Betriebswirtschaftliche Begründungen für Diversity Management


Diploma Thesis, 2004

131 Pages, Grade: 1


Excerpt


WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN

DIPLOMARBEIT

Titel der Diplomarbeit:

Betriebswirtschaftliche Begründungen für Diversity Management

Verfasserin/Verfasser: Dominik Matthias Sandner

Studienrichtung: Handelswissenschaften

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Minderheiten sind die Mehrheiten der nächsten Generation. Jean-Paul Sartre (1905-80)

Einleitung

In den USA wurde Anfang 1980 demographischen Prognosen erhöhte Aufmerksamkeit von Führungskräften zuteil. Aufgrund der demographischen Entwicklungen werden ethnische Minderheiten in naher Zukunft die Mehrheit am Arbeitsmarkt sowie unter den KundInnen darstellen: "By 2055 the majority of people will be [...] Latino, Black and Asians." 1

Mittlerweile ist Diversity Managment auch in Europa zu einem regelrechten Modebegriff geworden. Nicht nur viele Unternehmen, sondern auch mehr und mehr öffentliche Verwaltungen, Consultingunternehmen, NGOs, Seminaranbieter, etc. haben sich diesem Managementkonzept verschrieben, mit der Hoffnung, betriebswirtschaftliche Vorteile zu lukrieren sowie Diskriminierung zu vermeiden. Dennoch ist bislang auch ein Mangel an wissenschaftlicher Forschung über die Auswirkungen und den betriebswirtschaftlichen Nutzen von Diversity Management in Organisationen feststellbar.

Zunächst stellt Kapitel 1. die Ausgangslage für Diversity Management dar: die zunehmend komplexer und kulturell vielfältiger werdende Umgebung, in der Organisationen agieren. Wirtschaftliche, demographische, gesetzliche und gesellschaftliche Trends werden mit einem besonderen Bezug auf Österreich beschrieben. Es wird gezeigt, dass auch in Österreich Vielfalt zugleich Realität und Zukunft darstellt, die Unternehmen nicht mehr negieren können.

Kapitel 2.2. erläutert die historische Entwicklung von Diversity Management in den USA und stellt es in enger Beziehung zum rechtlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen, aus denen es hervorgegangen ist. Damit verbunden werden auch andere gesetzliche Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsmaßnahmen erläutert.

Kapitel 2.3. ordnet die Vielzahl der Ansätze von Diversity Management und zeigt die dahinterliegende Motivation, von einem reinen Maßnahmenpaket zur Erfüllung gesetzlicher Auflagen, bis hin zu einem umfassenden Ansatz, der betriebswirtschaftlichen Gewinn aus der Integration verspricht, auf.

In den Kapiteln 2.5. und 2.6. wird schließlich dargelegt, wie Diversity Management strategisch planbar und durch verschiedenste Maßnahmen und Instrumente implementierbar ist.

Vom Mangel einer systematischen Kosten/Nutzen Rechnung und dafür dienlicher Meßsysteme in der Praxis ausgehend, stellt Kapitel 3.4. ein an die Balanced Scorecard angelehntes Planungsinstrument vor, mittels dem aus strategischen Zielen operationalisierbare abgeleitet werden können und der Erfolg von Diversity Management Initiativen festgestellt werden kann.

1. Ausgangslage für Diversity Management

National und international agierende Organisationen sehen sich in den letzten Jahrzehnten mit veränderten demographischen und soziokulturellen Rahmenbedingungen konfrontiert. Globalisierungstendenzen bewirken, dass international agierende Unternehmen verstärkt in vielfältigen Märkten mit kulturell diversen Kunden tätig sind. 2

Die zunehmende Vielfalt beschränkt sich jedoch nicht nur auf Märkte und Konsumenten, sondern spiegelt sich auch in den Organisationen selbst wider, indem sie heterogener und auch verstärkt multikulturell geprägt sind. Hinzu kommt eine steigende Anzahl von globalen Kooperationen bzw. Fusionen und die zunehmende Heterogenität der Belegschaft in Betrieben. 4 Wie international tätige Unternehmen in Zeiten von Globalisierung, fallenden Grenzen, Migrationsbewegungen und verstärkter Partizipation von Frauen am Arbeitsleben 5 in die wachsende Vielfalt eingebunden sind, verdeutlicht Abb. 1:

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Quelle: Sepehri 2002, S. 4.

Zu diesen Komponenten kommt auch eine Veränderung der Rechtslage in Europa. Die Europäische Union hat Antidiskriminierungsrichtlinien, die Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung der EU-Mitgliedsstaaten haben, festgelegt. 6 Die folgenden Unterkapitel erläutern diese Vielfalt, gehen auf die rechtliche Lage ein und stellen einen besonderen Bezug zu Österreich bzw. Europa her.

