Besonderheiten der Projektfinanzierung im Kreditgeschäft bei Banken


Mémoire (de fin d'études), 2003

65 Pages, Note: 1.7


Extrait


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1 Einleitung

Die Volumina im Projektfinanzierungsgeschäft von Banken unterlagen in den letzten zehn Jahren großen Schwankungen. Es war zu erkennen, dass die Volumina sowohl regional als auch global sehr sensibel auf politische und wirtschaftliche Entwicklungen reagierten. 1 Während das Geschäft ab Mitte der 90er Jahre durch hohe jährliche Zuwachsraten gekennzeichnet war, ist es seit Ende 2001 stark rückläufig. Diese rückläufige Entwicklung wird begleitet vom partiellen Rückzug einzelner Banken aus dem in der Öffentlichkeit als außerordentlich riskant dargestellten Geschäftsfeld der Projektfinanzierung. Jüngstes Beispiel ist die Entscheidung der WestLB, sich künftig stärker auf das Geschäft mit Mittelstandskunden zu konzentrieren und das internationalen Geschäft mit Spezialfinanzierungen zu reduzieren, in welchem sie bisher eine bedeutende Position eingenommen hat. 2

Ziel dieser Arbeit ist es, die Besonderheiten der Projektfinanzierung für Banken zu erörtern und insbesondere die mit der Projektfinanzierung verbundenen Risiken zu analysieren. Zur Verdeutlichung der Besonderheiten wird im Laufe der Arbeit oftmals der Vergleich zur klassischen Unternehmensfinanzierung herangezogen. Zunächst gibt Kapitel 2 eine Einführung in die Terminologie der Projektfinanzierung, deren Anwendungsgebiete und ihre gebräuchlichen Formen. In der Projektfinanzierung ist eine Vielzahl von Beteiligten eingebunden, die in Kapitel 3 vorgestellt werden. In Kapitel 4 werden die Vor- und Nachteile der Projektfinanzierung für die Gruppe der Sponsoren diskutiert, da diese als Eigenkapitalgeber und Initiatoren der Projekte für die Kreditvergabeentscheidung der Banken von großer Bedeutung sind. Kernstück der Arbeit ist Kapitel 5, das die Projektfinanzierung aus Bankensicht darstellt. Nach der Erläuterung der Motive für Banken zur Partizipation wird in diesem Kapitel die Risikosituation der Banken als zentrale Besonderheit des Projektfinanzierungsgeschäfts erörtert. Neben der Erfassung und Kategorisierung der Risiken sowie der Darstellung möglicher Maßnahmen zu deren Reduzierung wird die Frage erläutert, ob Projektfinanzierungen tatsächlich riskanter sind als klassische Unternehmensfinanzierungen. Die Basel II-Reform ist seit einigen Jahren ein beherrschendes Thema im Bankensektor. Daher werden in Kapitel 6 die der-

1 Für Daten zur Entwicklung des Projektfinanzierungsvolumens vgl. Yescombe (2002), S. 6 ff. und

Burns (2003), S. 39.

2 Vgl. Dohmen (2003), S. 1.

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zeitigen Vorschläge zur Behandlung von Projektfinanzierungen in Basel II dargelegt und wesentliche Aspekte diskutiert. Die Arbeit schließt mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Ausblick auf die weitere Entwicklung des Projektfinanzierungsgeschäfts von Banken ab.

2 Einführung in die Projektfinanzierung

2.1 Definition

In der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen für den Begriff Projektfinanzierung. Im Folgenden soll daher nicht eine alles umfassende Definition dargelegt, sondern die charakteristischen Merkmale der Projektfinanzierung anhand verschiedener Definitionen erläutert werden, die die Besonderheiten der Projektfinanzierung für Banken veranschaulichen.

Eine allgemeine Definition des Begriffs Projektfinanzierung (project finance oder project financing) geben Nevitt/Fabozzi (1995): „A financing of a particular economic unit in which a lender is satisfied to look initially to the cash flows and earnings of that economic unit as the source of funds from which a loan will be repaid and to the assets of the economic unit as collateral for the loan”. 3

Ein hier angesprochenes, zentrales Merkmal der Projektfinanzierung ist die Fokussierung auf die Cashflows und die Vermögensgegenstände (Assets) des Projekts und nicht auf die Projektträger (auch Sponsoren genannt) als zentrale Quelle für Zins- und Tilgungsleistungen. 4 Daher wird die Projektfinanzierung auch als Cashflow related lending bezeichnet. 5 Die Fokussierung auf Cashflows impliziert, dass die Kreditvergabeentscheidung primär auf den Erfolgsaussichten des Projekts basiert. 6

