. durch die bereits angeführte Untersuchung von Willems belegt wird, nach der 93,8 % der erfaßten fremdenfeind-lichen Straf- und Gewalttaten in Gruppen verübt wurden.[169]

 

2.2) Empirische Ergebnisse zu den Häufigkeiten devianten Verhaltens in Abhängigkeit von der Schulform

 

Nachdem nun die individuellen und sozialen Wirkungsgefüge, auf denen sich die Zu-gehörigkeit zu einer niedrigeren Bildungsgruppe auf die Entstehung devianten Handelns auswirken kann, theoretisch hergestellt und mit Hilfe von empirischem Material überprüft worden sind, sollen an dieser Stelle die Untersuchungen über die Häufigkeits-verteilung abweichenden Verhaltens nach den verschiedenen Schulformen wieder-gegeben werden, um den direkten Zusammenhang zwischen Defiziten in der Ausbildung und Devianz zu beleuchten.

 

Es soll zunächst eine Analyse von polizeilichen Ermittlungsakten der Stadt Hannover[170] herangezogen werden, um so Auskünfte über das Bildungsniveau von offiziell registrier-ten Beschuldigten zu erhalten. In diese Analyse wurden sämtliche Strafverfahrensakten von unter 21jährigen Jugendlichen aufgenommen, die in den Jahren 1990, 1993 und 1996 angeklagt wurden, Raub- oder Körperverletzungsdelikte begangen zu haben.[171]

 

Dabei zeigte sich, daß Angeklagte, die die Hauptschule besuchten oder die Schule ohne Abschluß verlassen haben, stark überrepräsentiert waren: 46,7 % der Angeklagten waren Schüler der Hauptschule, während bei einer von den Autoren durchgeführten Befragung von 2.268 Hannoveraner Schülern lediglich 19 % angaben, die Hauptschule zu besuchen.[172] Die Gymnasiasten waren unter den Angeklagten lediglich mit 4,2 % vertreten, wohingegen die Schülerbefragung ergab, daß 34,8 % das Gymnasium besuchten.[173] Weiterhin hatten 12 % der Angeklagten die Schule (meist die Hauptschule) ohne Abschluß verlassen.[174]

 

Diese Zahlen, die an sich deutlich für die starke Präsenz von Jugendlichen mit niedrigem Bildungsniveau unter den Angeklagten relativ „schwerer“ Deliktformen sprechen, könnten dahingehend kritisiert werden, daß bei der Registrierung möglicherweise Verzerrungseffekte insofern aufgetreten sind, als daß z.B. Hauptschüler bei der Begehung ihrer Taten weniger geschickt und unauffällig vorgehen und daher häufiger angeklagt werden als Gymnasiasten oder daß bei der Registrierung der Beschuldigten Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse seitens der Kontrollinstanzen wirksam werden, die dazu führen, daß Hauptschüler in der Gruppe der Angeklagten über-repräsentiert sind.[175]

 

Um derartige Kritikpunkte zu reduzieren, werden nun Untersuchungen zur selbstberich-teten Devianz herangezogen, da Kontroll- und Etikettierungsprozesse hier kaum Aus-wirkungen zeigen können.

 

In diesem Zusammenhang kann erneut auf die in Abschnitt 2.1.1 zitierte Studie von Albrecht und Howe[176] zurückgegriffen werden. Die mit Hilfe von 12 Items aus den Deliktbereichen einfacher und schwerer Diebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Betrug erfaßte selbstberichtete Delinquenz wurde zusätzlich nach den Häufigkeiten der bisher ausgeübten Taten pro Deliktkategorie unterteilt.[177] Die Delinquenz wurde u.a. mit der Schulform der Jugendlichen in Zusammenhang gesetzt und auf Signifikanz hin überprüft.[178] Dabei zeigten sich unter Kontrolle des Alters besonders bei den älteren Jugendlichen (16 und 17 Jahre) signifikante (p< 0.05) bis sehr signifikante (p< 0.01) Zusammenhänge zwischen der Schulform und den Deliktbereichen schwerer Diebstahl, Körperverletzung, Sachbeschädigung und der Delinquenz insgesamt, und zwar dahin-gehend, daß die Delinquenzbelastung zunimmt, je niedriger der Schulstatus ist.[179]

