Selbstverständnis von Schulsozialarbeitern - Eine qualitative Studie an Niedersächsischen Allgemeinbildenden Schulen


Mémoire (de fin d'études), 2001

83 Pages, Note: 2


Extrait


Gewidmet meinem Großvater Rudolf Kumm

Für die freundliche Unterstützung während des Entstehungsprozesses dieser Arbeit danke ich Elke Rahmann, meiner Schwester und meinen Eltern

1 Einleitung

„Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe ist aus Sicht des Kultusministeriums ein

wichtiges Anliegen, da sie entschieden zur besseren Förderung der Kinder und Jugendlichen bei- und die einzelne Institution dadurch ihre Wirksamkeit erhöhen kann. Das war und ist das

Ziel des Erlasses „Zusammenarbeit zwischen Schule, Jugendamt und freien Trägern der Jugend- vom 25.01.1994. Er entspricht damit der Verpflichtung zur Zusammenarbeit der beiden Bil- und Erziehungsinstitutionen, wie sie im § 81 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und im §

25 Abs. 3 des Niedersächsischen Schulgesetzes bestimmt ist.“ (Nds. Kultusministerium, 2000,

Vorwort)

Im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit will ich nun das Selbstverständnis von

Schulsozialarbeitern qualitativ erforschen. Dabei geht weniger darum, dieses Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit darzustellen und zu erläutern, denn das haben andere bereits vor mir ausreichend getan (z.B. Hollenstein/Tillmann, 1999). Vielmehr möchte ich unter Verwendung qualitativer Forschungsmethoden herausfinden, wie praktizierende Schulsozialarbeiter 1 in Niedersachsen sich und ihre Arbeit sehen. Besonders interessant finde ich bei dieser Frage den professionellen Gesichtspunkt, denn gera-

de in einem Berufsfeld wie Schule, wo unterschiedliche Professionen aufeinander treffen, spielt die fachliche Eigendefinition und Abgrenzung eine große Rolle.

Intention meiner Diplomarbeit ist jedoch nicht nur, einen Beitrag zur allgegenwärtigen Professionalisierungsdebatte in der Sozialen Arbeit zu leisten. Ich sehe meine Studie

Die Arbeit läßt sich grob in zwei Hauptteile gliedern. Unter dem Punkt Forschungsde- beschreibe ich, wie das Forschungsthema entstanden ist, welche methodischen Überlegungen der Studie zugrunde liegen und wie ich bei der Umsetzung des Forschungsdesigns vorgegangen bin. Diesen Teil habe ich bewußt kürzer gehalten, um mehr Raum für die Ergebnisse zu schaffen, die ich im zweiten Teil der Arbeit präsentiere. Zentrale Punkte sind hier neben den Resultaten aus der Grounded Theory insbesondere die Fallbeschreibungen, ein Vergleich der Fälle sowie die Schlußbetrachtung, in der ich meine Ergebnisse unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten und reflektieren will.

2 Forschungsdesign

Transparenz:

Als Forscher muß ich dem Leser offenlegen, welche Ziele ich verfolge und welche Methoden ich einsetze, damit die Studie beurteilt werden kann.

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Anschlußfähigkeit:

Die Ergebnisse meiner Arbeit sollten an die wissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema anknüpfen und sie durch neue Erkenntnisse bereichern.

Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich diese Aspekte immer wieder einfließen las- und mein Vorgehen daraufhin kritisch betrachten.

2.1 Forschungsthema

Die Herleitung des Forschungsthemas läßt sich graphisch wie folgt darstellen:

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Abb. 2.1 Herleitung des Forschungsthemas

Werfen wir unter diesen Gesichtspunkten einen Blick auf den Ausgangspunkt meiner Diplomarbeit:

2.1.1 Ausgangspunkt

1) Persönliche Motivation

Im Rahmen meines Studiums an der FH Hildesheim/Holzminden habe ich über drei Semester an dem Projekt „SchuSoLe“ teilgenommen, das sich mit verschiedenen Aspekten von Schulsozialarbeit beschäftigt. Neben der theoretischen Auseinandersetzung waren es insbesondere die Entwicklung und praktische Durchführung eines Sozial-/Konflikttrainings in Zusammenarbeit mit KommilitonInnen, die mein Interesse an diesem Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit geweckt haben. Trotz der intensiven sozialwissenschaftlichen Betrachtung von Schulsozialarbeit im Projekt „SchuSoLe“ blieb für mich jedoch immer die Frage offen, wie eigentlich diejenigen, die tagtäglich in der schulsozialarbeiterischen Praxis stehen, sich und ihre fachliche Arbeit in punkto Professionalität beurteilen.