Wirtschaftswelt in den letzten Jahrzehnten in eine neue Ära mit noch nie dagewesenen globalen wirtschaftlichen Aktivitäten, wie etwa zunehmender weltweiter Produktion und Distribution sowie einer großen Anzahl von globalen strategischen Allianzen, eingetreten. 9

Besonders grenzübergreifende Direktinvestitionen haben die Globalisierung vorangetrieben. Während sich Weltproduktion und Welthandel seit 1982 etwa verdreifacht haben, stiegen die

internationalen Direktinvestitionen stiegen jedoch um mehr als das Dreißigfache an. 12 Im Jahr 2000 waren rund 37 000 Firmen mit circa 200 000 ausländischen Töchtergesellschaften weltweit aktiv und wickelten etwa zwei Drittel des Welthandels ab. 13 Andere Quellen sprechen von 60.000 Mutter- mit mehr als 500.000 Tochtergesellschaften außerhalb ihrer Stammländer. 14 In Österreich hielten 1999 3.919 ausländische Unternehmen nationale Beteiligungen. 15 Weltweite Akquisitionen tragen ebenso zur internationalen Verflechtung bei. Allein 1998 wurden weltweit rund 28 000 Unternehmen für etwa 2 Billionen Euro übernommen. 16

1.2. Vielfältigkeit der Belegschaftsstruktur

In Bezug auf die Vielfältigkeit der Belegschaftsstruktur von Organisationen zeigen sich in Österreich und Deutschland vor allem Veränderungen in Hinsicht auf Herkunft, Alter und Geschlecht der MitarbeiterInnen. So wird das Personalmanagement in Zukunft mit Belegschaften konfrontiert sein, die die demographischen Gegebenheiten der Gesellschaft viel realistischer widerspiegeln als dies heute der Fall ist. Während vor allem im Management in Deutschland die Belegschaft heute noch grob mit weiß, männlich und deutsch beschrieben wird, wird sie in Zukunft weitaus vielfältiger sein. Mehr Frauen, speziell im mittleren und oberen Management, und mehr MitarbeiterInnen aus unterschiedlichsten Nationen, mit

anderem kulturellen Hintergrund sowie zunehmend ältere MitarbeiterInnen stellen einen großen Teil des Beschäftigtenpotentials der Zukunft dar. 18

1.2.1. Ältere Erwerbstätige

Die demographische Entwicklung der Industrienationen läßt die Tendenz zur Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung erkennen. Gleichzeitig sinken die Geburtenzahlen, sodass die Bevölkerung immer kleiner und älter wird. In dieser inversen Altersstruktur sind nicht mehr die jungen Altersgruppen mehrheitlich vertreten, sondern mittlere und alte. 19 So wird das Durchschnittsalter der ÖsterreicherInnen 2015 42,9 Jahre betragen, während es 1991 noch 38,1 Jahre waren. Der Anteil der unter 15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt von 17,4% (1991) auf 14,1% im Jahr 2015 und auf 13,9% im Jahr 2030, während jener der über 60-Jährigen von 20,1% (1991) auf prognostizierte 24,9% im Jahr 2015 und weiter auf 32,2% im Jahr 2030 steigen wird. 20

Zusätzlich ist das Ausbildungsniveau der österreichischen Erwerbstätigen im Steigen begriffen. Mit steigendem Bildungsniveau geht ein längerer Verbleib im Erwerbsleben einher, was zusammen mit der Anhebung des Pensionsantrittsalters wiederum zu mehr älteren Beschäftigten am Arbeitsmarkt führen wird. 22

Das Personalmanagement steht damit vor dem Problem, das Humankapital nicht mehr in dem von ihm als notwendig erachteten Maß von außen verjüngen zu können. Durch immer weniger nachrückende Junge sind die Unternehmen langfristig mit alternden Belegschaften konfrontiert. Organisationen in Mitteleuropa werden ältere Menschen länger beschäftigen und diese auch vermehrt neueinstellen müssen. 23

1.2.2. Frauen

Die Zunahme der berufstätigen Frauen hat sich in den letzten Jahrzehnten als einer der herausragendsten und beständigsten Trends auf den europäischen Arbeitsmärkten erwiesen. Demgegenüber steht der Rückgang der herkömmlichen Haushalte mit dem Mann als Alleinverdiener. 25

Teilzeitbeschäftigungsmodellen bedingt, wobei ein Drittel der unselbständig erwerbstätigen Frauen teilzeitbeschäftigt ist, 27 andererseits wurzelt er auch im steigenden Ausbildungsniveau der Frauen. Im Wintersemester 1999/00 waren in Österreich beispielsweise 58,6% aller inländischen StudienanfängerInnen und 50,2% aller AbsolventInnen weiblich. 28

der Männer und ihr Anteil unter den Führungskräften betrug gemäß Mikrozensus 2000 lediglich 28%, während ihr Anteil an Angestellten, die Hilfstätigkeiten verrichten 71% ausmachte. 29

Einerseits sind Personen mit Migrationshintergrund durch die Europäische Integration und den mit ihr verbundenem freien Personenverkehr und die zukünftige EU-Ostererweiterung sowie durch generelle Zuwanderung in der österreichischen Bevölkerung zahlenmäßig stark vertreten und machen dadurch auch einen großen Teil der Erwerbsbevölkerung aus. 30

Während der Anteil von ausländischen StaatsbürgerInnen an der österreichischen Wohnbevölkerung 1981 4,18% betrug, machte er im Jahr 2001 9,39% aus. Der Anteil ausländischer StaatsbürgerInnen an den unselbständig Beschäftigten betrug 2002 10,6%, gegenüber 6,1% im Jahre 1981, 33 obwohl am österreichischen Arbeitsmarkt der Primat der InländerInnenbeschäftigung gilt, d.h. die Behörden haben vor Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu eruieren, ob eine Tätigkeit durch InländerInnen oder andere „integriertere“ AusländerInnen ausgeführt werden könnte. Bei anstehenden Entlassungen sind die UnternehmerInnen zudem gezwungen, zuerst ausländische Arbeitskräfte abzubauen. 34

(11,1%). In österreichischen Großstädten ist dieser Wert noch höher. So sind 23,6% der Wiener Wohnbevölkerung im Ausland geboren und haben somit Migrationshintergrund. 35

sektoralen Bereichen bzw. Hierarchieebenen MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund vertreten sein werden. 37

Schluss zu, dass mit steigendem MigrantInnenzuzug aus den Erweiterungsländern und dem damit verbunden höheren Bildungsniveau der MigrantInnen neue Wirtschaftssektoren und Hierarchieebenen durch sie erschlossen werden.