 

Lediglich für einen Deliktbereich, nämlich die Körperverletzung, geben die Autoren neben den Signifikanzangaben auch inhaltlich konkretere Prozentsatzzahlen zur Ver-anschaulichung wieder. Die Unterschiede nach Schulformen werden dabei vor allem bei männlichen Mehrfachtätern (vier und mehr Taten) sehr deutlich: während von den Sonder- und Hauptschülern 12,3 % angaben, vier oder mehr Körperverletzungsdelikte begangen zu haben, waren unter den Realschülern 4,3 % und unter den Gymnasiasten lediglich 2,1 % Mehrfachtäter zu finden.[180]

 

Bemerkenswert ist diese Studie auch deshalb, weil von den Jugendlichen außerdem die Schulbildung und die Berufe beider Eltern erfaßt und mit Hilfe von fünf unter-schiedlichen Skalierungskonzeptionen als Indikatoren der sozialen Schicht der Eltern herangezogen wurden.[181] Dadurch war es möglich, eine eventuelle gemeinsame Ab-hängigkeit der Schulleistungen und Devianz der Jugendlichen von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht zu kontrollieren.

 

Dabei ergaben sich keine statistisch signifikanten Zusammenhänge zwischen dem Herkunftsstatus und der Häufigkeit der ausgeübten Gewalt der Jugendlichen, außer im Fall der Körperverletzung bei den 16- und 17jährigen Mädchen, bei denen aufgrund der geringen Prozentsatzdifferenzen die Zusammenhänge jedoch „letztlich [...] eher beschei-den“[182] waren.

 

In dieser Studie zeigte sich also, daß die besuchte Schulform der Jugendlichen tatsäch-lich in einem nachweisbaren Zusammenhang mit der Häufigkeit der von ihnen ausge-übten Gewalttätigkeit stand, und zwar unabhängig vom jeweiligen Herkunftsstatus.

 

Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen Melzer, Schubarth und Schröder, die im Winter 1990/91 eine schriftliche Befragung von 1.500 west- und 1.250 ostdeutschen Jugend-lichen im Alter von 15 bis 24 Jahren durchführten, um die Verbreitung von rechtsextre-men Orientierungen zu untersuchen.[183] Die Variable „Bildung“ wurde dabei aus dem fakti­schen Schulbesuch (Gymnasium vs. Hauptschule bzw. Polytechnische Oberschule vs. Erweiterte Oberschule) und den Erwartungen in bezug auf den Schul- und Berufsab-schluß gebildet.[184]

 

Dabei zeigte sich, sowohl bei latentem Rechtsextremismus, der ermittelt wurde durch die Verbrei­tung von Antipathien gegenüber Türken, von antisemitischen und nationalisti­schen Einstellungen und von autoritäre Charakterstrukturen, als auch bei manifester Ausländerfeindlichkeit, daß die Jugendlichen mit niedrigem Bildungsniveau deutlich höhere Werte erzielten als diejenigen mit hohem Bildungsstand.[185] Der Aussage „Es wäre am besten, wenn alle Ausländer Deutschland verlassen würden“ stimmten im Westen 54,2 % der Hauptschüler und (immerhin noch !) 19,5 % der Gymnasiasten zu. Im Osten pflichteten 54,7 % der Jugendlichen mit niedrigem und 24,6 % derjenigen mit hohem Bildungsaspirationsniveau diesem Item bei.[186] 

 

Auch in dieser Studie wurden die eigenständigen Effekte der sozialen Herkunft und der eigenen Bildungspartizipation und -aspiration auf das Ausmaß rechtsextremistischer Orientierungen ermittelt. Obwohl dazu noch keine quantitativen Ergebnisse vorliegen, zeichnen sich bereits folgende Tendenzen ab: Sowohl in der Ost- als auch in der West-stichprobe hängt die manifeste Ausländerfeindlichkeit im gleichen Maße vom Herkunfts-status und vom Typ der besuchten Schule ab; negative Nationalitätsstereotype und Autoritarismus im Osten und antisemitische sowie nationalistische Einstellungen im Westen sind hauptsächlich „durch den unabhängigen Effekt der besuchten Schule bedingt“[187]. Auch hier zeigte der Besuch einer Schulform folglich einen eigenständigen Effekt auf die Herausbildung von latent gewaltbefürwortenden, in diesem Fall rechts-extremen Einstellungen.

