Seit einigen Jahren erfährt der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR), häufig auch Corporate Responsibility (CR), mehr und mehr Beachtung. Das zeigen einerseits der stetig wachsende Umfang einschlägiger Literatur zu diesem Themenkomplex, andererseits auch eine erhöhte Medienpräsenz (nicht nur zuletzt durch die gegenwärtige Wirtschaftskrise). Darüber hinaus erlebt die Praxis einen regelrechten Corporate Responsibility Boom, der unter anderen durch unabhängige CR-Organisationen angeheizt wird. Dennoch steckt die heutige CR-Praxis − absolut betrachtet − national wie international noch in den Kinderschuhen.
Der Titel dieser Arbeit ?Corporate Responsibility im Trend? kann im gegenwärtig von der Finanz- und Wirtschaftskrise dominierten globalen Weltwirtschaftssystem ambivalent aufgefasst werden: (1) Häufig wird argumentiert, dass sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten Unternehmen keine CR leisten können. Sie müssen ihre Kapazitäten und Kostenstrukturen in Rezessionen noch exakter planen, um Verluste im Tagesgeschäft möglichst gering zu halten und der Nachfragedämmung entgegenwirken, indem sie noch wettbewerbsfähiger werden. Dies sei nur über massive Restrukturierungen der Geschäftsprozesse möglich. (2) Andererseits lässt sich genauso schlüssig argumentieren, dass gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten eine CR-getriebene Unternehmensstrategie von immenser Bedeutung ist. Einerseits kann sie in der heutigen Zeit, wo CR noch lange kein allgemeiner Standard ist, einen Wettbewerbsvorteil generieren (ein gegenwärtig sehr stark eingesetztes Argument für CR), andererseits trägt eine zum Unternehmen passende Integration gesellschaftlicher Verantwortung zu einer nachhaltigen und gesunden Unternehmensentwicklung bei. Auch nach der Großen Depression Mitte der 1930er wurde über stärkere soziale Verantwortung von Unternehmen diskutiert. Letztlich wird der Ausgang einer solchen Debatte signifikant vom Auffassungsverständnis über Corporate Responsibility entschieden.
Folgende zentrale Fragen stehen im Vordergrund:
*) Was ist Corporate Responsibility eigentlich?
*) Wie kann ein Unternehmen Corporate Responsibility umsetzen?
*) Warum sollte das ein Unternehmen überhaupt tun?
*) Wie wird sich Corporate Responsibility in Zukunft entwickeln?
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitende Worte und Danksagung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Executive Summary
2 Definitionen und Begriffe
2.1 Corporate Responsibility
2.2 Ableitung einer Arbeitsdefinition
2.3 Verwandte Konzepte
2.3.1 Corporate Governance (CG)
2.3.2 Corporate Philanthropy
2.3.3 Corporate Citizenship (CC)
2.3.4 Nachhaltigkeit und Triple Bottom Line (TBL)
3 Entstehung der CR - ein historischer Abriss
3.1 Die Entwicklung unternehmerischer Verantwortung
3.2 Der Beginn einer modernen CR-Ära
4 Warum Corporate Responsibility? CR-Drivers
4.1 Globalisierung
4.2 Stakeholderansatz
4.3 CR-Organisationen und Standards
4.4 Socially Responsible Investment (SRIs)
4.5 Business Case für CR
5 Umsetzung einer Corporate Responsibility
5.1 CR-Konzepte
5.2 Corporate Responsibility Maßnahmen
5.3 Stakeholder Dialog
5.4 Instrumente zur Implementierung und Messung von CR
5.4.1 Mission Statement und Code of Conduct
5.4.2 Sustainability Balanced Score Card
5.5 Corporate Responsibility Reporting
6 Corporate Responsibility in der Praxis - eine explorative Untersuchung
6.1 Methodik
6.1.1 Qualitative Sozialforschung
6.1.2 Hermeneutik - die Kunst des Verstehens
6.2 Experteninterviews
6.2.1 Forschungsablauf - Vorgehensweise
6.2.2 Experteninterviews - Definition von CR
6.2.3 Experteninterviews - CR-Drivers
6.2.4 Experteninterviews - Umsetzung von CR
6.2.5 Experteninterviews - CR in Zukunft
7 Conclusio und Ausblick
7.1 Zusammenfassende Darstellung
7.2 Hypothesen
7.3 Gestaltungsempfehlungen für Unternehmen
7.4 Ausblick
8 Literaturverzeichnis
9 Anhang
9.1 Info Experteninterviews
9.2 Gesprächsleitfaden
9.3 Transkriptionen
A b b i l d u n g s v e r z e i c h n i s
Abbildung 1: Stakeholder eines Unternehmens
Abbildung 2: VÖNIX Factsheet
Abbildung 3: Der Business Case für CR
Abbildung 4: CSR-Strategien und exemplarische Praktiken
Abbildung 5: Identifikation von Schlüsselstakeholdern
Abbildung 6: Typen von CR Reports
Abbildung 7: Weltweiter Output von CR Reports pro Jahr und Region
Abbildung 8: Forschungsablauf - Vorgehensweise
Abbildung 9: Motivationsfaktoren für CR
Abbildung 10: Community Development im Rahmen der OMV CSR Strategie
Abbildung 11: Themenkomplex CR - zusammenfassende Übersicht
Abbildung 12: Umsetzung von CR - zusammenfassende Übersicht
T a b e l l e n v e r z e i c h n i s
Tabelle 1: Überblick über die historische Entwicklung von CR
Tabelle 2: CR-Organisationen
Tabelle 3: Standards für CR
Tabelle 4: SRI Indizes und SRI Leitlinien
Tabelle 5: Dimensionen des Business Case
Tabelle 6: CR Stadien nach Strandberg Consulting
Tabelle 7: Befragte Unternehmen
Tabelle 8: Befragte CR-Organisationen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitende Worte und Danksagung
„Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“
(Victor Hugo zugeschrieben)
Im Laufe meines Studiums an der WU Wien beschäftigte ich mich im Rahmen einer Ausarbeitung für eine Fallstudie in Wirtschaftspädagogik mit dem Thema Unternehmensethik. Dabei stieß ich auch bald auf den Begriff Corporate Social Responsibility (CSR). Von da an war ich für diesen Terminus sensibilisiert und verfolgte aufmerksam die in den Medien stärker werdende Diskussion im Zusammenhang mit dem Begriff CSR sowie Subthemen nachhaltigen Wirtschaftens. Ich wusste sehr bald, dass ich mich mit diesem Gebiet stärker auseinander setzen wolle, wobei auf der Uni noch keine als CSR betitelte Spezialisierungsmöglichkeit bestand. Die verstärkte öffentliche Diskussion machte mich aber optimistisch, was die Entwicklung von CSR in Zukunft angehen würde.
Mit der Zeit wurden für mich der Begriff CSR und die darin verborgenen Inhalte immer vielfältiger. Ich erkannte nach und nach Zusammenhänge von der Volkswirtschaft bis hin zur Rechnungslegung, ein sehr großer Bogen, der meiner Meinung nach im Bereich Corporate Responsibility (CR) leicht gezogen werden kann. Letztlich macht gerade diese Komplexität und Vielfältigkeit der Thematik das Feld Corporate Responsibility für mich so interessant.
Als ich mich im Juni 2008 dazu entschloss, meine Diplomarbeit innerhalb dieses Themenkomplexes zu verfassen, irritierte es mich zunächst, dass CSR (mittlerweile auch manchmal „nur“ CR) schon so stark in aller Munde war. Inzwischen gab es an der WU Wien auch schon eine Reihe an Diplomarbeiten, deren Titel den Begriff „Corporate Social Responsibility“ einbezogen. Nach einigen Überlegungen und Recherchen kam ich dennoch zu dem Entschluss, dass der Beginn einer solchen Arbeit mit Oktober 2008 ein guter Start sei. Die Finanzkrise, welche Ende 2007 mit der Immobilienkrise in den USA begonnen hatte, war gerade dabei eine globale Wirtschaftskrise zu werden. Gesellschaftliche Werte wurden in der Öffentlichkeit bereits viel stärker hinterfragt, als wenige Jahre, teilweise sogar nur Monate, zuvor. Der TRIGOS-Award, ein Preis für nachhaltige, österreichische Unternehmen, sollte 2009 bereits zum sechsten Mal verliehen werden. In Österreich startete mit September 2008 an der Fachhochschule des BFI Wien der erste Lehrgang zum akademischen CSR- Manager. Die ISO 26000, ein Guidance Standard für Corporate Social Responsibility sollte 2010 veröffentlicht werden. Immer mehr österreichische Unternehmen entdeckten CR bereits als Unternehmensstrategie, was eine signifikante Weiterentwicklung von der Auffassung als bloßes Marketingwerkzeug für PR-Zwecke darstellt.
Aufgrund der enormen Informationsflut im Bereich Corporate Responsibility entschloss ich mich, eine allgemeine Arbeit zu schreiben und dabei explorativ vorzugehen. Der erste Schritt beinhaltete ausführliche Recherchen und das Entwickeln einer Struktur für den Theorieteil dieser Arbeit (Kapitel 2-5). In einem zweiten Schritt interviewte ich sechs ausgewählte Experten von österreichischen Unternehmen und Organisationen zum Thema Corporate Responsibility und führte eine qualitative Auswertung durch (Kapitel 6). In einem dritten und letzten Schritt fasste ich die aus der Literatur und den Interviews erworbenen Erkenntnisse in einem Conclusio zusammen (Kapitel 7).
An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Betreuer, Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Richard Fortmüller, bedanken, dass er die Realisierung des von mir vorgeschlagenen Diplomarbeitsthemas ermöglichte.
Wichtig für das Entstehen dieser Arbeit waren jedenfalls die Hilfsbereitschaft und Verlässlichkeit meiner Interviewpartner. Hier möchte ich mich recht herzlich für die interessanten Gespräche bedanken, welche viele bedeutende Impulse für diese Arbeit lieferten.
Weiters möchte ich meinen Freunden sowie StudienkollegInnen für gemeinsame Erlebnisse, viel Spaß und Freude während meines Studiums sowie spannende Diskussionen und die gute Zusammenarbeit danken.
Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Familie bedanken, welche mir ein wunderbares und nach meinen Vorstellungen gelungenes Studium ermöglichte und mir in schwierigen Zeiten unterstützend zur Seite stand.
Ich wünsche den Lesern und Leserinnen eine interessante und spannende Lektüre und freue mich über Feedback!
Wien, 30. Juni 2009
Manfred Rohm
Anmerkung:
In der vorliegenden Arbeit wurde hinsichtlich des Genderaspekts auf eine entsprechende, durchgängige Formulierung zwecks Lesbarkeit verzichtet. Mehrzahlformen bzw. relevante Passagen sind jedenfalls unabhängig von der Geschlechtsform als gleichwertig anzusehen.
1 Executive Summary
Seit einigen Jahren erfährt der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR), häufig auch Corporate Responsibility (CR), mehr und mehr Beachtung. Das zeigen einerseits der stetig wachsende Umfang einschlägiger Literatur zu diesem Themenkomplex, andererseits auch eine erhöhte Medienpräsenz (nicht nur zuletzt durch die gegenwärtige Wirtschaftskrise). Darüber hinaus erlebt die Praxis einen regelrechten Corporate Responsibility Boom, der unter anderen durch unabhängige CR-Organisationen angeheizt wird. Dennoch steckt die heutige CR-Praxis absolut betrachtet national wie international noch in den Kinderschuhen.