Abschließend sei nach den oben erwähnten Zahlen und Fakten auch auf die 135 Millionen zusätzlichen ArbeitsmigrantInnen hingewiesen, die bis 2025 europaweit nötig sind, um das heutige Verhältnis zwischen Erwerbsbevölkerung und PensionistInnen aufrecht zu erhalten. 39

Ausgehend von den 10% der europäischen Bevölkerung die eine oder mehrere Behinderungen haben, ergibt sich, dass in Österreich etwa 800 000 Personen mit Behinderung leben. 40 Zudem weisen gemäß Mikrozensusdaten etwa 2,1 Mio. Personen und somit 29,9% der österreichischen Bevölkerung zumindest eine körperliche Beeinträchtigung auf. 41 Ferner gab es 2002 am österreichischen Arbeitsmarkt 80.532 nach dem Behinderteneinstellungsgesetz begünstigte Personen, was ungefähr 2,55 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen entspricht. 42

1.2.5. Vielfältigere Werte und Einstellungen der Belegschaft

Zur steigenden Vielfalt in Unternehmen trägt nicht nur ein höherer MigrantInnen-, Frauen-und Älterenanteil, sondern auch die steigende Diversifizierung von Einstellungen, Werten, Lebensstilen und Religionsbekenntnissen innerhalb eines Unternehmens bei. Die Tendenzen zeigen deutlich in Richtung Individualisierung und Offenheit. 44 Im Folgenden sollen einige dieser Trends kurz umrissen werden:

werden selbstbewußter und sichtbarer und fordern zunehmend aktive Integration in den Organisationen. 46 Kein Unternehmen kann sich bei einem Homosexuellenanteil an der Gesamtbevölkerung von 9% bei Männern und 4,5% bei Frauen leisten, eine so große Gruppe der Beschäftigten zu ignorieren. 47

dem mehrheitlichen Religionsbekenntnis angehört. Organisationen müssen somit Rücksicht auf vielfältige Speiserichtlinien, Gebetsräume und Feiertage nehmen. 48

Familie dazu, dass sie familienorientierter werden und an einer verstärkten Ausübung ihrer Vaterrolle interessiert sind. 49 Generell fordern mehr kindererziehende Frauen und Männer in Unternehmen familienfreundlichere Arbeitsplätze, die Möglichkeit zur Kinderbetreuung und Teilzeitbeschäftigung.

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben genießt hohe Priorität. Dies zeigte eine Studie unter UniversitätsabsolventInnen. 50 Standen zudem früher noch Gehalt, Sicherheit und Statussymbole an oberster Stelle der Neurekrutierten, so wird nun immer mehr

Hauptaugenmerk auf flexible Arbeitsmodelle, Karrierewege und Vergütungssysteme gelegt. 51

1.3. Vielfältige KundInnen und Märkte

Die im vorhergehenden Kapitel behandelten demographischen Veränderungen innerhalb der Erwerbsbevölkerung basieren, wie ebenfalls dargestellt wurde, auf dem allgemeinen Wandel der demographischen Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung. Diese hat, zusammen mit einer Diversifizierung von Ansichten, Werten und Einstellungen der BürgerInnen, sowie der ebenfalls weiter oben erwähnten Globalisierung, die die Menschen nicht nur im wirtschaftlichen, technologischen und politischen Sinne interagieren lässt, sondern sie auch im kulturellen Sinne vernetzt und Absatzmärkte verändert, Auswirkungen auf die KundInnenstrukturen von Unternehmen. 52

Allgemein sind potenzielle KundInnen heute kritischer und vielseitiger als in der Vergangenheit und haben einen besseren Überblick über das Angebot auf dem Weltmarkt. Hinzu kommt, dass unterschiedliche Bedürfnisse, kulturelle Gegebenheiten, Motivationen und Werte berücksichtigt werden müssen. 54

1.4. Gesetzliche Antidiskriminierungsregelungen

Die Institutionen der Europäischen Union haben wiederholt diskriminierende Verhaltensweisen und Praktiken als einen Störfaktor für das soziale und wirtschaftliche Leben in Europa anerkannt und die Notwendigkeit der Bekämpfung aller Formen der Diskriminierung, 56 nicht nur im Erwerbsleben, sondern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, hervorgehoben. 57 Von diesem Grundsatz ausgehend wurde 1997 durch Einführung von Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine europaweit gültige gesetzliche Grundlage geschaffen, um Diskriminierung auch juristisch begegnen zu können. 58 Konkret verbietet der Artikel 13 und die daraus abgeleiteten Richtlinien Diskriminierung "Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder des Glaubens, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung." 59

Richtlinien, die bis spätestens 19.Juli 2003 bzw. 2. Dezember 2003 in der nationalen Gesetzgebung der EU-Mitgliedsländer umzusetzen waren, 61 wird jedoch in Zukunft weitreichender gesetzlicher Schutz vorhanden sein. Die Richtlinien sehen unter anderem auch Beweislasterleichterung 62 Verbandsklagen, eine sowie die Möglichkeit zu Schadenersatzforderungen von Diskriminierungsopfern vor. 63

Schadenersatzforderungen aufgrund von Diskriminierung sowie langwierigen und kostspieligen Gerichtsprozessen vorzubeugen. 64

2. Diversity und Diversity Management

Um dem sich verändernden demographischen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext, in dem sich Unternehmen heute bewegen, gerecht zu werden und ihn in die eigene Organisation zu integrieren und zu nutzen, entstand Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in den USA ein Management-Konzept: Diversity Management. Diversity Management kann als betriebsstrategische Antwort auf die steigende Vielfalt unter MitarbeiterInnen, LieferantInnen und KundInnen gesehen werden. In den folgenden Unterkapiteln wird es dargestellt und erläutert.