Die Definition von Seibert (1999) hebt ein weiteres Merkmal der Projektfinanzierung hervor: „Als Projektfinanzierung wird die Finanzierung einer wirtschaftlich und juristisch selbständigen Einheit (das Projekt) bezeichnet, bei der die Bedienung des eingesetzten Kapitals aus dem zukünftig erwirtschafteten Cashflow des Projekts erfolgt.“ 7 Im

3 Vgl. Nevitt/Fabozzi (1995), S. 3.

4 Vgl. ähnlich Schmitt (1989), S. 29, und Klompjan/Wouters (2002), S. 10.

5 Vgl. Jürgens (1994), S. 5.

6 Vgl. Tytko (1999 a), S. 8.

7 Vgl. Seibert (1999), S. 161; eine ähnliche Definition gibt Tytko (1999 a), S. 8.

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Nutzung von Projektfinanzierung ist. 18 Damit wird Off-balance sheet financing in dieser Arbeit nicht als definitorisches Merkmal der Projektfinanzierung verwendet. Allerdings bleibt festzustellen, dass es eine in der Praxis häufig auftretende Eigenschaft dieser Fi-nanzierungsform ist.

Zusammenfassend sind folgende Elemente als zentrale Merkmale einer Projektfinanzierung zu sehen:

xx Vergabe eines Kredits an ein eigenständiges, meist nur für ein Projekt gegründetes Unternehmen

xx Kreditvergabe mit Orientierung an den Cashflows des Projekts

xx Risikoverteilung zwischen den Beteiligten des Projekts

2.2 Historische Entstehung und heutige Anwendungen

Die Projektfinanzierung ist ein Konzept, das sich neben der Unternehmensfinanzierung als Finanzierungsinstrument etabliert hat. Historisch gesehen gab es schon im Handelscode des klassischen Athens Klauseln, die einer Projektfinanzierung ähnlich waren. So war bei Ausfall von Krediten ein Rückgriff auf einen Projektträger nicht oder nur beschränkt möglich. 19 Als frühe neuzeitliche Beispiele für Projektfinanzierungen sind der Suezkanal (erbaut 1859-69) oder die Bagdadbahn von Anatolien nach Bagdad (1888) zu nennen. 20

Die heutige Form der Projektfinanzierung wurde in den dreißiger Jahren erstmals in den USA angewendet. Dort wurden Kredite zur Erschließung und Förderung von Erdölvorkommen an kleine Firmen vergeben, die nicht die Bonität zur Aufnahme klassischer Bankkredite hatten. 21 Die Kredite wurden durch Verpfändung des zukünftigen Erdöl-vorkommens oder Beleihung bereits geförderter Ölvorkommen besichert. Die Rückzahlung der Kredite war ausschließlich aus den Erträgen des Ölverkaufs zu leisten, so dass die Kreditgeber ein Produktions- und Vermarktungsrisiko übernahmen. 22

18 Vgl. Davis (2002), S. 20.

19 Vgl. Schulte-Althoff (1993), S. 45.

20 Vgl. Reuter/Wecker (1999), S. 1.

21 Vgl. Hupe (1995), S. 8.

22 Wegen der Abhängigkeit des Schuldendiensts von den Produktionseinnahmen wurde diese Finanzie-

rungsform auch „production payment“ genannt, vgl. Tytko (1999 a), S. 3.

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Die Projekte konzentrieren sich primär auf die Infrastruktur- und Immobilienbranche. So werden immer häufiger Straßen und Schienenwege von privaten Unternehmen gebaut und betrieben. 33 Auch das Erbauen und Betreiben von Schulen, Kläranlagen oder Krankenhäusern wird im Rahmen von Projektfinanzierung durch private Unternehmen übernommen. Ein Vorteil für die Gebietskörperschaften besteht in der Entlastung ihrer Haushalte von den hohen Investitionen für die Projekte, da die Finanzierung durch die privaten Unternehmen erbracht wird. Vorreiter dieser Idee ist Großbritannien, wo die von der Regierung Thatcher 1992 eingeführte Private Finance Initiative (PFI) bis 2003 zu einem von privaten Unternehmen durchgeführten Auftragsvolumen von $17,7 Mrd. geführt hat. 34 Erste PPP in Deutschland sind die Warnow-Querung in Rostock (Baubeginn 2000) und der Herrentunnel in Lübeck (Baubeginn 2001). 35

2.3 Formen der Projektfinanzierung

Projektfinanzierungen lassen sich bezüglich des Rückgriffs auf die Eigenkapitalgeber oder bezüglich der Organisationsform klassifizieren. Der Rückgriff auf die Vermögensgegenstände und Cashflows der Sponsoren über das Eigenkapital des Projekts hinaus ist meist begrenzt, so dass von einem „Limited recourse financing“-Konzept gesprochen wird. 36 Falls gar keine Rückgriffsmöglichkeiten auf die Sponsoren bestehen, wird von „Non recourse financing“ gesprochen. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass nur wenige Projektfinanzierungen ohne Garantien oder andere vertragliche Zusagen durch die Projektträger durchgeführt werden. 37 Ebenfalls selten sind „Full recourse“ Transaktionen, bei denen die Sponsoren in vollem Umfang für die Verbindlichkeiten der Projektgesellschaft haften. 38