 

Neben den Befragungen zur selbstberichteten Devianz, kann die Häufigkeit abweichen-den Verhaltens auch durch Angaben der „anderen Seite“, nämlich der Opfer erfaßt wer-den. Eine derartige Untersuchung wurde 1993 an 1.077 Kasseler Schülern im Alter von acht bis 20 Jahren in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt.[188] Dabei sollten die Schüler anhand von elf Items angeben, ob sie schon einmal Opfer verbaler oder phy-sischer Gewalt waren. Es zeigte sich auch hier eine höhere Devianzbelastung an Haupt-schulen: 50 % der Hauptschüler gaben an, daß schon einmal eigenes Eigentum durch andere beschädigt oder zerstört wurde, während dies nur bei 28 % der Gymnasiasten der Fall war.[189] „So verletzt, daß eine ärztliche Behandlung“ erforderlich war, wurden 6 % der Gymnasiasten und immerhin 20 % der Hauptschüler.[190] Auch bei anderen Gewaltformen wie sexueller Belästigung oder Bedrohungen mit Messern oder anderen Gegenständen waren unter Hauptschüler wesentlich mehr Opfer zu finden als unter den Gymnasiasten oder Realschülern.[191]

 

Eine weitere Möglichkeit, die Häufigkeiten gewalttätigen Verhaltens an verschiedenen Schulformen zu erfassen, besteht darin, die Schulleiter der jeweiligen Schulen zu befragen. Obwohl durch diese Methode hauptsächlich nur die Devianz, die in der Schule ausgeübt wird, erfaßt wird und Verzerrungen durch subjektive Wahrnehmungen viel größere Auswirkungen zeigen, da nur eine Person pro Schule befragt wird, können derartige Untersuchungen doch ein ergänzendes Bild aus einer anderen Perspektive vermitteln. Außerdem ist es dadurch möglich, sehr viele Schulen in die Stichprobe mit einzubeziehen.

 

Daneben gilt es jedoch zu bedenken, daß Schulleiter, obwohl sie einen gewissen „Exper-tenstatus“[192] haben, da sie die Entwicklungen an ihrer Schule meist seit längerem beobachten, dazu tendieren, z.B. aus Gründen der Imagepflege oder da sie nicht von sämtlichen devianten Handlungen erfahren, die Gewalthäufigkeiten niedriger einzuschät-zen, als die Schüler selbst es tun.[193]

 

Eine derartige Schulleiterbefragung führten Schubarth und Mitarbeiter im Winter 1993/94 durch, wobei 568 sächsische und 430 hessische Schulen erfaßt wurden, was einer Rate von 54 % bzw. 59 % aller sächsischen bzw. hessischen Schulen entspricht.[194]

 

Den Schulleitern wurden sieben verschiedene Straftatbestände vorgelegt, deren Auftretenshäufigkeit sie anhand einer vierstufigen Rating-Skala einschätzen sollten. Zur besseren Vergleichbarkeit mit den sächsischen Mittelschulen wurden die hessischen Haupt- und Realschulen zusammengefaßt.[195]

 

Das Delikt Körperverletzung beobachteten 7,1 % der hessischen und kein sächsischer Gymnasialleiter „gelegentlich“ oder „häufig“, während dies bei 24,4 % der hessi­schen und 9,7 % der sächsischen Haupt- und Real- bzw. Mittelschulleiter der Fall war.[196] Am weitesten verbreitet war diese Gewaltform jedoch an den Sonderschulen: 29 % der hessischen und 23,3 % der sächsischen Sonderschulen waren nach Angaben der Schul-leiter davon betroffen.[197]

 

Vandalismus wurde von den Schulleitern der sächsischen Mittelschulen (40 %) und der hessischen Haupt- und Realschulen (44,3 %) ebenfalls häufiger beobachtet als von den Leitern der sächsischen (13,6 %) und hessischen (36,6 %) Gymnasien.[198]