Zu Beginn der Auseinandersetzung mit Diversity bzw. Diversity Management soll eine getrennte begriffliche Differenzierung vorgenommen werden. Wie in Abbildung 2 ersichtlich wird, ist Diversity nicht bedeutungsgleich mit Diversity Management und vice versa. Dennoch besteht ein klarer Zusammenhang zwischen diesen beiden Termini. Eine vielfältige Belegschaftsstruktur (=Diversity) ist eine notwendige Voraussetzung für die konzeptionelle Anwendung von Diversity Management. 65

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2.1.1. Diversity

Im letzten Jahrzehnt gab es ausgehend vom US-amerikanischen Raum eine schier endlose Zahl an wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Publikationen zum Thema Diversity und Diversity Management. Hinzu kommt, dass Diversity Management nun auch in Europa ein Thema wird, und sich die Diskussion darüber auch um die europäische Sichtweise erweitert.

Begriffs "Diversity" - in deutschen Publikationen sind vor allem die Synonyme "Verschiedenartigkeit von Menschen" 67 sowie "Vielfältigkeit", 68 "Vielfältigkeit und Gleichheit von Menschen" 69 und "Vielfalt" 70 in Gebrauch - ist aufgrund der verschiedenen und teilweise sogar widersprüchlichen Sichtweisen, Publikationen, Ansätze und Zugänge kaum möglich. 71

65 vgl. Sepehri 2002, S. 77

Ausgehend davon, dass in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA unter dem Begriff "Diversity" hauptsächlich Vielfalt in Bezug auf die Hautfarbe verstanden wurde, definierte die Equal Opportunity Commission, eine staatliche US-Kommission die sich mit Diskriminierungsfragen beschäftigt, "Diversity" als alle sichtbaren Unterschiede von Individuen. Diese Unterschiede wurden nochmals auf die Attribute Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht und Alter eingegrenzt. In der Literatur wird diese Definition als "traditionelles" Verständnis bezeichnet. 73

"Managing Diversity defines Diversity broadly....It goes beyond race and gender." 74 "...it extends to age, personal and corporate background, education, function and personality. It includes lifestyle, sexual preference, geographic origin, tenure with the organisation, exempt or nonexempt status, and management or nonmanagement. ...White males are as diverse as their colleagues." 75

Thomas (1995) definiert etwas später Diversity nicht nur als aus Verschiedenheiten bestehend, sondern erweitert den Begriff auch um die Gemeinsamkeiten:

"Diversity is not synonymous with differences, but encompasses differences and similarities. [The manager] must deal with both simultaneously. .... Diversity refers to the collective (all-inclusive) mixture of differences and similarities." 77

Litvin (1997) sieht den Begriff aus sechs "fixed dimensions of difference" (Alter, Ethnizität, Geschlecht, Physische Attribute/Fähigkeiten/Behinderung, Rasse und sexuelle Orientierung), die angeboren und unveränderbar sind, sowie aus acht "fluid secondary dimensions of difference" (Bildung, geographischer Hintergrund, Einkommen, Familienstatus, militärische Erfahrung, Elternschaft, Religion und Arbeitserfahrung) zusammengesetzt. 78 Diese Einteilung besitzt auch in Hinsicht auf den "Antidiskriminierungs-Artikel" 13 des EG-Vertrags in der Fassung des Amsterdamer Vertrags eine große Bedeutung. Nach diesem sind "...Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (zu) bekämpfen" 79 ist. Diese Definition enthält, neben Religion und Weltanschauung, die sechs unveränderbaren Dimensionen aus Litvins (1997) Diversity-Definition.

"Observable or readily detectable attributes", also die erkenn-, spür- und wahrnehmbaren Unterschiede, werden auch als "traditionelle" oder "harte" Erscheinungsformen verstanden. Zu ihnen werden Rasse, Nationalität, Alter und Geschlecht gezählt. Aufgrund ihrer guten Wahrnehmbarkeit spielen sie bei sozialen Kategorisierungsprozessen sowie der Bildung von Stereotypen und Vorurteilen eine große Rolle. 80

"Less visible or underlying attributes", kaum erkenn- und wahrnehmbaren Unterschiede, werden als "weiche" Erscheinungsformen bezeichnet, und können wiederum in "Wertunterschiede" (z.B. Einstellungen, Persönlichkeit, kulturelle Werte, Religion, etc.), "Fähigkeiten- und Wissensunterschiede" (z.B. Bildung, Fachkompetenz, Berufserfahrung, Hierarchieebene, etc.) sowie "Unterschiede in der Betriebszugehörigkeit" (Dauer der Betriebs- bzw. Gruppenzugehörigkeit) unterteilt werden. 81

Milliken und Martins (1996) weisen auf eine weitere mögliche Schnittmenge hin: Ethnische Unterschiede (=wahrnehmbar) können Auswirkungen auf Werte und Einstellungen (=kaum wahrnehmbar) haben. 83