Joint Ventures sind eine im internationalen Kontext oftmals genutzte Organisations-form. 39 In diesem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen werden die Sponsoren durch Eigenkapitaleinlage Teilhaber an einer unabhängigen Gesellschaft. Die Motive

33 Vgl. PricewaterhouseCoopers (2002 a), S. 2.

34 Vgl. Standard & Poor’s (2003), S. 3.

35 Vgl. PricewaterhouseCoopers (2002 b), S. unbekannt.

36 Vgl. Jürgens (1994), S. 5 und Schmitt (1989), S. 25 f.

37 Vgl. Nevitt/Fabozzi (1995), S. 3.

38 Vgl. Howcraft/Fadhley (1998), S. 102, wo einer Umfrage unter Banken zufolge 21% der Projektfinan-

zierungen vom Typ Full recourse, 7% vom Typ Non-recourse, und 72% vom Typ Limited recourse

sind.

39 Für mehr zum Einsatz von Joint Ventures in der internationalen Projektfinanzierung siehe Tytko

(1999 a), S. 173 f. und Hupe (1995), S. 69.

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für den Einsatz eines Joint Ventures sind vielfältig, wobei als häufigste Gründe Knowhow-Transfer und Risikoteilung auf Seiten der Initiatoren aufgeführt werden.

Eine weitere Anwendungsform der Projektfinanzierung sind Betreibermodelle. Hierbei verpflichtet sich ein Unternehmen oder ein Konsortium, eine Anlage zu bauen, die Erbauung zunächst zu finanzieren, und die Anlage im Anschluss für eine bestimmte Konzessionslaufzeit zu betreiben. 40 Dadurch gelingt es den Projektinitiatoren, die meist Abnehmer der Leistungen des Projekts sind, ihre Risikoposition zu verringern und sowohl den Know-how- als auch den Kapitalbedarf zu reduzieren. 41 Die gebräuchlichste Form der Betreibermodelle sind BOT-Modelle (Build, Operate, Transfer), bei denen das Wirtschaftsgut nach Erbauung und Betreibung durch den Hersteller nach einer festgelegten Zeit an die Initiatoren übertragen wird. 42 In Großbritannien werden häufig BOO-Modelle (Build, Own, Operate) genutzt, in denen keine Übertragung vorgesehen ist. 43 Die Betreibermodelle werden sehr häufig in den in Abschnitt 2.2 angesprochenen PPP eingesetzt.

3 Beteiligte an der Projektfinanzierung

Die Komplexität, aber auch ein Vorteil der Projektfinanzierung liegt in der großen Zahl von Beteiligten am Projekt. Anders als in der Unternehmensfinanzierung haben neben Fremd- und Eigenkapitalgebern weitere Parteien signifikanten Einfluss auf den Erfolg eines Projekts sowie Anteil an dessen Finanzierung. Deshalb verdient die Zusammensetzung der Beteiligten aus Sicht der Banken eine zentrale Aufmerksamkeit. Nachfolgend werden die Beteiligten nach Funktionen gegliedert. Es ist allerdings üblich, dass ein und dieselbe Firma in verschiedenen Funktionen in das Projekt eingebunden ist. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Betrachtung der Projektfinanzierung aus Bankensicht liegt, werden die Fremdkapitalgeber und -arten ausführlicher dargestellt. Abbildung 1 gibt eine erste Übersicht über die involvierten Parteien in Projektfinanzierungen.

40 Vgl. Hupe (1995), S. 69 ff.

41 Vgl. Tytko (1999 a), S. 175.

42 Vgl. Reuter/Wecker (1999), S. 82 f.

43 Vgl. PricewaterhouseCoopers (2002 c), S. unbekannt. Es haben sich in den letzten Jahren eine Vielzahl

von Varianten der Betreibermodelle entwickelt, die hier nicht dargestellt werden sollen. Eine Übersicht

über weitere Varianten gibt Tytko (1999 a), S. 177.

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Fin de l'extrait de 65 pages

Résumé des informations

Titre
Besonderheiten der Projektfinanzierung im Kreditgeschäft bei Banken
Université
University of Mannheim
Note
1.7
Auteur
Année
2003
Pages
65
N° de catalogue
V185907
ISBN (ebook)
9783656990246
ISBN (Livre)
9783867467582
Taille d'un fichier
773 KB
Langue
allemand
Mots clés
besonderheiten, projektfinanzierung, kreditgeschäft, banken
Citation du texte
Oliver Schmitt (Auteur), 2003, Besonderheiten der Projektfinanzierung im Kreditgeschäft bei Banken, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185907

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