Der Titel dieser Arbeit „ Corporate Responsibility im Trend “ kann im gegenwärtig von der Finanz- und Wirtschaftskrise dominierten globalen Weltwirtschaftssystem ambivalent aufgefasst werden: (1) Häufig wird argumentiert, dass sich in wirtschaftlich schlechten Zeiten Unternehmen keine CR leisten können. Sie müssen ihre Kapazitäten und Kostenstrukturen in Rezessionen noch exakter planen, um Verluste im Tagesgeschäft möglichst gering zu halten und der Nachfragedämmung entgegenwirken, indem sie noch wettbewerbsfähiger werden. Dies sei nur über massive Restrukturierungen der Geschäftsprozesse möglich.
(2) Andererseits lässt sich genauso schlüssig argumentieren, dass gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten eine CR-getriebene Unternehmensstrategie von immenser Bedeutung ist. Einerseits kann sie in der heutigen Zeit, wo CR noch lange kein allgemeiner Standard ist, einen Wettbewerbsvorteil generieren (ein gegenwärtig sehr stark eingesetztes Argument für CR), andererseits trägt eine zum Unternehmen passende Integration gesellschaftlicher Verantwortung zu einer nachhaltigen und gesunden Unternehmensentwicklung bei. Auch nach der Großen Depression Mitte der 1930er wurde über stärkere soziale Verantwortung von Unternehmen diskutiert. Letztlich wird der Ausgang einer solchen Debatte signifikant vom Auffassungsverständnis über Corporate Responsibility entschieden.
Dass Corporate Responsibility für Unternehmen auch global immer wichtiger wird, zeigen zwei aktuelle Beispiele:
Ein Gericht in New York traf nach sieben Jahren im April 2009 eine Entscheidung mit möglicherweise weitreichenden Folgen: Opfer der Apartheidszeit in Südafrika können Unternehmen klagen, welche zwischen 1948 und 1994 Geschäft mit der Regierung in Pretoria machten und damit direkt oder indirekt die Unterdrückung von Farbigen unterstützten. US-Gerichte hatten seit 2002 über die Klage von südafrikanischen Opferverbänden beraten. Fünf Unternehmen seien vorerst von dieser Entscheidung betroffen: General Motors, Ford, Daimler, IBM und die Rheinmetall Gruppe (Die Presse, 11. April 2009, 11).
Im Mai 2009 stand der britisch-niederländische Öl-Konzern Shell wegen der Verletzung von Menschenrechten in Nigeria vor Gericht. Shell soll in den 90er-Jahren Einsätze von Sicherheitskräften gegen Einwohner des Niger-Deltas finanziert haben und beim Prozess gegen die „Ogoni 9“ Zeugen bestochen haben. Das Verfahren in den USA war aufgrund eines Gesetzes aus 1789 möglich, das auch Nicht-US- Bürgern die Möglichkeit gibt, internationale Menschenrechtsvertletzungen anzuklagen. Letzlich einigte man sich auf einen Prozessvergleich, wobei Shell 15,5 Millionen US-Dollar an die Hinterbliebenen des 1995 getöteten Menschrechtsaktivitsten Ken Saro-Wiwa zahlte. Jegliche Verantwortung hinsichtlich der vorgebrachten Vorwürfe wurde von Shell bestritten; das Geld wurde als „ humanitäre Geste “ bezeichnet (derStandard.at, 5. April 2009, Die Presse, 15. Juni 2009, 19).
„ Corporate Responsibility im Trend “ gibt einen Themenüberblick über Corporate Responsibility auf Basis einschlägiger Literatur und der Ergebnisse ausgewählter Interviews. Die Experteninterviews wurden mit Vertretern österreichischer Konzernunternehmen und CR-Organisationen durchgeführt (OMV, RZB, Wienerberger, PwC, respACT, ICEP). Die Arbeit ist in einen Theorieteil (Kapitel 2-5), einen Praxisteil (Kapitel 6) und ein Conclusio (Kapitel 7) gegliedert.
Folgende zentrale Fragen stehen im Vordergrund:
- Was ist Corporate Responsibility eigentlich?
- Wie kann ein Unternehmen Corporate Responsibility umsetzen?
- Warum sollte das ein Unternehmen überhaupt tun?
- Wie wird sich Corporate Responsibility in Zukunft entwickeln?
Die zusammengetragenen Erkenntnisse dienten einerseits einer theoretischen Hypothesengewinnung (H1-H4); anderseits wurden grobe Gestaltungsempfehlungen für Unternehmen im Bereich Corporate Responsibility abgeleitet.
Zusammengefasst werden folgende Schlüsse gezogen (siehe Kapitel 7.2): H1.1: Es gibt keine eindeutige Definition für Corporate Responsibility. H1.2: Corporate Responsibility ist nichts neues.
H2.1: Der dominierende Treiber für Corporate Responsibility ist der Business Case.
H3.1: Für eine langfristig erfolgreiche Unternehmensentwicklung muss Corporate Responsibility ins Managementsystem eines Unternehmens vollständig integriert sein.
H3.2: Corporate Responsibility Standards tragen zu einem einheitlichen CRVerständnis bei.
H4.1: Corporate Responsibility wird durch die Globalisierung weiter an Bedeutung gewinnen.
H4.2: Corporate Responsibility beinhaltet das Potential zur Entwicklung eines Wirtschaftssystems mit neuer Wertebasis.
In erster Linie behandelt diese Arbeit das Themenfeld Corporate Responsibility, d.h. die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Es wird generell keine Grundsatzdiskussion einer optimalen Aufteilung wichtiger gesellschaftlicher Aufgaben auf Profit ausgerichtete Unternehmungen, nicht auf Profit ausgerichtete Unternehmen (NPOs) und Regierungen auf nationalen sowie supranationalen Ebenen geführt. Diese durchaus interessante und essentielle Fragestellung ist zwar auch Basis der Corporate Responsibility, findet aber auf einer anderen Ebene statt und würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Da die Auffassung und Intensität von Corporate Responsibility jedoch durch ein Vorverständnis einer solchen Grundsatzdebatte signifikant beeinflusst wird, ist ein solches unbestimmt und indirekt Bestandteil der vorliegenden Arbeit.
2 Definitionen und Begriffe
2.1 Corporate Responsibility
“Corporate responsibility is the newest ‘old’ thing in business management.”(Blowfield & Murray 2008, 36)
Für Corporate Responsibility (noch häufiger als Corporate Social Responsibility bezeichnet) findet sich in der Literatur keine einheitliche Definition. In zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen sowie Praxisbüchern wird versucht, Corporate Social Responsibilty (CSR) zu systematisieren und Definitionen aus verschiedensten Bereichen der Wissenschaft und Praxis herzuleiten. Dabei entstehen keine exakten Definitionen für CSR. Vielmehr werden in der Literatur umfangreiche Rahmenkonzepte einschließlich Begriffsabgrenzungen zur Corporate Responsibility geliefert. In der vorliegenden Arbeit wird - insbesondere für eigene Darstellungen - dem breit angelegten Überbegriff Corporate Responsibility (CR) der Vorzug gegeben. CR und CSR werden dabei als synonym betrachtet, wie es auch großteils in der modernen Literatur der Fall ist.
Corporate Responsibility definiert etwas, was nicht für jeden das Gleiche ist. Für manche ist es das Wundermittel, welches Probleme der globalen Armut, sozialer Ausgrenzung und Umweltzerstörung lösen könnte; Arbeitgeber betonen oft das freiwillige Engagement zu CSR; die Managementpraxis macht sich das CSR-Konzept in Bereichen wie Marketing, Qualitätsmanagement oder Human Ressource Management zu nutze. Die derzeitigen Konzepte und Definitionen sind daher oft hinsichtlich spezifischer Interessen verzerrt (Marrewijk 2003, 96).
Dies bringen folgende aus verschiedenen Blickwinkeln ausgewählte Definitionen deutlich zum Ausdruck:
“The social responsibility of business encompasses the economic, legal, ethical, and discretionary expectations that society has of organizations at a given point in time.”(Carroll 1979, 500)
Archie Carroll’s Definition von CSR ist eine prominente, welche auch noch heute oft zitiert wird. Mit wirtschaftlicher Verantwortung (economic) bezieht sich Carroll auf die Natur eines Unternehmens, welche darin besteht von der Gesellschaft nachgefragte Güter und Dienstleistungen zu produzieren und mit Profit zu verkaufen. Die gesetzliche Verantwortung (legal) weist auf den gesetzlichen Rahmen hin, in welchem ein Unternehmen zu wirtschaften erwartet wird. Die moralische Verantwortung (ethical) beschreibt den nicht kodifizierten, aber dennoch von der Gesellschaft erwarteten Verantwortungsbereich eines Unternehmens. Die darüber hinausgehende Verantwortung (discretionary oder volitional) bezeichnet die Verantwortung von Unternehmen, welche im Gegensatz zur wirtschaftlichen, gesetzlichen und moralischen Verantwortung nicht so klar von der Gesellschaft abverlangt wird; oder auch einfach vergessen wird (Carroll 1979, 500).
Carroll entwickelte ein dreidimensionales Konzept, das „ Corporate Social Performance Model “, welches er in seinem 1979 erschienenen Paper als Kubus darstellte. Die drei Dimensionen sind: (1) die Definition von Social Responsibility (economic, legal, ethical, discretionary), (2) das weitläufige Feld von gesellschaftlichen Anliegen, welche ein Unternehmen berücksichtigen sollte (bspw. Konsum, Umwelt, Diskriminierung, Produktsicherheit) und (3) das Kontinuum der social responsiveness, d.h. die Reaktion auf Anliegen der Gesellschaft (reaction, defense, accomodation, proactive). Corporate Social Performance benötige daher (1) die Abschätzung der gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten eines Unternehmens, (2) die Identifikation von für das Unternehmen relevanten gesellschaftlichen Anliegen sowie (3) die Wahl einer Philosophie hinsichtlich der Reaktion auf solche Anliegen (Carroll 1979, 499ff).
1991 entschied sich Carroll für die Bezeichnung “philanthropic “ anstatt „discretionary“, um damit die Corporate Citizenship in sein Modell aufzunehmen. Außerdem stellte er seine CSR-Definition in einer Pyramide dar.
„Die meisten Definitionen bezeichnen sie (soziale Verantwortung, Anmerkung) als ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in dieWechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren. Sozial verantwortlich handeln heißt nicht nur, die gesetzlichen Bestimmungen einhalten, sondernüber diebloße Gesetzeskonformität hinaus„mehr" investieren in Humankapital, in die Umweltund in die Beziehungen zu anderen Stakeholdern.“
(Europäische Kommission 2001, 7, Z21)
Der EU-Kommission nach ist die Freiwilligkeit von CSR ein sehr wichtiges Abgrenzungsmerkmal. Es kommt entsprechend häufig in CSR-Publikationen der Kommission vor und kann einfach ergründet werden. Europa unterliegt global gesehen vielen Gesetzen und Regulierungen. Für vieles, was bspw. in den USA schon in den 1970er Jahren unter CSR lief, gab es in Europa ein Gesetz, das es unabhängig von CSR-Debatten einzuhalten galt. Auch heute ist das Regulierungsnetz (sozialer Bereich und Umweltbelange mit eingeschlossen) in der EU vergleichsweise dicht. Dies erklärt auch sehr gut die in Europa im Vergleich zur USA erst später aufkeimende CSR-Debatte.