Abb. 3: Formen von Diversity

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*........fixed dimensions of diversity

Thomas (2001) unterteilt Diversity auch noch in Personen-immanente oder attributive (Eigenschaften wie ethnische Gruppenzugehörigkeit, Alter und Bildungsniveau) und Verhaltens-immanente Unterschiede (wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren). Diese Unterscheidung ist ebenfalls wesentlich, da Personen-immanente Diversity wenig Aussagekraft in Bezug auf die Verhaltens-immanente Diversity hat. 84

83 vgl. Milliken/Martins 1996, S. 404

2.1.1.2. Definitionen von Diversity in der Praxis

Von Führungskräften selbst wird die Definition des Begriffs "Diversity" sehr eng an jenen der Wissenschaft angelehnt, wobei eine Tendenz zu einer sehr weiten Definition feststellbar ist. 86

"race, gender, age, physical appearance, nationality, cultural heritage, personal background, functional experience, position in the organization, mental and physical challenges, family responsibilities, sexual orientation, military experiences, educational background, style differences, economic status, thinking patterns, political background, city/state/region of residence, IQ level, smoking preference, weight, marital status, non-traditional job, religion, white collar, language, blue collar and height...." 87

jedoch seltener angegeben, was Stuber (2002a) mit historischen Tabus und einer Weiterführung der traditionell christlichen und heterosexuellen Norm begründet: "Culture has a tendency to reinforce itself, even when it is trying to change." 89

Sprache die größte Wahrnehmung und Wichtigkeit bei, während Rasse, sexuelle Neigung und Religion an letzter Stelle rangieren. 90

2.1.2. Diversity Management

Nachdem Diversity in Abb. 3 als Verknüpfung von Verschiedenartigkeiten und Gemeinsamkeiten vorgestellt wurde, wird nun Diversity Management, ein Konzept der Unternehmensführung, das auf Diversity aufbaut (s. Abb. 2) und mit dem diese Verschiedenartigkeiten und Gemeinsamkeiten gemanagt werden, 92 erklärt.

synonym verwendet. In der folgenden Arbeit wird generell der Begriff "Diversity Management" gebraucht.

Der Begriff Diversity Management wurde 1987 in dem bekannten Report "Workforce 2000" des US-amerikanischen Hudson Institute erstmals erwähnt. Dieser informiert über die

89 ebenda

bevorstehenden großen demographischen Veränderungen in der US-amerikanischen Belegschaftsstruktur. Zuvor wurde der Begriff selten bis kaum verwendet. 97

Management freiwillige betriebliche Maßnahmen verstanden, die sich mit dieser Vielfalt und deren bewußten Nutzung beschäftigen. 99

Damit man dieses Potential nützen kann, ist unter Diversity Management die Planung und Einführung von umfassenden Managementprozessen nötig, mit dem Ziel, ein Betriebskultur zu schaffen, die für alle Mitglieder Entfaltungsmöglichkeit bringt, ohne jene der dominanten Kultur zu benachteiligen. Dabei stehen nicht nur ethische und soziomoralische Themen im Mittelpunkt, sondern auch menschliche Leistungen, Gewinnmaximierung, Wettbewerbsfähigkeit und betriebliche Ziele. Diversity Management geht dabei ganz klar über eine differenzierte Personalpolitik hinaus. 100

¾¾ die Wahrnehmung, ¾¾ das Verständnis, ¾¾ die Wertschätzung ¾¾ und das optimale Management

der existierenden Vielfältigkeit und der potenziellen Gemeinsamkeiten der Mitglieder einer Organisation. 101

"..this cultural assimilation process is like expecting left-handed people to write with their right hand because they work in cultures dominated by right-handers." 103

Das Bild des Mosaiks weist auch darauf hin, dass unter Diversity Management jedes Steinchen einzeln betrachtet werden muss. Es wird nicht pauschal nach Gruppenzugehörigkeit (Geschlecht, Ethnizität, etc.) unterschieden und eine differenzierende Personalpolitik durchgeführt, sondern Diversity Management ist ein individualisierendes Konzept. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass beispielsweise weder Männer noch Frauen homogene Gruppen sind, sondern dass innerhalb dieser Gruppen Vielfalt, sowie zwischen den Gruppen

Gemeinsamkeiten existieren. Durch diese zentrale Stellung des Individuums und nicht der Gruppe, kann einer Neubildung von Stereotypen entgegengewirkt werden. 105

Da Diversity Management ursprünglich ein US-amerikanisches Managementkonzept war, steht dessen Entwicklung im engen Zusammenhang mit dem demographischen, rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Umfeld der USA.

Obwohl Diversity Management auf diesen Affirmative Action Programmen basiert, ist es dennoch grundsätzlich verschieden zu ihnen. Während bei Affirmative Action und Equal Opportunity Programmen die Gleichheit und der daraus folgende gleichwertige Zugang zu Beschäftigungsmöglichkeiten für alle im Sinne eines "sameness paradigm" im Vordergrund stehen, basiert Diversity Management auf ein "difference paradigm", aus dem sich die bewusste Wertschätzung von Vielfalt ableitet. 107

In der Geschichte der USA bestand immer die Frage, ob das Land einen "melting pot" darstellt, in dem Menschen verschiedener Rassen und Kulturen zu einer gemeinsamen Kultur assimilieren, oder ob eine multikulturelle Gesellschaft besteht, in der verschiedene ethnische Gruppierungen nebeneinander koexistieren können. Die vorherrschende Meinung des letzten Jahrhunderts war, dass es sich um einen "melting pot" handelt, und sich MigrantInnen zugunsten des "American Way of Life" assimilieren sollen. Dies drückte sich auch in den frühen Managementkonzepten, Taylorismus und Fordismus, aus: Man sah die Arbeiter als homogene Mitarbeiter ohne verschiedene Identitäten an. Gleichberechtigung wurde zwar, auch gesetzlich, großgeschrieben, dennoch wurde vorwiegend ein Zugang gewählt, der blind war gegenüber geschlechtlicher und ethnischer Vielfältigkeit.

