Lesen und Leseförderung in der Sekundarstufe II


Seminararbeit, 2011

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Allgemeines
1.1. Das heterogene Klassengefüge
1.2. BMHS

2. Lesen
2.1. Voraussetzungen
2.2. Lesekompetenz
2.2.1. Drei Ebenen des Leseprozesses
2.2.1.1. Prozessebene
2.2.1.2. Subjektebene
2.2.1.3. Soziale Ebene
2.2.3. PISA-Kriterien
2.2.4. Neue Kompetenzen für das Lesen in neuen den Medien

3. Leseförderung – theoretischer Teil
3.1. Bedingungen in der Schule
3.2. Geschlechterdifferenzierende Leseförderung
3.3. Mehrsprachigkeit
3.4. Lesestrategien
3.4.1. Allgemeines
3.4.2. drei Ebenen der Lesestrategien
3.4.3. Konkrete Lesestrategien
3.4.4. Lesemethodischer Überblick nach dem BMUKK
3.5. Sinnerfassendes Lesen
3.6. Sachtextlektüre

4. Leseförderung – praktischer Teil

5. Schluss

6. Literatur

7. Nachbemerkung

Einleitung

Im Zuge dieser Seminararbeit soll das aktuell viel diskutierte Thema Lesen und Leseförderung behandelt werden. Seit Anbeginn der PISA-Studie ist man sich bewusst geworden, dass die österreichischen Schüler*innen im internationalen Vergleich relativ schlecht abschneiden und dass etwas geändert muss, damit die Schülerleistungen in diesem Bereich gesteigert werden können.

Einer der Gründe dafür ist, dass kein zeitgemäßer Unterricht mehr geboten wird. Die Kinder und Jugendlichen von heute unterscheiden sich stark von jenen der vorhergehenden Generationen, sie haben andere Interessen, Herausforderungen und Bedürfnisse, an welche sich der moderne Unterricht und im Speziellen der Leseunterricht anpassen sollte.

Ein weiterer Grund dafür ist, dass ein großer Teil der Schüler*innen, vor allem in Ballungszentren, aus Familien mit Migrationshintergrund stammen und speziell im Volksschulalter, besonderen Sprach- und Leseförderbedarf aufweisen. Dieser Bedarf muss unbedingt gedeckt werden, damit von einer Chancengleichheit bzw. Chancengerechtigkeit im Bildungssystem die Rede sein kann.

Bedarf an Leseförderung besteht aber auch weiterhin bis in die Sekundarstufe II und das nicht nur bei Schüler*innen mit Migrationshintergrund, welche mit einer schwierigeren Ausgangssituation zurechtkommen mussten, sondern weitgehend auch bei Schüler*innen mit Deutsch als Erstsprache.

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf einer theoretischen Grundlage für eine kompetente Leseförderung, mit Schüler*innen der Sekundarstufe II der BMHS als Zielgruppe. Die BMHS ist insofern als sehr wichtig einzuschätzen, als ca. 50% aller Schüler*innen der zehnten Jahrgänge in Österreich diesen Schultyp der Berufsbildenden mittleren bzw. höheren Schulen gewählt haben. (vgl. AHS: 15%)[1]

Die Arbeit behandelt die aktuelle Situation mit Zahlen und Fakten über heterogene Klassen sowie zur BMHS allgemein, danach wird bereits genau auf das Thema Lesen sowie seine Prozesse und Vorgänge eingegangen und ein Bezug auf die PISA-Ergebnisse der Untersuchung von 2009 aufgebaut. Weiters werden unter Lesekompetenz die Ebenen des Leseprozesses sowie die darauf bauenden PISA-Kriterien kurz angeschnitten und auf die Notwendigkeit für die heutigen Leser*innen hingewiesen, sich mit der neuen Medienlandschaft vertraut zu machen, für die spezielle neue Kompetenzen im Vergleich zum traditionellen Lesen entwickelt werden müssen.

Der theoretische Teil der Leseförderung bildet das Herzstück der Arbeit. Dabei geht es erstmals um äußere Bedingungen, die das schulische Umfeld dem Lehrenden, der Leseförderung betreiben möchte, bietet. Weiters werden verschiedene zu berücksichtigende Aspekte der Leseförderung wie die Geschlechterfrage oder Mehrsprachigkeit in einer Klasse präsentiert, auf welche die Maßnahmen unbedingt abgestimmt werden müssen, damit sie zielführend wirken können. Im Anschluss daran werden Lesestrategien allgemein vorgestellt und auf deren drei Ebenen eingegangen, worauf ein konkretes Modell als Beispiel folgt.