Die Kommission betont in einer Mitteilung von 2006 ihr Ziel, Europa auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend zu machen (Europäische Kommission 2006, 5f).
“The commitment of business to contribute to sustainable economic development, working with employees, their families, the local community and society at large toimprove their quality of life.”
( WBCSD 2001, 6)
Das World Business Council of Sustainable Development (WBCSD, 1992 gegründet) bildet einen Zusammenschluss von etwa 200 bedeutenden international operierenden Unternehmen. Der WBCSD betont als Wirtschaftsrat den sog. „business case“ für nachhaltige Entwicklung, d.h. nachhaltige Entwicklung ist relevant für steigende Wettbewerbsfähigkeit. Dies schlägt sich keinesfalls nur kurzfristig in finanziellen Ergebnissen nieder; Visionen und Werte sind entscheidend, funktionierende Märkte für qualitatives Wachstum Voraussetzung, Innovationen von immenser Bedeutung. So bietet eine integrative CSR Strategie wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen sowie einen positiven Beitrag für das gesellschaftliche Gemeinwohl (WBCSD 2001, 2ff).
“Corporate social responsibility (CSR): The broad concept that businesses are morethan just profitseeking entitites and, therefore, also have an obligation to benefitsociety (see Strategic corporate social responsibility).”
(Werther & Chandler 2006, 7)
“Corporate responsibility: A term similar in meaning to corporate social responsibilitybut preferred by some companies.”
(Werther & Chandler 2006, 7)
Das Lehrbuch von Werther und Chandler (2006) behandelt Corporate Social Responsibility vorwiegend im unternehmensstrategischen Kontext; eine Sichtweise, die aktuell längst an Bedeutung gewonnen hat, ebenfalls den business case für CSR betont und mitunter ein signifikanter Grund für das steigende CSR-Interesse von Unternehmen ist. Ein Unterschied zwischen CSR und CR wird in dem Lehrbuch nicht gemacht.
“We see corporate responsibility as a catalyst for growth and innovation, an integralpart of how we can use the power of our brand, the energy and passion of our people, and the scale of our business to create meaningful change.”
(Nike 2008, www)
Das Unternehmen Nike, welches in den 90ern im kritischen Rampenlicht stand, hat sich sehr früh mit dem „modernen“ Verständnis von CSR beschäftigt und wendet heute beachtliche Ressourcen in diesem Bereich auf. Motiviert durch Reputationsgründe verfolgt das Unternehmen nun schon einige Jahre eine integrative CSR-Strategie. Simon Zadek (2004) stellt den Weg Nikes anhand von fünf Lernphasen („stages of organizational learning“) dar (Zadek 2004, 128ff).
Wie die obigen Definitionen zeigen, ist Corporate Responsibility ein sehr breiter Themenkomplex. Aus mehreren Gründen bestehen ein großer Interpretationsspielraum hinsichtlich CR und damit eine nur schwer bestimmbare Anzahl an CR-Definitionen:
CR ist nicht unbedingt etwas neues (siehe Kapitel 3). CR wird aber stark vom spezifischen Umfeld geprägt, sodass die CR-Diskussion immer im aktuellen und zukünftigen Kontext gesehen werden sollte.
CR ist zugleich Weg und Ziel, wobei das Ziel kein statisches darstellt (Werther & Chandler 2006, 8). CR ist kein statisches Konzept, sondern ein komplexes dynamisches Themengebiet, welches zahlreichen äußeren Einflüssen (bspw. kulturellen und regionalen Einflüssen, Erwartungsänderungen) unterliegt. Dies führt unmittelbar zu einem kontinuierlichen Wandel von Definitionen sowie zur Entwicklung neuer Sichtweisen (Werther & Chandler 2006, 12f).
CR adressiert insbesondere die Beziehungen zu den Stakehodern. Stakeholder unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen (siehe insbesondere Kapitel 4.2 und 5.3).
Für CR sprechen verschiedenste Argumente: moralische und rationale, welche in Summe zu einem ökonomischen Argument führen (Werther & Chandler 2006, 15ff).
Die CR-Diskussion ist aber keinesfalls rein auf den strategischen Fokus begrenzt. Die CR-Praxis ist letztlich stark von der zur Grunde liegenden Argumentation geprägt.
1. Generell ist der Einfluss von Religion, Politik und Wirtschafts-Systemen zu beachten. Diese prägen das CR-Verständnis signifikant.
2. Auch philosophische Strömungen wie bspw. die Theorie der Ethik haben das Verständnis von CR unterschiedlich stark geprägt (Blowfield & Murray 2008, 50ff). CR ist sowohl Objekt wissenschaftlicher Untersuchungen, als auch ein Gebiet aktueller Managementpraxis. Wie so oft gibt es auch hier teilweise Divergenzen bzw. unterschiedliche Auffassungen zwischen Theorie und Praxis.
CR hat nicht nur Anhänger sondern auch Gegner, welche aus verschiedensten Gründen CR kritisieren (siehe Kapitel 7.4).
Als ein wichtiges Fundament der Corporate Responsibility können verschiedene sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Theorien gesehen werden. Auf Basis solcher Theorien werden einigermaßen die Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft analysiert sowie ein Rahmen hinsichtlich der Erwartungen der Gesellschaft gegenüber dem privaten Sektor geschaffen (Blowfield & Murray 2008, 55).
Für die Herleitung unterschiedlicher CR-Auffassungen ist das Verständnis im Hinblick auf folgende zwei Fragen entscheidend (Werther & Chandler 2006, 5):
(1) Warum existieren Unternehmen überhaupt?
(2) Was ist der Zweck von Unternehmen innerhalb der Gesellschaft?
Antworten auf diese zwei essentiellen Fragen unterliegen dem gesellschaftlichen Paradigma, sind daher stark vom Zeitgeist abhängig. In der vorliegenden Arbeit werden sie nicht weiter behandelt. In der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wurden Antworten auf diese Fragen - natürlich nie endgültig - ausgiebig abgefasst.
2.2 Ableitung einer Arbeitsdefinition
Corporate Social Responsibility ist ein elementares Konzept wie Freiheit oder Gleichheit. Es wird genauso ständig neu definiert, um den ändernden Bedürfnissen und Zeiten Stand zu halten. Die Verantwortlichkeiten eines Nahrungsmittelkettenkonzerns sind andere als die eines Transportunternehmens. Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen wird binnen Jahren genauso unterschiedlich gesehen, wie sich gesellschaftliche Erwartungen wandeln (WBCSD 2001, 6).
Das Fehlen einer allumfassenden Definition von CSR und die damit einhergehende Diversität und Überlappung in der Terminologie hemmt die akademische Diskussion und Forschung. Andererseits lässt eine zu breite und allgemeine Definition ebenfalls keine sinnvolle akademische Auseinandersetzung zu und liefert für Unternehmen wohl keine Hilfestellung für die Implementierung von CSR. Eine Alternative wäre ein Set aus verschiedensten Zugängen, welche den jeweiligen Kontext eines bestimmten Unternehmens trifft. Jedes Unternehmen könne sich seine eigene Sichtweise aus der Vielfalt an theoretischen Konzepten herauspicken (Marrewijk 2003, 96).
Für die vorliegende Arbeit wird in Anlehnung an Blowfield und Murray (2008) folgende allgemeine Arbeitsdefinition hinsichtlich Corporate Responsibility verwendet:
“Corporate Responsibility: An umbrella term embracing theories and practices relating to how business manages its relationship with society.”
(Blowfield & Murray 2008, 397)
Corporate Responsibility ist ein sich im gesellschaftlichen Kontext wandelnderÜberbegriff für den Grad unternehmerischer Verantwortung. Der Begriff umfasstTheorien und Praktiken, mit denen Unternehmen die Beziehungen zu ihrem Umfeldpartizipativ und förderlich gestalten.
In dieser Arbeit wurde einer allgemeinen und breiten Definition von Corporate Responsibility der Vorzug eingeräumt. Mit dieser Begriffsbestimmung kann CR gut als “Dachkonzept” verstanden werden. Dieses ist unabhängig von Branchen, Unternehmensgröße, Unternehmensstandort und gesellschaftlichen Paradigmenwandel anwendbar. Durch untergeordnete Konzepte und Instrumente kann das CR-Verständnis vertieft und letztlich in unterschiedlichsten Unternehmen umgesetzt werden.
Dahlsrud (2006) untersuchte mit Hilfe von „frequency counts“ der Suchmaschine Google den Übereinstimmungsgrad von 37 vorhandenen CSR-Definitionen aus der Literatur (von 27 Autoren zwischen 1980 und 2003). Die Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass sich viele CSR-Definitionen insbesondere auf fünf voneinander abgrenzbare Dimensionen beziehen und daher großteils kongruent sind. Die von Dahlsrud abgegrenzten fünf Dimensionen von CSR sind: (1) the environmental dimension, (2) the social dimension,
(3) the economic dimension, (4) the stakeholder dimension, (5) the voluntariness dimension. In acht der 37 Definitionen waren alle fünf Dimensionen enthalten. Zumindest drei Dimensionen waren in 31 Definitionen enthalten. Das Problem sei daher weniger wie CSR definiert sei, sondern vielmehr wie CSR im spezifischen Kontext konstruiert wird (Dahlsrud 2006, 1ff).
2.3 Verwandte Konzepte
Wie bereits erwähnt gibt es zahlreiche Konzepte, welchen im Zusammenhang mit der CR- Debatte ein hoher Stellenwert zukommt. Im Folgenden finden sich knappe Erläuterungen zu den wichtigsten Begriffen. Die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
2.3.1 Corporate Governance (CG)
“Governance” wird häufig als “the manner of directing and controlling the actions and affairsof an entity” definiert (Visser 2008, 110).
Corporate Governance kann als “the structure and systems that officially allocate powerwithin organizations and manage the relationships between the owners and managers of abusiness.”d efiniert werden (Werther & Chandler 2006, 6).
Starke Treiber für die Entwicklung der CG waren insbesondere Änderungen in Eigentümerstrukturen (tendenziell von individuellen Investoren zu institutionellen Investoren, welche vermehrt aus dem Ausland kamen) sowie große Unternehmenszusammenbrüche und Bilanzfälschungsskandale (Blowfield & Murray 2008, 213f). Dem zunehmenden
Auseinanderklaffen von Aktionärsinteressen und Unternehmensführung sollte mit einer Good Governance entgegengewirkt werden. Besonders in Großbritannien entwickelte sich geradezu eine Corporate Governance Kultur, welche in erster Linie börsennotierte Unternehmen betraf. CG reports wurden als Leitlinien mit Empfehlungscharakter erstellt und laufend weiter entwickelt. Wichtige Veröffentlichungen diesbezüglich waren unter anderen der Cadbury Report 1992, der Turnbull Report 1999 und der Revised Combined Code 2003 (Blowfield & Murray 2008, S. 216ff).
In vielen anderen Ländern fand ebenfalls parallel eine CG-Entwicklung statt; so auch in Österreich, wo am 1. Oktober 2002 der Österreichische Corporate Governance Kodex der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Dieser wurde seit seinem Erscheinen regelmäßig überarbeitet (Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance 2009, www). Mit dem URÄG 2008 (Unternehmensrechtsänderungsgesetz) wurde im UGB (Unternehmensgesetzbuch) ein neuer Paragraph hinsichtlich eines erforderlichen Corporate Governance-Berichtes für bestimmte Unternehmen eingeführt. In §243b Abs. 1 und Abs. 2 UGB heißt es:
„(1) Eine Aktiengesellschaft, deren Aktien im Handel auf einem geregelten Markt im Sinn des§1 Abs. 2 BörseG zugelassen sind […], hat einen Corporate Governance-Bericht aufzustellen, der zumindest die folgenden Angaben enthält: 1. die Nennung eines inÖsterreich oder am jeweiligen Börseplatz allgemein anerkannten Corporate Governance Kodex; 2. die Angabe, wo dieseröffentlich zugänglich ist; 3. soweit sie von diesem abweicht, eine Erklärung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen diese Abweichung erfolgt; 4. wenn sie beschließt, keinem Kodex im Sinn der Z 1 zu entsprechen, eine Begründung hierfür.“
(2) In diesem Bericht sind auch die Zusammensetzung und die Arbeitsweise desVorstands und des Aufsichtsrats sowie seiner Ausschüsse anzugeben.“
Durch diese Entwicklungen wird die steigende Bedeutung von Corporate Governance ersichtlich.
Der Artikel „ Überwachung von Kapitalgesellschaften in einer globalen Wirtschaft - Erfüllen Rechnungswesen und Corporate Governance diese Aufgabe? “ gibt einen guten Überblick über den Bereich Corporate Governance, wobei Unterschiede zwischen den USA und Europa aufgezeigt werden. Die kritische Analyse umfasst dabei auch einen historischen Rückblick auf das Rechnungswesen in Europa und den USA, welcher für das Verständnis der CG-Entwicklung von großer Bedeutung ist (Schoenfeld 2008, 193ff).
Mittlerweile wird Corpoarte Governance verstärkt mit Konzepten der CR verknüpft und Überschneidungspunkte werden immer sichtbarer (Blowfield & Murray 2008, 216, 371).
2.3.2 Corporate Philanthropy
Corporate Philanthropy bezeichnet Zuwendungen (finanzielle oder Sachzuwendungen) von Firmen an Stakeholder oder auch Spenden an Nonprofit-Unternehmen (NPOs) (Werther & Chandler 2006, 7).
Man spricht von strategischer Philanthropie, wenn Unternehmensspenden in Bereiche fließen, an denen das Unternehmen Interesse hat bzw. seine eigene Kompetenz liegt. Dies ist immer häufiger der Fall (Blowfield & Murray 2008, 397, 403).
2.3.3 Corporate Citizenship (CC)
Bei diesem Konzept wird das Unternehmen als Mitglied der Gesellschaft verstanden. Das Unternehmen intensiviert seine Beziehung zur Gesellschaft, indem es an gesellschaftlichen, ökologischen und politischen Themen aktiv teilnimmt und sich über seine Geschäftstätigkeit hinaus engagiert (Visser 2008, 97).
Altman und Vidaver-Cohen fassten im Jahr 2000 einige Komponenten aus der Literatur zusammen, welche gemeinsam die Corporate Citizenship für das neue Millenium ausmachen sollen. Dabei befinden sich u.a. pro-aktives Engagement, der Aufbau von effektiven Stakeholderbeziehungen und die Auffassung der Gesellschaft als Partner (Altman & Vidaver-Cohen 2000, 3ff). Bei diesen Schlagworten wird ersichtlich, dass eine wirklich klare Abgrenzung zur Corporate Responsibility schwierig ist.
So verwenden bspw. Googins et al CC und CSR als synonym und beschreiben zwei Hauptmerkmale dieser: (1) „Minimize Harm“, der Fußabdruck eines Unternehmens auf die Gesellschaft soll möglichst minimiert werden und (2) „Maximize Benefit“, Werte sollen geschaffen und geteilt werden. Das Motto lautet „do good“ (Googins & Mirvis & Rochlin 2007, 19).
Auch in der Praxis wird Corporate Citizenship oft als Synonym für Corporate (Social) Responsibility verwendet (Visser 2008, 98).
2.3.4 Nachhaltigkeit und Triple Bottom Line (TBL)
Nachhaltigkeit ist ein Kernbestandteil der Corporate Responsibility, der dort im Sinne des Triple Bottom Line - Konzepts eine bedeutende Rolle spielt. Mit dem Begriff Triple Bottom Line wurde die reine Evaluation des Finanzergebnisses, also des finanzwirtschaftlichen Gewinnes, um die Komponenten eines ökologischen und gesellschaftlichen Ergebnisses erweitert. Erzielen alle drei Komponenten eine langfristig stabile Performance, kann von Nachhaltigkeit im Sinne einer Triple Bottom Line gesprochen werden. Triple Bottom Line Accounting stellt eine Erweiterung des konventionellen Rechnungswesens dar, um diese zusätzlichen Komponenten zu berücksichtigen (Vanclay 2004, 266f).
Der Triple Bottom Line Zugang bedeutet nicht unbedingt einen Neuentwurf, wofür Unternehmen primär stehen; vielmehr erweitert dieser den Zeithorizont, über den der volle Bereich von Unternehmensbelange bewertet werden sollte (Elkington 1999, 19).
Nachhaltigkeit wird oft noch breiter definiert. Der Klimawandel spielt dabei genauso eine Rolle, wie langfristige Wettbewerbsfähigkeit - der Begriff der Nachhaltigkeit wird heutzutage in unterschiedlichstem Kontext eingesetzt und manchmal geradewegs „missbraucht“.
„Nachhaltigkeit, die;-:1. längere Zeit anhaltende Wirkung, 2.(Forstw.)
forstwirtschaftliches Prinzip, nach dem nicht mehr […]“
(Duden 2009, www)
Im “Report of the World Commission on Environment and Development: Our CommonFuture” wird nachhaltige Entwicklung wie folgt definiert:
„Sustainable development is development that meets the needs of the presentwithout compromising the ability of future generations to meet their own needs.”
(WCED 2009, www)
Das Forum for the Future, ein Wohlfahrtsverband der nachhaltige Entwicklung fördert, entwickelte das “Five Capitals Model”, welches fünf Kapitalarten (natural capital, human capital, social capital, manufactured capital, financial capital) umfasst. Nachhaltige Entwicklung sei der optimale Weg, langfristig mit diesen Kapitalressourcen umzugehen; ein dynamischer Prozess, durch den Organisationen eine Balance zwischen ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten erreichen können (Forum for the Future 2009, www).
Alle vier Jahre findet das Millennium Ecosystem Assessment (MA) statt. Dabei wird eine internationale, wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme der Beschaffenheit und der Trends im Ökosystem der Erde durchgeführt. Dabei kam heraus, dass der Mensch über die letzten 50 Jahre das Ökosystem schneller und stärker verändert hat als je zuvor in der Menschheitsgeschichte (Millenium Ecosystem Assessment 2009, www).
Moderne wirtschaftliche Nachhaltigkeitsansätze befassen sich beispielsweise auch mit „ Social and Environmental Finance and Accounting” (Gray 2002, 357ff).
Nachhaltigkeit in Bezug auf die Umwelt wurde in den letzten Jahren auch ein besonders medienstarkes Thema. Dabei entstanden zahlreiche Bücher, Zeitschriften und auch Filme für die breite Masse, ein Indiz für ein immer breiter werdendes gesellschaftliches Echo. Der Film des ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten Al Gore „An Inconvenient Truth“ aus dem Jahr 2006 ist dafür nur eines von vielen Beispielen (Guggenheim 2007).
Auf im Zusammenhang mit CR häufig verwendete Begriffe wie Socially Responsible Investment (SRI), Corporate Social Performance (CSP) und Corporate Responsibility Reporting wird in Folgekapiteln eingegangen.
3 Entstehung der CR - ein historischer Abriss
“[...] stick a pin anywhere in the timeline of corporate evolution and the issues of what a company should be responsible for, who decides, and where accountability lies are recurring themes.” (Blowfield & Murray 2008, 42)
Sowohl in österreichischen Medien als auch international herrscht gegenwärtig eine hohe Präsenz von Corporate Responsibility Themen.
In vier österreichischen Tageszeitungen (Kronen Zeitung, Kurier, Standard, Presse) wurden in einer Medienanalyse 649 CSR-Artikel im Zeitraum 1996-2006 untersucht. Dabei wurde ein eindeutiger Trend eines steigenden Aufmerksamkeitsgrades über den Zeitverlauf ausgemacht. So war die Anzahl der analysierten Artikel 2006 sechsmal so hoch als zehn Jahre zuvor. Auch die Länge der Beiträge stieg signifikant seit 2002 (Haider 2008, 48ff).
Praktisch täglich lassen sich in den meisten österreichischen Tageszeitungen Artikel finden, die mit dem Bereich Corporate Responsibility assoziiert werden können: Artikel über verantwortungsvollen Konsum (Bio-Kleidung, fair trade, Green IT), Nachhaltige Investments und Ethikfonds, Managerentlohnungen sind nur ein paar wenige Beispiele. Diese Medienpräsenz ist auf einen Wertewandel zurückzuführen, der insbesondere durch zahlreiche Einflussfaktoren auf die CR („ drivers “) belebt wurde (siehe Kapitel 4).
Trotz der verstärkten öffentlichen Auseinandersetzung mit CR, stellen sowohl die Debatte als auch ihre Inhalte nur bedingt Neuigkeiten dar. Die Wurzeln von CR können bis in die antike Philosophie (bspw. Aristoteles) zurückverfolgt werden. In antiken chinesischen, ägyptischen und sumerischen Schriften wurden bereits Regelungen für eine Vereinfachung des Handels, welche das Gemeinwohl stärker beachten sollten, skizziert (Werther & Chandler 2006, 11). Spätestens aber mit der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert finden sich Ausgangspunkte der heutigen Corporate Responsibility.
3.1 Die Entwicklung unternehmerischer Verantwortung
Von Anbeginn des 19. Jahrhunderts lassen sich drei Ären der „Responsibility“ finden, zu denen sich jeweils auch heute aktuelle Bezüge herstellen lassen (Blowfield & Murray, 43ff):
(1) Industrielle Revolution
Großbritannien entwickelte sich als erste industrielle Großmacht. Innerhalb von 70 Jahren (1801 - 1871) stieg die Anzahl der Arbeiter im industriellen Sektor von einem Fünftel auf zwei Drittel. Dabei kam es zu entsetzlichen Entwicklungen; schlechte Arbeitsbedingungen waren die Regel, Unfälle und schwere Krankheiten standen an der Tagesordnung. Die Belieferung mit notwendigen Ressourcen wurde durch die Ausbeutung der Sklavenarbeit gewährleistet. Schließlich kam es in der Bevölkerung zu Unruhen. Gegenbewegungen fassten fuß und erste Gesetze entstanden, welche die schlimmen Zustände mildern sollten. Private Philanthropen wie bspw. der in Schottland geborene Andrew Carnegie (Carnegie Hall in New York) gründeten Stiftungen, welche sich in unterschiedlichsten Bereichen betätigten.
