Erfolgsfaktoren für die Gestaltung eines plattformunabhängigen Ballungsraumprogramms unter Berücksichtigung der regionalen Kompetenz


Mémoire (de fin d'études), 2001

115 Pages, Note: 1.7


Extrait

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Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung

2. Grundlagen werbefinanzierter Ballungsraumprogramme

3. Gestaltungsmerkmale werbefinanzierter Ballungsraumprogramme

4. Plattformen werbefinanzierter Ballungsraumprogramme

5. Gestaltung eines werbefinanzierten Ballungsraumprogramms

6. Fazit

Anlagen

Literaturverzeichnis

Versicherung


Abbildungsverzeichnis

 

Abbildung 1: Ausgewählte Finanzierungsformen privater Ballungsraumsender

Abbildung 2: Gliederung der Kostenarten nach Produktionsfaktoren

Abbildung 3: Die vier Interessengruppen eines Ballungsraumsenders

Abbildung 4: Einflüsse auf die Gestaltung von Ballungsraumsendern

Abbildung 5: Kosten und Erlöse eines Fernsehsenders pro Rezipient in Abhängigkeit von der Rezipientenzahl

Abbildung 6: Fernsehnutzung von Kindern und Erwachsenen im Tagesverlauf 1999 (Mo bis So, 3.00-3.00 Uhr)

Abbildung 7: Kosten- und Qualitätswettbewerb im Rundfunkbereich

Abbildung 8: Kostendegressionseffekte in Abhängigkeit von dem Übertragungsweg

Abbildung 9: Ebenen des Breitbandkabelnetzes

Abbildung 10: Abgrenzung und Struktur des Kommunikationsraums Rhein-Main

Abbildung 11: Qualitätsprofil des Ballungsraumsenders RMTV

Abbildung 12: Gewichtung der Programmkategorien

Tabellenverzeichnis

 

Tabelle 1: Raumkriterien unterschiedlicher regionaler und lokaler Programmformen im Vergleich

Tabelle 2: Kriterien zur Abgrenzung der Gebiete innerhalb einer Stadtregion

Tabelle 3: Terrestrische Verteilung

Tabelle 4: Kabelnetzbelegung

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

1. Einführung

 

1.1 Problemstellung

 

Die Region als Lebensraum wird im zusammenwachsenden Europa politisch, ökonomisch und kulturell immer wichtiger. Sozial- und Kulturwissenschaftler sprechen im Zuge eines wachsenden Interesses an der Nahwelt seit den 70er Jahren sogar von einem "neuen Regionalismus"[1].

 

Dieser Entwicklung kommt das Fernsehen in Deutschland bisher kaum nach. Die öffentlich-rechtlichen Landesprogramme sowie die Landesfenster im Programm der privaten Fernsehanstalten sind aufgrund der Größe ihrer Berichterstattungsräume nicht in der Lage, homogene lokale Gebiete ausreichend zu informieren. Während auf Seiten der Bevölkerung also prinzipiell ein Bedarf nach regionalen Programm-angeboten besteht, werden Lokal-, Metropolen- und Ballungsraumfernsehsender auf Seiten der Politik, Medien- und Werbewirtschaft zum Teil kontrovers diskutiert. Hauptstreitpunkte sind die langfristige Wirtschaftlichkeit und die publizistische Bereicherung für die lokale Medienlandschaft. Dabei räumen die Verantwortlichen dem Ballungsraumfernsehen aufgrund seines größeren Verbreitungsgebietes die besten Chancen auf wirtschaftliche Tragfähigkeit ein.

 

Im Zuge der Einführung des Privatfernsehens in Deutschland seit Mitte der 80er Jahre hat die Politik in zahlreichen Bundesländern die gesetzlichen Rahmen-bedingungen für die Einführung von Ballungsraumfernsehen geschaffen[2]. Es stellt neben dem Bezahlfernsehen eine der letzten Marktnischen der bundesdeutschen Fernsehlandschaft dar[3]. Allerdings sind bisher nur wenige Ballungsraumfernseh-sender in Deutschland auf Sendung[4], wobei die Zahl an Ballungsräumen in Deutschland stark begrenzt ist[5]. Jahrelange Erfahrungen der Ballungsraumfernseh-sender in Deutschland haben zwei Hauptprobleme deutlich werden lassen[6]: Mangelnde Wirtschaftlichkeit und publizistische Qualität. Dennoch erlebt das Lokal- und Ballungsraumfernsehen in Deutschland momentan eine Art Renaissance, welche die Struktur der lokalen und regionalen Medienlandschaft verändert. Regionale, nationale und internationale Medienunternehmen erhoffen sich den Durchbruch auf dem lokalen und regionalen Fernsehmarkt. Es werden neue Koalitionen geschmiedet. Etablierte Ballungsraumfernsehsender vollziehen einen teuren Senderrelaunch. Eine Großzahl an Bewerbern konkurriert um neu ausgeschriebene Frequenzen. In einigen verbleibenden Bundesländern schafft die Landespolitik die gesetzlichen Voraussetzungen. Dabei immer im Mittelpunkt aller Überlegungen: Die Gestaltung des Ballungsraumprogramms.

 

Hier zeigen sich seit geraumer Zeit neue Ansätze. Auslöser dieser Veränderungen sind der technische Fortschritt und die zunehmende Verbreitung des Internets zu einem Massenmedium. Die Ballungsraumfernsehsender gehen verstärkt dazu über, das Internet über die Plattform des Computers in die Programmstruktur miteinzubeziehen. Die Plattform Fernsehen verliert damit ihren Alleingültigkeits-anspruch. Dementsprechend muss der Begriff Ballungsraumfernsehprogramm durch den Begriff Ballungsraumprogramm substituiert werden.

 

In der Programmgestaltung eines Ballungsraumsenders kommt es zu einer Koexistenz der beiden Medien Fernsehen und Internet. Doch die Grenzen verwischen zunehmend. Im Zuge des technischen Fortschritts wird es zu einer stetigen Konvergenz zwischen dem Fernsehen und dem Internet kommen, die letztlich in einer einzigen multimedialen Plattform enden wird. Aus Sicht der Anbieter von Ballungsraumprogrammen bietet das Internet völlig neue Möglichkeiten der Programmgestaltung: Zum einen können fernsehspezifische Inhalte nun auch im Internet angeboten werden, zum anderen schafft das Internet neue, interaktive Programminhalte. Sogar eine Vernetzung der beiden Medien ist denkbar. Es scheint sich eine neue Dimension der Programmgestaltung anzubahnen, bei der sich die jeweiligen Zielgruppen zudem schneller und effizienter ansprechen lassen. Neben der Nutzung des Internets ist zu beobachten, dass die Ballungsraumsender versuchen, ihr lokales und regionales Profil durch entsprechende Programminhalte zu schärfen. Diese Entwicklungen dürften sicherlich dazu beitragen, dass Ballungsraumprogramme für die lokale und regionale Werbewirtschaft als Werbeträger interessanter und lukrativer werden.

 

Vor diesem Hintergrund: Welche Möglichkeiten zur Gestaltung von Ballungsraum-programmen bieten sich, und welche Rolle kann dabei das Internet spielen? Wie kann sich das auf die Werbeeinnahmen auswirken?

 

Der Klärung dieser und weiterführender Fragen soll die vorliegende Arbeit dienen. Obwohl das Bundesverfassungsgericht gemäß seinem "5. Rundfunkurteil" vom 24. März 1987 auch öffentlich-rechtlich Ballungsraumsender für verfassungskonform hält[7], sind zum Zeitpunkt der Untersuchung ausschließlich private, werbefinanzierte Ballungsraumprogramme auf Sendung. Deshalb sollen auch nur sie Gegenstand der Untersuchung sein.

 

1.2 Zielsetzung

 

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Erfolgsfaktoren für die Gestaltung eines plattformunabhängigen Ballungsraumprogramms. Sie soll Beteiligten von Ballungsraumsendern einen Überblick über die Merkmale der Programmgestaltung und deren erfolgversprechende Ausrichtung vor dem Hintergrund des Regionalbezugs und der zunehmenden Verbreitung des Internets ermöglichen.

 

Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt und bilden den "roten Faden" der Ausarbeitung:

 

Was sind die Gestaltungsmerkmale von Ballungsraumprogrammen?

 

Wie sind diese Merkmale, insbesondere die Programminhalte, konkret auszugestalten, und was sind dabei die Erfolgsfaktoren?

 

Welche Plattformen zur Programmverbreitung gibt es?

 

Zur Beantwortung dieser Fragen ist es zuvor notwendig, die zugrundeliegende Ausgangssitiuation kurz zu erläutern. Hierzu werden im 2. Kapitel die Grundlagen werbefinanzierter Ballungsraumprogramme in Deutschland vorgestellt. Es beschreibt die inhaltlichen und terminologischen Grundlagen unterschiedlicher regionaler Programmangebote und präzisiert den Begriff des Ballungsraumprogramms. Ferner setzt sich das 2. Kapitel mit der Kosten- und Erlösstruktur von Ballungsraumsendern auseinander. Anschließend werden wichtige Begriffe aus der Werbewirtschaft erläutert, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit Bezug genommen wird. Zum Abschluss wird, ausgehend von den Interaktionsstrukturen unterschiedlicher Interessengruppen, das Zielsystem eines werbefinanzierten Ballungsraumsenders entwickelt.