Bevor es zu einigen exemplarischen praktischen Beispielen zur Leseförderung in der Sekundarstufe II kommt, werden noch die Schlagwörter Sinn erfassendes Lesen sowie Sachtextlektüre erörtert.

Es soll speziell auf die Förderung des Sinn erfassenden Lesens von Sachtexten eingegangen werden, da die Mehrzahl der Texte, die in der Schule – und zwar in allen Fächern – sowie in der Arbeitswelt gelesen und verstanden werden müssen aus solchen bestehen. Schüler haben oft bis in den höheren Klassen der Sekundarstufe I einschließlich der Sekundarstufe II Probleme mit weniger geläufigen Satzmustern, Argumentationsgängen und Textstrukturen, vor allem wenn diese mit spezifischem Vokabular gefüllt sind.

1. Allgemeines

In diesem Kapitel soll ein Einblick in die aktuelle schulische Landschaft und deren Hintergründe sowie die aktuelle Situation in Bezug auf berufsbildende Schulen gegeben werden.

1.1. Das heterogene Klassengefüge

Laut Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft wurde 2004 ein Anteil von 7% an ausländischen Schüler*innen[2] in Österreichs Sekundarstufe verzeichnet, was 25.000 Schüler*innen entspricht. (vergleiche: 12% oder 45.000 Schüler*innen in der Grundstufe)

Dies stellt einen drastischen Unterschied zu den Anfängen der 90er Jahren dar, in denen ein sehr geringer Anteil an nicht-österreichischen Schülern*innen in Österreich verzeichnet wurde. Als Grund für den Anstieg werden das Nachholen der Familien bzw. die Kettenmigration von den ehemaligen „Gastarbeitern“ aus der Türkei und Ex-Jugoslavien, der Jugoslavienkonflikt sowie die Ostöffnung genannt.[3]

In den vergangen 30 Jahren ist es dem österreichischen Bildungssystem scheinbar nicht gelungen, sich an jene vermeintlich neue Situation anzupassen, denn die Unterschiede der (Lese-)Kompetenz zwischen österreichischen und nicht-österreichischen Schüler*innen sind, nach wie vor, im europäischen Vergleichswert sehr groß. Es gilt aber „Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein – dem der inländischen Bevölkerung angenähertes – schulisches Leistungsniveau zu vermitteln.“[4]

1.2. BMHS

Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, stellt die BMHS einen sehr wichtigen Teil des Schulsystems dar; ca. 50% der Schüler*innen besuchen diesen Schultyp in Österreich als Alternative zu AHS und Berufsschule bzw. Polytechnischem Lehrgang.

Verglichen mit den vorherigen Jahrzehnten konnte der Schultyp einen großen Zuwachs verzeichnen: Laut Aufzeichnungen von Statistik-Austria erhöhte sich die Anzahl der BMHS-Lehrer von ca. 8.300 im Schuljahr 1970/71 auf 21.200 im Schuljahr 2007/2008.[5] Vor allem seit Mitte der 90er können BHS eine kontinuierlich steigende Schüleranzahl vorweisen, während die BMS einen leichten Rückgang verzeichnen muss.[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[7]

2. Lesen

„Lesen ist ein dynamischer Prozess, bei dem jede*r Leser*in auf unterschiedliche Art und Weise versucht den Inhalt des Textes zu verstehen, zu interpretieren und darüber zu reflektieren.“[8] Es ist ein komplexer Vorgang, der Leistungen auf ganz verschiedenen Eben verlangt. Nur wer diese Leistungen erbringen kann, erhält Zugang zur Welt der Informationen, zu diversen Mitteln der Kommunikation und zu Literatur in all ihren ästhetischen Formen. Es gewährt weiters Zugang zu einem Teil der Gesellschaft, der sich durch Schrift austauschen kann und „schriftbezogene Kultur genießen“ kann.[9]

Neben dem buchstäblichen Decodieren und dem dabei entstehenden Wort- und Satzverständnis des materiellen Textes kommt es zu einem Zusammenspiel mit dem vorhandenen Wissensbeständen. Dabei wird das Gelesene in die Wissens- und Erfahrungswelt des Lesenden eingebaut und verstanden bzw. auch nicht verstanden.[10]

Auch wenn die PISA-Studie uns die unterschiedlichen Ergebnisse von Schülern mit Deutsch als Muttersprache und jenen mit Migrationshintergrund vor Augen geführt hat, sagt dies keinesfalls zwingend aus, dass österreichische Schüler kein Defizit in der Lesekompetenz (nicht nur verglichen mit jenen der EU- bzw. OECD-Länder sowie den anderen 65 Teilnehmerstaaten) aufzuweisen haben. Laut PISA können 28% der 15/16jährigen österreichischen Schüler*innen zur „Risikogruppe Lesen“ gezählt werden, welche Schwierigkeiten haben, Informationen in einfachen Texten zu lokalisieren, einfache Schluss-folgerungen zu ziehen oder Hauptideen von gut gekennzeichneten Textteilen nicht erkennen können und damit liegen sie rund neun Prozentpunkte unter dem OECD-Durchschnitt. Die Lese-Risikogruppe kann also gegen Ende der Pflichtschulzeit nur unzureichend Sinn erfassend Lesen, was sowohl im Privat- als auch im Berufsleben negative Konsequenzen mit sich ziehen wird.[11] Daraus ergibt sich, dass rund ein Sechstel der Erwachsenen jene Grundkompetenzen zur Bewältigung der alltäglichen Informationenvielfalt und zum Weiterlernen nicht genügend aufweisen kann[12] und dass daraus folgend unbedingt bereits im Vorfeld daran gearbeitet werden muss, da ein großer Anteil der Schüler in Österreich, sei es mit oder ohne Migrationshintergrund, Förderbedarf hat.

2.1. Voraussetzungen

Bertschi-Kaufmann sieht die „Heterogenität“ als Schlüsselwort und Voraussetzung in der Bildungsdiskussion. Lehrende müssen sich der Heterogenität der Lerner bewusst sein, denn neben den geschlechtsspezifischen Interessen, auf welche später noch genauer eingegangen wird, neben der/den Herkunftssprache/n und damit einhergehenden Erfahrungen gibt es viele weitere Differenzen in der Leseentwicklung der einzelnen Schüler, abhängig von Faktoren wie Sprachgebrauch und -kultur in der Familie, Zu- und Umgang mit Medien sowie das individuelle Sprachentalent.[13] Individualisierung des Lese-unterrichts ist damit ein unbedingtes Muss um jeden einzelnen Schüler dort abholen zu können, wo er ist.

2.2. Lesekompetenz

Im folgenden Kapitel werden die drei Ebenen des Leseprozesses nach Rosebrock und Nix sowie die darauf abgestimmten Kriterien der PISA-Studie im Teilbereich Lesen erläutert, weiters wird auf die neu erforderlichen Kompetenzen in einer veränderten Medienlandschaft eingegangen.

2.2.1. Drei Ebenen des Leseprozesses

Rosebrock und Nix nennen drei Ebenen – die Prozessebene, Subjektebene und soziale Ebene - des Leseprozesses, auf welche nun näher eingegangen werden soll. Diese finden sich auch in der PISA-Studie als Kompetenzstufen wieder und sind, durch eine gegenseitige Abhängigkeit gleichbedeutend für ein erfolgreiches und Sinn erfassendes Lesen.

2.2.1.1. Prozessebene

Unter der Prozessebene versteht man die kognitiven Anforderungen des Leseaktes, welche weiters in fünf Ebenen aufgeteilt werden kann. Dazu zählen erstens die Buchstaben-, die Wort- und Satzerkennung, welche für flüssige Leser automatisiert ist, bei Leseanfängern aber als langwieriger Prozess beobachtet wird.

Automatisiert sollte auch der zweite Schritt, die lokale Kohärenzbildung durch Verknüpfung von Satzgefolgen, sein, welche über die Satzgrenzen hinausgeht und Weltwissen verlangt.

Ab dem nächsten Schritt, der globalen Kohärenz, begibt man sich in die Sphäre des komplexeren Leseverstehens, welche die bewusste gedankliche Anstrengung während des Lesens erfordert. Dazu kommt es, wenn über die lokale Kohärenz hinaus auch mitlaufend zu den ersten beiden Punkten im Lesefluss reduzierende Organisationsvorgänge verdichtet und verknüpft werden. Dies geschieht durch Bildung von Makrostrukturen, einer strukturierten Vorstellung des gesamten Text-inhalts, welche aus Vermutungen, die sich aus bestehendem Vorwissen ergeben, entsteht.

Das Erkennen von Superstrukturen, also das Erfassen der Ordnung von Textteilen unabhängig vom Inhalt, bildet die nächst höhere Stufe der Prozessebene. Dadurch kann der Leser im Zuge des Lesens Hypothesen aufstellen, da er weiß, wie diese Art von Texten funktioniert. Durch die bisher beschriebenen Leistungen ist der Leser imstande neue Textmomente in sein „mentales Modell“ einfließen zu lassen, es zu korrigieren, differenzieren – es entsteht somit ein Prozess.

Die höchste Ebene der kognitiven Leistungen im Leseprozess ist die Identifizierung der textlichen Darstellungsstrategien: wenn aus einer Metaperspektive rhetorische, stilistische und argumentative Strategien decodiert und gleichsam verstanden werden können, was für literarische Texte großteils unerlässlich ist.[14]

2.2.1.2. Subjektebene

Der Leser benötigt Motivation um die verschiedenen Denkakte beim Lesen einzuüben und diese entspringt scheinbar durch die gleichzeitige Verstrickung des Lesers in seine textgeleiteten Konstruktionen und die Metasicht, durch welche er in der Lage ist, das Lesen beispielsweise abzubrechen, sobald er das will. Lesen erfordert Engagement im kognitiven als auch in affektiven Sinn: Weltwissen und Erfahrungen anderer zu reflektieren führt zu einer inneren Beteiligung und Umlegung auf die eigene Lebenswelt, einer subjektiven Beteiligung und dem Begehren nach Sinn.

Lesemotivation hängt weiters stark von dem Umfeld des vermeintlichen Lesers bzw. Nichtlesers ab. Vorbilder, Erfahrungen und Feedback, welche in Kindheit und später von der Familie, Schule und Freunden vermittelt werden, tragen zu einer „motivationalen Überzeugung“ als (Nicht-)Leser zur Identität bei.[15]

2.2.1.3. Soziale Ebene

Die soziale Ebene des Lesens leistet einen hohen Beitrag zur Lese-motivation: Lektüregewohnheiten sind stark von sozialer Teilhabe zu einer Gruppe geprägt und dies gilt sowohl für Schul- als auch für Freizeitlektüre. Weiters spielt die Motivation durch lesende Familienmitglieder, Freunde oder Partner eine große Rolle; der Austausch über das Gelesene führt also einerseits zu einem Leseanlass und andererseits zu einer Intensivierung.[16]

2.2.3. PISA-Kriterien

Wie bereits erwähnt, testet PISA ebenfalls drei untereinander zusammen-hängenden Leseprozesse, die der zuvor diskutierten Prozessebene entsprechen. Der Vollständigkeit halber werden diese hier kurz noch einmal angeführt und definiert:

1) Ermitteln von Informationen: gezielt eine oder mehrere Informationen heraussuchen
2) Kombinieren und Interpretieren: ein allgemeines Textverständnis zeigen und beispielsweise Zusammenhänge zwischen verschiedenen Absätzen erkennen, verschiedene Textteile miteinander in Beziehung setzen können
3) Reflektieren und Bewerten: Zu Form oder Inhalt des Textes reflektieren bzw. auf Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Aktualität bewerten, hierfür müssen eigene Ideen bzw. Vorwissen eingesetzt werden.[17]

Die folgende Grafik bietet einen hervorragenden Überblick:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[18]

2.2.4. Neue Kompetenzen für das Lesen in neuen Medien

Das Aufkommen neuer Medien in den letzten Jahr(zehnt)en hat auch zu einem veränderten Leseverhalten geführt. Durch Computer, Internet und Handy ist die Schriftlichkeit bzw. das Lesen wieder verstärkt in das Privat- sowie in das Berufsleben eingedrungen und wer dessen nicht mächtig ist, hat in diesen Lebensbereichen meist weniger Chancen.[19]

Um sich den Gegebenheiten unserer Zeit anzupassen, müssen neue Kompetenzen im Umgang mit der aktuellen Medienwelt entwickelt werden, wobei eines Bestand hat, nämlich dass die Bedeutung des Lesens noch immer zentral ist, aber nicht allein stehen bleibt. Neben dem Text-verstehen muss man in der Lage sein, aus bewegten und unbewegten Bildern, Grafiken und Tönen Informationen zu entnehmen und zu verwerten. Gleichzeitig sollen diese untereinander vernetzt und mit Textinhalten in Beziehung gesetzt werden. Die Lesekompetenz wird also um die Wahrnehmungskompetenz erweitert und dies zusätzlich unter Voraussetzung einer allgemeinen Medienkompetenz.

Durch die Tatsache, dass man durch das Internet Zugang zu einer nie da gewesenen Daten- und Informationsmenge hat, zieht dies die Notwendigkeit nach sich, die sogenannte selektive Lektüre anzuwenden, eine Lesestrategie bei der es darum geht, sich schnell im Informationsangebot zurecht zu finden, Internetseiten und Texte schnell zu überfliegen und für relevant empfundene Informationen und Schlüsselbegriffe herauszufiltern. In der Fachsprache spricht man hierbei von scannen oder zoomen.[20]

Man geht davon aus, dass Jugendliche und junge Erwachsene mit jenen soeben beschriebenen Gegebenheiten und den daran angepassten Strategien besser umgehen können, da jene Gruppe in einer stark audiovisuell und multimedial geprägten Medienumgebung aufgewachsen ist. Daraus folgt andererseits, dass sich wiederum Probleme auf der Seite des „längeren Lese-Atems“ ergeben, welcher für die Lektüre eines Romans notwendig ist. Dies ist in den jüngeren Generationen nicht mehr so selbstverständlich wie bei den älteren.[21] Das Bewusstsein, dass im Prinzip jeder beliebige Internet-User Informationen ins Netz stellen kann, ist aber Großteils gegeben, was das Spektrum um die kritisch-konstruktive Mediennutzungskompetenz erweitert.[22]

3. Leseförderung – theoretischer Teil

Leseförderung wird im Zuge von Leseprojekten oft so verstanden, dass Jugendliche zum eigenständigen Lesen animiert werden sollen, da man meist davon ausgeht, dass man lesen vor allem durch viel lesen lernt. Dies ist selbstverständlich ein wichtiger Punkt, doch Leseförderung kann weit mehr als das sein; es kann gezielt auf verschiedene Defizite bzw. unterschiedliche Belange der Lerner, welche sich aus den zuvor erläuterten Punkten ergeben können, eingegangen werden.[23]

3.1. Bedingungen in der Schule

Trotzdem muss noch erwähnt werden, dass es derzeit folgende in der Struktur des Schulunterrichts liegende problematische Bedingungen für die Entwicklung des Textverstehens darin gibt, und zwar unabhängig von den individuellen Stärken von Lehrer und Lerner. Das Problem des Fachunterrichts liegt daran, dass er das Textverstehen als Kompetenz voraussetzt und Texte als Zugangsinstrument zu den einzelnen Fachgebieten gesehen werden. Es wäre aber notwendig, diese in jedem Fach zu pflegen. Ein weiterer Punkt ist die Reduktion des Textverstehens auf kurze Texte aus zeitlichen Gründen, dazu zählt einerseits die Lesezeit selbst aber auch die Kommunikation zu einer Anzahl von Schülern mit verschiedenen Voraussetzungen bezüglich umfangreicher Texte. Kurze Texte bieten sich zwar dafür an, viele Teilfähigkeiten des Textverstehens zu schulen, nicht aber die Bewältigung komplexer Textinformationen. Daraus ergibt sich das Problem der Entwicklung eines komplexen Zusammenhangs von Teilfähigkeiten im Schulunterricht, da diese nur indirekt bei der Beschäftigung mit Texten entsteht und zwar in einem gewissen Lebensalter. Laut Jean Piaget gelingt dies erst ab dem zwölften Lebensjahr mit der Entwicklung des formalen Denkens, ab welchem beispielsweise die Reflexion auf das Verhältnis von Textsinn und eigener Erfahrung gelingt. Als letztes Problem wird die Verarbeitungstiefe von Textinformation genannt, welche ebenfalls auf eine Reduktion aufgrund von Zeitknappheit und Entwicklungsstand der Schüler zurückzuführen ist. Wichtig wäre aber, dass man die Auseinadersetzung mit den Texten nicht auf anspruchslose Operationen, wie Inhaltsangaben etc., sowie einseitige Tätigkeiten, wie die Moral der Geschichte, die Frauenfrage, etc., reduziert, sondern dass jedes mal eine spezifische Kombination von Teilkompetenzen trainiert wird, was gleichzeitig Abwechslung und somit meist auch höhere Motivation von Seiten der Lerner mit sich bringen würde.[24]

[...]


[1] vgl. http://www.bmhs-aktuell.at/bmhs/images/stories/Weissbuch.pdf S. 46.

[2] Anm.: Unter „ausländischen Schülern“ werden jene, die keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, verstanden.

[3] http://www.ibw.at/html/buw/BW31.pdf (Schmid, Kurt: Regionale Bildungsströme in Österreich. Entwicklungen seit dem Schuljahr 1985/86 und Prognosen für die Grundstufe sowie die Sekundarstufe I und Sekundarstufe II bis zum Jahr 2020. ibw-Reihe Bildung und Wirtschaft. Nr. 31. Wien. 2004. S. 56.)

[4] vgl. ebd, S. 63.

[5] vgl. Der Standard. 4. März 2009. S. 6

[6] vgl. http://www.ibw.at/html/buw/BW31.pdf (Schmid, Kurt: Regionale Bildungsströme in Österreich. Entwicklungen seit dem Schuljahr 1985/86 und Prognosen für die Grundstufe sowie die Sekundarstufe I und Sekundarstufe II bis zum Jahr 2020. ibw-Reihe Bildung und Wirtschaft. Nr. 31. Wien. 2004. S. 34.)

[7] vgl. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4b/SCHULSYSTEM%C3%B6sterreich2.png

[8] vgl. Schwandtner, U. und Schreiner, C. (Hrsg): PISA 2009. Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Erste Ergebnisse. Lesen, Mathematik, Naturwissenschaft. Graz. 2009. S. 17

[9] vgl. Bertschi-Kaufmann, Andrea: Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. In: Lesekompetenz Leseleistung Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Bertschi-Kaufmann, Andrea (Hrsg.) Seelze-Velber. 2008. S. 8.

[10] vgl. Lindauer, Thomas und Schneider Hansjakob: Lesekompetenz ermitteln: Aufgaben im Unterricht. In: Lesekompetenz Leseleistung Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Bertschi-Kaufmann, Andrea (Hrsg.) Seelze-Velber. 2008. S. 110.

[11] vgl. Schwandtner, U. und Schreiner, C. (Hrsg): PISA 2009. Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Erste Ergebnisse. Lesen, Mathematik, Naturwissenschaft. Graz. 2009. S. 19.

[12] vgl. Bertschi-Kaufmann, Andrea: Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. In: Lesekompetenz Leseleistung Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Bertschi-Kaufmann, Andrea (Hrsg.) Seelze-Velber. 2008. S. 9.

[13] vgl. ebd. S.11.f.

[14] vgl. Rosebrock, Cornelia und Nix, Daniel: Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung. Hohengehren. 2008. S. 15-20.

[15] vgl. ebd. S. 21.f.

[16] vgl. ebd. S. 23.

[17] vgl. Schwandtner, U. und Schreiner, C. (Hrsg): PISA 2009. Internationaler Vergleich von Schülerleistungen. Erste Ergebnisse. Lesen, Mathematik, Naturwissenschaft. Graz. 2009. S. 25.

[18] vgl. http://www.deutschlehrerzentrum.uni-goettingen.de/materialien/DLT_Garbe_Vortraq_Leseverhalten.pdf

[19] vgl. Bertschi-Kaufmann, Andrea und Härvelid, Frederic: Lesen im Wandel – Lesetraditionen und die Veränderungen in neuen Medienumgebungen. In: Lesekompetenz Leseleistung Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Bertschi-Kaufmann, Andrea (Hrsg.) Seelze-Velber. 2008. S. 33.

[20] vgl. ebd. S. 47. f.

[21] vgl. ebd. S. 49.

[22] ebd.

[23] vgl. Rosebrock, Cornelia und Nix, Daniel: Grundlagen der Lesedidaktik und der systematischen schulischen Leseförderung. Hohengehren. 2008. S. 7. ff.

[24] vgl. Grzesik, Jürgen: Textverstehen lernen und lehren. Geistige Operationen im Prozeß des Textverstehens und Typische Methoden für die Schulung zum kompetenten Leser. Stuttgart. 1990. S. 23-26.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Lesen und Leseförderung in der Sekundarstufe II
Hochschule
Universität Wien  (Germanistik)
Veranstaltung
Mehrsprachigkeit
Note
1
Autor
Jahr
2011
Seiten
31
Katalognummer
V187655
ISBN (eBook)
9783656111726
ISBN (Buch)
9783656111948
Dateigröße
960 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leseprozess, PISA, Kompetenz, Mehrsprachigkeit, BMHS, heterogene Klassen, Sinnerfassendes Lesen, Sachtext, Sachtextlektüre, Lesekompetenz, geschlechterdifferenzierend, Leseförderung, SQ3R
Arbeit zitieren
Antje Schrammel (Autor:in), 2011, Lesen und Leseförderung in der Sekundarstufe II, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187655

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Lesen und Leseförderung in der Sekundarstufe II



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden