Mit der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, die Ansätze der jüdischen Selbsthilfe zu beleuchten. Dabei versteht es sich von selbst, dass diese als unmittelbare Reaktion auf die antijüdische Politik der Nationalsozialisten seit 1933, seit dem Jahr, als diese in Deutschland die Macht ergreifen konnten, zu verstehen sind. Hierbei ist es notwendig, zum einen die inhaltlichen Strukturen dieser eigens der Selbsthilfe gegenüber den Repressionen der Nationalsozialisten initiierten jüdischen Aktivitäten zu beschreiben. Zum anderen sollen die Möglichkeiten und Formen dieser Selbsthilfe beurteilt werden.
Im Zentrum der vorliegenden Arbeit soll jedoch der Frage nachgegangen werden, inwieweit derartige Aktivitäten von Erfolg gekrönt waren. Dies bedeutet freilich nicht, dass sich einer Analyse gewidmet werden soll, ob die jüdische Selbsthilfe ein Mittel war, welches den Auswirkungen der nationalsozialistischen Ideologie und dementsprechenden Propaganda auch auf gesellschaftspolitischem Terrain „entgegentreten“ konnte. Denn zweifelsohne soll davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Selbsthilfe um keine Organisationsform handelte, die der antijüdischen „Maschinerie“ des Dritten Reiches ein reelles Gegengewicht bieten konnte; dies nicht zuletzt auch deshalb, weil explizit seit der Epoche des Kaiserreiches auch in der „normalen“ Bevölkerung vermehrt antisemitische Auffassungen festgestellt werden müssen.
Vielmehr muss es das Anliegen der Studie sein, zu beurteilen, auf welche Weise partiell Not gelindert oder auch materielle Hilfe geleistet werden konnte; auf welche Weise nicht zuletzt auch auf Grundlage der religiösen und identifikatorischen Gemeinschaft ein gewisser Zusammenhalt in diesen Zeiten der äußersten Bedrohung geboten wurde.
Nachdem zunächst die jüdische Selbsthilfe als Reaktion auf den von den Nationalsozialisten initiierten gesellschaftlichen Ausschluss untersucht werden soll, muss darauf aufbauend der Versuch unternommen werden, die Möglichkeiten und Details dieser Selbsthilfeform zu beschreiben. Kulturelle und ökonomische Aspekte wie unter anderem der „Kulturbund der Deutschen Juden“, der „Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, die „Reichsvertretung der deutschen Juden“, das „Jüdische Winterhilfswerk“ und nicht zuletzt das Engagement des Rabbiners Leo Baeck sollen folgerichtig in ihrer Wirksamkeit beurteilt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- Die jüdische Selbsthilfe als Reaktion auf eine gesellschaftliche Ausgrenzung und Verfolgung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Untersuchung beleuchtet die jüdische Selbsthilfe in Zeiten des Nationalsozialismus und untersucht, inwieweit diese Aktivitäten in einer Situation ohne Zukunftsoptimismus eine nützliche Stütze in materieller und psychologischer Dimension darstellten oder ein wirkungsloses Moment blieben.
- Die jüdische Selbsthilfe als Reaktion auf die Repressionen der Nationalsozialisten
- Möglichkeiten und Formen der jüdischen Selbsthilfe
- Die Wirksamkeit der Selbsthilfe in Bezug auf die Bewältigung der Notlage und den Erhalt von Zusammenhalt
- Die Rolle des "Kulturbundes der Deutschen Juden", des "Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", der "Reichsvertretung der deutschen Juden", des "Jüdischen Winterhilfswerks" und des Rabbiners Leo Baeck
- Die Ursachen und Auswirkungen des Antisemitismus im Deutschen Reich
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel behandelt die jüdische Selbsthilfe als Reaktion auf den gesellschaftlichen Ausschluss durch die Nationalsozialisten. Es werden die Ursachen und Auswirkungen des Antisemitismus sowie die Situation der jüdischen Bevölkerung in Deutschland im Jahr 1933 beleuchtet. Im zweiten Kapitel wird die jüdische Selbsthilfe näher betrachtet und ihre verschiedenen Formen und Möglichkeiten beschrieben. Kulturelle und ökonomische Aspekte wie der "Kulturbund der Deutschen Juden", der "Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" und das "Jüdische Winterhilfswerk" werden analysiert.
Schlüsselwörter
Jüdische Selbsthilfe, Nationalsozialismus, Antisemitismus, Ausgrenzung, Verfolgung, Kulturbund der Deutschen Juden, Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, Reichsvertretung der deutschen Juden, Jüdisches Winterhilfswerk, Leo Baeck, Rassenideologien, "doppelte Loyalität", Identifikation, Zusammenhalt, Not, materielle Hilfe, psychologische Stütze.
- Citation du texte
- Marcus Hanisch (Auteur), 2010, Die Einrichtung der jüdischen Selbsthilfe zu Zeiten der NS-Repression. Nützliche Stütze oder wirkungsloses Moment?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189152