 

In den Deliktbereichen Diebstahl, Urkundenfälschung, Nötigung/Erpressung und  Aneignung von Sachen unter Gewaltanwendung nannten die Gymnasialleiter die Kategorien „gelegentlich“ und „häufig“ ebenfalls seltener als die Mittel- bzw. Haupt- und Realschulleiter.[199]

 

Zu der gleichen Verteilung der Gewalthäufigkeit über die verschiedenen Schulformen gelangte auch Knopf in einer Lehrerbefragung an 350 Schulen aus Sachsen-Anhalt in den Jahren 1992 bis 1994.[200]

 

Interessant an dieser Studie ist außerdem, daß die „Gewaltbelastung“ von Berufsbil-denden Schulen, die zwischen derjenigen von Sekundarschulen (Haupt- und Realschu-len) und Gymnasien lag, nach Einschätzung der Lehrer in hohem Maße von der jewei-ligen Berufsrichtung (z.B. Bank-, Versicherungs-, Bau- oder Metallberufe) abhing.[201]

 

Auch eine Untersuchung des Nürnberger Schul- und Kulturreferates, die mir leider nur in zitierter Form zugänglich ist, kommt zu dem Ergebnis, daß „in beruflichen Schulen, deren Schüler in den entsprechenden Branchen hervorragende Berufsaussichten und hohe Gehaltserwartungen haben [...], Gewalt geringer ausgeprägt“[202] ist, als bei anderen Berufsschulen. 

 

Die Ergebnisse der beiden letztgenannten Studien sind auch als weitere empirische Belege für Annahme zu interpretieren, daß negative Zukunftserwartungen die Entstehung von Devianz bei Jugendlichen begünstigen können.

 

Auch Kühnel und Matuschek, die in ihrer bereits angeführten Interviewstudie (s. 2.1.3)  zusammenfassend eine Typologie devianter Verhaltensmuster entwarfen, gelangen zu dem Ergebnis, daß die Gruppe Jugendlicher mit „niedrigem Bildungsstatus und un-güstigen Lebenschancen“ Devianz überwiegend als Normalität in der Lebensbewältigung ansieht, während die Gruppe mit hohem Bildungsstatus und guten Perspektiven haupt-sächlich einen episodenhaften Umgang mit Devianz aufweist.[203]

 

Als eine etwas anders geartete Quelle, die auf unterschiedliches Gewaltvorkommen an verschiedenen Schulformen hindeutet, soll außerdem eine Versicherungsstatistik herangezogen werden, die als Hinweis auf die Gewalttätigkeit unter den Schülern an verschiedenen Schulformen gewertet werden kann. Danach wurden 1995 ca. 42 Ver-letzungen pro 1.000 Hauptschüler gemeldet, die auf Raufunfälle zurückgeführt wurden.[204] Bei den Gymnasiasten wurden hingegen nur ca. 7 Unfälle pro 1.000 Schüler gemeldet, bei den Realschülern lag die Zahl mit 20 Unfällen ungefähr dazwischen.[205]

 

Ein zusätzlicher Aspekt, nämlicher derjenige der tendenziellen Devianzentwicklung in den verschiedenen Schulformen wird durch eine Untersuchung von Tillmann aufgezeigt, die als Wiederholungsbefragung zu einer 1972 von Brusten und Hurrelmann[206] in Biele-feld durchgeführten Studie konzipiert wurde.[207] Die neue Befragung wurde 1995 in der „ähnlich strukturierten“ Stadt Kassel an einer Stichprobe von 855 Schülern der Klassen acht bis zehn durchgeführt, die der Ausgangsstichprobe (819 Schüler) „nach den Kriterien Geschlecht, Alter, regionale Einbindung, Leistungssegmente eines Altersjahr-gangs sehr nahe“[208] kam. Zur Erfassung der Devianz wurde ca. ein Drittel der Fragen aus dem damaligen Fragebogen übernommen, in dem die Schüler angeben mußten, wie oft sie in den letzten 12 Monaten bestimmte deviante Handlungen begangen hatten.[209]

 

Beim Vergleich beider Studien zeigte sich, daß sich in dem Zeitraum von 23 Jahren der Prozentsatz von Hauptschülern, die mindestens einmal in den letzten 12 Monaten jemanden zusammengeschlagen hatten, von 10 % (1972) auf 23,5 % (1995) erhöht hatte, während der Anteil der Täter unter den Gymnasiasten lediglich von 1 % auf 4 % stieg.[210] Um etwas zu stehlen brach 1972 1 % der Hauptschüler und kein Gymnasiast in ein Gebäude oder Auto ein; 1995 waren es 13,2 % der Hauptschüler und 1,2 % der Gymnasiasten.[211]

 

Auch bei den andern Deliktarten zeigte sich, daß zwar auch der Anteil der devianten Jugendlichen unter den Gymnasiasten anwuchs, der Anstieg und die daraus resultierende Delinquenzbelastung bei den Hauptschülern jedoch wesentlich eklatanter ausfiel.[212]

 

M. E. kann davon ausgegangen werden, daß die erfaßte Steigerung eine reale Tendenz abbildet, da die benutzten Items zur Devianzerfassung (s. Fußnote 209) doch relativ konkrete Sachverhalte mit einem nicht allzu großen Interpretationsspielraum darstellen, so daß der Anstieg nicht etwa hauptsächlich auf einer gewachsenen Sensibilität gegen-über der (eigenen) Gewalt bei der Stichprobe aus dem Jahr 1995 beruhen dürfte.

 

Diese Entwicklung wird auch in der bereits genannten Studie von Dettenborn und Lautsch konstatiert. Die Schüler sollten bezüglich sechs Items zu gewalttätigen Verhaltensweisen angeben, ob diese Handlungen ihrer Beobachtung nach in der Schule in den letzten zwei bis drei Jahren zugenommen hätten.[213]

 

Es stellte sich heraus, daß die Haupt- und Gesamtschüler im Durchschnitt deutlich häufiger, nämlich bei fast sämtlichen Items, eine Gewaltzunahme beobachteten, während von den Realschülern und Gymnasiasten generell kaum ein Gewaltanstieg verzeichnet wurde.[214]

 

Es soll nun eine Bewertung der in diesem Kapitel angeführten empirischen Ergebnisse zu den Auswirkungen einer defizitären Bildungssituation auf die Entstehung von Devianz bei Jugendlichen erfolgen.

 

2.3) Bewertung der vorliegenden Ergebnisse

 

Die im vorigen Abschnitt angeführten, unterschiedliche Methoden umfassenden Studien sprechen deutlich und einheitlich für einen Zusammenhang zwischen der Bildungs-situation der Jugendlichen und ihren devianten, in diesem Fall überwiegend gewalttätigen Verhaltensweisen: je ungünstiger ihre Bildungssituation ist – und eine solche ungünstige Situation ist, wie in Abschnitt 2.1 dargelegt wurde, bereits mit dem Besuch einer Hauptschule (und erst recht einer Sonderschule) gegeben – desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von devianten Handlungen, wobei individuelle Prognosen freilich nicht getroffen werden können. Für diesen Zusammenhang sprechen sowohl offizielle Strafverfolgungsstatistiken, Untersuchungen zur selbstberichteten Devi-anz von Jugendlichen als auch Beobachtungen von Schulleitern.

 

Weiterhin sprechen einige der zitierten Studien[215] dafür, daß eine defizitäre Bildungs-situation mit mehrfacher Devianz in Zusammenhang stehen kann, die von der vorüber-gehenden, episodenhaften Abweichung Jugendlicher unterschieden werden muß.

 

Die Wirkungszusammenhänge, in denen die devianten Handlungen auftreten können, und damit die kausale Richtung des Zusammenhangs wurden in den Abschnitten 2.1.1 bis 2.1.3 mit Hilfe von empirischem Material erörtert. Aufgrund dieser Analysen komme ich zu dem Schluß, daß sich Devianz u.a. über die Pfade pessimistische Zukunftsvor-stellungen, negatives Selbstbild und Anschluß an Subgruppen aufgrund erfahrener Statusdeprivation aus einer defizitären Bildungssituation ergeben kann.[216]

 

Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß auch umgekehrt deviantes Verhalten die schulische Leistung ungünstig beeinflussen kann. Das Anliegen dieser Arbeit besteht jedoch darin, zu überprüfen, ob ein nachteiliger Bildungsstand die Entstehung von jugendlicher Devianz begünstigen kann, was m.E. durch die vorliegenden empirischen Ergebnisse bestätigt wird.

 

Der eigenständige, von den Bedingungen des Herkunftsmilieus unabhängige Einfluß der Bildungssituation wird außerdem durch zwei neuere Studien unterstrichen, in denen die Drittvariable der sozialen Herkunft kontrolliert wurde.[217]

 

Die beiden am Schluß von Abschnitt 2.2 angeführten Untersuchungen, die auf einen starken Anstieg der Delinquenzbelastung an Hauptschulen hindeuten, sprechen m.E. für die Aktualität der hier untersuchten Zusammenhänge und geben der Annahme erste empirische Bestätigung, daß sich die festgestellten Tendenzen noch verstärken werden und daß die Ursachen des verzeichneten Anstiegs der Jugendkriminalität – insbesondere der Gewaltdelikte – in den letzten Jahren (s. Abschnitt 1.2) partiell in den sich ver-schlechternden Bedingungen des Ausbildungssektors zu finden sind.

 

Die zur Untersuchung der Fragestellungen herangezogenen Studien lassen eine Differ-enzierung zwischen den Jugendlichen aus den alten und den neuen Bundesländern nicht zu, bzw. sofern eine nach Ost- und  Weststichprobe getrennte Auswertung vorgenommen wurde, waren keine bedeutenden Unterschiede erkennbar.

 

2.4) Weiterführende Überlegungen

 

Die ermittelten Einflüsse defizitärer Bildungssituationen sind natürlich nicht auf die Schulzeit der Jugendlichen beschränkt, auch wenn die Analyse an diesem Punkt abgeschlossen werden soll, um Platz für die Behandlung eines weiteren wichtigen Aspekts des Devianzproblems, nämlich der materiellen Deprivation, zu lassen. Dennoch soll an dieser Stelle kurz darauf eingegangen werden, wie sich Defizite im Bildungs-bereich auch über die Schulzeit hinaus ungünstig auf die Entwicklung der Jugendlichen auswirken können.

 

Wie in Abschnitt 2.1 anhand aktueller Daten belegt wurde, haben es Abgänger der (Sonder- und) Hauptschulen besonders schwer, ihre beruflichen Vorstellungen zu ver-wirklichen, da für sie bereits Probleme bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz bestehen.

 

Bis zum 30.09.1998 mündeten von 796.566 Lehrstellenbewerbern aus dem arbeits-amtlichen Beratungsjahr 1997/98  380.183 Jugendliche (49 %) nicht in eine Lehrstelle ein.[218] Eine Stichprobe von 2.349 Jugendlichen dieser Gruppe wurde in eine Unter-suchung über ihren Verbleib und ihre Gründe für den „Nichtbeginn einer dualen Berufsausbildung“ einbezogen.[219] Dabei zeigte sich, daß von dieser Gruppe im Oktober 1998 15,8 % angaben, arbeitslos zu sein, 26,1 % eine berufsbildende Schule besuchten oder ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) o.ä. absolvierten, 16,7 % doch noch eine Lehrstelle gefunden hatten und 8,9 % einer ungelernten Tätigkeit nachgingen.[220] Befragt nach den Gründen für den Nichtbeginn einer dualen Berufsausbildung nannten knapp zwei Drittel der Interviewten „Mißerfolge bei der Ausbildungsplatzsuche“, unter den Absolventen des BVJ lag dieser Prozentsatz sogar bei 90,8 %.[221]

 