Der Gesetzgeber reagierte darauf mit der Festschreibung von Affirmative Action- und Equal Employment Opportunities Programmen. 109 Title VII des Civil Rights Act 1964 und andere im darauffolgenden Jahrzehnt verabschiedete Gesetze enthielten erstmals Ziele und vorgegeben Zeiträume zur Durchführung solcher Programme. Die Auflagen umfaßten die bewusste aktive Rekrutierung von ethnischen Minderheitsangehörigen und Frauen mittels Quoten und negativer Diskriminierung. 110 Eine Zuwiderhandlung gegen diese gesetzlich festgeschriebenen Rekrutierungsrichtlinien konnte gerichtliche Klagen nach sich ziehen. 111 So können bis heute US-amerikanische Organisationen mit mehr als 15 MitarbeiterInnen wegen

Diskriminierung belangt werden, wenn sich der geschlechtliche und ethnische Mix aller Neurekrutierten von dem aller qualifizierten BewerberInnen unterscheidet. Zusätzlich müssen die mehr als 400 000 US-amerikanischen Unternehmen, die Aufträge mit einem Auftragsvolumen von mehr als USD 50 000 von der öffentlichen Verwaltung erhalten, einen Affirmative Action Plan entwickeln, um ihre Belegschaft dem ethnischen Mix der demographischen Umgebung anzupassen. 112

bedeutet dies, dass Personen mit gleichen Fähigkeiten auch gleicher Zugang zu Anstellungen, Beförderungen und Entgelten, unabhängig von ihrer Gruppenidentität garantiert sein soll. 114

In der Literatur wird Affirmative Action zunehmend kritisch betrachtet. 116 Obwohl mehr Frauen und Minderheitsangehörige durch Affirmative Action Programme in den Arbeitsmarkt integriert wurden, hat sich das vorherrschende Bild des/der homogenen Mitarbeiters/in nicht verändert. 117 Affirmative Action Programme hatten für viele Minderheitsangehörige und

Frauen sogar negative Konsequenzen. Sehr oft verbleiben nach Quotenregelungen eingestellte MitarbeiterInnen in einer "Token-Situation" und sind von entscheidenden Positionen und informellen Netzwerken weiterhin ausgeschlossen. 118

¾¾ Aktuelle Studien belegen, dass MitarbeiterInnen die unter Affirmative Action Programmen eingestellt wurden, als weniger kompetent und qualifiziert eingestuft werden, da ihr Umfeld die Einstellungskriterien als auf Phänotypen basierend wahrnimmt. ¾¾ Andere Studien zeigen, dass selbst unter Minderheitsangehörigen großer Widerstand gegenüber diesen Programmen herrscht, da beispielsweise Frauen, die ihre Rekrutierung Affirmative Action zuschreiben, unter höherem beruflichen Stress und geringerer Arbeitsplatzzufriedenheit leiden. ¾¾ Zusätzlich belegen Gerichtsurteile aus der amerikanischen Rechtsprechung, dass es unter Affirmative Action häufig zu negativer Diskriminierung (reverse discrimination) gegenüber den Mehrheitsangehörigen kommt, indem an Minderheitsangehörige niedrigere Rekrutierungskriterien und Performancestandards angelegt werden. 119 Nach der Meinung von Bond und Pyle (1998) wurzelt diese Angst vor "reverse discrimination" jedoch teilweise in einem Widerstand gegen Veränderungen und Verlust des Status Quo einiger Beschäftigungsgruppen. So zeigte eine Studie des US-amerikanischen Department of Labor, dass sich unter 3000 behandelten Diskriminierungsfällen lediglich 100 auf "reverse discrimination" bezogen. 120

"Affirmative Action gets the new fuel into the tank, the new people through the frontdoor. Something else will have to get them into the driver´s seat." 121

2.2.1.2. Diversity Management

Das in obigem Zitat erwähnte "something else" ist, gemäß Thomas (1996), Diversity Management. Er stellt fest, dass die zentrale Aussage hinter Diversity Management nicht wie bei Affirmative Action "Let us give them a chance." ist. Vielmehr geht Diversity Management von einer vielfältigen Belegschaft aus, "that includes us and them." 122

Stelle, der Meinung von Bond und Pyle (1998) sowie Lorbiecki und Jack (2000) folgend, ein Konnex zum zur Zeit des Aufkommens von Diversity Management herrschenden (wirtschafts-)politischen Umfeld in den USA hergestellt. 124

In diesem wirtschaftspolitischem Klima mit weniger Staatsinterventionen und mehr Marktlösungen war Diversity Management höchst kompatibel, da es sich um eine vom Management initiierte, freiwillige Maßnahme handelt, die nicht auf gesetzlichen und staatlichen Regelungen basiert. 126 Lorbiecki und Jack (2000) zufolge, wurde es von der neuen Rechten, die unter Reagan in der Wirtschaft stark wurde, als willkommene Alternative zu Affirmative Action und als akzeptierbare Antwort auf die "political correctness"-Lobby und gegen politisch links orientierte Maßnahmen gesehen. 127 Lowery (1995) meint diesbezüglich

auch: "Corporate executives found diversity a lot easier to swallow than affirmative action, and much easier to sell to a predominant white workforce." 128

et al (2001) fest: "The emergence of managing diversity with its focus on individuals, was in line with the rise of the "new right" who espoused the rhetoric of individualism and the advance of individual interest as the acceptable way to operate." 130

jedoch entgegengehalten werden, dass eine deutsche Umfrage unter 78 Unternehmen ergab, dass lediglich 10% der Unternehmen Diversity als Mode oder politischen Begriff sehen und noch weniger, nämlich 9%, verstehen es als vorübergehenden Trend. 132

Aus den vorhergegangenen zwei Unterkapiteln werden bereits wichtige Unterscheidungspunkte zwischen Affirmative Action und Diversity Management ersichtlich, denn "...there ist more than simply a difference in semantics." 133 Die Unterschiede lassen sich,

gemäß Maxwell et al. (2001), in die Kategorien "force for change", "perspective", "focus" und "emphasis on organisational culture" einteilen. Es sei angemerkt, dass die Autoren diese Aufteilung in bezug auf Equal Opportunity und Diversity Management treffen. Equal Opportunity Maßnahmen können als britisches Pendant zu den amerikanischen Affirmative Action und Equal Employment Opportunity Programmen gesehen werden und haben ihre Wurzeln ebenfalls in den sozialen und politischen Agenden der 60er und 70er Jahre des 20 Jahrhunderts. 134

In der Perspektive ("perspective") der beiden Ansätze wird ebenfalls ein großer Unterschied sichtbar. Equal Opportunity kann überwiegend als operatives Thema, das hauptsächlich Angelegenheit von Personalisten ist, gesehen werden. Diversity Management hingegen hat eine strategische Perspektive, die nicht nur Personalisten, sondern alle MitarbeiterInnen eine Betriebs betrifft und für den wirtschaftlichen Erfolg einer Organisation entscheidend ist. Für diese Strategie ist die Unterstützung der Führungsebene unerläßlich.

Als letzten Unterscheidungspunkt heben Maxwell et al. (2001) die starke Betonung der Organisationskultur und des Managementstils durch Diversity Management hervor, was

traditionellerweise nicht Gegenstand von Equal Opportunity und Affirmative Action Maßnahmen ist. Diversity Management erfordert eine Transformation der Unternehmenskultur, indem sich die Organisation an ihre Mitglieder anpaßt, anstatt Assimilierung zu verlangen. 135

Um die komplexen und unübersichtlichen Verständnisansätze von Diversity und Diversity Management zu ordnen und zu kategorisieren, teilen Thomas und Ely (1996) sie in drei Hauptkategorien ein, die in der genannten Reihenfolge auch einen Entwicklungspfad, weg von einer monokulturellen hin zu einer multikulturellen Organisation, die Diversity fördert, darstellen:

2.3.1. Discrimination-and-Fairness Paradigm

Die quantitative Quotenorientierung bekommt jedoch auch noch qualitative Maßnahmen, vor allem Karriereentwicklungs- und Mentoringprogramme für Minderheitsangehörige an die Seite gestellt.

Es erweist sich jedoch, dass unter der Annahme, alle MitarbeiterInnen einer Organisation seien gleich und keine Unterschiede bestünden zwischen den Individuen, bei diesem Verständnisansatz starker Assimilationszwang entstehen kann, der wiederum eine Homogenisierung der Organisation fördert. Eine effektive Nutzung des Potentials, das mit Diversity einhergeht, ist dadurch nicht möglich und eine Veränderung der Organisationskultur, hin zu einer multikulturellen Organisation, ist zudem nicht notwendig, um die Quoten zu erfüllen. Moralische Begründungen stehen im Vordergrund, während ökonomische Aspekte vernachlässigt werden. 137

Im kompetitiven Wirtschaftsklima zwischen 1980 und 1990 bildete sich ein neuer Verständnisansatz: das "Access-and-Legitimacy Paradigm" (=Marktzutrittsansatz). 138

Im Gegensatz zum Discrimination-and-Fairness Paradigma, unter dem Diversity Initiativen hauptsächlich aufgrund gesetzlichen und sozialen Drucks mit dem Ziel der Assimilation von Minderheiten durchgeführt wurde, handelt es sich beim Marktzutrittsansatz um freiwillige und marktorientierte Maßnahmen der Organisationen, mit dem Ziel ihre Effizienz zu steigern. Diversity wurde nun nicht mehr als Problem angesehen, sondern akzeptiert, gefördert, wertgeschätzt und Diversity Management als strategisches Instrument eingesetzt. Man sprach von Diversity Management als "[making] business sense" 140 und "business necessity". 141 Eine "valuing diversity" 142 Philosophie entstand, die in Diversity Management ein Instrument für Kosteneinsparungen, weniger Fluktuation, erhöhter Arbeitsplatzzufriedenheit und letztendlich Wettbewerbsvorteil sah. 143

Durch dieses Verständnis haben sich häufig neue Karrierechancen für Minderheitsangehörige und Frauen eröffnet, da Marketingpositionen sehr oft mit Mitgliedern dieser Gruppen besetzt wurden. So stellten beispielsweise US-amerikanische Telekom-Unternehmen und die British Telecom VertreterInnen aus MigrantInnengruppen ein, in der Hoffnung, diese würden neue KundInnen aus der gleichen Kulturgruppe akquirieren können. 144

Nischenmärkte beschränkt bleibt und andere Karrierewege für sie verschlossen bleiben. Somit werden sie mit ihren Fähigkeiten nicht in die gesamte Organisation integriert, um ein Lernpotential für diese darzustellen. Als Konsequenz fühlen sich Minderheitsangehörige oft von einer dominanten Klasse benützt, unterbewertet und auf ihre jeweilige Nische beschränkt. 145

Das integrative Learning-and-Effectiveness Paradigma hat ein ganzheitliches Verständnis von Diversity und Diversity Management. Dieser Ansatz beinhaltet sowohl einen ökonomischen Zugang, als auch Integration, Motivation und Respekt von und gegenüber vielfältigen MitarbeiterInnen. Das Lernen von der Vielfalt wird sehr stark betont.

Der Erfolg von Diversity Management kann einerseits daran gemessen werden, inwieweit Diversity Management die ganze Organisation durchdringt und nicht mehr als spezifisches Projekt unter vielen gesehen wird. Andererseits aber auch, inwiefern neue

144 vgl. Dass/Parker 1999, S. 71; Thomas/Ely 1996, S. 83; Wagner/Sepehri 1999, S. 19

MitarbeiterInnengruppen die Macht haben, die Organisation mitzuverändern und traditionelle Gruppen dies auch zulassen. 147

¾¾ Lerneffekte durch vielfältige MitarbeiterInnenstrukturen

¾¾ Verstehen und effektive Nutzung der neuen bzw. "anderen" Perspektiven (Understanding

Diversity)

¾¾ Wertschätzung aller Diversityerscheinungsformen (Valuing Diversity) ¾¾ Integration aller Beschäftigten in die Organisation und Organisationskultur ¾¾ Offene und tolerante Unternehmenskultur

¾¾ Ressourcenorientierte Betrachtungsweise der einzelnen MitarbeiterInnen, was auch hohe Performancestandards für alle MitarbeiterInnengruppen beinhaltet ¾¾ Effektivität und Wettbewerbsvorteile durch Diversity Management, es geht um den "business success of diversity" 148

2.3.4. Zusammenfassung

Abbildung 4 soll nochmals einen Überblick über die drei Verständnisansätze gewähren und ihre wichtigsten Punkte und Unterscheidungsmerkmale hervorheben:

Abb. 4: Vergleich Diversity Management Verständnisansätze

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2.4. Diversity Management - Ziele

Als zentrales Ziel von Diversity Management, das den Lern- und Effektivitätsansatz vertritt, kann ein Kulturwandel weg von der monokulturellen, hin zur multikulturellen Organisation angesehen werden. Man geht davon aus, dass traditionelle monokulturelle Organisationen nicht den Anforderungen der aktuellen und zukünftigen komplexen gesellschaftlichen, demographischen und wirtschaftlichen Umgebung gerecht werden können. 149

gibt es auch eine "dominante Gruppe" bzw. ein "homogenes Ideal". Dieses homogene Ideal wird meist aus weißen Männern gebildet. Neben der Besetzung der Mehrzahl der Führungspositionen wird von dieser dominanten Gruppe auch die Organisationskultur geprägt. 150 Unter Organisationskultur werden "underlying values, beliefs and principles that serve as a foundation for the organization´s management system, as well as the set of management practices and behaviors that both exemplify and reinforce those principles" verstanden. 151 In der Literatur werden für solch kulturell homogene Organisationen die Begriffe "monolithische" 152 bzw. "monokulturelle" 153 Organisation verwendet.

werden:

Trennlinien im Inneren. Als Kriterien dafür dienen Merkmale wie Geschlecht, Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, etc. ¾¾ Homogenisierung innerhalb der Gemeinschaft durch obige Grenzziehung und dadurch bedingtes "Wir-Gefühl". ¾¾ Emotionenorientierte Führung durch charismatische und symbolische Führung. Die Beziehung zwischen Führenden und Geführten kann durch eine Vater-Kind-Beziehung umschrieben werden. 155

für MitarbeiterInnen, die von der Norm der Homogenität abweichen und die

Beschäftigungsmöglichkeit von Minderheitsangehörigen wird in monokulturellen Organisationen meist auf "low status jobs" beschränkt. 157 In solchen, paternalistischen Systemen mit dem Leitbild der Organisation als Familie ist persönlicher Erfolg davon abhängig, wie gut es dem/der einzelnen gelingt, sich den Normen anzupassen bzw. dem Management (=Eltern) nachzueifern. Da "Anderssein" bedeutet, Defizite zu haben, ist es erforderlich, dass sich die Menschen verändern und nicht die Organisationskultur. Es wird eine Anpassung an das homogene Ideal und eine Verleugnung der eigenen kulturellen Identität erwartet. 158

Excerpt out of 131 pages

Details

Title
Betriebswirtschaftliche Begründungen für Diversity Management
College
Vienna University of Economics and Business
Grade
1
Author
Year
2004
Pages
131
Catalog Number
V185925
ISBN (eBook)
9783656980452
ISBN (Book)
9783867467681
File size
1256 KB
Language
German
Keywords
betriebswirtschaftliche, begründungen, diversity, management
Quote paper
Mag. Dominik Sandner (Author), 2004, Betriebswirtschaftliche Begründungen für Diversity Management, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185925

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