2) Forschungswissenschaftlicher Bedarf

Die Sichtung und Überprüfung der Literatur zum Thema „Selbstverständnis von Sozialpädagogen/-arbeitern“ ergab, daß bis jetzt wenig in diese Richtung publiziert worden ist. Ausnahmen sind Ackermann/Seeck (1999) sowie Thole/Küster-Schapfl (1996), die sich mit Habitus, Professionalisierungsprozessen und beruflichen Handlungskompetenzen in der Sozialen Arbeit beschäftigt haben. Einen Nachteil dieser beiden Studien sehe ich allerdings darin, daß sie nicht berufsfeldspezifisch orientiert sind, sondern eher den Sozialpädagogen/-arbeiter allgemein im Blickfeld haben. So

Mit meiner Diplomarbeit will ich nun versuchen, die bestehende „Forschungslücke“ empirisch zu füllen.

2.1.2 Theoretische Sensibilität

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Abb. 2.1.2 Die Subjektivität des Forschers

Was viele als einen Nachteil sehen, bewerten Strauss und Corbin jedoch als ein po- Kriterium für qualitative Forschung. Sie fassen Subjektivität, Vorwissen, Vorurteile und Erfahrungen als ein „Bewußtsein für die Feinheiten in der Bedeutung von Daten“ (Strauss/Corbin, 1996, S. 25) auf und bezeichnen das ganze als „Theoreti- sche Sensibilität“. Diese „Theoretische Sensibilität“ erst ermöglicht es in ihren Augen,

1) Literatur

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Ackermann/Seeck (1999) Professionalität in

Bauer (1999)

sozialen Berufen Thole/Küster-Schapfl (1996)

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2) Berufliche Erfahrung Arbeit mit Jugendlichen in verschiedenen Kontexten Entwicklung und Durchführung eines Sozial-/Konflikttrainingsprogramms an einer Berufsschule Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen ...

3) Persönliche Erfahrung Wege, sich Wissen und Können anzueignen Umgang mit Konfliktsituationen Erkennen der eigenen Grenzen und Möglichkeiten ...

2.1.3 Fragestellung und -formulierung

Basierend auf den Überlegungen aus 2.1.1 habe ich mich letztendlich für die Frage- entschieden:

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Welches Selbstverständnis haben Schulsozialarbeiter?

Diese Fragestellung ist als Gesamtfragestellung zu verstehen. Sie ist relativ allge- gehalten und beinhaltet ein Vielzahl von unterschiedlichen Aspekten bzw. spezifischen Fragestellungen. Gerade aufgrund des zeitlichen Rahmens einer Diplomarbeit muß ich nun eingrenzen, welche dieser Aspekte für mich relevant, wesentlich und außerdem bearbeitbar sind. Flick beschreibt diesen Prozeß wie folgt:

„Mit der Entscheidung für eine konkrete Fragestellung ist jeweils auch eine Reduktion der Vielfalt und damit Strukturierung des untersuchten Feldes verbunden: Bestimmte Aspekte werden in den Vordergrund gestellt, andere werden als weniger wesentlich (zumindest vorerst) in den Hintergrund

gerückt bzw. ausgeschlossen. Bei der Datenerhebung fällt eine solche Entscheidung besonders bei der Verwendung einmaliger Interviews (...) ins Gewicht.“ 3

In der folgenden Tabelle habe ich die Themenbereiche aufgeführt und in einer zwei- Spalte mögliche Aspekte genannt:

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2.2 Methodische Überlegungen

2.2.1 Zugang zum Feld

1. Wo finde ich Schulsozialarbeiter, die sich als Forschungssubjekte zur Verfügung stellen?

Um an mögliche Teilnehmer für eine Forschungsarbeit zu gelangen, kann ich z.B. meine persönlichen und fachlichen Kontakte nutzen, oder ich recherchiere mit Hilfe allgemein zugänglicher Quellen (Zeitungen/Zeitschriften, Internet, Telefonbü- cher usw.). Außerdem ist es möglich, über bereits gewonnene Teilnehmer weitere zu finden (Schneeballprinzip).