 

Das 3. Kapitel beschreibt die vier wesentlichen Merkmale zur Gestaltung von Ballungsraumprogrammen. Diese werden aus dem zuvor entwickelten Zielsystem abgeleitet und näher erläutert. Die Merkmale sind das Verbreitungsgebiet, die Programmqualität, die Kooperationsformen und die Sendestruktur. Anschließend wird ihr Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit gezeigt, wobei nur Plausibilitätsgründe und keine methodischen Ansätze aufgeführt werden.

 

Im 4. Kapitel werden die zwei Plattformen und die über sie verbreiteten Medien werbefinanzierter Ballungsraumprogramme dargestellt. Dazu wird zunächst der Begriff der Plattform zum besseren und einheitlichen Verständnis kurz definiert. Während über die Plattform Fernsehen auch das Medium Fernsehen empfangen wird, dient die Plattform Computer zum Empfang des Mediums Internet. Die beiden Medien analoges Fernsehen und Internet werden anschließend hinsichtlich ihrer medien- und anwendungsspezifischen Eigenschaften, Übertragungswege und rechtlichen Auflagen in Form einer Gegenüberstellung miteinander verglichen. Dadurch sollen ihre spezifischen Besonderheiten aufgezeigt werden, die es bei der Programmgestaltung zu berücksichtigen gilt. Ferner werden die verschiedenen Distributionswege, die generell zur Übertragung der zwei Medien in Frage kommen, dargestellt. Ein Überblick über die für diese Ausarbeitung relevanten rechtlichen Auflagen soll dem Leser die Motivation des Gesetzgebers und den vorgegebenen rechtlichen Rahmen verdeutlichen. Zum Abschluss wird eine Bestandsaufnahme über die drei Seiten der Konvergenz der beiden Plattformen gegeben. Diese Ausführungen sollen den strategischen Spielraum für einen Ballungsraumsender in Deutschland aufzeigen.

 

Das 5. Kapitel bildet den Schwerpunkt der Untersuchung. Die zuvor in Kapitel 3

 

nur theoretisch abgehandelten Gestaltungsmerkmale und die Rolle der Werbe-wirtschaft werden nun dahingehend untersucht, wie sie konkret auszugestalten sind, um ein möglichst erfolgreiches Ballungsraumprogramm auf den Weg zu bringen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Programminhalte. Die Ausführungen werden anhand eines Erfolgsmodells für das Rhein-Main-Gebiet konkretisiert. Da das Modell auf den vom Autor als entscheidend betrachteten Erfolgsfaktoren basiert, fließen sie direkt mit ein und werden auf diese Weise anschaulich dargestellt.

 

Das Fazit dient der Zusammenfassung der Arbeit. Hier werden die wichtigsten Punkte und Erkenntnisse noch einmal kurz aufgegriffen und kommentiert, die zur Beantwortung der eingangs erwähnten Fragen beigetragen haben.

2. Grundlagen werbefinanzierter Ballungsraumprogramme

 

2.1 Begriffe

 

2.1.1 Regionalprogramm

 

Eine Begriffsabgrenzung des Regionalprogramms verlangt zunächst einmal die Klärung des Begriffs der Region. Er stammt aus dem Lateinischen und ist gleichbedeutend mit Gegend, Bezirk, Gebiet[8]. In der Rundfunklandschaft wird die Region häufig recht unscharf als größere Raumeinheit aufgefasst und in Verbindung mit anderen Begriffen wie Nahbereich, Subregion oder Lokalisierung gebracht.

 

Eine Präzisierung nahm Teichert 1981 auf der Grundlage einer Definition des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Gemeindetages vor. Demnach ist Region "ein funktionales Konzept, das versucht, Gebiete unterschiedlicher Wirtschafts- und Sozialstruktur so zu umfassen, dass den zentralen Bedürfnissen der Menschen Rechnung getragen werden kann. Zu diesen Bedürfnissen oder Daseinsgrundfunktionen zählen wohnen, arbeiten, sich versorgen, sich bilden, sich erhalten, sich erholen, Verkehrsteilnahme und Leben in Gemeinschaft."[9]. Die Region umfasst allgemein denjenigen Raum, den die der Erfüllung der genannten Funktionen dienenden Einrichtungen beanspruchen. Durch die Festlegung von Kriterien, denen die Einrichtungen entsprechen sollen, lässt sich der Raum konkretisieren. Die Regionalforschung legt folgende Kriterien zu Grunde[10]:

 

Einen vielseitigen Arbeitsmarkt mit mindestens 100.000 bis 200.000 Arbeitsplätzen,

 

zufriedenstellende Wohnbedingungen und Anschluss an Infrastruktur-Einrichtungen,

 

Freizeitmöglichkeiten,

 

mindestens 500.000 Einwohner in der Region,

 

Höchstentfernungen in der Region von maximal 90 PKW-Zeitminuten

 

sowie mindestens ein Kerngebiet als Regionsmittelpunkt.

 

Das Regionalprogramm wendet sich idealtypisch an einen Kommunikations- oder Ereignisraum, der nach geschichtlichen, geographischen und politischen Kriterien sowie nach Lebens- und Arbeitsgewohnheiten abgegrenzt ist und somit eine mehr oder weniger homogene Gegend repräsentiert. Ein Blick auf die Fernsehlandschaft in Deutschland zeigt jedoch, dass die bestehenden Regionalprogramme weitgehend föderalen Grenzen folgen. Die ARD unterhält Landesrundfunkanstalten, und auch die privaten nationalen Anbieter RTL und Sat 1 richten ihre regionalen Fensterprogramme weitgehend nach den Ländergrenzen der Bundesrepublik Deutschland aus. Diese Aufteilung der Regionalprogramme zieht grundsätzliche Probleme nach sich. Mit der Größe des Verbreitungsgebietes verändern sich auch Homogenität und regionaler Bezug.

 

2.1.2 Ballungsraumprogramm

 

Der Begriff des Ballungsraums lässt sich präziser beschreiben als der der Region. Ein Ballungsraum besteht aus einem dichtbesiedelten städtischen Zentrum und dünnbesiedelten ländlichen Randzonen. Er lässt sich nach harten und weichen Faktoren abgrenzen. Harte, quantitative Merkmale sind hohe Bevölkerungszahl und Bevölkerungsdichte. Weiche, qualitative Merkmale sind Zugehörigkeitsgefühl zum Ballungszentrum, Pendlerbewegungen, politische Einbindung und Interesse an kommunaler Berichterstattung.[11] Prinzipiell kann ein Ballungsraum ein oder mehrere Zentren haben, die meistens einfach herauszufinden sind. Diese sind auch gleichzeitig Schwerpunkt der Berichterstattung. Die Abgrenzung der Ballungsraum-ränder kann sich dagegen schwieriger gestalten[12]. Aufgrund dieser problematischen Abgrenzung des Sendegebiets kann es zu einem Overspill-Effekt kommen, d.h. das Programm kann auch von Leuten außerhalb des eigentlichen Kommunikationsraums rezipiert werden.

 

Ein Ballungsraumprogramm versorgt die Bewohner eines bevölkerungsreichen und dichtbesiedelten Gebiets mit Informationen und Unterhaltung aus der Nahwelt über eine eigene terrestrische Frequenz und häufig auch über Kabel. Während bei der Zeitung das Verbreitungsgebiet historisch gewachsen ist, muss bei der Einführung eines Ballungsraumprogramms ein Kommunikationsraum gefunden werden, der nicht nur kulturell zusammenhängend und homogen ist, sondern auch ein für den rentablen Betrieb dieses Programms ausreichend großes Zuschauer- und Wirtschaftspotenzial bietet[13]. Ist das Sendegebiet zu groß gewählt, geht es an den lokalen und regionalen Informationsbedürfnissen der Bürger vorbei und könnte kostengünstiger produziert werden. Ein zu kleines Sendegebiet könnte dagegen zu wenig Inhalte für ein mehrstündiges Programm liefern.

 

2.1.3 Metropolenprogramm

 

Metropolen sind Großstädte ab einer gewissen Bevölkerungszahl. Aufgrund dieser klaren Definition ist die Abgrenzungs- und Identifikationsproblematik wesentlich geringer als bei den vorherigen beiden Programmformen. Zum Sendegebiet gehören nur die Stadtteile der Großstadt. Es handelt sich um eine politisch gezogene Grenze. Zwar zeichnet sich gerade eine Großstadt durch eine heterogene Interessen- und Themenlage innerhalb ihrer Bevölkerung aus. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich ein Großteil der Bevölkerung mit den Themen identifizieren kann, die das Zentrum der Metropole betreffen.

 

2.1.4 Lokalprogramm

 

Beim Lokalprogramm handelt es sich wie beim Metropolenprogramm um eine stadtbezogene Berichterstattung allerdings ohne festgelegte Bevölkerungs-untergrenze. Dies führt zu für Lokalsender typischen geringen Rezipienten-potenzialen, was wiederum die Wirtschaftlichkeit solcher Sender beeinträchtigt. Sofern die technischen Übertragungsmöglichkeiten vorhanden sind, umfasst das Verbreitungsgebiet das gesamte Gebiet eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt. Die Praxis zeigt, dass gerade hier erhebliche Probleme bestehen. Die sub-optimale technische Reichweite trägt auch zu der allgemein wirtschaftlich schwierigen Situation dieses Programmtyps bei. Trotzdem existiert eine Vielzahl an Lokalfernsehsendern in Deutschland, und es werden ständig neue Sender gegründet.

 

Tabelle 1: Raumkriterien unterschiedlicher regionaler und lokaler Programmformen im Vergleich

 

 

Quelle: in Anlehnung an Nafziger, R. (1997), S. 10

 

2.2 Wirtschaftlichkeit

 

2.2.1 Allgemeine Situation

 

Über die Wirtschaftlichkeit von Ballungsraumsendern lassen sich nur schwer genaue Aussagen machen. Die Sender äußern sich, wenn überhaupt, nur vereinzelt zu Marktanteilen und Reichweiten[14], Programmkosten und Jahresbudget. Bei etlichen Ballungsraumsendern hat sich die Gesellschafterstruktur in den letzten Jahren immer wieder geändert, weil die Investoren die Verluste nicht mehr tragen wollten oder konnten. Es zeigt sich, dass selbst nach Jahren der Gründung der Break-Even kaum erreicht werden kann. Dafür lassen sich zwei Gründe anführen: Zum einen sind die Anlaufverluste sehr hoch, zum anderen können die Werbeeinnahmen die Kosten für ein qualitativ anspruchsvolles Programm kaum decken. Auch die zahlreichen Gutachten der letzten Jahre zu den Wirtschaftlichkeitsaussichten des Ballungsraum-fernsehens kommen trotz (teilweise) unterschiedlicher Modellannahmen zu dem Ergebnis, dass sich Ballungsraumfernsehen erst nach vielen Jahren amortisieren kann, wenn überhaupt[15]. Das DIW hat 1999 im Rahmen einer Studie interessante Zahlen über den Typus "Ballungsraumfernsehen" heraus gearbeitet[16]. Ballungsraum-programme erstrecken sich üblicherweise über 24 Stunden. Davon werden täglich knapp fünf Stunden neu produziert. Der Kostendeckungsgrad beträgt lediglich 56%, wobei Werbung ca. 30% der Kosten deckt. Im Durchschnitt kostet ein Ballungsraum-fernsehprogramm 12 Mio. DM pro Jahr. Die Sendeminutenkosten für Erstsendungen betrugen laut DIW-Studie knapp 69,- DM.

 

2.2.2 Erlöse

 

Der Gesetzgeber sieht Werbung und Zuschauerentgelte als Haupterlösquellen für private Rundfunkveranstalter in Deutschland vor und schließt deren Beteiligung an dem Rundfunkgebührenaufkommen aus.

 

2.2.2.1 Werbung

 

Werbung kann nur effektiv sein, wenn das Programm aufgrund seiner inhaltlichen und formalen Gestaltung vom Zuschauer akzeptiert wird. Auf der anderen Seite bedarf ein erfolgreiches Programm hoher Werbeeinnahmen zur Refinanzierung. Dies zeigt die Interdependenz zwischen Programm und Werbung[17]. Gegenstand dieser Untersuchung bilden private werbefinanzierte Ballungsraumprogramme. An dieser Bezeichnung wird bereits die Hauptfinanzierungsart deutlich. Entgeltfinanzierung ist eher eine theoretische Möglichkeit. Bislang wurden keine entgeltfinanzierten Ballungsraumprogramme angeboten. Damit konzentriert sich die weitere Untersuchung auf die Werbung und die verschiedenen Werbeformen[18].

 

2.2.2.1.1 Spotwerbung

 

Die Spotwerbung ist nicht nur für überregionale Rundfunkanbieter, sondern auch für Ballungsraumsender die mit Abstand wichtigste Werbeform. Hier kann der regionale Werbetreibende mit den geringsten Streuverlusten werben. Die Spotwerbung kann entweder als Unterbrecherwerbung in einer zusammenhängenden Sendung oder als Schanierinsel zwischen zwei verschiedenen Sendungen geschaltet werden. Da die Spotwerbung unabhängig vom redaktionellen Programm ist, muss der Werbeblock zu Beginn und am Ende deutlich gekennzeichnet werden. Im inter- und intramedialen Vergleich dient der Tausenderkontaktpreis als Anhaltspunkt für den relativen Preis eines Werbespots in dem jeweiligen Medium[19].

 

2.2.2.1.2 Dauerwerbesendung

 

Dauerwerbesendungen sind redaktionell gestaltete Werbung. Sie verbinden redaktionell gestaltetes Programm und werbende Elemente miteinander und legen den Schwerpunkt dabei auf die Werbung. Ihre Mindestlänge beträgt 90 Sekunden. Eine Variante davon sind die sog. Information Commercials bzw. Infomercials. Sie sind wesentlich länger und dauern in der Regel 30 Minuten, da Produkte auf informative Weise ähnlich einer Talkshow oder Nachrichtensendung vorgestellt werden[20]. Im Vergleich zur Spotwerbung sind sowohl Dauerwerbesendungen als auch Infomercials zeitintensiver und teurer, weshalb sie eher für umsatzstärkere regionale Anbieter in Betracht kommen.

 

2.2.2.1.3 Teleshopping

 

Wie der Name schon andeutet, werden im Rahmen des Teleshopping Produkte vorgestellt und zum Kauf angeboten. Der Fernsehveranstalter wird für die Bereitstellung der Sendezeit bezahlt, ist aber ansonsten nicht involviert.

 

2.2.2.1.4 Sponsoring

 

Eine immer bedeutender werdende Form der Finanzierung stellt das Sponsoring dar. Sponsoring steht für die direkte oder indirekte Finanzierung einer Sendung durch einen Sponsor, um die Marke, den Namen, das Erscheinungsbild oder seine Tätigkeit zu fördern[21]. Es handelt sich also nicht um Werbung im engeren Sinn. Vielmehr erhofft sich der Sponsor einen positiven Effekt durch Nennung seines Namens vor und nach einer vom Zuschauer akzeptierten Sendung.

 

2.2.2.1.5 Bartering

 

Eine ebenfalls aus den USA übernommene Form der Kooperation zwischen einem Fernsehsender und der Werbewirtschaft ist das Bartering. Es ist ein Tauschgeschäft, bei dem der Werbungtreibende Sendungen produziert und sie einem oder mehreren Sendern kostenlos überlässt. Als Gegenleistung erhält er vom Sender ein gewisses Werbezeiten-Kontingent im Umfeld der Fernsehsendung[22]. Für den Werbung-treibenden bietet sich die Chance, eine auf seine Zielgruppe zugeschnittene Sendung zu produzieren und dadurch ein ideales Umfeld für seine Werbespots zu schaffen. Das ganze lohnt sich für ihn aber nur, wenn sich die Produktionskosten der Sendungen durch die Ausstrahlung kostenloser Werbespots amortisieren. Für Ballungsraumsender stellt Bartering ebenfalls eine interessante Kooperationsform dar: Zum einen sind Ballungsraumsender auf Programmzulieferungen angewiesen, um ihr 24-Stunden-Programm zu füllen, zum anderen können sie auf diese Weise die Vermarktung der Werbezeiten des Zulieferprogramms beeinflussen.

 

2.2.2.1.6 Programming

 

Programming ist die etwas gehobenere Form des Bartering. Es handelt sich nicht um ein kostenloses Geschäft. Der Werbetreibende produziert geeignete Sendungen, verkauft diese aber im Gegensatz zum Bartering an den Fernsehsender. Die Sender wiederum verkaufen die im Umfeld dieser Sendungen plazierte Werbezeit. Für regional Werbetreibende ist dies eine sehr teure Form der Werbung. In Frage kommen Sendungen mit geringem Produktionsaufwand, wie z.B. Gameshows. Andererseits bietet sich ihnen die Chance, durch die Ausstrahlung ihrer selbstproduzierten Sendung ein zielgruppenadäquates Werbeumfeld zu schaffen. Für den Ballungsraumsender kann der Erwerb dieser Sendungen einen günstigen Kauf darstellen. Darüber hinaus erwirbt er eine dauerhafte Buchungsgarantie.

 

2.2.2.2 Weitere Erlösquellen

 

Neben der Werbung als Haupterlösform bieten sich Ballungsraumsendern noch zahlreiche andere Finanzierungsquellen. Deshalb sollen hier nur die wichtigsten vorgestellt werden.

 

2.2.2.2.1 Programmverwertung

 

Programmverwertung bedeutet den Verkauf von Nutzungsrechten aus dem eigenen Programmvermögen an andere Programmveranstalter. Auf dem überregionalen Fernsehmarkt ist dies eine immer wichtiger werdende Finanzierungsform, stellen doch die Programminhalte bzw. der Content die wahren Vermögenswerte dar. Auch im Bereich des Ballungsraumfernsehens wird darin ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Wirtschaftlichkeit gesehen. So haben viele Sender begonnen, hinsichtlich der Programminhalte zu kooperieren[23].

 

2.2.2.2.2 Lizenzhandel

 

Beim Licensing verkaufen die Rundfunkanbieter geschützte Rechte an Leistungen oder Sachen an Dritte. Diese Lizenznehmer produzieren und vertreiben die mit dem Senderlogo oder Programmtitel versehenen Produkte. Neben der Eröffnung einer zusätzlichen Einnahmequelle bietet sich gerade Ballungsraumsendern dadurch die Möglichkeit, die Zuschauerbindung und die Identifikation mit dem Heimatsender zu verstärken.

 

2.2.2.2.3 Merchandising

 

Merchandising umschließt alle Maßnahmen zur Absatzförderung sendungsbezogener Produkte wie den Verkauf von logoverzierten Werbeartikeln, die Weitervermarktung von Programmteilen auf Videokassetten oder Tonträgern oder den Verkauf von Büchern zu Sendereihen[24]. Es ist eng mit dem Licensing verbunden, allerdings übernimmt beim Merchandising der Sender Herstellung und Vertrieb der Produkte selbst. Da der regional begrenzte Absatzmarkt sehr klein ist, sind durch das Merchandising - und auch das Licensing - nur geringe Umsätze zu erwarten. Daher sind sie als Einnahmequelle für einen Ballungsraumsender kaum von Relevanz.

 

Abbildung 1: Ausgewählte Finanzierungsformen privater Ballungsraumsender

 

 

2.2.3 Kosten

 

Eine Systematisierung ballungsraumprogrammspezifischer Kostenarten orientiert sich am besten an den einzelnen Produktionsfaktoren, da sie auf sehr unterschiedliche Weise zu den Gesamtkosten beitragen[25]. Die drei relevanten Produktionsfaktoren sind Personalkosten, Sachkosten und kalkulatorische Kosten.

 

2.2.3.1 Personalkosten

 

Da Rundfunkleistungen im allgemeinen sehr personalintensiv sind, kommt den Personalkosten eine entscheidende Bedeutung zu. Prognos geht in seinem Gutachten für Ballungsraumfernsehen im Rhein-Main-Gebiet aus 1996 davon aus, dass Personalkosten und Programmeinkauf zusammen 50% der Gesamtkosten ausmachen[26]. Hierzu zählen alle Kosten, die durch den Faktor Arbeit verursacht werden wie Gehälter oder Sozialleistungen. Die Personalkosten lassen sich weiter hinsichtlich freien und festangestellten Mitarbeitern sowie hinsichtlich der Funktionsbereiche Redaktion/Programm, Technik/Produktion und Verwaltung unterteilen.

 

Die Redaktion ist der wichtigste Bereich eines Ballungsraumsenders, da sie die tägliche Programmgestaltung bestimmt. Zu ihr zählen der Redaktionsleiter oder Chefredakteur, Redakteure, Reporter, Volontäre und Moderatoren. Abhängig von der Größe des Senders kann der Chefredakteur neben seiner dispositiven Tätigkeit auch noch sporadisch bei der Berichterstattung eingesetzt werden. Es ist auch denkbar, dass der Chefredakteur gleichzeitig Geschäftsführer ist. Im Bereich der Produktion und Technik arbeiten Produktions- und Aufnahmeleiter, technischer Leiter, Cutter, Regisseur, Kameramänner sowie Bild- und Toningeneure.

 

Durch die rasante technische Entwicklung bieten sich in den beiden Bereichen erhebliche Einsparpotenziale für Ballungsraumsender. Statt des bisher im Fernsehen üblichen Drei-Mann-Teams aus Reporter, Kameramann und Tonassistent kann ein Zwei- oder sogar Ein-Mann-Team in der Außenberichterstattung eingesetzt werden. Beim Zwei-Mann-Team übernimmt der Kameramann noch die Funktion des Tonassistenten, während dem Reporter weiterhin die Interviewführung obliegt. Beim Ein-Mann-Team übernimmt der sog. Videojournalist quasi in Personalunion neben Kamera- und Interviewführung häufig auch noch den Schnitt, was teilweise doch zu recht erheblichen Qualitätseinbußen beim Endprodukt führen kann. In der Praxis hat sich das Konzept des Zwei-Mann-Teams etabliert, da es einen vernünftigen Kompromiss zwischen Kosten und Qualität darstellt.

 

Als dritter Funktionsbereich ist die Verwaltung zu erwähnen, zu der die Geschäfts-führung, kaufmännische Angestellte, Sekretärinnen und Rezeptionisten zählen. Von großer Bedeutung für Ballungsraumsender ist hier die Marketingabteilung, zu deren Hauptaufgaben die Markt- und Medienforschung sowie die Disposition und Akquisition von Werbezeiten zählen. Während in den Bereichen Redaktion und Technik gerne freie Mitarbeiter eingesetzt werden, sind die Mitarbeiter der Verwaltung in der Regel fest angestellt.

 

2.2.3.2 Sachkosten

 

Zu den Sachkosten zählen Material-, Energie-, Reparatur-, Instandhaltungs-, Miet-, Verkehrs-, Büro- und Werbekosten. Dazu kommen noch weitere je nach Funktionsbereich unterschiedliche Kostenblöcke.

 

2.2.3.3 Kalkulatorische Kosten

 

Unter kalkulatorischen Kosten versteht man Kapitalkosten[27]. Dazu zählen die kalkulatorischen Abschreibungen und die kalkulatorischen Zinsen. Die kalkulatorischen Abschreibungen versuchen, den in einer Periode anfallenden Verschleiß sämtlicher Investitionsgüter in Verwaltung, Technik und Redaktion auf Grundlage unterschiedlicher Abschreibungsverfahren möglichst genau zu erfassen. Der Ansatz der kalkulatorischen Zinsen basiert auf der Überlegung, dass das investierte Kapital geraume Zeit gebunden ist und nicht anderweitig zinsbringend angelegt werden kann[28]. Dadurch entstehen Opportunitätskosten. Diese werden durch Multiplikation des eingesetzten Kapitals mit dem kalkulatorischen Zinssatz, der sich am Fremdkapital- oder Kapitalmarktzinssatz orientieren kann, berechnet. Gerade aus Sicht eines Investors spielen kalkulatorische Zinsen eine wichtige Rolle zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Ballungsraumsenders, da hier hohe Anlaufverluste zu verzeichnen sind.

 

Abbildung 2: Gliederung der Kostenarten nach Produktionsfaktoren

 

 

Quelle: in Anlehnung an Nafziger, R. (1997), S. 216

 

2.3 Begriffe der Werbewirtschaft

 

2.4.1 Für Werbeträger relevante Begriffe

 

Werbeträger sind Organe der Informationsübermittlung und werden im Rahmen der Werbung zur Streuung von Werbemitteln eingesetzt[29]. Die in der Mediapraxis wichtigsten Werbeträger sind Printmedien, FFF-Medien, Medien der Außenwerbung und Medien der Direktwerbung.

 

2.3.1.1 Werbemarkt- und Werbeträgerpotenzial

 

Werbepotenziale sind die prognostizierten Werbeeinnahmen, die ein Werbeträger, wie z. B. ein Ballungsraumsender, anteilig an den zukünftigen Werbemitteln auf sich vereinigen kann[30]. Je nach Untersuchungsgegenstand lassen sich verschiedene Werbepotenziale hierarchisch anordnen.

 

Das Werbemarktpotenzial ist die Summe aller möglichen Netto-Werbeeinnahmen aller Werbeträger[31]. Es lässt sich in das Werbepotenzial 1. Ordnung (nationales Werbemarktpotenzial), 2. Ordnung (regionales Werbemarktpotenzial), 3. Ordnung (sub-regionales oder lokales Werbemarktpotenzial) und 4. Ordnung (Werbeträgerpotenzial) unterteilen.

 

Das Werbeträgerpotenzial umfasst alle Werbeeinnahmen, die ein einzelner Werbeträger maximal am Werbemarkt erzielen kann[32]. Bei der Analyse des Werbeträgerpotenzials sind fast ausnahmslos Faktoren zu berücksichtigen, die von der individuellen Unternehmenspolitik unabhängig sind. Sie lassen sich in Angebots- und Nachfragefaktoren unterteilen. Während das Nachfragepotenzial von den Rezipienten, der Werbewirtschaft und der Konkurrenzsituation geprägt wird, determinieren die verfügbare Werbezeit und gesetzliche Vorschriften das Angebotspotenzial. Diese fünf Faktoren bestimmen zusammen das Werbeträger-potenzial bzw. Werbemarktpotenzial 4. Ordnung[33]. Einzelne Unternehmen können zwar nicht die Höhe, aber sehr wohl den Grad der Ausschöpfung des Werbe-potenzials beenflussen. Zu den Ausschöpfungsbedingungen gehören die Programm-politik, das Sender-Marketing, die Leistung der Werbeakquisition und der Nachweis der Werbeleistung[34]. Ziel der Prognose des Werbepotenzials ist es, die zukünftigen Werbeeinnahmen eines Unternehmens zu planen. Dies kann auf zwei Wegen erfolgen: Entweder wird das Werbeträgerpotenzial (Werbepotenzial 4. Ordnung) von dem nationalen Werbemarktpotenzial (Werbepotenzial 1. Ordnung) ausgehend heruntergebrochen (Top Down-Ansatz) oder über media-planerische Kalküle auf der Basis von Werbemengen und Werbepreisen berechnet (Bottom Up-Ansatz).

 

2.4.3 Für Werbungtreibende relevante Begriffe

 

Werbungtreibende Unternehmen lassen sich nach räumlichen Aspekten in lokal, regional und national Werbungtreibende unterscheiden.

 

2.3.2.1 Mediaanalyse

 

Die Mediaanalyse als empirischer Teil der Mediaforschung bedient sich ausschließlich primärstatistischer Erhebungsmethoden und ist damit eine entscheidende Informationsgrundlage für die weiter unten zu erklärende Mediaplanung[35]. Auf Basis von Befragungen und (technisch automatisierten) Beobachtungen werden Daten zur Nutzung von Werbeträgern sowie über deren Rezipienten unter besonderer Berücksichtigung der Nutzerstruktur gewonnen. Mediaanalysen werden meist von den Mediaanbietern selbst durchgeführt bzw. veranlasst. Die größte standardmäßige Mediaanalyse in Deutschland ist die Media-Analyse (MA) der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse[36]. Die im Rahmen der Mediaanalyse erhobenen Daten werden zu Kontaktmaßzahlen verdichtet, von denen die wichtigsten im Folgenden dargestellt werden.

 

2.3.2.1.1 Reichweite

 

Die wichtigste Kontaktmaßzahl zur Beurteilung eines Werbeträgers ist dessen Reichweite. Sie beschreibt - absolut oder relativ - den Anteil der Bevölkerung oder bestimmter Untergruppen, der zu einer bestimmten Zeit oder in einem bestimmten Zeitraum Kontakt mit diesem Werbeträger hatte[37]. Im Falle eines Ballungsraum-senders besagt die absolute Reichweite, wieviel Zuschauer diesen Sender in einem bestimmten Zeitabschnitt gesehen haben. Die relative Reichweite errechnet sich, indem diese Zuschauerzahl in das Verhältnis zur Größe der Gesamtbevölkerung eines Sendegebiets gesetzt wird. Dabei ist anzumerken, dass generell nur die deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren, die technisch in der Lage ist, das Fernseh-programm zu empfangen, werberelevant ist.

 

2.3.2.1.2 Rezipientenpotenzial

 

Das Rezipientenpotenzial eines Ballungsraumfernsehsenders lässt sich in 4 Ebenen hierarchisieren[38]. Das Rezipientenpotenzial 1. Ordnung ist gleichbedeutend mit der technischen Reichweite und umfasst die werberelevante Zielgruppe, nämlich die deutsche Bevölkerung ab 14 Jahren, die das Programm eines Senders technisch empfangen kann. Die Zuschauer, die sich als Teilmenge des Rezipientenpotenzials 1. Ordnung für regionale Informationen, Bildung und Unterhaltung interessieren, bilden das Rezipientenpotenzial 2. Ordnung. Das Kontaktpotenzial ist das Rezipientenpotenzial 3. Ordnung und steht für den Anteil der Bevölkerung in einem Sendegebiet, der in der Sendezeit eines Ballungsraumfernsehprogramms tatsächlich fern sieht. Das Rezipientenpotenzial 4. Ordnung bildet die Schnittmenge aus den Rezipientenpotenzialen der 2. und 3. Ordnung, also derjenige Bevölkerungsanteil, welcher sich für sub-regionales Fernsehprogramm interessiert und in der Sendezeit eines Ballungsraumfernsehsenders tatsächlich fern sieht. Zur Maximierung seines Marktanteils muss ein Ballungsraumsender bestrebt sein, dieses Rezipienten-potenzial der 4. Ordnung optimal auszuschöpfen.

 

2.3.2.1.3 Weitester Seherkreis

 

Der weiteste Seherkreis ist eine quantitative Kennzahl und umfasst alle Zuschauer, die insgesamt das jeweilige Fernsehprogramm in den letzten 14 Tagen gesehen haben. Zur Bestimmung der Effizienz von Werbeträgern ist sie selten geeignet, weil ein kostenmäßiger inter- und intramedialer Vergleich allein wenig aussagefähig ist (z.B. Hörfunkwerbung sehr günstig, Direktwerbung sehr teuer).

 

2.3.2.2 Mediaplanung

 

Im Rahmen einer Werbekampagne dient die Mediaplanung dazu, die Werbeträger mit der gewünschten Zahl an Einschaltungen im gewünschten Umfeld zum geplanten Zeitpunkt auszuwählen[39]. Sie stützt sich dabei auf die in der Mediaanalyse erhobenen Daten und Kontaktmaßzahlen. Da Streuverluste und Streulücken unvermeidbar sind, gibt es generell zwei streustrategische Ziele[40]:

 

Reichweitenmaximierung:

 

Maximale Reichweite hat Priorität vor Kontaktfrequenz. Streuverluste werden in Kauf genommen. Es sollen möglichst alle Zielpersonen erreicht werden, unabhängig wie oft.

 

Kontaktfrequenzmaximierung:

 

Es sollen vorrangig die erreichten Zielpersonen mit einer bestimmten Kontakthäufigkeit angesprochen werden. Streulücken werden dabei in Kauf genommen.

 
2.3.2.2.1 Streuverlust

 

Streuverluste bezeichnen überflüssige, d.h. angesichts eines vorgegebenen Reichweitenziels einsparbare Kosten[41]. Sie können durch Überdeckung, Unterdeckung oder Überschneidung entstehen[42]. Eine Überdeckung liegt vor, wenn die Werbeträgerkombination Reichweiten erzielt, die über die definierte Zielgruppe hinaus gehen. Eine Unterdeckung ist zu verzeichnen, wenn die Mediakombination nicht die gesamte Zielgruppe abdecken kann. Eine Überschneidung tritt auf, wenn die Mediennutzer der ausgewählten Werbeträger zum Teil identisch sind.

 

2.3.2.2.2 Tausenderkontaktpreis

 

Im Fernsehen ist der Tausenderkontaktpreis (TKP) als derjenige Preis definiert, der für einen 30-Sekunden-Spot bezogen auf 1000 Zuschauer zu zahlen ist[43]:

 

TKP = (Preis 30-Sekunden-Spot)*(1000) / (Zahl der eingeschalteten Geräte).

 

In der traditionellen Streuplanung dient er der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit und dem Preisvergleich zwischen den verschiedenen Medien. Der absolute Streupreis kann dafür kein geeignetes Kriterium sein. Vielmehr muss er in Relation zu seinem "Nutzen" gesetzt werden, der sich nach der Brutto-Reichweite bemisst. Hierin liegt auch ein Kritikpunkt an dem TKP: Er macht nur eine Aussage über die Quantität, nicht aber über die Qualität der Kontakte wie sozio-demographische Struktur der Zuschauer oder Häufigkeit, Frequenz und Wahrscheinlichkeit von Kontakten. Eine dem TKP vergleichbare Kontaktmaßzahl für das Internet ist die Klick-Rate, die für die Anzahl der Besuche einer Web-Seite steht.

 

2.5 Beschreibung des Zielsystems

 

Auf einen Ballungsraumsender wirken verschiedene Interessengruppen ein. Sie beeinflussen dessen konkrete Gestaltung und Führung und letztlich auch dessen Wirtschaftlichkeit. Die Summe der Ziele aller Interessenten bzw. der Koalition Ballungsraumfernsehen beschreibt das Zielsystem eines Ballungsraumsenders.

 

2.6.1 Interaktionsgefüge der verschiedenen Interessengruppen

 

Im Wesentlichen lassen sich vier Interessengruppen unterscheiden, die auf die Gestaltung und Wirtschaftlichkeit eines Ballungsraumsenders Einfluss nehmen: Die Werbewirtschaft, der Staat in Form von öffentlichen Entscheidungsgremien, die Programmnutzer und der Ballungsraumsender[44]. Diese Gruppen haben bestimmte Eigenschaften und sind durch Relationen miteinander verknüpft.

 

Abbildung 3: Die vier Interessengruppen eines Ballungsraumsenders

 

 

Quelle: in Anlehnung an Nafziger, R. (1997), S. 35

 

Die werbetreibende Wirtschaft dient einerseits der Finanzierung des Programms und nimmt andererseits verfügbare Sendezeit in Form von Werbezeit ab. Die Programm-nutzer rezipieren das Programm und entscheiden über die Höhe des Marktanteils. Der Ballungsraumsender besteht aus den Mitarbeitern, Kapitalgebern, Produktions-firmen und sonstigen Lieferanten, die zusammen die wichtigsten Inputs für das Programm liefern. Die öffentlichen Entscheidungsgremien wie Landesmedien-anstalten und Gesetzgeber, stecken durch ihre Kontroll- und Ordnungsfunktion den regulatorischen Rahmen ab.

 

Ballungsraumsender lassen sich koalitions- bzw. anreiz-/beitragstheoretisch erklären[45]. Die Koalitionstheorie geht vor dem Hintergrund pluralistischer Interessen davon aus, dass die Existenz eines (Rundfunk-) Unternehmens letztlich von der Bereitwilligkeit der Koalitionspartner abhängt, für das Unternehmen Beiträge zu leisten. Sie betont dabei die Notwendigkeit eines Gleichgewichts zwischen Anreizen und Beiträgen der Koalitionsteilnehmer[46]: Einerseits soll ein Unternehmen seinen Koalitionsteilnehmern Anreize bieten, andererseits sollen diese umgekehrt Beiträge liefern. Über Sanktionen können die Koalitionäre die Organisation eines Unternehmens beeinflussen.

 

Übertragen auf die Situation eines Ballungsraumsenders muss zunächst ein Interessengleichgewicht aller beteiligten Gruppen gesichert werden, das sich in der Struktur und Programmpolitik niederschlägt. Nur dann ist der Ballungsraumsender langfristig überlebensfähig[47]. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass der Koalitionsein- und -ausstieg für einige Teilnehmer schneller und mit geringeren Kosten zu vollziehen ist als für andere. So können sich Zuschauer und Werbetreibende sehr schnell aus der Koalition zurückziehen, während Mitarbeiter, Kapitalgeber oder Programmlieferanten längerfristig an das Unternehmen gebunden sind. Gerade für die Gesellschafter ist es wichtig, vor der Kapitalinvestition den langfristigen Bestand des Unternehmens unter anreiz-/beitragstheoretischen Aspekten zu betrachten, da sie am stärksten von allen Koalitionsteilnehmern an das Unternehmen gebunden sind.

 

2.6.3 Zielkonzeptionen

 

Das Zielsystem eines Ballungsraumsenders besteht aus einer Vielzahl von Zielen aufgrund der Interessenpluralität innerhalb der Koalition. Für die erfolgreiche Führung eines solchen Senders ist es deshalb wichtig, in einem ersten Schritt die wesentlichen Ziele zu definieren sowie hierarchisch anzuordnen und anschließend zu operationalisieren, d.h. hinsichtlich Inhalt, Ausmaß und Zeitbezug messbar zu machen. Zur Abgrenzung der unterschiedlichen Ziele unterscheidet die BWL die zwei Kategorien der Formal- und der Sachziele.

 

2.4.2.1 Formalziele

 

Formalziele haben einen strategischen Hintergrund und drücken den Zweck der Unternehmenstätigkeit aus. Sie beantworten die Frage, was erreicht werden soll. Vorrangiges Ziel einer privaten Unternehmung sind langfristig Rentabilität und Wirtschaftlichkeit.

 

Die Rundfunklandschaft in Deutschland bedarf jedoch einer besonderen Betrachtung. Den einen Pol bilden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die eine übergeordnete Rolle spielen, da sie einen Programmauftrag zu erfüllen haben und der Grundversorgung dienen. Den anderen Pol bilden die privaten Rundfunkunternehmen, die ökonomische Formalziele in den Vordergrund stellen. Allerdings gelten auch für private Sender zahlreiche gesetzliche Programm-vorschriften, so dass bei privaten Ballungsraumsendern zwischen monetären und nicht-monetären Formalzielen zu unterscheiden ist. Monetäre Ziele sind langfristige Wirtschaftlichkeit und Rentabilität. Realistischerweise wird davon ausgegangen, dass ein potenzieller Investor bei einem Ballungsraumsender mit einem angemessenen Gewinn zufrieden ist[48]. Nicht-monetäre Ziele stellen sämtliche Anforderungen an die Programmqualität dar. Gerade die Landesmedienanstalten setzen ein hochwertiges Programm mit starkem lokalen und regionalen Bezug für eine Zulassung von neuen Ballungsraumsendern voraus. In diesem Zusammenhang ist auf die Interdependenz der beiden Formalziele Programmqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Ein anspruchsvolles Programm sorgt für höhere Einnahmen und kann so die Wirtschaftlichkeit verbessern[49].

 

2.4.2.2 Sachziele

 

Sachziele haben einen operativen Hintergrund und werden aus den übergeordneten Formalzielen abgeleitet. Sie beantworten die Frage, wie die Formalziele erreicht werden sollen, geben also den Weg an, auf dem die Formalziele zu erfüllen sind.

 

Für private Rundfunkunternehmen beschreiben sie im wesentlichen die Sendungen des Programms. Da Ballungsraumprogramme sehr komplex sind, bedarf es einer genauen Zielvorgabe für die einzelnen Merkmale der Programmgestaltung[50]. Den groben Rahmen bilden dabei die gesetzlichen Vorschriften. Für Ballungsraumsender bedeutet das in erster Linie, den Schwerpunkt der Berichterstattung auf lokale und regionale Themen zu legen. Das Programm dient vorrangig den Bedürfnissen der Werbewirtschaft, d.h. der Schaffung von Werbekontakten. Dahinter steckt die Absicht, durch möglichst hohe Werbeeinnahmen das Oberziel Gewinn zu erreichen. Das Programm ist quasi Mittel zum Zweck.

3. Gestaltungsmerkmale werbefinanzierter Ballungsraumprogramme

 

3.1 Ableitung der Gestaltungsmerkmale aus dem Zielsystem

 

Jedes Unternehmen steht unter dem Einfluss bestimmter Interessengruppen. Welche Gruppen das im Fall von privaten Ballungsraumsendern sind, wurde bereits weiter oben erwähnt. Wichtig ist festzuhalten, dass die unterschiedlichen Ziele der Koalitionsmitglieder zusammen das Zielsystem des Ballungsraumsenders bilden. Das Zielsystem stellt quasi die Basis bzw. den Input eines Senders dar. Die Leistung bzw. der Output eines Ballungsraumsenders ist sein Programm. Zwischen diesen beiden Größen Input und Output steht der Leistungserstellungsprozess, d.h. die Erstellung des Programms. Prinzipiell handelt es sich bei Rundfunkproduktionen um Einzelfertigungen bzw. Unikate. Jede Produktion, selbst eine Serienproduktion, ist hinsichtlich Konzeption, Inhalt, Technik, Produktionsablauf, Organisation oder Personaleinsatz einzigartig[51]. Die Einsatzfaktoren können unterschiedlich miteinander kombiniert werden. Deshalb ist es schwierig, den Zusammenhang zwischen dem Zielsystem, den Leistungserstellungsprozessen und dem aus den verschiedenen Produktionen bestehenden Programm zu veranschaulichen. Trotzdem gibt es einige Merkmale, die für ein Ballungsraumprogramm prägend sind. Im Einzelnen handelt es sich um die Gestaltungsmerkmale Verbreitungsgebiet, Kooperationsform und -intensität, Programmqualität und Sendestruktur[52]. Ihre konkrete Ausgestaltung beeinflusst letztlich auch die Wirtschaftlichkeit eines Ballungsraumsenders.

 

Abbildung 4: Einflüsse auf die Gestaltung von Ballungsraumsendern

 

 

Quelle: in Anlehnung an Nafziger, R. (1997), S. 33

 

3.2 Verbreitungsgebiet

 

3.2.1 Die Orientierung des Verbreitungsgebietes für Ballungsraumprogramme am Kommunikationsraum

 

Die richtige Abgrenzung und die Beschaffenheit eines Verbreitungsgebietes haben entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung und den Erfolg eines Ballungsraum-programms und bekommen damit strategischen Charakter. Der Begriff des Ballungsraums gibt bereits einen ersten Hinweis darauf, wie dies zu erfolgen hat. Es ist ein Raum zu definieren, der eine hohe Bevölkerungszahl und Bevölkerungsdichte sowie mindestens ein Zentrum aufweist und zu den Rändern immer weiter ausdünnt. Prinzipiell werden zur Abgrenzung des Verbreitungsgebietes für ein Ballungsraum-programm die Kriterien Bevölkerungsdichte, Pendlerströme, Kaufkraft, Verkabelung und kulturelle/kommunikative Beziehungen herangezogen[53]. Entscheidend dabei ist, dass es sich um ein wirtschaftlich und sozio-kulturell zusammenhängendes Gebiet handelt.

 

Deshalb ist es zum einen wichtig, dass sich die konkreten Grenzen des Verbreitungsgebietes an dem regionalen Kommunikationsbedürfnis der Bevölkerung orientieren. Es muss ein einheitlicher Kommunikationsraum gefunden werden. Die Kommunikation in einem Ballungsraum zeichnet sich durch gemeinsame lokale und regionale Themen und Interessen aus und bedient sich dazu moderner Massenkommunikationsmittel wie des Ballungsraumfernsehens[54]. Zum anderen muss die ökonomische Komponente beachtet werden. Die Ausstrahlung eines Ballungsraumprogramms macht nur für solche Gebiete Sinn, die über eine hohe Kaufkraft und eine ausgeprägte Wirtschaftsstruktur verfügen. Diese Faktoren bestimmen das Werbemarktpotenzial und somit letztlich die Finanzierungs-möglichkeiten eines Ballungsraumsenders. Während die absolute Höhe der Erlöse mit der Zuschauerzahl steigt, bleibt die relative Höhe der Erlöse (Erlöse pro Zuschauer) konstant, da die Werbeerlöse über den Tausenderkontaktpreis von der Zuschauerzahl abhängen.

 

Die Kosten für ein Ballungsraumprogramm sind weitgehend unabhängig von der Zahl der Zuschauer. Lediglich bei den Kosten für Marketing und technische Distribution besteht ein Zusammenhang. Bei der Beantwortung der Frage nach der optimalen Ausdehnung eines Sendegebietes sind die Kosten pro Rezipient von großer Bedeutung[55]. Prinzipiell arbeiten Rundfunkanbieter mit einem hohen Fixkostenanteil. Die Kurve der Kosten pro Zuschauer weist also mit steigender Zuschauerzahl einen stark degressiven Verlauf auf. Unter Kostengesichtspunkten wäre somit ein Sendegebiet von maximaler Größe anzustreben, was aber den kommunikativen Zielen eines Ballungsraumprogramms entgegen steht. Da ein Ballungsraumsender nur eine begrenzte Zuschauerschaft anspricht, kann er die Kostendegressionseffekte nicht wirksam ausnutzen und ist unter Kostenaspekten kaum gerechtfertigt.

 

Abbildung 5: Kosten und Erlöse eines Fernsehsenders pro Rezipient in Abhängigkeit von der Rezipientenzahl

 

 

Quelle: Nafziger, R. (1997), S. 50

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein Ballungsraumsender bei der Abgrenzung seines Verbreitungsgebietes in erster Linie darauf zu achten hat, ein möglichst homogenes und kaufkräftiges Publikum zu erreichen.

 

3.2.2 Abgrenzung des Kommunikationsraums anhand des neuen Stadtregionenmodells

 

Im vorherigen Abschnitt wurde schon der Begriff des Kommunikationsraums eingeführt und seine Bedeutung für die optimale Abgrenzung eines Verbreitungs-gebietes betont. Ziel dieses Abschnitts ist es zu erklären, nach welchen Kriterien ein Kommunikationsraum gefunden und abgegrenzt werden kann. Dazu soll das neue Modell der Stadtregion des Verbandes Deutscher Städtestatistiker (VDSt) angeführt werden. Es ist ein wirtschaftsgeografischer Ansatz zur Bestimmung kommunikations-raumbezogener Verbreitungsgebiete und bezieht sozio-ökonomische Elemente in die Analyse mit ein.

 

Das Modell des VDSt unterscheidet vier verschiedene Gebiete innerhalb der Stadtregion: Vom Zentrum nach Außen sind das die Kernstadt, Gemeinden mit kernstädtischen Merkmalen (Ergänzungsgebiet), engerer und weiterer Einzugsbereich[56]. Die Kernstadt und die Gemeinden mit kernstädtischen Merkmalen bilden den Kernbereich, den inneren, verstädterten Bereich der Stadtregion, der mehr oder weniger weit über die administrativen Grenzen der Kernstadt hinausragt. Der engere und weitere Einzugsbereich bilden den äußeren Bereich der Stadtregion, die Randzone. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Zahl der Kerngebietspendler. Diese Kategorie umfasst alle Berufspendler, die von einer Umlandgemeinde in das Kerngebiet einer oder mehrerer Stadtregionen pendeln. Je nachdem wieviel Prozent der Berufspendler einer Umlandgemeinde in das Kerngebiet pendeln, wird sie entweder dem engeren oder dem weiteren Einzugsbereich zugeordnet.

 

Tabelle 2: Kriterien zur Abgrenzung der Gebiete innerhalb einer Stadtregion

 

 

Quelle: Nafziger, R. (1997), S. 79, in Anlehnung an: Göddecke-Stellmann, J.: Die Stadtregion - ein neues Abgrenzungsmodell. In: Verband Deutscher Städtestatistiker (Hrsg.): Tagungsbericht zur Statistischen Woche 1995. Leipzig, 1995. S. 200f.

 

3.3 Kooperationen

 

3.3.1 Kooperationsformen und -intensitäten

 

Ballungsraumsender versprechen sich durch Kooperationen mit anderen Unternehmen, insbesondere mit Fernsehunternehmen und Programmlieferanten, zwei Vorteile: Eine Erhöhung des Nutzens und eine Senkung der Kosten durch Synergieeffekte[57]. Dabei nehmen sie auch zusätzliche Kosten in Kauf, die erst aufgrund der Kooperationen entstehen. Ein wichtiger Bestandteil dieser Kooperationskosten sind die Transaktionskosten.[58] Kooperiert ein Sender andererseits gar nicht, entstehen ihm hohe Autonomiekosten. Sie resultieren aus den hohen Programmkosten, um die komplette Sendezeit mit Eigenproduktionen zu füllen. Es gilt also für einen Ballungsraumsender zwischen diesen beiden Seiten abzuwägen. Er hat dann den optimalen Kooperationsgrad gefunden, wenn für ihn die Summe aus Kooperations- und Autonomiekosten minimal ist[59].

 

Ballungsraumsender können horizontal oder vertikal kooperieren[60]. Eine horizontale Kooperation bedeutet die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen auf der selben Wertschöpfungsstufe bzw. auf dem selben Markt, also mit einem anderen Fernsehsender. Eine vertikale Kooperation bedeutet die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen auf einer vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungsstufe, also z.B. mit einer Produktionsfirma.

 

Ein zweites Kooperationskonzept stellt die räumliche Kooperation dar[61]. Dazu gehört die regionale Ebene. Beispielsweise ist eine redaktionelle Zusammenarbeit mit den lokalen Tageszeitungen oder Hörfunkanbietern denkbar. Auf nationaler Ebene können wichtige Kooperationen eingegangen werden. Gerade hier gibt es starke Bestrebungen, in den Bereichen der Programmbeschaffung und -verwertung sowie in der Vermarktung zusammen zu arbeiten.

 

Kooperationen lassen sich außerdem nach der Anzahl gemeinschaftlich durchgeführter Funktionen unterscheiden. So können Ballungsraumsender z.B. redaktionell oder im Marketing kooperieren.

 

Nicht zuletzt können Kooperationen auch nach ihrer Dauer differenziert werden, d.h. ob sie nur für ein Projekt abgeschlossen werden oder auf Dauer angelegt sind[62].

 

3.3.2 Programmkonzepte

 

Je nach Kooperationsform und -intensität bieten sich für einen Ballungsraumsender unterschiedliche Programmkonzepte an. Die lokale und regionale Fernsehlandschaft in Deutschland ist noch sehr jung, und die bestehenden Ballungsraumsender lassen sich momentan an zwei Händen abzählen. Im Vergleich dazu stellt sich die Rundfunklandschaft in den USA aufgrund ihrer unterschiedlichen Entstehungs-geschichte ganz anders dar. Dort dominieren mit ABC, CBS und NBC drei große Networks, die jeweils einen Senderverbund aus einer Vielzahl an über das ganze Land verteilten lokalen Fernsehstationen bilden. Dagegen handelt es sich bei den privaten Ballungsraumsendern in Deutschland um unabhängige Fernsehstationen. Je nach Gesellschafterstruktur bietet sich ein anderes Programmkonzept an. Sind Medienkonzerne mit Programmkonserven mit im Boot, lohnt sich das Rahmenmodell. Für Sender, die nicht über einen solchen Programmpool verfügen, bieten sich das Mantelprogramm-Modell oder das Stadtfernsehen-Konzept an. Die bestehenden Programmkonzepte werden im Folgenden dargestellt.

 

3.3.2.1 Mantelprogramm

 

Mantelprogramme sind gemischte Programme, bei denen die eigenproduzierten Sendungen mit lokalem und regionalem Bezug nach einem vereinbarten Schema in ein etabliertes, nationales Mantelprogramm eingebaut werden[63]. Es handelt sich um einen überregionalen Mantel mit regionalen Fenstern. Die Kooperationsintensität ist relativ hoch. Dem Ballungsraumsender entstehen aufgrund der festen Einbindung in den Mantel nur geringe Kooperationskosten. Da lokaler und nationaler Sender ihre Werbezeiten getrennt vermarkten, kann für das Ballungsraumprogramm über das Eigenprogramm hinaus keine weitere Werbung akquiriert werden. Der große Nachteil dieses Modells für den Ballungsraumsender ist, dass er nur schwer ein eigenes Profil aufbauen kann und ein Imagetransfer vom nationalen Anbieter wahrscheinlich ist. Ein Beispiel für dieses Modell ist RNF LIFE, das als unabhängiger Veranstalter sein Programm in einem Fenster auf der Frequenz von RTL ausstrahlt[64].

 

3.3.2.2 Rahmenprogramm

 

Beim Rahmenprogramm-Modell werden zwei Varianten unterschieden. Die erste Variante ist das lokale Vollprogramm[65]. Es handelt sich um vom Veranstalter mit Hilfe von Kaufproduktionen selbst gestaltete gemischte Programme mit den üblichen Fernsehelementen wie Serien, Spielfilme, Talkshows , Magazin- oder Nachrichtensendungen. Zu den geeignetsten Zeiten werden die (regionalbezogenen) Eigenproduktionen in ein preiswertes, unabhängig zugekauftes Programm eingestreut. Dieses Modell hat den Nachteil, dass hohe Kooperationskosten entstehen, da das Rahmenprogramm selbst eingekauft werden muss und ein ständiger Kontakt mit den Rahmenprogramm-Zulieferern nötig ist. Gleichzeitig tritt das lokale Vollprogramm zeitweise in direkte Konkurrenz zu den etablierten nationalen Vollprogrammen. Ein Vergleich, der sicherlich nicht sehr leicht ist, da das Rahmenprogramm gegenüber den nationalen Sendern schnell unattraktiv erscheinen kann. Allerdings bietet das lokale Vollprogramm dem Sender die Chance, die Programmgestaltung selbst zu bestimmen und ein eigenes Profil zu entwickeln, mit dem sich die Zuschauer auch identifizieren können. Ein Beispiel für diese Modellvariante ist TV München[66].

 

Die zweite Variante des Rahmenprogramm-Modells ist der lokale Mischkanal mit externen Zulieferungen[67]. Im Gegensatz zum lokalen Vollprogramm wird hier das Rahmenprogramm nicht unabhängig zugekauft, sondern auf vertraglicher Basis extern zugeliefert. Der Ballungsraumsender baut das eigenproduzierte Lokalprogramm, ähnlich wie beim Mantelprogramm, in das zugelieferte Rahmenprogramm (Syndication) ein. Es ist denkbar, dass der Ballungsraumsender das Rahmenprogramm kostenlos über Bartering vom Syndicator erhält und dieser im Gegenzug die Werbezeit im Rahmen des Zulieferprogramms eigenständig vermarktet[68]. Im Vergleich zum lokalen Vollprogramm sind die Kooperationskosten bei diesem Modell wesentlich geringer. Allerdings kann der Ballungsraumsender nur schwer ein eigenes Profil entwickeln und läuft Gefahr, das Image des Zulieferprogramms zu übernehmen. Ein Beispiel für dieses Modell ist RNF plus, dessen Rahmenprogramm Bloomberg-TV liefert[69].

 

3.3.2.3 Stadtfernsehen-Konzept

 

Das Programm eines Ballungsraumsenders, der dem Stadtfernsehen-Konzept folgt, besteht aus ausschließlich eigenproduzierten Sendungen, die durch Text- und Informationsdienste, wie z.B. Bildschirm-Zeitungen, ergänzt werden[70]. Diese Ballungsraumangebote sind auch unter dem Begriff "total lokal" bekannt. Es soll möglichst den ganzen Tag lang Programm mit lokalem und regionalem Bezug gesendet werden und nicht ein aus verwechselbaren fernsehüblichen und eigenen sendegebietsbezogenen Teilen gemischtes Programm. Da kein Sender 24 Stunden mit neuen selbsterstellten Sendungen bezahlen könnte, werden auch viele Wiederholungen gezeigt und unattraktive Sendezeiten mit einer Bildschirmzeitung gefüllt. Zwar entstehen solchen Sendern nur geringe Kooperationskosten, dafür aber hohe Autonomiekosten. Die Werbeeinnahmen beschränken sich auf das regionale Einzugsgebiet. Zusätzlich sind Einnahmen aus dem Verkauf von Werbezeiten im Rahmen des Textbildangebots zu erwarten. Der große Vorteil liegt in der Chance, ein starkes lokales Profil aufzubauen. Dies setzt voraus, dass die Zuschauer das auch zu würdigen wissen. Ein Beispiel für dieses Programmkonzept ist das FF Franken Fernsehen im Großraum Nürnberg[71].

 

3.4 Programmqualität

 

3.4.1 Bestimmung der Programmqualität

 

Die Programmqualität ist ein entscheidender Faktor für die Gestaltung und den Erfolg eines Ballungsraumprogramms. Im Programmalltag wird sie durch das Redaktionsteam, aber auch durch die Persönlichkeit der Moderatoren und das Betriebsklima beeinflusst. Allgemein wird Qualität als eine Eigenschaft verstanden, die bestimmten Normen entspricht[72]. Diese Normen resultieren aus einem Wertsystem. Da ein Ballungsraumprogramm sehr komplex ist, müssen mehrere Wertsysteme zu seiner Beurteilung herangezogen werden, unter anderem Werte der Politik, Werte der Profession (der Journalisten und Redakteure), Werte einer allgemeinen Ästhetik, Werte des Publikums[73]. Die Wertsysteme beruhen nicht auf einem gesellschaftliche Konsens, sondern variieren innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Gruppen[74].

 

Trotz dieser Wertepluralität gibt es für Fernsehsender einen verbindlichen Katalog von Kriterien und Anforderungen an die Programmqualität. Dieser Katalog basiert auf den Gesetzen, Staatsverträgen und Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Für den privaten Rundfunk gilt demnach, dass er in seinem Gesamtprogramm ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung garantiert[75]. Diese gesetzlichen Rahmenvorgaben sind aber relativ wage und unscharf ausgedrückt. Zu ihrer Operationalisierung bedarf es einer genaueren Dimensionierung. In diesem Zusammenhang soll das Konzept von Schatz und Schulz vorgestellt werden. Die beiden Autoren unterscheiden fünf Hauptkriterien zur Beurteilung der Programmqualität von Fernsehprogrammen, nämlich Vielfalt, Relevanz, Professionalität, Akzeptanz und Rechtmäßigkeit[76]. Für einen Ballungsraumsender in der Gründungsphase muss es erst einmal darum gehen, Kriterien zur Festlegung der Programmqualität ex ante zu finden. Dazu eignen sich vor allem die beiden Dimensionen Professionalität und Vielfalt, da sie ein sehr breites und differenziertes Spektrum aufweisen[77].

 

3.4.2 Professionalität

 

Das Kriterium der Professionalität lässt sich in die Dimensionen der inhaltlichen und der formalen bzw. gestalterischen Professionalität aufspalten[78]. In formaler Hinsicht lassen sich wiederum die Realitätsmodi Fiction und Non-Fiction unterscheiden. Während bei Fiction-Programmen ästhetische und künstlerische Kriterien im Vordergrund stehen, müssen Non-Fiction-Programme vor allem für den Zuschauer verständlich sein[79].

 

Inhaltliche Professionalitätskriterien beschränken sich auf die journalistische Professionalität[80]. Deren konkrete Ausgestaltung erfolgt vor dem Hintergrund der Aufgaben der Massenmedien. Diese Aufgaben sind Information, Mitwirkung an der Meinungsbildung, Kritik und Kontrolle. Daraus lassen sich Richtigkeit, Relevanz, Ausgewogenheit und Neutralität als Bestandteile der journalistischen Qualität ableiten[81].

 

Die Richtigkeit von Medieninhalten lässt sich nur unvollkommen prüfen. Wichtig ist die Nennung der Quelle sowie die Beachtung der "journalistischen W" (Wer, Was, Wann, Wo, Wie, Warum). Ein Sachverhalt ist dann relevant, wenn er die Werte, Bedürfnisse, Interessen und Meinungen von Individuen oder sozialen Gruppen berührt. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung über ein Thema oder Ereignis gehört die Berücksichtigung möglichst aller Argumente und Standpunkte. Neutralität bedeutet zum einen die strikte Trennung von Nachricht und Kommentar sowie die Kennzeichnung von Kommentaren, zum anderen die Wahl einer sachlichen und unpersönlichen Sprache. Darüber hinaus gehört zur journalistischen Professionalität die analytische Qualität.

 

Abstriche bei der Professionalität eines Ballungsraumprogramms aus finanziellen Gründen sind nur bei der gestalterischen oder technischen Professionalität akzeptabel. Dagegen muss die inhaltliche, und hier insbesondere die journalistische Qualität, jederzeit uneingeschränkt gewährleistet sein. Auch die lokale und regionale Berichterstattung muss sachgerecht (richtig und relevant) und unparteilich (ausgewogen und zentral) sein. Diese Kriterien sind vor allem auf Nachrichten-sendungen, aktuelle Magazine und Dokumentationen anwendbar. Ihre Aufgabe ist es, Hintergründe auszuleuchten, Fakten zu interpretieren und zu kommentieren, Mißstände aufzudecken, Machtmißbrauch anzuprangern und selbst aktiv zu recherchieren[82].

 

3.4.3 Inhaltliche Vielfalt

 

Das Gebot der Vielfalt resultiert aus der Auffassung des Gesetzgebers, dass die Medien die Bevölkerung zu informieren und an der Meinungsbildung mitzuwirken haben[83]. Es umfasst die strukturelle und die inhaltliche Vielfalt[84].

 

Strukturelle Vielfalt meint die Vielfalt der Programmsparten wie Information, Unterhaltung und Bildung sowie die Vielfalt der Programmformen innerhalb einzelner Sparten[85]. Die strukturelle Vielfalt eines Ballungsraumsenders ist von seinem Programmkonzept abhängig.

Fin de l'extrait de 115 pages

Résumé des informations

Titre
Erfolgsfaktoren für die Gestaltung eines plattformunabhängigen Ballungsraumprogramms unter Berücksichtigung der regionalen Kompetenz
Université
Wiesbaden University of Applied Sciences
Note
1.7
Auteur
Année
2001
Pages
115
N° de catalogue
V185588
ISBN (ebook)
9783656981251
ISBN (Livre)
9783867464864
Taille d'un fichier
2214 KB
Langue
allemand
Mots clés
erfolgsfaktoren, gestaltung, ballungsraumprogramms unter, berücksichtigung, kompetenz
Citation du texte
Lars Köhler (Auteur), 2001, Erfolgsfaktoren für die Gestaltung eines plattformunabhängigen Ballungsraumprogramms unter Berücksichtigung der regionalen Kompetenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185588

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