Zahlreiche Erfindungen waren sicherlich ein wichtiger Treiber für die industrielle Revolution gewesen. Aber schließlich wurde diese Entwicklung durch das Wachstum der modernen Unternehmen beschleunigt. Das gesetzliche Konstrukt einer „limitierten Haftung“ ist dabei nicht zu unterschätzen.
Jede Industriewirtschaft hat ihre eigene Geschichte der Industrialisierung. Der Wandel erfolgt auf unterschiedlichen Wegen und Tempos. Aber einiges ist heute genauso relevant wie damals. Beispielsweise sind Sozial- und Umweltfragen in China, dessen Städte seit einigen Jahren einen massiven Zustrom aus ländlichen Gebieten erfahren, genauso ein Thema wie in der englischen industriellen Revolution. Letztlich geht es dabei vor allem um die Frage von Wirtschaftswachstum auf Kosten von menschlichem und ökologischem Wohlbefinden.
Bakan (2005) erschließt in seinem Werk „The Corporation“ die Perspektive, dass Unternehmen durch ihr Wachstum der letzten 150 Jahre heute destruktive und krankhafte Institutionen geworden wären, welche durch ihr pures Eigeninteresse das Individuum und die Gesellschaft ausbeuten würden. Bakan’s Buch schafft letztlich ein Bewusstsein über die Macht heutiger Unternehmen und liefert dabei Vorschläge für demokratische Kontrolle (Bakan 2005).
(2) Der Wohlfahrtsstaat Mitte des 20. Jahrhunderts
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an war das Wachstum von Firmen enorm. Viele Beschränkungen hinsichtlich Größe, Dauer, und Eigentumsrechte wurden aufgehoben, manche Rechte erweitert. Plötzlich waren Unternehmen so mächtig geworden (auch der Einfluss auf die Politik war massiv), dass der Ruf nach mehr Regulierung lauter wurde. Soweit ein Generalisieren überhaupt möglich ist, kann man grob folgende Entwicklung beobachten: Vor dem Ersten Weltkrieg standen Eigennutz und die Förderung unternehmerischer Macht im Vordergrund. Dieser Enthusiasmus schwand schließlich mit Ende des Krieges. 1919 wurde die International Labour Organization (ILO) gegründet, eine Einrichtung des Völkerbundes (League of Nations), welche die Sicherung des Weltfriedens auf Grundlage sozialer Gerechtigkeit zum Ziel hatte.
Ein „neuer Kapitalismus“ war im Entstehen. Die Idee von ehrenamtlichen Handlungen, um in der Gesellschaft gut dazustehen, fand Anklang. Gleichzeitig entstand jedoch auch ein größerer Konflikt zwischen Unternehmensführern und Gewerkschaften. Durch ein steigendes Wirtschaftswachstum wurde der Glaube an freie Märkte ebenfalls wieder stärker. Der Crash an der Wall Street 1929 löste schließlich die Große Depression aus. Dabei sind die Ideen von Thomas Quinn, eine Führungskraft bei General Electric, sehr interessant. Während der Großen Depression schrieb er über die Evolution von Firmen. Der Entwicklungspfad eines Unternehmens würde von kleinen zu großen und schließlich zu Monsterunternehmen führen. Letztere könnten den Wettbewerb ersticken, sozialpolitische Institutionen stark beeinflussen und sogar eine Gefahr für die Demokratie darstellen. Einige seiner Überlegungen wurden zwar schon länger widerlegt, aber manche seiner Gedanken finden in heutigen CSR Debatten nach wie vor große Bedeutung.
1934 kam es unter Franklin D. Roosevelt zum „ New Deal”. Dieser hatte eine Begrenzung der Unternehmensmacht zum Ziel und basierte auf stärkeren Regulierungen und mehr Verantwortung. Dieses Konstrukt bestand bis zu den frühen 70ern, wo Öl-Engpässe die US Regierung wiederum zu einem Umdenken in der Wirtschaftspolitik forcierten. In Westeuropa wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der Wohlfahrtsstaat großgeschrieben. Bspw. installierte die Labour-Regierung in Großbritannien soziale Sicherungsnetze. Die Idee der staatlichen Industrie wurde durch Verstaatlichungen großer Zweige wie Kohle, Eisenbahn, Stahl, Gasvertrieb und Stromerzeugung umgesetzt. In Osteuropa hatte der Kommunismus seine Blütezeit. Aber auch in neuen unabhängigen Ländern wie Indonesien oder Indien wurde die Verteilung zur Verantwortung des Staates; die wichtigste Rolle der Geschäftswelt war die Schaffung von Jobs, die Einhaltung von Gesetzen und das Zahlen von Steuern.
Dennoch tauchten neue gesellschaftliche Probleme auf: Umweltverschmutzung wurde in den USA und Großbritannien von den frühen 50ern ein Thema. Der Konnex zwischen ökologischer Zerstörung und unternehmerischer Aktivitäten wurde offensichtlicher. 1971 wurde Greenpeace gegründet, welche sich bis heute für den Umweltschutz engagiert. Außerdem kam es zu einer Frauenrechtsbewegung in den 70ern, welche Gleichbehandlung am Arbeitsplatz einforderte. Die Rassendiskriminierung in den USA führte zur Schaffung allgemeiner Grundsätze hinsichtlich Gleichbehandlung unabhängig von Alter, Ethnie, Hautfarbe, Behinderung und sexueller Orientierung. Die UN-Menschenrechtscharta, die ausdrückliche Bekenntnis zu allgemeinen Grundsätzen der Menschenrechte der Vereinten Nationen und Grundlage des humanitären Völkerrechts, war 1948 ausgerufen worden. Sie feierte am 10. Dezember 2008 ihren 60. Geburtstag.
(3) Globalisierung
Zwei bedeutende Institutionen wurden geschaffen, um etwas wie den Zweiten Weltkrieg in Zukunft zu verhindern: die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (später die Weltbank) sowie der Internationale Währungsfonds (IWF, engl. IMF).
Die Globalisierung erreichte nach Ende des zweiten Weltkrieges eine neue Ära. Durch die Stagflation der 1970er wurden kritische Stimmen entgegen dem herrschenden wirtschaftstheoretischen Paradigma lauter. Neu war nämlich, dass eine relativ hohe Arbeitslosigkeit von steigender Inflation begleitet wurde. Das bis dahin aus der Philipskurve abgeleitete Gesetz, dass bei Akzeptanz einer höheren Inflation die Arbeitslosigkeit niedrig gehalten werden könnte, verlor an Tragkraft. Dafür wurde die Macht der Arbeiterbewegung und Gewerkschaften verantwortlich gemacht sowie das hohe Steuerlevel, welches neue Investitionen blockierte. Margaret Thatcher und Ronald Reagon begannen mit einer neuen, einer neoliberalen Politik, welche den freien Markt stärkte (später auch Thatcherismus und Reaganomics genannt). Durch zahlreiche neoliberale Politiken wurden Anreize für private Investitionen geschaffen.
Der Washington Consensus (ein Set von politischen Maßnahmen, welches Länder umsetzen sollten, sofern sie finanzielle Unterstützung von IMF und Weltbank in Anspruch nahmen) führte zu einer starken Öffnung in Ländern wie Lateinamerika, Afrika und Südostasien (alles Kreditnehmerländer).
Freihandel wurde als Mittel für weltweiten Wohlstand und Frieden propagiert. 1995 wurde das 1947 begründete GATT durch die WTO abgelöst und um weitere Abkommen (bspw. GATS, TRIPS) erweitert. Die WTO hat heute 153 Mitglieder (WTO 2009, www). Ein neues Umfeld, wo die Idee des Minimalstaates gefördert wurde, Auslandsinvestitionen und globaler Handel vor allem durch den Wegfall von Zollblockaden vervielfacht worden waren, war entstanden.
Diesem Paradigma sowie der Politik der Institutionen Weltbank, IMF und WTO widerfuhr zeitweise vehemente Kritik. So wurde bspw. der IMF für seine Politik als Reaktion auf die Asienkrise 1997/98 massiv kritisiert. Dem Weltwährungsfonds wurde vorgeworfen, zu spät in die Krise eingegriffen und bei seinen Hilfsmaßnahmen für die betroffenen süd- ostasiatischen Länder nicht adequate Maßnahmen ergriffen zu haben. Diese hätten sich letztlich rein als Vorteil für die ausländischen Gläubiger herausgestellt (Lee & Park 2000: 70).
Rodrik gibt in seinem Text „Goodbye Washington Consensus, Hello Washington Confusion?“ einen guten Überblick über die Entwicklung des Washington Consensus und diesem zu Grunde liegende Gedanken (Rodrik 2006).
In diesen Tagen - durch die globale Wirtschaftskrise, welche durch die Immobilienkrise 2007 in den USA ausgelöst wurde, hervorgerufen - wird die Kritik von Anti- Globalisierungs Aktivisten, aber auch von bedeutenden Ökonomen lauter. Ein Trend für mehr Regulierung und teilweise auch mehr Staat, aber zumindest für neue einschlägige Veränderungen ist absehbar. Ein solcher Wertewandel wird auch massive Auswirkungen auf die Auffassung von Corporate Responsibility haben (siehe Kapitel 6.2.5 und 7.4).
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Entwicklung der Corporate Responsibility seit den 1930ern.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Überblick über die historische Entwicklung von CR (Blowfield & Murray 2008, 57)
3.2 Der Beginn einer modernen CR-Ära
Carroll beschrieb 1999 in seinem Artikel „ Corporate Social Responsibility.Evolution of aDefinitional Construct “ die moderne Geschichte der CSR ab den 1950ern. Dabei analysierte er insbesondere die US-Literatur, wobei er auch auf die parallele Entwicklung der CSRTheorie und -Praxis in anderen Ländern hinwies.
In den 50ern wurde das CSR-Konzept meist lediglich als Social Responsibility (SR) bezeichnet. Einen bedeutenden Beitrag lieferte die Veröffentlichung „ Social Responsibilitiesof the Businessman“ von Howard R. Bowen, welchen Carroll als Vater der CSR bezeichnet. Bowen erkannte bereits, dass wenige große Unternehmen Machtzentren darstellten, welche das Leben der Bürger auf mehreren Ebenen berührten (Carroll 1999, 268ff).
In den 60ern häuften sich Publikationen, welche CSR zu formalisieren und präziser zu definieren versuchten. In dieser Zeit markieren die Beiträge von Keith Davis einen markanten Punkt. Davis bezog sich auf Unternehmenshandlungen, welche teilweise über das direkte ökonomische oder technische Interesse des Unternehmens hinausgingen. Später in den 70ern und 80ern wurde Davis für seine Beiträge bekannter und formulierte das „ Iron Law of Responsibility “ - gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen solle im Verhältnis zu deren gesellschaftlichen Macht stehen. Carroll bezeichnet Davis aufgrund der Bedeutung seiner Beiträge als zweiten Vater der CSR. Als weiteren wichtigen Beitragenden in den 60ern nennt Carroll Joseph W. Mc Guire, dessen CSR-Definition etwas präziser ist (Carroll 1999, 270f).
Einen beachtlichen Ansatz lieferte 1971 Harold Johnson in seinem Werk „Business in Contemporary Society: Framework and Issues“, in welchem der Autor eine Vielzahl von CSR-Definitionen analysiert und schließlich zu dem Ergebnis kam, dass ein gesellschaftlich verantwortungsvolles Unternehmen eine Vielzahl von Interessen berücksichtigt. Neben den Aktionären berücksichtigt ein solches Unternehmen auch Arbeitnehmer, Lieferanten, Händler, lokale Gemeinden und den Staat. Beachtenswert ist Johnson’s Zugang zu einem Stakeholderkonzept, da er sogar einige spezifische Interessensgruppen nennt. Außerdem stellte Johnson eine zweite Sichtweise der CSR dar, welche eine langfristige Profitmaximierung mit einschließt (Carroll 1999, 271ff).
Ab den 80ern lag das Hauptaugenmerk weniger auf neuen CSR-Definitionen als auf der Entwicklung alternativer Zugänge. So schrieb bspw. Peter Drucker 1984, dass gesellschaftliche Verantwortung in Geschäftschancen umgewandelt werden könnte.
In den 1990ern überwog die Entwicklung von CSR-verwandten Alternativen. Corporate Social Performance, Stakeholdertheorie, die Theorie der Unternehmensethik und Corporate Citizenship waren die dominanten Themen in den 90ern (Carroll 1999, 284ff).
4 Warum Corporate Responsibility? CR-Drivers
Im vorherigen Kapitel wurde argumentiert, dass die CR-Debatte nichts Neues darstellt. Ihre Wurzeln reichen bis in die Antike, und seit der Industriellen Revolution ließ sich immer wieder ein Aufkeimen einer Diskussion über gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen beobachten.
Dennoch umfasst die aktuelle CR-Debatte durchaus neue Elemente:
Frischen Wind bringen die Einführung und Verwendung neuer Begriffe, das Publizieren unternehmenseigener CR-Reports, ein verändertes Umfeld in einer neuen Ära der Globalisierung, die verstärkten Diskussionen über den Klimawandel, die aktuelle Wirtschaftskrise sowie das Entstehen von zahlreichen CR-Organisationen, Standards und Regeln für Corporate Responsibility. Auch die Auffassung und damit die Umsetzung der Corporate Responsibility haben sich verändert; unternehmerische Verantwortung geht über reine Philanthropie hinaus, CR wird für manche Unternehmen ein bedeutendes Element der Unternehmensstrategie. Dazu trägt auch eine über Medien und Internet verstärkte „ethische Aufklärung“ bei, welche bspw. neue Trends im Konsumverhalten (Stichwort: ethischer Konsum) bewirkt.
4.1 Globalisierung
Der wahrscheinlich wichtigste Faktor für die gegenwärtige Entwicklung der Corporate Responsibility ist die Globalisierung der letzten 20 Jahre. Stiglitz (2002) wies bspw. auf die Gefahr einer „global governance without global government“ hin (Stiglitz 2002). Veränderungen der Rahmenbedingungen haben zu der verstärkten Auseinandersetzung mit CR geführt.
Dabei spielt für die zunehmende CSR-Diskussion das Globalisierungsverständnis weniger eine Rolle - ob als rein wirtschaftliches Phänomen in Form weitreichender Liberalisierung oder als De-Territorialisierung basierend auf sozialen Gegebenheiten, wobei die wirtschaftliche nur einen Teil neben Politik, Kultur, Ethik, Ökologie und anderen den Menschen beeinflussende Bereichen darstellt (Blowfield & Murray, 72f). Faktum ist, dass der physische Ort und die lokale Zeit hinsichtlich gesellschaftlicher Aktivitäten an Bedeutung verloren haben und damit CR einen neuen globalen Rahmen geben.
Beispiele für gegenwärtig globale gesellschaftliche Herausforderungen (Googins & Mirvis & Rochlin 2007, 99):
- Energiewirtschaft: Energiesicherheit, politische Risiken, Klimawandel
- Einzelhandel: Supply Chain-Praktiken, Konsumverhalten und Konsumentenschutz
- Pharmaindustrie und Gesundheit: Zugang zu Arzneimitteln, HIV/Aids, Handel und gewerblicher Rechtsschutz
- Finanzwesen: Finanzskandale, verantwortliches Investieren
- Informations- und Kommunikationstechnik: Offshoring, digitale Kluft
- Agrarwirtschaft und Lebensmittelversorgung: globaler Handel, Ernährung und Gesundheit
- Produktion: Offshoring, Arbeitnehmerschutz, Supply Chains, Klimawandel
- Transportwirtschaft und Logistik: Sicherheit, Klimawandel
Die Entwicklung der Weltbevölkerung sowie weltweite Migration sind ebenfalls wesentliche globale Herausforderungen. Einen guten Überblick zu dem Thema geben Münz und Reiterer (Münz & Reiterer 2007).
Betrachtet man die Rolle von Regierungen im Lichte der Globalisierung, so haben sich diese seit den 1970ern stark verändert. Diesbezüglich bestehen auch unterschiedlichste Ansichten, was einen Machtgewinn bzw. Machtverlust von Regierungen betrifft (Blowfield & Murray 2008, 84f):
- Nationale Regierungen haben ihre Macht durch die Globalisierung verloren. Dies kann am Beispiel des Standortvorteils argumentiert werden. Regierungen lehnen die Erhöhung von Unternehmenssteuern eher ab, da sie eine Abwanderung von Betrieben und damit den Verlust von Arbeitsplätzen befürchten.
- Auf globaler Ebene besteht ein Regierungsvakuum; denn es gibt keine klare Verantwortung hinsichtlich Menschenrechte und Armut.
- Regierungen haben ganz bewusst gewählt, wo sie und wo sie nicht ihren Einfluss ausüben wollen. Bspw. haben zahlreiche Staaten Barrieren für Handel und Investitionen beseitigt, auf der anderen Seite aber gleichzeitig Barrieren hinsichtlich des Arbeitsmarktes forciert (Stichwort: internationale Migration).
- Regierungen haben stets ihre Macht behalten. Einerseits wurden zahlreiche nationale Gesetze geschaffen, welche weltweit multinationale Konzerne beeinflussten, andererseits haben multilaterale Institutionen Aktivitäten wie den United Nations Global Compact, die UN Millennium Development Goals, die Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work der ILO, uvm. initiiert. Das Element der Selbst-Regulierung ist erstarkt. So wurden quasi unabhängige Institutionen wie bspw. die International Organization for Standardization (ISO) geschaffen. Daneben entstanden in den letzten Dekaden immer mehr NGOs, deren Mitwirken an der öffentlichen Steuerung nicht mehr wegzudenken ist.
4.2 Stakeholderansatz
„[…] ,the stakeholder model has become the dominant framework for seeing companies as integrated in, rather than separated from, the rest of society.”
(Blowfield & Murray 2008, 161)
Der Stakeholderansatz wurde als bedeutendes Konzept für das strategische Management erstmals von Edward Freeman 1984 vorgeschlagen. Zuvor war der Begriff Stakeholder oft synonym zum Begriff Stockholder, also zum Eigentümer, verwendet worden. Freeman definierte den Stakeholder breiter, als
„Any group or inividual who can affect or is affected by the achievement of the firm’sobjectives“. (Freeman 1984 zitiert in: Clement 2005, 255)
Als Stakeholder wurden von da an (neben den Shareholdern) alle für die Unternehmensstrategie wichtigen Gruppen wie Mitarbeiter, Konsumenten, Lieferanten, lokale Gemeinden, Umweltaktivisten, Regierungen, spezielle Interessensgruppen und sogar Konkurrenten sowie die Medien aufgefasst. Dem Stakeholderansatz widerfuhr die kommenden 20 Jahre ein breites Interesse in Forschung und Praxis (Clement 2005, 255).
Preston und Sapienza (1990) führten eine empirische Untersuchung mit Daten von 108 wichtigen US-Unternehmen durch, um herauszufinden, ob Ziele von Stakeholdern dieser Firmen („Shareholder“,„Employees“,„Customers“ und „Communities“) auch erreicht wurden bzw. mit den Unternehmenszielen und innerhalb der Stakeholdergruppen vereinbart werden konnten. Dabei kamen sie zu folgenden Ergebnissen (Preston & Sapienza 1990, 367ff.):
Stakeholder Management im Sinne einer zufriedenstellenden Ergebniserreichung für alle bedeutenden Stakeholder dürfte in großen US-Unternehmen gewöhnlich sein. Die Breite des Spektrums von Stakeholder Performance stimmt mit dem der Literatur überein.
Stakeholder Management dürfte einfacher sein als vermutet. Häufig bestehen für Unternehmensführung und innerhalb bedeutender Stakeholdergruppen ähnliche Erfolge und Probleme anstatt schwieriger Zielkonflikte.
Das Erreichen mehrerer Ziele auf Basis ökonomischer und gesellschaftlicher Erwägungen ist in großen und komplexen Organisationen simultan möglich.
Die Kernaussagen dieser Untersuchung scheinen grundsätzlich sehr zusagend. Die Studie ist jedoch bereits fast 20 Jahre alt und bezieht sich „nur“ auf 108 Unternehmen in den USA. Das Verständnis von Stakeholdern hat sich in zahlreichen Unternehmen gewiss gewandelt und außerdem haben sich Stakeholder selbst neu organisiert, um besser ihre Ziele zu erreichen oder überhaupt als wichtige Stakeholder wahrgenommen zu werden. Eine objektive und allgemeine Studie dieser Art, welche in der aktuellen CR-Debatte von höchstem Interesse wäre, ist extrem aufwändig und unterliegt zahlreichen Beschränkungen. Bei einer quantitativen Untersuchung ist nach wie vor die Messbarkeit der Zielerreichung unterschiedlicher Stakeholdergruppen eine Hürde; eine seriöse qualitative Untersuchung dieser Art wäre mit immensen Kosten verbunden. Für ein einzelnes Unternehmen würde sich eine solche Studie auszahlen; nur wird es eine solche nur dann anstreben, wenn es weiß, dass es auf diesem Gebiet gut dasteht. Allerdings können auf dieser Basis zahlreiche Anreize für Unternehmen geschaffen werden, sich verstärkt mit einer Corporate Responsibility auseinander zu setzen.
Fünf wichtige Lektionen können aus dem Stakeholderansatz abgeleitet werden (Clement 2005, 256ff):
(1) Unternehmen unterliegen einem steigenden Druck hinsichtlich der Berücksichtigung von Stakeholderinteressen; dabei nicht nur den Anliegen primärer und sekundärer Stakeholder, sondern auch breiten gesellschaftlichen Trends und institutionellen Erwartungen.
(2) Unternehmen können auf Basis gesetzlicher Grundlagen ein breites Feld ihrer Stakeholder ansprechen; bspw. bestehen Gesetze für Produktsicherheit oder gegen diskriminierende Personalpraktiken.
(3) Unternehmen werden von Führungskräften gesteuert, welche nicht mehr rein den Prinzipien ihres Faches unterliegen; ihre Entscheidungen werden vielmehr von der Gesellschaft bzw. Werten ihrer Peergroup beeinflusst.
(4) Unternehmen reagieren insbesondere auf Stakeholder, welche drei wichtige Charakteristika aufweisen: (1) Einfluss durch Macht gegenüber dem Unternehmen,
(2) Legitimität und Vereinbarkeit mit Werten und Normen der Gesellschaft,
(3) Dringlichkeit im Sinne von zeitkritisch und/oder entscheidend für den Stakeholder. Hart und Sharma (2004) weisen jedoch darauf hin, dass Randstakeholdergruppen (bspw. Obdachlose in den USA oder arme Landbevölkerungsschichten in Entwicklungsländern) in den letzten Jahren an Einfluss gewinnen. Durch eine Ausweitung des Stakeholdermanagements auf periphere Randgruppen und einem über die Kernstakeholder hinaus gehenden Stakeholder-Dialog kann wertvoller gesellschaftlicher Ideenreichtum entstehen, der zu zukünftigen Wettbewerbsvorteilen führen kann (Hart & Sharma 2004, 7-18).
(5) Unternehmen können ihr Finanzergebnis verbessern, indem sie auf Anliegen wichtiger Stakeholder reagieren. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, welche einen Zusammenhang zwischen CSP (corporate social performance) und CFP (corporate financial performance) belegen. Darüber herrscht aber aufgrund der Schwierigkeit dieser Untersuchungen noch kein eindeutiger Konsens (siehe Kapitel 4.5).
Diese Schlussfolgerungen aus dem Stakeholderansatz können teils eins zu eins auf Corporate Responsibility übertragen werden und veranschaulichen damit die Bedeutung des Stakeholderansatzes für die Corporate Responsibility. Die obigen Erkenntnisse haben jedenfalls zu einer verstärkten Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Frage einer Corporate Responsibility geführt und lassen auf eine seriöse Diskussion in Zukunft hoffen.
Stakeholder können in drei Gruppen eingeteilt werden: (1) Stakeholder der Organisation, (2) ökonomische Stakeholder und (3) Stakeholder der Gesellschaft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Stakeholder eines Unternehmens
(Werther & Chandler 2006, 4)
Die ökonomischen Stakeholder sind dabei die Schnittstelle zwischen internen Stakeholdern der Organisation und den Stakeholdern der Gesellschaft. So sind bspw. Kunden ökonomische Stakeholder, die auch gleichzeitig der Gesellschaft angehören, in der das Unternehmen tätig ist. Alle drei Stakeholdergruppen sind in den größeren Kontext einer globalisierten Umwelt eingebettet, welche insbesondere durch technologischen Fortschritt angetrieben wird und damit auch die Bedeutung von CR in der heutigen Geschäftswelt erhöht (Werther & Chandler 2006, 4).
Der Stakeholderansatz zeigt, dass Organisationen nicht nur ihren Shareholdern gegenüber Verpflichtungen haben (Shareholderansatz). Hingegen soll eine Balance hinsichtlich der Vielfalt der Stakeholderinteressen geschaffen werden. Aus noch weiterer Perspektive sind Unternehmen als Teil der Gesellschaft dieser als Ganzes verpflichtet. Unternehmen operieren aus öffentlicher Zustimmung, um den Bedürfnissen der Gesellschaft konstruktiv zu entsprechen. Der gesellschaftliche Zugang von CSR (societal approach) birgt eine neue Perspektive und dürfte die Antwort auf neue Veränderungen sein (Marrewijk 2003, 96f).
4.3 CR-Organisationen und Standards
In den letzten Jahren wurden zahlreiche CR-Richtlinien, Leitgrundsätze und Standards auf Inititative unterschiedlichster Institutionen entwickelt. Weiters entstand eine Vielzahl neuer Organisationen, welche sich im CR-Bereich einsetzen. Dies stellt sowohl ein Indiz für den Trend hinsichtlich der zunehmenden Auseinandersetzung mit Corporate Responsibility dar, als auch einen positiven Rückkoppelungseffekt, der diesen Trend wiederum verstärkt.
Da die mangelnde Glaubwürdikeit heute für Unternehmen ein wesentliches Problem darstellt, wurden in den letzten Jahren die Rufe nach CR-Standards und Zertifizierungen lauter. Aufgrund der Vielschichtigkeit von CR und der ständigen Weiterentwicklungen in diesem Bereich stellt die Entwicklung von CR Standards einen sehr komplexen und schwierigen Prozess dar. Dies ist auch am Projekt der International Standards Organisation (ISO) zu sehen, welche den Bedarf erkannt hat und 2010 diesbezüglich den ISO 26000 veröffentlichen will (Neureiter & Palz 2008, 447ff).
Die folgenden Darstellungen bedeutender CR-Organisationen und wichtiger CR-Richtlinien erfolgen zur Übersichtlichkeit getrennt voneinander.
Im Folgenden werden einige ausgewählte nationale, internationale und auf EU-Ebene bestehende CR-Organisationen und -Netzwerke genannt. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: CR-Organisationen
Im Folgenden werden einige ausgewählte nationale, internationale und auf EU-Ebene bestehende Standards, Richtlinien und Leitgrundsätze vorgestellt. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: Standards für CR
Außerdem haben in den letzten Jahren zahlreiche Kampagnen sowie die Entwicklung und Einführung von Gütesiegeln einen CR-Trend eingeleitet, der sowohl von Unternehmen als auch von Konsumenten verstärkt wahrgenommen wird.
- Beispiele für Gütesiegel sind das Fairtrade Label der Fairtrade Labelling Organisations International (FT0), der Blaue Engel, das mit 1978 weltweit erste Umweltzeichen (http://www.blauer-engel.de/) oder das österreichische Umweltzeichen, welches umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen kennzeichnet (http://www.umweltzeichen.at/).
- Beispiele für öffentlich geführte Kampagnen und Veranstaltungen sind die Kampagne für faire Produktion von Textilprodukten (http://www.playfair2008.org/), die Clean Clothes Kampagne (http://www.cleanclothes.org/), der Public Eye Award, wo jährlich über das Internet die am wenigsten ethisch geführten Unternehmen gewählt werden (http://www.publiceye.ch/), oder der TRIGOS-Award, bei dem in Österreich seit 2003 jährlich „Unternehmen mit Verantwortung“ ausgezeichnet werden (http://www.trigos.at/).
4.4 Socially Responsible Investment (SRIs)
Als Socially Responsible Investment (SRI) bezeichnet man eine Investmentform, welche die Evaluierung von sozialen, ökologischen und/oder ethischen Merkmalen in die Analyse und Selektion von Finanzprodukten mit einschließt (Visser 2008, 424).
Private und institutionelle Anleger verlangen von Unternehmen immer häufiger Informationen hinsichtlich deren Maßnahmen zu ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit und machen davon ihre Investitionsentscheidungen abhängig.
Socially Responsible Investments, welche nicht öffentlich gehandelt werden, beinhalten unter anderen ökologisches Venture Capital und Mikrokredite (Blowfield & Murray 2008, 292ff).
Um „normale“ Investments von ethischen Investments zu unterscheiden, wurden von unterschiedlichsten Institutionen bestimmte Kriterien für Unternehmen definiert. Ob ein Unternehmen bspw. in einen bestimmten Sustainability Index oder Ethikfonds aufgenommen wird oder nicht, hängt vom Verlauf eines so genannten Screeningprozesses ab. Zahlreiche Börsen haben in den letzten Jahren Nachhaltigkeitsindizes eingeführt. Bspw. wurde 1999 der Globale Dow Jones Sustainability Index (DJSI) eingeführt. An der Wiener Börse wurde am 17. Juni 2005 der VÖNIX Nachhaltigkeitsindex mit einem Startwert von 1.000 Indexpunkten gestartet.
Es wird zwischen negativem und positivem Screening unterschieden (Blowfield & Murray 2008, 283ff):
Negatives Screening schließt aus dem Screeningprozess solche Unternehmen aus, deren Geschäftsfelder und/oder Geschäftspraktiken nicht ethisch vertretbar sind. Beispiele für solche Ausschlussgründe können Geschäftsaktivitäten im Zusammenhang mit Tabak, Alkohol, Glücksspiel, Waffen, Pornografie, Nuklearenergie, mangelnde Arbeitsbedingungen, Herstellung von gefährlichen oder ozonschädlichen Substanzen, Genmanipulation, Tierversuche, uvm. sein.
Beim positiven Screening haben insbesondere jene Unternehmen eine gute Chance für ein positives Ranking, welche hinsichtlich Corporate Governance, sozialer und ökologischer Kriterien im Vergleich am besten abschneiden. Kriterien beziehen sich häufig auf den Triple Bottom Line Ansatz. Beispiele hierfür sind die Verbesserung von Gesundheits- und Sicherheitsstandards, die Integration von ökologischen Kriterien in die Wertschöpfungskette des Unternehmens, die Vermeidung von Korruption, die Eliminierung von Kinderarbeit oder die Förderung sozialer und ökologischer Entwicklung.
Abbildung 1 zeigt anhand des VÖNIX, dem Nachhaltigkeitsindex der Wiener Börse, welche Aspekte und Kriterien in einem solchen Screeningprozess Verwendung finden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: VÖNIX Factsheet
(VÖNIX 2008a, www)
Screeningkriterien sind zweifelsohne subjektiv bzw. werden sie durch kulturelle Wertvorstellungen geprägt. So gibt es beispielsweise spezielle Auswahlkriterien für ethisches Investment auf Basis des Islams.
Auf der Welt leben ca. 1,5 Milliarden Moslems. Von 1982 bis 2002 stiegen die Aktiva muslimischer Institutionen um das 40-fache. Spezifische Prinzipien für muslimisches Investment sind bspw. die Almosensteuer (Al Zakat), das Zinsverbot (Al Riba), das Verbot von Schweinefleisch, Blut und Alkohol (Halal, arabisch „rein, erlaubt“), das Verbot unproduktiver Spekulation, aber auch Verbote gegen Tabak und das Glücksspiel. Mit dem Islam in Einklang stehende Fonds sind bspw. der Dow Jones Islamic Index Fund (IMANX), der Amana Income Fund (AMANX) oder der Amana Growth Fund (AMAGX). Obwohl oft angenommen wird, dass zwischen westlichen Wertvorstellungen und muslimischen große Differenzen bestehen, haben klassische SRI Fonds oft viele Gemeinsamkeiten mit muslimischen SRI Fonds. Muslimischen SRI Fonds mangelt es aber häufig an ökologischen Kriterien (Blowfield & Murray 2008, 299f).
Um Screeningprozesse zu vereinfachen, gibt es heute ein auf Normen basiertes Screening. Dabei werden Screeningprozesse anhand von international akzeptierten und bekannten Normen durchgeführt. Kriterien für ein positives Screening fußen dann bspw. auf den Millenium Development Goals, den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation oder dem UN Global Compact (Blowfield & Murray 2008, 284).
Trends in SRI
Bisher gibt es keine signifikanten Ergebnisse, ob SRI Indizes eine bessere Performance als traditionelle Indizes aufweisen. Allerdings gab es schon Perioden, in denen SRI Fonds besser als konventionelle Fonds abschnitten (Blowfield & Murray 2008, 287).