Bei dieser Gruppe, die ihre ursprünglichen Berufswünsche zunächst aufgeben mußte, dürfte es sich hauptsächlich um Abgänger und Absolventen der Haupt- und Sonder-schulen handeln. Dieses Aufgeben des ursprünglichen Aspirationsniveaus wird auch als „cooling-out“[222] oder „Abkühlungsprozeß“[223] bezeichnet. Diese Abkühlungsprozesse können nun erfolgreich verlaufen, wenn die Jugendlichen ihre Aspirationen herabsetzen oder von sog. „Abkühlungsagenten“[224] (z.B. Lehrer, Bekannte, Berufsberater) auf die zukünftige Situation erfolgreich vorbereitet worden sind. Sie können aber auch miß-lingen, wenn das eigene Scheitern als ungerecht empfunden wird und die Selektions-prozesse des Ausbildungsmarktes nicht akzeptiert werden. Als Folge können dann Resignation, aber auch Konfliktverhalten bis hin zu „kriminalisierbaren Handlungen“[225] auftreten.[226] Da es m.E. kaum vorstellbar ist, daß eine Abkühlung in die Arbeitslosigkeit oder in eine „Warteschleife“ bei Jugendlichen erfolgreich gelingen kann, ist auch davon auszugehen, daß besonders bei Jugendlichen mit Defiziten in der Ausbildung die „Phase des Übergangs von der Schule in das Berufsbildungssytem von einem hohen Krimina-lisierungsrisiko geprägt“[227] ist.

 

Aber auch über diese Übergangsphase hinaus gilt es, Aspekte defizitärer Bildungs-situationen zu bedenken, die negative Auswirkungen nach sich ziehen können. Ein Nachteil der berufsvorbereitenden Maßnahmen ist neben der weiterhin bestehenden Zukunftsungewißheit z.B. darin zu sehen, daß die Jugendlichen im Gegensatz zu ihren sich in der Ausbildung befindlichen Bekannten kein Geld erhalten (s. zu den Auswir-kungen materieller Deprivation das nächste Kapitel dieser Arbeit). Die Jugendlichen gehen dann – ursprünglich übergangsweise – ungelernten Tätigkeiten nach, bei denen sie teilweise aber doch verbleiben.[228] So hatten 1998 11,6 % der jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren keinen Berufsabschluß und befanden sich nicht in einer Berufsausbildung.[229]

 

Desweiteren kann nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, daß die Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz erhalten haben, damit auch zufrieden sind, wie Unter-suchungen ergeben.[230] Auch die höheren Raten für Ausbildungsabbrüche bei Haupt- und Sonderschülern, bzw. in den klassischen Ausbildungsbereichen für Hauptschüler (wie z.B. im Handwerksbereich mit 26,3 % im Jahr 1997)[231] sprechen für eine relativ ver-breitete Unzufriedenheit mit der Ausbildungssituation bei diesen Gruppen.[232]

 

Zu untersuchen, inwiefern derartige berufliche Integrationsdefizite zum Entstehen bzw. Beibehalten devianter Handlungen beitragen, bleibt m.E. ein wichtiges Aufgabenfeld sozialwissenschaftlicher Forschung.

 

Es soll nun eine weitere Problemlage für Jugendliche untersucht werden, nämlich die Auswirkungen materiellen Mangels auf die Entstehung von deviantem Verhalten, vermittelt über zentrale Bereiche der Lebenswelt von Jugendlichen: über die familiäre Interaktion, das Freizeitverhalten und die Einflüsse der Gleichaltrigengruppe.

 

Final del extracto de 123 páginas

Detalles

Título
Die Auswirkungen von materieller Deprivation und Defiziten in der Ausbildung auf die Entstehung von Jugendkriminalität und Möglichkeiten der Prävention
Universidad
Technical University of Braunschweig
Calificación
1.7
Autor
Año
2000
Páginas
123
No. de catálogo
V185522
ISBN (Ebook)
9783656980155
ISBN (Libro)
9783867464109
Tamaño de fichero
1072 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
auswirkungen, deprivation, defiziten, ausbildung, entstehung, jugendkriminalität, möglichkeiten, prävention
Citar trabajo
Alexander Bruns (Autor), 2000, Die Auswirkungen von materieller Deprivation und Defiziten in der Ausbildung auf die Entstehung von Jugendkriminalität und Möglichkeiten der Prävention, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185522

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Die Auswirkungen von materieller Deprivation und Defiziten in der Ausbildung auf die Entstehung von Jugendkriminalität und Möglichkeiten der Prävention



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona