Personalpolitische Probleme beim Einsatz älterer Arbeitnehmer


Tesis, 2005

67 Páginas, Calificación: 1.3


Extracto


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2.1. Wer gehört zu den „Älteren“?

Jede Definition einer zwischen „Jüngeren“ und „Älteren“ trennenden Altersgrenze hat zwangsläufig willkürlichen Charakter, da Alter sowohl eine biologische als auch eine gesellschaftliche Erscheinung darstellt, deren Wahrnehmung einem stetigen Wandel unterliegt. Zudem unterscheiden sich die Auswirkungen des Alterns auf individueller Ebene von Person zu Person teilweise erheblich. Einige übliche Abgrenzungen sollen hier dennoch kurz vorgestellt werden.

„Ältere Erwerbstätige“ werden von der OECD als Personen in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens definiert 3 . In den meisten veröffentlichten Statistiken wird in der Regel jedoch nur die Altersgruppe der 55- bis 64jährigen gesondert ausgewiesen, sicherlich auch weil die erstgenannte Vorgehensweise die Datenerhebung und -verarbeitung deutlich erschweren würde.

In Deutschland verwendet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) für „ältere Arbeitslose“ eine fließende Grenze zwischen 45 und 55 Jahren 4 , in manchen Arbeitsmarktstatistiken der BA werden sogar mehrere Definitionen parallel verwendet 5 . Beginnend ab einem Alter von 45 Jahren werden von Seiten der Bundesagentur also offensichtlich besondere Wiedereingliederungsprobleme für Arbeitslose gesehen, während die OECD implizit erst für Alterskohorten ab 55 eine außergewöhnliche Situation am Arbeitsmarkt diagnostiziert. Laut einer von Koller/Gruber (2001) durchgeführten Befragung 6 von Personalverantwortlichen geben deutsche Betriebe durchschnittlich ein Alter von 50,7 Jahre als mögliche Trennlinie zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern an. Erwartungsgemäß schwankt diese Einschätzung jedoch leicht mit der Branchenzugehörigkeit und Altersstruktur des Unternehmens sowie

3 Vgl. z.B. http://www.inqa.de/Inqa/Navigation/Themen/Demographischer-Wandel/Fakten/alt-die-definition-der-oecd.html bzw. http://aeltere.arbeitsamt.de/deaeltere-wer.html; letzter Aufruf jeweils 10.11.2005.

4 Vgl. ebd.

5 Vgl. beispielsweise Bundesagentur für Arbeit (2005), S.26ff.

6 Vgl. Koller/Gruber (2001), S.487-488.

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2.2. Frühverrentung

Die vielfältigen Möglichkeiten zur Frühverrentung stehen in Deutschland häufig im Zentrum der öffentlichen Diskussion um die Erwerbstätigkeit älterer Menschen. Ökonomisch kann eine eintretende Frühverrentung schlicht als Übergang zur Inaktivität am Arbeitsmarkt vor dem Erreichen des offiziellen Renteneintrittsalters definiert werden, welches im weitesten Sinne mit einer zeitlich mehr oder weniger nahen Aussicht der betreffenden Person auf dieses Alter in Zusammenhang gebracht werden kann.

Wie dieser Schritt im Einzelfall finanziert wird, ob privat durch die Akkumulation von Vermögen, durch betriebliche Programme und/oder staatlichen Systeme der sozialen Sicherung, ist in diesem Fall nicht relevant. Als Frühverrentungsprogramme können demnach alle Programme bezeichnet werden, die es Arbeitnehmern wirksam erlauben, sich vor Erreichen des offiziellen Renteneintrittsalters vom Arbeitsmarkt und damit aus der Erwerbsbevölkerung zurückzuziehen 8 .

Institutionelle Definitionen beziehen sich im Gegensatz dazu in der Regel ausschließlich auf den Tatbestand des Leistungserhalts. In dieser Arbeit wird meistens die allgemeinere, ökonomische Definition verwendet.

2.3. Arbeitslosigkeit vs. Erwerbslosigkeit

Besonders in Deutschland können die Probleme älterer Menschen am Arbeitsmarkt durch den Begriff der „Altersarbeitslosigkeit“ nicht ausreichenden wiedergegeben werden. Aufgrund verschiedener Ursachen melden sich viele Betroffene nicht arbeitslos, auch wenn sie ohne Beschäftigung sind und unter bestimmten Umständen zur Aufnahme einer Tätigkeit bereit wären.

Das Nichtvorhandensein von Erwerbstätigkeit kann daher bei älteren Menschen im noch erwerbsfähigen Alter als besserer Indikator für altersabhängige Beschäftigungsprobleme verwendet werden, da hierbei sowohl

7 Im Rahmen der Studie wurde eine offene, qualitative Befragungsstrategie in Form von Leitfadengesprächen gewählt. Aufgrund der deshalb nur sehr kleinen Stichprobe von 154 Betrieben, die trotz einer Abdeckung möglichst vieler Branchen, Regionen und Betriebsgrößenklassen nicht mit dem Anspruch auf Repräsentativität ausgewählt wurden, sind die genannten Ergebnisse nicht signifikant.