Mercer Investment Consulting (http://www.mercer.com/ic) sagt jedenfalls voraus, dass über die nächsten 10 Jahre Mainstream Investment auf Basis ökologischer und sozialer Kriterien gewöhnlich sein wird. Langsam etablieren sich bereits SRI-Produkte für Entwicklungsländer oder auch SRI Fonds als Alternative mit geringem Risiko. Außerdem steigt die Zahl von nicht finanziellen Messvariablen, welche neben kulturellen und regionalen Unterschieden herkömmliche Rankingsysteme immer komplexer macht (Blowfield & Murray 2008, 300f).
„Nachhaltige Unternehmen sind in der aktuellen Finanzkrise sehr viel besser aufgestellt als ihre Wettbewerber und zeigen in nahezu allen Industriesektoren an den Finanzmärkten eine deutlich bessere Performance.“ (A.T. Kearney 2009, 1)
Eine von A.T. Kearney 2008 global durchgeführte Analyse belegt, dass sich Nachhaltigkeitsstrategien am Kapitalmarkt bewähren. Insgesamt wurden anhand des Dow Jones Sustainability Index und der Goldman Sachs Sustain Focus List weltweit 99 Unternehmen mit einer glaubwürdigen Nachhaltigkeitsverpflichtung ausgewählt und mit dem Industriedurchschnitt verglichen. In 16 der 18 untersuchten Industrien erzielten nachhaltige Unternehmen eine durchschnittlich um 15 Prozent höhere Performance als die gesamte Industrie (A.T. Kearney 2009, 1f).
Im Folgenden sind einige ausgewählte SRI Indizes und Leitlinien für SRIs sowie einzelne SRI-Investmentgesellschaften abgebildet. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 4: SRI Indizes und SRI Leitlinien
4.5 Business Case für CR
“For business managers, government officials, academics, consultants, to name but a few, making the business case has become the Holy Grail.” (Blowfield & Murray 2008, 131)
Die bisher in diesem Kapitel behandelten Motive, warum sich Unternehmen derzeit verstärkt mit Corporate Responsibility auseinandersetzen, sind mehr oder weniger extern vom Umfeld hervorgerufen. Der „Business Case for CR“, der teils auf diesen Gründen basiert, ist für viele Unternehmen die Hauptmotivation, sich verstärkt mit einer unternehmensweiten CR auseinanderzusetzen. Die verstärkte Wahrnehmung der Gesellschaft und deren Argumentation führen zu einer stärkeren Legitimität von CR. Aus diesen Gründen macht es heute für viele Unternehmen wirklich Sinn (betrachtet aus konventioneller Gewinnerzielungssicht), sich verstärkt mit diesem komplexen Gebiet auseinanderzusetzen. Es gibt einen „Business Case“ für Corporate Responsibility - sozusagen ein unternehmensinternes Motiv für die Umsetzung von CR-Maßnahmen.
Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, welche einen Zusammenhang zwischen CSP (corporate social performance) und CFP (corporate financial performance) untersuchen. Manche Studien fanden keine positive Korrelation zwischen CR-Maßnahmen und Gewinn; sofern ein positiver Zusammenhang gefunden wurde, ist das Ausmaß dieses Zusammenhangs nicht eindeutig klar. Folgend einige ausgewählte Studien:
Aupperle et al (1985) stellen zunächst überblickshaft die Ergebnisse von zehn ähnlichen Studien aus den 70ern vor. Ihre eigene Studie, welche auf der von Carroll 1979 definierten CSR-Definition basiert, findet keinen Zusammenhang zwischen CSR und Profit (Aupperle & Carroll & Hatfield 1985, 446-463).
McGuire et al (1988) betonen, dass insbesondere die finanzielle Performance die „Social Responsibility” beeinflusst anstatt umgekehrt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass CSR das Unternehmensrisiko mindert. Es wird besonders darauf hingewiesen, dass die Auswahl der Performancevariablen sehr vorsichtig in Abhängigkeit von der gestellten Forschungsfrage erfolgen sollte. Denn diese beeinflusst das Ergebnis massiv (McGuire & Sundgren & Schneeweis 1988, 854-872).
Preston und O’Bannon (1997) zeigen zunächst die unterschiedlichsten empirischen Beziehungen zwischen CR und finanzieller Performance auf und liefern dazu theoretische Erklärungen. Auf Basis von drei gesellschaftlichen Performancevariablen (aus der seit 1982 jährlich durchgeführten Fortune Reputationsumfrage) und drei finanziellen Performancevariablen stellen sie einen positiven Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen und finanziellen Performanceindikatoren fest. Dieser sei konsistent mit dem Stakeholderansatz und mit Synergieeffekten erklärbar (Preston & O'Bannon 1997, 419-429). McWilliams und Siegel (2000) erklären die inkonsistenten Ergebnisse zwischen CSP und CFP (positiver, negativer, neutraler Zusammenhang) durch Mängel der empirischen Analysen hinsichtlich unvollständiger Modelle. Dies belegen sie in ihrer Analyse mit der Berücksichtigung von Investitionen in Forschung und Entwicklung, welche ihrer Untersuchung nach mit CSR-Aktivitäten signifikant korrelieren. Daher beeinflusst die Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung von Investitionen in Forschung und Entwicklung den Zusammenhang zwischen CSP und CFP entscheidend (McWilliams & Siegel 2000, 603-609).
Orlitzky et al (2003) zeigen in einer Meta-Analyse über 52 Studien, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen CSP und CFP in beide Richtungen gibt. Für die Aufdeckung dieses Zusammenhangs spielen insbesondere Reputationsvariablen der CSP eine wichtige Rolle (Orlitzky & Schmidt & Rynes 2003, 403-441).
Wie die obigen unterschiedlichen Ergebnisse veranschaulichen, scheint die Konzeption solcher Studien sehr komplex. Sie können daher nur zum Teil als Argumentation für oder gegen CR dienen. Aufgrund uneinheitlicher Definitionen und unterschiedlicher berücksichtigter Variablen für die Messung von CSP und CFP ist ein Vergleich zwischen diesen Studien nur bedingt sinnvoll. Außerdem bildet finanzielle Performance nur einen Aspekt der Unternehmensperformance. Andere Aspekte sind hingegen schwerer messbar (Blowfield & Murray 2008, 134ff).
Folgend einige weitere Aussagen mit anderen Aspekten zur Evidenz eines Business Cases: Die CR-Dimensionen Ökoeffizienz und Arbeitsbedingungen verzeichnen einen hohen positiven Einfluss auf die Business Performance eines Unternehmens (Blowfield & Murray 2008, 141f).
Für einige Unternehmen stellt die Aussicht auf ein effektives Risikomanagement den entscheidenden Faktor für die Einführung von CR-Maßnahmen dar (Fahy & Roche & Weiner 2005, 267ff). Corporate Responsibility trägt zum Risikomanagementsystem positiv bei und hat somit einen signifikanten Einfluss auf den Business Case (Blowfield & Murray 2008, 138ff).
Corporate Responsibility hat letztlich einen starken positiven Einfluss auf immaterielle Performanceaspekte eines Unternehmens. Der Wert einer Marke und die Reputation eines Unternehmens lassen sich jedoch nicht mit der gleichen Präzision quantifizieren wie ein EBITDA bzw. ein Cash Flow (Blowfield & Murray 2008, 140ff).
In folgender Tabelle werden unterschiedliche Dimensionen und damit die Breite des Business Cases für Corporate Responsibility sichtbar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 5: Dimensionen des Business Case
(Googins & Mirvis & Rochlin 2007, 233f)
Hansen und Schrader fassen den Business Case für Corporate Responsibility wie folgt zusammen (Hansen & Schrader 2005, 383ff):
Abbildung 3: Der Business Case für CR
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Hansen & Schrader 2005, 385)
Bevor man den Business Case für Corporate Responsibility ernsthaft diskutiert, sollten zunächst die Performance eines Unternehmens und deren Einflussfaktoren definiert werden. So könne CR letztlich nicht als reines Add-On gesehen werden, das es über das Finanzergebnis zu rechtfertigen gilt. CR könne vielmehr als ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie betrachtet werden (Blowfield & Murray 2008, 154).
Das folgende Kapitel widmet sich der Implementierung von Corporate Responsibility in Unternehmen.
5 Umsetzung einer Corporate Responsibility
„Nachhaltigkeit wird das zentrale Prinzip der Unternehmensführung im 21. Jahrhundert. Wirtschaftlicher Erfolg wird in Zukunft nur durch die Integrationwirtschaftlicher, sozialer undökologischer Leistungsprinzipien möglich sein.“ (A.T. Kearney 2008, 1)
Mittlerweile reicht die Literatur zum Bereich Umsetzung von Corporate Responsibility recht weit; auch branchenspezifische Aspekte werden bereits behandelt. Denn gerade bei der Implementierung von CR spielen solche eine wesentliche Rolle. Ein Energieunternehmen wird dabei andere Problemfelder bewältigen müssen als ein Textilfabrikant in China oder ein österreichischer Klein- und Mittelbetrieb im Bereich Personalvermittlung. Prinzipiell bestehen für die Umsetzung von Corporate Responsibility von Unternehmen zu Unternehmen ganz individuelle Herausforderungen. In der Unternehmensberatung wird Corporate Responsibility auch verstärkt zum Thema.
Beschreiben und vergleichen lassen sich unterschiedliche Zugänge zu CR (CR-Konzepte), verschiedene von Unternehmen durchgeführte CR-Praktiken sowie Instrumente zur Implementierung von CR und CR Reporting. Das folgende Kapitel gibt einen kurzen Einblick über diese ausgewählten Themenfelder. Im empirischen Teil dieser Arbeit wird die Umsetzung von CR in Unternehmen von der praktischen Seite beleuchtet (siehe Kapitel 6.2.4).
5.1 CR-Konzepte
Unternehmen verfolgen bei der Berücksichtigung von Corporate Responsibility je nach ihrer Einstellung die unterschiedlichsten Konzepte; die Intensität ihrer CR-Maßnahmen reicht von einzelnen philanthropischen Handlungen zur Imagepflege, über die Umsetzung von CR- Maßnahmen auf Teilbereiche der Wertschöpfungskette (bspw. Lieferantenauswahl aufgrund ethischer Kriterien oder Einführung einer „unternehmensverantwortlichen“ Marke aus Diversifikationsgründen), bis hin zu einer integrativen nachhaltigen CR-Strategie, bei der es notwendig ist, jegliche Geschäftsprozesse kontinuierlich auf CR-Konformität hin zu evaluieren.
Hinsichtlich der unterschiedlichen Intensität von unternehmerischen CR-Handlungen kann in offensive und defensive CR-Maßnahmen unterschieden werden (Kramer & Kania 2006, 23ff):
Betreibt ein Unternehmen ein offensives CR-Management sieht es sich als Teil der Lösung, auch wenn das Unternehmen möglicherweise gar nichts zur Ursache eines bestimmten Problems beigetragen hat. Das Unternehmen hilft bei der Problemlösung mit seiner ganzen Infrastruktur, seinem Wissen, den Fähigkeiten seiner Mitarbeiter und Geschäftspartnern. Es dokumentiert intern und extern seinen Fortschritt und kann dabei nachhaltige Reputations- und damit Wettbewerbsvorteile erzielen.
Defensives CR-Management (bspw. durch Werbung, Lobbying und PR) bezieht sich hingegen ausschließlich auf selbst gemachte Probleme. In erster Linie soll die Reputation des Unternehmens geschützt werden.
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