2. Wie schaffe ich es, daß sich potentielle Untersuchungsteilnehmer für mein For- zur Verfügung stellen?

Der Erfolg beim Gewinnen von möglichen Forschungsteilnehmern hängt wesentlich davon ab,...

2.2.2 Das Sampling

Im Wesentlichen unterscheidet die Qualitative Sozialforschung zwischen zwei Arten des Samplings. Als Favorit bei vielen Autoren gilt das „Theoretical Sampling“, das ursprünglich von Glaser und Strauss entwickelt worden ist (Glaser/Strauss, 1967).

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Eine weitere Voraussetzung für das Gelingen meiner Forschungsarbeit ist, unabhän- von der Sampling-Methode, die Wahl guter Informanten. Gute Informanten besitzen nach Merkens die folgenden Merkmale:

„Sie verfügen über das Wissen und die Erfahrung, deren die Forscher bedürfen, sie haben die Fähigkeit zu reflektieren, sie können sich artikulieren, sie haben die Zeit, interviewt zu werden und sie sind bereit, an der Untersuchung teilzunehmen.“ 5

2.2.3 Die Datenerhebung

 Es stellt sich im Verlauf des Interviews heraus, daß der Befragte gar kein Experte für das Forschungsthema ist. Der Interviewpartner verliert sich in aktuellen Konflikten und Interna, die für den Forschungsgegenstand relativ belanglos sind.

 ...auf den Interviewten als Subjekt gezielt sein. ...ein breites Spektrum abdecken. ...den Interviewten zu tiefgründigen Antworten ermutigen.

2.2.4 Interviewbedingungen

 ...den Interviewpartner nicht beeinflusse, ...einen personalen Bezugsrahmen schaffe, ...Aussagen des Befragten nicht bewerte, ...mich zurückhaltend, interessiert und solidarisch verhalte, ...offen und flexibel bin

...ich mich an das Sprachniveau des Interviewpartners anpasse. 6

2.2.5 Dokumentation des Datenmaterials

1) Datenaufzeichnung:

Im heutigen Zeitalter der Technik habe ich eine große Palette an technischen Möglichkeiten, mit deren Hilfe ich verbale Daten fixieren kann. An die Stelle des mittlerweile veralteten Kassettenrecorders/Diktiergeräts sind unzählige digitale Aufzeichnungsgeräte getreten, die sich durch eine hohe qualitative Klangtreue und kompakte

Bauweise auszeichnen. Hierzu gehören digitale Videokameras, MINI-DISC  -Player, MP3-Recorder und Laptops, die ein Aufnehmen auf Festplatte ermöglichen. Obwohl diese technischen „Wunderwerke“ schon beinahe zum Alltag gehören, sollte ich bei der Wahl des Gerätes darauf achten, daß sie zum einen dem Forschungsgegenstand angemessen sind und zum anderen wenig auffallen, um die Natürlichkeit der Interviewsituation zu erhalten. Für meine Studie ist demzufolge die Aufnahme mit einer Videokamera nicht geeignet, weil es mir hinsichtlich des Expertenwissens nicht um visuelle Daten geht.

2) Memos und Feldnotizen:

Im Verlauf des gesamten Forschungsprozesses ist es unerläßlich, sich als Forscher zusätzliche Informationen, Eindrücke, Überlegungen zu notieren, die einerseits der Dokumentation und Reflexion des Vorgehens dienen, andererseits eine Bereicherung bei der Interpretation des Datenmaterials darstellen. Feldnotizen und Memos sollten dann angefertigt werden, wenn Informationen anfallen, damit diese später nicht vergessen oder umständlich rekonstruiert werden müssen. Als mögliche Formen eignen sich Forschungstagebücher und Dokumentationsbögen (vgl. hierzu Flick, 1999, S. 191 f.).

3) Transkription:

Für die Verschriftlichung von Interviews gibt es eine Vielzahl an möglichen Systemen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, die verbalen Daten mehr oder weniger detailgetreu in Text umzusetzen. Das Spektrum reicht hier von der Transkription, bei der alle verbalen und non-verbalen Äußerungen (Gesprochenes, Pausen, Satzabbrüche, Mimik , Gestik, Aktionen usw.) dokumentiert werden, bis hin zur Transkription, die sich ausschließlich auf das Gesagte und Sprecherwechsel beschränkt. „Die allgemeine Faustregel lautet, nur so viel wie nötig zu transkribieren“ (Strauss/Corbin, 1996, S. 14), wobei die Angemessenheit dem Forschungsgegenstand als Richtlinie fungieren soll. Zentraler Bestandteile einer jeden Transkription sind „die nochmalige Kontrolle des Transkripts an der Aufzeichnung und die Anonymisierung der Daten“ (Flick, 1999, S. 193).

6 (vgl. hierzu Lamnek, 1989, S. 93 ff. sowie Flick, 1999, S. 95 f.)

2.2.6 Auswertungsverfahren

„Eine ‚Grounded‘ Theory ist eine gegenstandsverankerte Theorie, die induktiv aus der Untersu- des Phänomens abgeleitet wird, welches sie abbildet. Sie wird durch systematisches Erhe- und Analysieren von Daten, die sich auf das untersuchte Phänomen beziehen, entdeckt, aus- und vorläufig bestätigt. Folglich stehen Datensammlung, Analyse und die Theorie in ei- wechselseitigen Beziehung zueinander. Am Anfang steht nicht eine Theorie, die anschließend

bewiesen werden soll. Am Anfang steht vielmehr ein Untersuchungsbereich - was in diesem Be- relevant ist, wird sich erst im Forschungsprozeß herausstellen.“ 7

„Was? Worum geht es hier? Welches Phänomen wird angesprochen?

Wer? Welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rollen spielen sie dabei? Wie interagieren sie? Wie? Welche Aspekte des Phänomens werden angesprochen (oder nicht angesprochen?) Wann? Wielange? Wo? Zeit, Verlauf, Entwicklung und Ort Wieviel? Wie stark? Intensitätsaspekte

Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich erschließen? Wozu? In welcher Absicht? Zu welchem Zweck? Womit? Mittel, Taktiken und Strategien zum Erreichen des Ziels“ 8

 Flip-Flop: Ein Phänomen läßt sich dann besser fassen, wenn man es mit seinen Extremdimensio- vergleicht. Waving-the-red-flag: Der Forscher darf niemals etwas für selbstverständlich halten. Wörter wie: „nie, immer, unmöglich, jeder weiß, keine Diskussion...“ sind deshalb wichtige Anhaltspunkte zum Nachhaken. 9

7 (Strauss/Corbin, 1996, S. 7 f.)

 Sie kann „theoretische Sensibilität“ (vgl. 2.1.2) anregen. Sie kann als sekundäre Datenquelle verwendet werden. Sie kann Fragen anregen.

Sie kann als ergänzender Gültigkeitsnachweis verwendet werden.

2.2.7 Die methodischen Überlegungen im Überblick

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Auswertungsverfahren

Abb. 2.2.7 Methodische Überlegungen

Obwohl sich die Abbildung im Prinzip von selbst erklärt, möchte ich noch darauf hin- daß mein Vorgehen an verschiedenen Stellen immer wieder von der Fragestellung bestimmt wird und daraufhin auch überprüft werden muß (im Schaubild dargestellt durch die Pfeile von Fragestellung zu Datenerhebungsverfahren, Forschungsfeld, Sampling, Auswertungsverfahren und Ergebnisse).

2.3 Umsetzung des Forschungsdesigns

2.3.1 Zugang zum Feld und Sampling

Die Anzahl möglicher Teilnehmer reduzierte sich allerdings an dem Punkt, wo es um die Festlegung eines Termins ging. Im Endeffekt blieben drei Schulsozialarbeiter übrig, die in dem von mir angestrebten Zeitraum in der Lage waren, ein Interview zu geben. Mir ist an dieser Stelle sehr deutlich geworden, daß der Zeitfaktor in der qualitativen Forschung eine enorme Rolle spielt. Hätte ich diesbezüglich einen weiteren Spielraum gehabt, wäre die Auswahl an potentiellen Teilnehmern sicherlich größer gewesen.

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-

Nichtsdestotrotz stehen mir für meine Studie drei Teilnehmer zur Verfügung, die eine (wenn auch eingeschränkte) Beurteilung des „Selbstverständnisses von Schulsozialarbeitern in Niedersachsen“ im Sinne der Triangulation (s. 2) ermöglichen und bei denen ich davon ausgehen kann, daß sie die Kriterien eines guten Informanten (vgl. 2.2.2) erfüllen, denn alle drei...

Inwieweit die Teilnehmer die Fähigkeit besitzen, zu reflektieren und sich zu artikulie- kann ich an diesem Punkt des Forschungsprozesses noch nicht einschätzen. Diese Frage wird sich aber später bei der Auswertung der einzelnen Interviews klä- ren.

2.3.2 Das Experteninterview

1) Der Leitfaden:

Ausgehend von den in 2.1.3 beschriebenen Themenbereichen, habe ich den folgenden Leitfaden für meine Interviews entworfen:

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2) Die Durchführung:

Das Führen qualitativer Interviews ist für mich absolutes Neuland gewesen. Dementsprechend habe ich dann auch den einen oder anderen „Anfängerfehler“ begangen. Dazu gehören sicherlich das „Klammern“ an meinen Leitfaden sowie z.T. recht umständliches Formulieren von Fragen (vgl. hierzu die Interviews im Anhang). Im Verlauf des Forschungsprozesses habe ich jedoch durch Übung gelernt, einen Großteil dieser Fehler zu vermeiden, und bin insgesamt sehr viel sicherer und flexibler geworden. Ein Ergebnis meiner Weiterentwicklung ist beispielsweise, daß ich nach dem zweiten Interview die Reihenfolge der Fragen im Leitfaden geändert habe, weil ich gemerkt hatte, daß der umfangreiche und schwierige Themenkomplex „Wissen und Können“ sinnvoller Weise nicht gleich zu Beginn des Interviews stehen sollte. In jedem Fall kann ich behaupten, daß ich die notwendigen Basisvariablen eines guten Forschers (Nicht-Beeinflußung des Befragten, Schaffen eines personalen Bezugrahmens etc., vgl. 2.2.4) eingehalten habe, wie sich durch Anhören der Interviews bestätigen läßt.

Was meine Interviewpartner betrifft, so hatte ich es in der Tat mit Experten zu tun. Die in 2.2.3 genannten Befürchtungen haben sich als unbegründet erwiesen, denn alle drei Befragten konnten eine Menge zum Forschungsgegenstand beitragen, haben sich nicht in aktuellen Konflikten verloren und wußten sehr wohl, zwischen Experte und Privatperson zu unterscheiden. Vor allem Herr Apetz und Herr Richards 11 haben sehr viel und ausführlich erzählt. Ihre Antworten waren vielschichtig, tiefgründig und komplex, so daß ich das Interview hinsichtlich des Nachfragens kaum steuern mußte. Inwiefern der starke Erzähldrang der beiden auf meine fachliche Kompetenz im Bereich „Schulsozialarbeit“ zurückgeht, kann ich schwer beurteilen. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß ein „Laie“ weitaus weniger zu hören bekommen hätte. Das Interview mit Herrn Burmeister fällt im Vergleich zu den beiden anderen et-

3) Interviewbedingungen:

Alle Interviews haben in der Schule des jeweiligen Befragten stattgefunden, was auf die Vorschläge der Teilnehmer zurückgeht und mir sehr gelegen kam, da somit die in 2.2.4 geforderte Nähe zum Forschungsgegenstand gewährleistet war. Die Atmosphäre bei den Interviews sowie in den Gesprächen davor und danach (vgl. Prä- und Postskripte im Anhang) war zweifelsohne freundschaftlich-kollegial, wobei die Interviews selbst den Charakter eines fachlich orientierten Alltagsgesprächs besaßen. Zeitpunkt und Situationskontext hatten meiner Ansicht nach keinen großen Einfluß auf die Datenerhebung. Zwar standen Herr Apetz und Herr Richards unter Zeit-/ Termindruck, was sie aber letztendlich nicht daran gehindert hat, ihr komplexes Professionsverständnis sehr ausführlich darzustellen.

Im Großen und Ganzen betrachte ich meine drei Experteninterviews als gelungen, auch wenn ich einiges bei der Durchführung hätte besser machen können (s.o.).

2.3.3 Dokumentation des Datenmaterials

1) Datenaufzeichnung:

Meine Interviews habe ich mit Hilfe eines Laptops aufgezeichnet. Über zwei Ansteckmikrophone, wie sie auch im Fernsehen Verwendung finden, wurde das Gesprochene von Interviewer und Interviewtem so in digitale Daten umgewandelt, komprimiert und auf Festplatte gespeichert. Dieses Verfahren hat den entscheidenden Vorteil, daß ich nachher bei der Transkription in der Lage bin, das Interview abzuspielen, während gleichzeitig ein Textverarbeitungsprogramm läuft. Mit der entsprechenden Software ist es außerdem kein Problem, einzelne Stellen im Interview se-

2) Memos und Feldnotizen:

Für die Dokumentation des Forschungsprozesses habe ich eine große Anzahl Notizen in Form von Stichwortzetteln angefertigt, ohne die es mir nicht möglich gewesen wäre, Forschungsdesign und Ergebnisse so präzise darzustellen. Viele dieser Informationen sind in den Text der Diplomarbeit eingeflossen, einige wenige (z.B. die Überlegungen beim Offenen Kodieren) habe ich originalgetreu wiedergegeben.

3) Transkription:

Meine Überlegungen in Bezug auf die Transkription waren, die verbalen Daten der Interviews möglichst detailgetreu umzusetzen, ohne jedoch sämtliche non-verbale Äußerungen aufzuführen, die meiner Ansicht nach für den Forschungsgegenstand irrelevant sind. Ich verzichte dementsprechend auf die Verschriftlichung von Mimik und Gestik und verwende die im Anhang (S. 2) erläuterten Transkriptionszeichen. Auf die Anonymisierung jeglicher Namen habe ich akribisch geachtet.

2.3.4 Die Auswertung

1) Offenes Kodieren:

Das Offene Kodieren ist wohl der zeitaufwendigste Schritt meiner Studie gewesen. Beinahe einen Monat habe ich daran gesessen, die Interviewtexte „aufzubrechen“ und mit Kodes zu versehen. Damit die Anzahl der Kodes einen angemessenen Rahmen behält, habe ich mich an den von mir festgelegten Themenbereichen orientiert, deren Interdependenz hier noch einmal graphisch dargestellt ist:

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Abb. 2.3.4 Das „Beziehungsnetz der Kodes“

Eine weitere Schwierigkeit beim Offenen Kodieren bestand darin, daß die Interviews unterschiedliche Mengen an Kodes produziert haben. Um nun eine gemeinsame Basis für den späteren Vergleich zu schaffen, mußte ich die Kodes bei den Fällen „Apetz“ und „Richards“ durch Abstraktion und Zusammenfassung reduzieren. Diese Lösung stellt für mich einen nicht vermeidbaren Kompromiß dar, denn einige Aspekte sind dabei wahrscheinlich verloren gegangen.

Obwohl ich mich in dieser Zeit des öfteren nach Sinn und Zweck des Verfahrens gefragt habe, bin ich schließlich zu dem Schluß gekommen, daß sich der Aufwandmehr als gelohnt hat. Das Offene Kodieren hat mir zu Erkenntnissen und einem tiefe-

2) Axiales und Selektives Kodieren:

Das Herausarbeiten der verschiedenen Kategorien im Prozeß des Axialen und Selektiven Kodierens ist hauptsächlich gekennzeichnet durch ständiges Vergleichen und Miteinander-in-Beziehung-Setzen. Als große Hilfe habe ich hierbei die Memos und Notizen aus dem Offenen Kodieren sowie das von Strauss und Corbin (1996, S. 78) beschriebene Kodierparadigma empfunden:

Ursächliche Bedingungen Phänomen Kontext Intervenierende Bedingungen Handlungs- interaktionale Strategien Konsequenzen

Fin de l'extrait de 83 pages

Résumé des informations

Titre
Selbstverständnis von Schulsozialarbeitern - Eine qualitative Studie an Niedersächsischen Allgemeinbildenden Schulen
Université
University of Applied Sciences and Arts Hildesheim, Holzminden, Göttingen
Note
2
Auteur
Année
2001
Pages
83
N° de catalogue
V185581
ISBN (ebook)
9783656981954
ISBN (Livre)
9783867464819
Taille d'un fichier
1008 KB
Langue
allemand
Mots clés
selbstverständnis, schulsozialarbeitern, eine, studie, niedersächsischen, allgemeinbildenden, schulen
Citation du texte
Rudolf Dickers (Auteur), 2001, Selbstverständnis von Schulsozialarbeitern - Eine qualitative Studie an Niedersächsischen Allgemeinbildenden Schulen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185581

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