8 Vgl. Jousten (2001), S.39.

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3.1. Überblick

Um die Situation älterer Erwerbspersonen in Deutschland in einen größeren Kontext einordnen zu können, lohnt sich eine Analyse der Verhältnisse im Ausland. Dabei macht besonders ein Blick auf die veröffentlichten Daten der OECD Sinn, da in ihr fast alle und fast ausschließlich Staaten zusammengeschlossenen sind, die in ihrer Struktur und in ihrem Entwicklungsstand als „Industrienationen“ in ökonomischer Hinsicht sinnvoll mit der Bundesrepublik Deutschland verglichen werden können. Zudem ermöglicht die Vereinheitlichung von Definitionen und Methodik ein hohes Maß an länderübergreifender Vergleichbarkeit. Im Folgenden werden zunächst aktuelle Daten zur Partizipation älterer Menschen am Arbeitsmarkt dargestellt, im Anschluss erfolgt ein Vergleich der Altersarbeitslosigkeit sowie der Erwerbstätigenquoten 11 . Das Kapitel endet mit einem kurzen Überblick über die durch Frühverrentung verursachten Kosten innerhalb der OECD-Mitgliedsstaaten und einer Beschreibung der spezifischen Situation in Deutschland.

3.2. Die Situation in den OECD-Staaten

3.2.1. Partizipation

Schon seit Anfang der sechziger Jahre konnte in praktisch allen betrachteten Nationen für Männer 12 ab einem Alter von 65 Jahren 13 ein lange andauernder und stetiger, jedoch je nach Land unterschiedlich schneller Rückgang der

11 Daten zum Umfang der in verschiedenen Ländern in Anspruch genommenen Altersteilzeitprogramme werden in den entsprechenden Statistiken leider nicht aufgeführt. Das Auftreten reduzierter Erwerbstätigkeit im Alter, welches ebenfalls Probleme am Arbeitsmarkt signalisieren kann und gesellschaftliche Kosten verursacht, kann dadurch an dieser Stelle nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen von Kapitel 5.5. wird jedoch etwas näher auf das Thema Altersteilzeit eingegangen.

12 Um Aussagen über die Beschäftigungssituation älterer Menschen treffen zu können, wird häufig nur die Situation älterer Männer betrachtet. Dies hängt vor allem mit der in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegenen Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und den in dieser Hinsicht immer noch großen Unterschieden zwischen verschiedenen Staaten zusammen. Da die Partizipation von Männern im Allgemeinen (also bei Betrachtung aller Altersklassen) in der Vergangenheit nur vergleichsweise geringen Veränderungen und länderspezifischen Faktoren ausgesetzt war, kann durch die genannte Vorgehensweise die Entwicklung des Effekts des Alters isolierter analysiert werden als bei einer Betrachtung beider Geschlechter. Ein Blick auf Daten der OECD bestätigt für ältere Frauen stetig zunehmende Partizipations- und Erwerbstätigenquoten.

13 Alle Daten zu Männern ab 65 Jahren wurden entnommen aus OECD (1999).

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Die Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten der OECD fallen bei den 55- bis 64-jährigen Männern noch deutlicher aus als bei den über 65jährigen. Sie sind vor allem in den 80er Jahren stark gestiegen, da die Partizipationsraten in diesem Zeitraum in machen Staaten besonders stark gesunken und in anderen relativ konstant geblieben sind. Mittlerweile ist eine größere Varianz zu beobachten als jemals zuvor. Das Ausmaß der Inaktivität älterer Menschen scheint demnach zu einem großen Teil von länderspezifischen Faktoren wie beispielsweise der Struktur des jeweiligen Arbeitsmarkts oder der altersspezifischen Ausgestaltung der staatlichen Sicherungssysteme abzuhängen.

3.2.2. Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit der 55- bis 64-jährigen Männern lag 2003 im Durchschnitt aller OECD-Staaten bei 5,2 Prozent und damit auf dem Niveau des Jahres 2000. Gegenüber 1990 (4,2 Prozent) hat sich der Wert allerdings um einen Prozentpunkt erhöht.

Dieser leichte Anstieg der Altersarbeitslosigkeit lässt sich allerdings durch eine entsprechende Entwicklung in der Gesamtbevölkerung erklären. Der Durchschnittswert für alle Männer im erwerbsfähigen Alter lag 2003 mit 6,9 Prozent nicht nur deutlich höherer als bei den Älteren, sondern ist seit 1990 (5,4 Prozent) auch etwas stärker angestiegen (um fast 28 Prozent gegenüber etwa 24 Prozent bei Älteren). Vergleichsweise dramatisch ist die Entwicklung im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit (Männer zwischen 15 und 24 Jahren) mit einem Anstieg von 11,7 Prozent in 2000 auf 13,8 Prozent in 2003. Betrachtet man die Arbeitslosenquoten isoliert, scheint sich die relative Situation älterer Menschen gegenüber der übrigen erwerbsfähigen Bevölkerung demnach sogar sehr positiv zu gestalten und weiter zu verbessern. Mit Blick auf die sehr viel niedrigeren Partizipationsraten wäre es jedoch ein Trugschluss, daraus eine günstigere Situation an den Arbeitsmärkten abzuleiten. Niedrige Arbeitslosenquoten bei gleichzeitig hoher Inaktivität belegen demnach vor allem die Existenz umfangreicher institutionelle Anreize zur Frühverrentung bzw. zur Inaktivität als Alternative zur Arbeitslosigkeit. Am Arbeitsmarkt aktiv sind in diesem Fall überwiegend

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Während sich die Altersarbeitslosigkeit im OECD-Durchschnitt zwischen 2000 und 2003 praktisch nicht verändert hat, sind in vielen Mitgliedsländern interessante Entwicklungen zu beobachten. So sind die Werte besonders in Westeuropa in den meisten Ländern (bei steigender Partizipation) stark rückläufig und liegen mittlerweile wieder etwa auf dem Niveau von 1990. Eine steigende Tendenz ist zur Zeit hingegen vor allem in den USA, Kanada, der Türkei, Portugal und Polen zu verzeichnen, ausgehend allerdings von sehr unterschiedlichen Niveaus und bei sehr verschiedenen Entwicklungen der Partizipationsrate.

3.2.3. Erwerbstätigenquoten

Wie in Kapitel 2.3. beschrieben lassen sich Erwerbstätigenquoten aus Daten zur Partizipation und Arbeitlosigkeit errechnen. Einige der Erkenntnisse, die durch eine Analyse der „Employment/population ratios“ 19 der OECD-Staaten gewonnen werden können, wurden daher implizit bereits in den beiden

19 Dies ist die in OECD (2004) verwendete Bezeichnung der als Erwerbstätigenquote verwendbaren Daten.

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- 18 - 3.2.4.Kosten durch Frühverrentung

Herbertsson/Orszag (2003) versuchen in ihrer Studie, die durch Frühverrentung verursachten gesellschaftlichen Kosten für verschiedene OECD-Staaten zu quantifizieren. Als Ursachen werden dabei sowohl Outputverluste durch verringertes gesamtwirtschaftliches Arbeitsvolumen als auch die reduzierte Steuerbasis und die zusätzliche Belastung der staatlichen Rentensysteme einbezogen. Ziel der Studie ist es, Inaktivität aufgrund anderer Ursachen aus den Berechnungen herauszuhalten, um so den Effekt von Frühverrentung isoliert betrachten zu können. Auch Projektionen für die zukünftige Entwicklung der gesellschaftlichen Verluste werden angestellt. Demnach sind die von Frühverrentung verursachten Kosten im OECD-Durchschnitt von 5,3 Prozent in 1980 über 6,7 Prozent in 1990 auf 7,1 Prozent des potentiellen Bruttoinlandsprodukts (BIP) 25 im Jahr 2000 angestiegen. Für 2010 wird sogar ein Wert von 9,1 Prozent vorhergesagt, der Anstieg im laufenden Jahrzehnt fällt demnach voraussichtlich höher aus als derjenige der vorangegangenen 20 Jahre.

Dies wird folgendermaßen erklärt: Stiegen die Kosten in der Vergangenheit vor allem aufgrund einer sich reduzierenden Partizipation älterer Menschen am Arbeitsmarkt, wird für Gegenwart und Zukunft die demographische Entwicklung als Hauptursache genannt. Nach dem Anstieg des Anteils von Frühverrentungen an bestimmten Jahrgängen wachsen nun also immer größer werdende Alterskohorten in die bestehenden Systeme hinein. Hinzu kommt die steigende Lebenserwartung („doppelter Alterungsprozess“) mit einer immer länger dauernden Inanspruchnahme gemeinschaftlich finanzierter Altersbezüge. Alleine um die Belastungen durch Frühverrentung relativ zum potentiellen Bruttoinlandsprodukt bis 2010 auf dem Niveau des Jahres 2003 (7,6 Prozent) zu halten, sei daher schon ein Anstieg des Arbeitsangebots der 55- bis 64jährigen um circa zehn Prozent (fünf Prozentpunkte) auf dann etwa 56 Prozent nötig 26 . Der Politik wird daher nahe gelegt, die Rentensysteme zugunsten größerer Beschäftigungsanreize zu reformieren.

Final del extracto de 67 páginas

Detalles

Título
Personalpolitische Probleme beim Einsatz älterer Arbeitnehmer
Universidad
University of Freiburg
Calificación
1.3
Autor
Año
2005
Páginas
67
No. de catálogo
V186122
ISBN (Ebook)
9783869439044
ISBN (Libro)
9783867468817
Tamaño de fichero
1103 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
personalpolitische, probleme, einsatz, arbeitnehmer
Citar trabajo
Jan Kluck (Autor), 2005, Personalpolitische Probleme beim Einsatz älterer Arbeitnehmer, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186122

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