Literarische Vampirmotivik als Spiegel der Moral


Examensarbeit, 2009

72 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Texte
2.1 Dracula
2.2 Carmilla
2.3 Die Braut von Korinth
2.4 Biss zum Morgengrauen und Midnight Sun
2.5 Gespräch mit dem Vampir
2.6 Der kleine Vampir
2.7 Brennen muß Salem

3 Sexualmoral und Liebe
3.1 Heterosexuelle Kontakte unter Erwachsenen und die Rolle der Frau
3.1.1 Lucy
3.1.2 Brennen muß Salem vor dem Hintergrund Draculas
3.1.3 Edward und Isabella
3.2 Homosexualtität
3.2.1 Begriffsbestimmung
3.2.2 Weibliche Homosexualität - Carmilla
3.2.3 Louis und Lestat
3.3 Pädophilie/Kindesmissbrauch
3.3.1 Begriffsbestimmung
3.3.2 Louis, Lestat und Claudia
3.3.3 Lumpi
3.4 Inzest
3.4.1 Begriffsbestimmung
3.4.2 Louis, Claudia und Madeleine
3.4.3 Weitere inzestuöse Handlungen Lestats
3.5 Sexueller Sadismus und sexueller Masochismus
3.5.1 Begriffsbestimmung
3.5.2 Das Identifikationspotential des Vampirs und seiner Opfer
3.5.3 Marius und Armand
3.5.4 Edward und Isabella, Isabella und James
3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse

4 Ernährungs- und Konsumverhalten
4.1 Begriffsbestimmung Vegetarismus/Veganismus
4.2 Vampirischer Vegetarismus
4.3 Edward und das menschliche Dilemma
4.4 Ungeklärte Fragen
4.5 Anna

5 Religion nach der Aufklärung
5.1 Wider die Wissenschaftsgläubigkeit - Vampirismus vs. Christentum
5.2 Vampirismus als Kritik an christlicher Sexualmoral
5.3 Die Suche nach dem Sinn des Lebens, nach Gut und Böse
5.4 Moderner Satanismus
5.5 Die Ambivalenz zwischen „Vampir“ und „Engel“

6 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.1 Kapitel 3
6.2 Kapitel 4
6.3 Kapitel 5

7 Ausblick

1 Einleitung

Die Belletristik in der ersten Dekade des gegenwärtigen Jahrtausend hat den Vampirismus als Thema in den Blick genommen. Nach dem Erfolg der Bücher von Anna Rice vor der Jahrtausendwende, die dem Thema auch außerhalb der Sparten-Literatur wieder Aufmerksamkeit verschafft haben, steht nun die Reihe Twilight von Stephenie Meyer monatelang unter den ersten Plätzen der Bestsellerlisten.1 Neu ist diese Präsenz des Vampirismus in der Belletristik nicht. Im Gegenteil, schon vor mehr als 200 Jahren tauchten die ersten Vampire in der Literatur auf, und seitdem haben sie mehrere Hochphasen durchlebt. Dracula dürfte kaum einem Menschen völlig unbekannt sein und ist inzwischen beinahe ein Synonym für „Vampir“. Was aber ist es, das die Faszination des Blutsaugers ausmacht, ihn einerseits für die wissenschaftliche Rezeption interessant macht, ihm andererseits eine breite Leserschaft beschert, die in Teilen ohne weiteres als Fangemeinde bezeichnet werden kann? Es wird argumentiert, dass es gerade die Vereinigung von teilweise gegensätzlichen Prinzipien sei, die dem Vampir zu seiner Popularisierung verholfen habe; die Vereinigung aller „großen“ Themen, die das Mensch-Sein betreffen: ewiges Leben und Tod; Ekstase, Sexualität und Depression, Melancholie; Religion und Wissenschaftsglaube (Lecouteux 2001, S. 12). Darin inbegriffen sind gerade auch - je nach Zeitalter mehr oder weniger stark - tabuisierte Themen, wie Tod und Sterblichkeit, die durch den Untoten, der andere tötet, stets angesprochen sind und die häufig im Vampir mit einem weiteren Tabu verknüpft auftreten: Sexualität, insbesondere auch von der gesellschaftlichen Norm abweichende, deviante Sexualität. Mit dieser Verbindung zwischen Liebe und Tod greift der literarische Blutsauger ein typisches Topos der Schwarzen Romantik auf. Ebenso sind häufig Parallelen zu den dekadenten Figuren des Fin de Siècle oder den „Helden“ der englischen gothic novel auszumachen. Derartige Epochen- bzw. Genrebezüge werden hier jedoch weitestgehend unbeachtet gelassen. In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit es vor allem das Identifikationspotential der Vampirfigur für das „moralisch Falsche“, für „das Böse“ ist, das der Mensch in sich selbst findet und fürchtet, das ihn aber gleichzeitig - mal mehr, mal weniger heimlich - fasziniert. Schon hier wäre ein erstes Moment des „falschen“ Empfindens auszumachen: Es gehört sich laut „common sense“ nicht, vom „Bösen“ fasziniert zu sein. Ein weiteres und vielleicht das bedeutendste Themenfeld ist die Sexualität mit ihren verschiedenen Ausprägungen. Mit Sicherheit ist dies das Thema, das bereits am ausführlichsten durch die Literaturwissenschaft untersucht worden ist. Es wird auch in dieser Arbeit am meisten Raum einnehmen. Welch einen großen Stellenwert die Sexualität (auch unabhängig von Vampiren in der Literatur) in der Moral einnimmt, wird dadurch verdeutlicht, dass der Artikel „Moral und Sitte“ im Lexikon derEthik von Höffe (Hrsg.) (1997) es für notwendig erachtet, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass „Moral und Sitte“ keineswegs ausschließlich auf Fragen dieses Themenkomplexes zu beschränken sind:

Moral und Sitte stellen den für die Daseinsweise des Menschen konstitutiven (keinesfalls auf Fragen der Sexualität beschränkten) normativen Grundrahmen für das Verhalten vor allem zu den Mitmenschen, aber auch zur Natur u[nd] zu sich selbst dar. M[oral] u[nd] Sfitte] [...] bilden im weiteren Sinn einen [...] Komplex von Handlungsregeln, Wertmaßstäben, auch Sinnvorstellungen (Höffe 1997, S. 204).2

Als weitere Aspekte der Moral neben der Sexualität sollen hier bezüglich des „Verhaltens zur Natur“ Ernährungs- und die Tierethik betreffende Fragen behandelt werden. Bezüglich der „Wertmaßstäbe“ und den „Sinnvorstellungen“ soll auf das Schwinden der Religiosität und die Folgen eingegangen werden. Dabei kann der Begriff der „Moral“ in diesem Zusammenhang natürlich auch auf Vampire (statt Menschen) bezogen werden, was in der oben angeführten Textpassage selbstverständlich nicht angesprochen ist. Die Übertragung ist einfach möglich, weil der Vampir schließlich einmal Mensch gewesen ist und deshalb die als Mensch erlernten Wertmaßstäbe mit in sein untotes Leben, im Folgenden auch als „Unleben“ bezeichnet, bringt. Der jeweilige Stand der Forschung bezüglich vampirischer Literatur wird dabei in die einzelnen Kapitel einfließen, ohne ein jeweils eigenes Kapitel zu beanspruchen. Die Arbeit unterscheidet dabei zwischen den Texten des 18./19. und denen des 20. Jahrhunderts, da sich die moralischen Vorstellungen zu verschiedenen Themen selbstredend geändert haben. Moral und Sitte seien von „inneren Spannungen“ nicht frei, so Höffe (1997, S. 204). Gerade diese inneren Spannungen sind es, die die Thematik für die Literatur interessant machen. Da solche Veränderungen der geltenden Moralvorstellungen sich natürlich nicht schlagartig von einem Jahrhundert zum nächsten vollzogen haben, ist die Unterscheidung eher als grobe Richtlinie zu verstehen. Die Texte, deren Entstehung in das noch sehr junge 21. Jahrhundert fällt, werden dabei der Einfachheit wegen zu denen des 20. Jahrhunderts gezählt. Diese Vereinfachung ist unproblematsich, da die relevanten Wertmaßstäbe in der westlichen Kultur, auf welche hier Bezug genommen wird, sich innerhalb des letzten Jahrzehnts nicht tiefgreifend verändert haben. Die Fülle an Texten, in denen Vampire eine (Haupt)rolle spielen, ist inzwischen nahezu unüberschaubar. Diese Arbeit stellt also nicht im Entferntesten einen Anspruch auf Vollständigkeit. Gerade die jüngeren Texte füllen häufig gleich mehrere Bände, in denen die selben Protagonisten wieder auftauchen. Je nach Zusammenhang werden diese Bücher hier dennoch als Einzelwerke oder im Kontext der ganzen Reihe aufgefasst. Ebenso variiert das Bild, das vom Vampir gezeichnet wird, in verschiedenen Texten sehr stark. Pütz (1992, S. 78f) listet einige „Varietäten“ der Körperlichkeit der Vampirfigur auf: Er könne besonders abstoßend aussehen, wie etwa bei Byron (The Giaour) oder auch ganz besonders hübsch sein wie bei Polidori (The vampyre) oder Gautier (La morte amoureuse). Tolstois Upyr hingegen sehe gänzlich unauffällig und keineswegs bemerkenswert aus. In Turgenjews Prizraki tauche der Vampir überhaupt nur noch als Nebel auf, während er bei Maupassant (Le Horia) schlicht unsichtbar sei. Es ist damit allerdings auch deutlich, dass es schwierig sein kann, abzugrenzen, welche Figuren noch unter den Begriff des Vampirs gefasst werden sollen und welche nicht. Dementsprechend ist es ebenso schwierig, abzugrenzen, welche Texte zur Vampirliteratur gezählt werden sollen und welche einem anderen Zweig zuzuordnen sind. Den „Prototyp“ des literarischen Vampirs hat jedoch sicherlich Stoker mit seinem Dracula geprägt und damit dem überdurchschnittlich gut, wenn auch gleichzeitig unheimlich aussehenden Blutsauger zur größten Popularität verholfen. Diese Arbeit bleibt bei Texten, deren Vampire relative nahe an diesem Bild sind, die also einen eher „klassischen“ Vampir zeichnen. Dazu gehört im Wesentlichen, dass der Vampir Blut trinkt, über einen menschlichen Körper verfügt und sich möglichst nicht dem Sonnenlicht aussetzt. Allerdings weichen selbst von diesen nur wenigen Voraussetzungen bereits einige der hier angesprochenen Untoten ab. Eine genaue Definition dessen, was unter dem Begriff „Vampir“ verstanden werden soll, gestaltet sich also recht schwierig. Sie ist für die Verständlichkeit dieser Arbeit aber auch nicht unverzichtbar. Es ist an dieser Stelle genug, als ausschlaggebendes Merkmal zu akzeptieren, dass die betreffenden Kreaturen irgendwo im Text als „Vampir“ bezeichnet werden oder die oben genannte Mindestmenge an Genre-Regeln für den „klassischen“ Vampir erfüllen.

Zu Gunsten der besseren Lesbarkeit wird bei der Erwähnung von Personengruppen auf das Ausschreiben beider Genera sowie auf ein Binnen-I verzichtet. Soweit es nicht aus dem Zusammenhang anders hervorgeht, ist die Verwendung der maskulinen Formen verallgemeinernd gemeint und das weibliche Geschlecht eingeschlossen.

Im Folgenden sollen die ausführlicher zur Sprache kommenden Texte respektive ihre Hauptcharaktere kurz vorgestellt werden.

2 Die Texte

2.1 Dracula

1897 erschien erstmalig der wohl bekannteste Vampirroman überhaupt: Dracula von Bram Stoker. Der Text ist durchweg in Form von Briefen oder Tagebuchaufzeichnungen gefasst. Die Handlung, kurz zusammengefasst: Zunächst reist Jonathan Harker nach Transsilvanien um dort den Grafen Dracula zu besuchen und ihm bei den Vorbereitungen seines geplanten London­Besuches zu helfen. Er muss jedoch bald feststellen, dass er auf dem Schloss gefangen gehalten wird. Außerdem wird er Zeuge seltsamer Geschehnisse: So sieht er den Grafen kopfüber auf allen Vieren eine Mauer hinablaufen, etwa so, wie Spinnen sich an Wänden bewegen. Spätestens als er mit ansehen muss, wie drei auf dem Schloss lebende Frauen vom Grafen mit einem Kleinkind „gefüttert“ werden, ist Jonathan klar, dass er in höchster Gefahr schwebt. Letzlich gelingt ihm jedoch die Flucht und er wird zunächst in ein Krankenhaus eingeliefert.

Dem Grafen gelingt derweil seine Reise nach London mittels eines Schiffes. Er trinkt hier über einen längeren Zeitraum mehrmals von Lucy Westenra, welche darauf mit Schlafwandeln und allgemeiner Schwäche reagiert. Lucys Verlobter Arthur Holmwood konsultiert den Arzt Dr. John Seward. Dieser wiederum ruft Professor Abraham van Helsing aus Holland zur Hilfe, zumal Dr. Seward sehr mit seinem Patienten Renfield beschäftigt ist, welcher von dem Gedanken besessen zu sein scheint, an die Spitze einer möglichst langen Nahrungskette zu gelangen. So verbringt er einen guten Teil seiner Zeit damit, Fliegen anzulocken und zu fangen, um sie an Spinnen zu verfüttern, welche er dann selbst verspeist - jedenfalls solange ihm nicht ein Tier, zum Beispiel eine Katze, überlassen wird, welches er mit den Spinnen füttern könnte. Langsam kommen schließlich der inzwischen zurückgekehrte Jonathan und seine Verlobte Mina Murray, die auch eine sehr gute Freundin Lucys ist, Arthur, Dr. Seward und Prof. van Helsing dem Geheimnis des Grafen auf die Spur. Eine wichtige Rolle spielen dabei die zahlreichen Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Tonaufnahmen mittels eines Phonographen, welche ebenfalls verschriftlicht werden. Jonathan und Mina beherrschen die Stenographie, sodass der enorme Aufwand an Schreibarbeit, den sie schon betreiben, bevor klar wird, welch wichtigem Zweck er später dienlich sein wird, weniger unwahrscheinlich scheint. Es gelingt ihnen dennoch nicht, Lucy zu retten, obwohl sie gleich mehrmals Blut gespendet bekam. Nach ihrem Ableben wird sie schließlich selbst zum Vampir und muss deshalb getötet werden. Der Graf, der sich nach Lucy nun auch an Mina verköstigt hat, fühlt sich letztlich von der Jagd auf ihn so bedrängt, dass er die Flucht ergreift.

Unter anderem deshalb, weil Mina nun geistig mit ihm verbunden ist, gelingt es dennoch, ihn in der Nähe seines Schlosses zu stellen und zu töten. Die drei auf seinem Schloss verbliebenen Vampirinnen werden ebenfalls getötet. Mina, welche bis dahin selbst schon erste Anzeichen der Vampirhaftigkeit zeigte, ist mit dem endgültigen Ableben des Grafen Dracula dagegen gerettet.

2.2 CarmiHa

Die Novelle Sheridan Le Fanus erschien 1872. Sie erzählt die Geschichte der zum Zeitpunkt des Geschehens 19jährigen Laura, welche mit ihrem Vater und dem Dienstpersonal, aber ohne weitere Familie in guten Verhältnissen - gar in einem Schloss - lebt. Sie fühlt sich jedoch häufig einsam. Zusätzlich verstirbt Bertha, eine junge Frau aus dem benachbarten, aber entfernt liegenden Schloss, die für längere Zeit zu Besuch kommen sollte, unerwartet. Umso mehr erfreut es Laura, als es sich ergibt, dass eine dritte junge Frau namens Carmilla für drei Wochen bei ihr und ihrem Vater leben wird, da Carmilla einen Unfall mit der Kutsche erlitt und nun nicht die Reise mit ihrer Mutter zusammen fortsetzen kann. Carmilla fühlt sich stark hingezogen zu Laura und tut dies ihr gegenüber auch kund, wobei sie oft recht rätselhafte Dinge von sich gibt, im Zusammenhang mit ihrer Zuneigung auch oft von Lauras Tod spricht. Laura sind diese Äußerungen Carmillas unangenehm und auch die körperlichen Zuwendungen ihrer neuen Gefährtin sind ihr eigentlich nicht lieb; sie fühlt sich dennoch nicht in der Lage, diese zu unterbinden. Trotz dieser Umstände werden die zwei Frauen sehr enge Freundinnen. Carmilla fälltjedoch durch einige weitere Eigenarten auf. So ähnelt sie zum Beispiel bis ins Detail der längst verstorbenen Gräfin Mircalla Karnstein, einer Ahnin Lauras. Sie reagiert gereizt auf die Ausübung christlicher Rituale, konkret auf den Gesang bei einer Beerdigungsprozession, in welchen Laura einfällt. Und sie schläft über Tag sehr viel und einem Wanderer, der ins Schloss kommt, um Waren zu verkaufen, fallen ihre besonders scharfen und spitzen Zähne auf.

In der Umgebung des Schlosses häufen sich im Laufe der Zeit, die verging, seit Carmilla auf dem Schloss einzog, rätselhafte Todesfälle junger Frauen, welche oft zuvor von nächtlichen Alpträumen bzw. Heimsuchungen berichteten. Ein Zusammenhang zu Carmilla wird aber hier noch nicht erkannt. Schließlich wird - wie sie glaubt - auch Laura nachts von Alpträumen geplagt, in welchen sie von einer Art großer Katze gebissen wird, die dann zu einer Frau wird und ihr Zimmer verlässt, wobei sie einfach verschwindet, ohne dass die von innen verriegelte Schlafzimmertür entriegelt würde. Von dieser Nacht an fühlt sie sich zunehmend matt und schwach. Eines nachts träumt sie, von ihrer verstorbenen Mutter vor einer Mörderin gewarnt zu werden. Sie sieht dabei Carmilla blutbesudelt an ihrem Bett stehen. Laura deutet den Traum fehl und glaubt, Carmilla solle ermordet werden. Als sie daraufhin mit einigen Bediensteten das Zimmer ihrer Freundin aufsucht, stellen sie fest, dass Carmilla gar nicht dort ist. Da aber ihre Zimmertür von innen verriegelt war, wie Carmilla es immer zu tun pflegte, ist unklar, wie sie den Raum verlassen haben konnte.

Auf einem Ausflug nach Karnstein erfahren Laura und ihr Vater von einer ganz ähnlichen Geschichte: General Spielsdorf, der sich dem Ausflug anschließt, erzählt, dass auch seine Nichte Bertha eine sehr enge Freundschaft mit einer Frau, welche vorübergehend bei ihm und seiner Nicht untergekommen sei, verbunden habe. Diese Frau hieße Millarca. Seine Nichte habe außerdem ganz ähnliche Alpträume gehabt wie nun Laura. Auch die anderen Symptome decken sich mit denen Lauras. Nachdem ihm aber von einem Arzt gesagt worden sei, dass seine Nichte wahrscheinlich von einem Vampir heimgesucht werde, habe er feststellen müssen, dass dies gar keine Alpträume gewesen seien, sondern Realität. Er habe heimlich beobachten können, wie seine Nichte nachts von einem katzenartigen Wesen gebissen worden sei, welches sich dann in Millarca verwandelt und durch die geschlosssene Tür entschwunden sei. Seine Nichte sei kurz nach diesem Ereignis verstorben.

Sie suchen schließlich das Grab der Gräfin Mircalla, welches sich in Karnstein befindet. Der genaue Ort ist aber unbekannt. Ein Holzfäller berichtet ihnen von einer früheren Heimsuchung durch Vampire und davon, wie man sie vernichten könne. Schließlich treffen sie Carmilla, die zuvor aufgefordert worden war, den Ausflüglern nachzukommen. General Spielsdorf versucht auf der Stelle sie zu töten, was jedoch misslingt. Bei einem zweiten, besser geplanten Versuch, gelingt dies aber, zumal inzwischen das Grab der Gräfin Mircalla gefunden worden war. Die Gräfin respektive Carmilla respektive Millarca wird gepfählt, geköpft und verbrannt. Laura kann Carmilla niemals ganz vergessen.

2.3 Die Braut von Korinth

Die Braut von Korinth ist eine im Jahre 1797 erschienene Ballade von Goethe. Sie erzählt von einem jungen Mann, der zu Gast bei einer Familie ist, deren Tochter er als Mann versprochen ist. Er kommt spät am Abend an und wird von der Hausherrin beköstigt und einem Zimmer zugewiesen. Als er sich erschöpft auf das Bett legt, tritt eine junge Frau in den Raum. Sie ist erschrocken, einen Fremden dort vorzufinden und möchte sogleich wieder gehen. Er überredet sie jedoch zu bleiben, zumal er denkt, die junge Frau vor sich zu haben, die er heiraten wird. Sie erklärt ihm jedoch, dass er ihre Schwester ehelichen werde, während sie, zu ihrem großen Bedauern, ins Kloster geschickt werden würde, um dort ein in jeder Hinsicht enthaltsames Leben zu führen. Dies habe ihre Mutter, die vom „Heidentum“ zu einem neuen Glauben gewechselt sei, ihrem neuen Gott - dem christlichen - als Gegenleistung für ihre Genesung von einer Krankheit geschworen. Der junge Mann verspricht ihr, dies Schicksal nicht zuzulassen und lädt sie ein, die Nacht bei ihm zu verbringen. Es kommt zu Zärtlichkeiten, wobei auffällt, dass sie beharrlich verweigert vom Abendessen zu kosten und außerdem unnatürlich kühle Haut hat. Schließlich tauschen die Liebenden kleine Geschenke aus, die als Versprechen auf Treue zu deuten sind. Unerwartet platzt jedoch die Hausherrin in die Situation, die durch die Geräuschkulisse misstrauisch geworden war. Die junge Frau macht ihrer Mutter sofort Vorwürfe, dass sie sie nicht nur „früh [...] in das Grab gebracht“ (Goethe 1997, S. 19) habe, sondern ihr nun auch noch diese eine schöne Nacht verderben wolle. Sie beklagt, dass die Mutter ihr Wort gebrochen habe, da sie dem Jüngling versprochen gewesen sei. Sie erklärt, dass sie in ihrem Grabe keine Ruhe finde und sich getrieben sehe, das Blut des für sie verlorenen Mannes zu saugen und ihn zu lieben. An eben diesen gewandt erklärt sie weiter, er müsse nun sterben. Ihre Mutter bittet sie jedoch darum, ihren Sarg zu öffnen und sie zu verbrennen, um ihr so Ruhe zu verschaffen. So könne sie mit ihrem Geliebten „den alten Göttern zu[eilen]“ (Goethe 1997, S. 20).

Goethes namenlose Braut ist nicht ganz klar als Vampir gekennzeichnet. Sie wird an keiner Stelle des Textes als solcher bezeichnet. Die Hinweise, die auf ihre Natur als blutsaugende Untote respektive Wiedergängerin deuten, sind jedoch klar genug, um sie als Vampirin aufzufassen.

2.4 Biss zum Morgengrauen und Midnight Sun

Biss zum Morgengrauen (Originaltitel: Twilight) ist der erste Band der insgesamt vierteiligen Twilight-Serie von Stephenie Meyer. Er erschien im Original erstmals 2005. Er erzählt die Romanze der 16jährigen Isabella Swan und des Vampirs Edward Cullen. Sie besuchen die gleiche Schule im verregneten Forks, wobei Edward die Schule jedoch schwänzt, wenn in Forks doch einmal gutes Wetter herrschen sollte. Isabella ist neu auf der Schule. Ihr fallen die Cullens aufgrund ihrer Blässe und ihrer Isolation von den anderen Schülern schnell auf. Von Edward, mit dem zusammen sie einen Biologie-Kurs besucht, ist sie fasziniert, fühlt sich von ihm aber unhöflich behandelt, da er sie ohne jeden Grund ignoriert und abzulehnen scheint. Als sie allerdings bei einem Autounfall zu verunglücken droht, rettet er ihr das Leben, indem er ein auf sie zu schlitterndes Auto zum Stehen bringt. Sie ist verwirrt, weil sie sich trotz des Unfalls sehr gut erinnern kann, dass Edward erstens zum Zeitpunkt des Geschehens mehrere Meter von ihr entfernt stand und sie zweitens sicher ist, dass kein Mensch die Kraft haben könnte, ein außer Kontrolle geratenes Fahrzeug auf diese Art stoppen. Edward leugnet ihr gegenüber, etwas Übermenschliches vollbracht zu haben und begegnet ihr zunächst wieder sehr kaltschnäuzig. Von einem Tag auf den anderen ist er aber sehr freundlich zu ihr, was Isabella weiter verwirrt.

Edward kommentiert sein Verhalten damit, dass er einfach keine Lust mehr habe, sich von ihr fernzuhalten, was für Isabella natürlich nichts wirklich erklärt. Von einem Bekannten aus einem Indianerreservat erfährt sie jedoch, dass sein Volk daran glaube bzw. früher daran geglaubt habe, dass die Cullens einer Art angehören, die im Prinzip als „Vampire“ bezeichnet werden könne. Isabella beginnt nun, sich über Vampire zu informieren. Da sie sich nun auch immer besser mit Edward versteht, ergibt sich irgendwann die Gelegenheit, ihn vorsichtig darauf anzusprechen. Edward gesteht, schon „eine Weile“ 17 Jahre alt zu sein (Meyer 2009, S. 195) und letztlich wird klar, dass er und seine Familie tatsächlich Vampire sind, die sich allerdings nicht von menschlichem Blut, sondern nur von dem wilder Tiere, die es in den umliegenden Wäldern zu Genüge gibt, ernähren. Isabella und Edward werden ein Paar und er erklärt, dass seine anfängliche Distanz darauf zurückzuführen sei, dass er das starke Bedürfnis gespürt habe, ihr Blut zu trinken und sie dabei zu töten. Nun verlange es ihn immer noch nach ihrem Blut und er könne sehr gut verstehen, wenn Isabella ihn nicht mehr wiedersehen wolle. Er rät ihr sogar dazu, sich von ihm fernzuhalten, obwohl er sie sehr gerne träfe und auch denke, sein Begehren ausreichend im Griff zu haben. Isabella hält jedoch an ihrer Beziehung fest. Edward stellt sie schließlich auch seiner Familie vor. Als Isabella die Cullens eines Tages zu einem Baseballspiel begleitet, welches die Vampire unter sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit und übermenschlichem Krafteinsatz spielen, tauchen drei fremde Vampire auf, welche sich „traditionell“, also von Menschen ernähren. Einer von ihnen, James, betrachtet es als eine Art Zeitvertreib sich besonders schwer zu erjagende Opfer auszusuchen und diese dann zu überwältigen und zu töten. Da Isabella von anderen Vampiren geschützt wird, stellt sie eine besondere Herausforderung dar. Isabella muss schweren Herzens ihren Vater belügen und nach Phoenix fliehen. Mittels eines Tricks gelingt es James jedoch, sie in ein Balletstudio zu locken, wo er sie leiden lassen und schließlich töten möchte, wobei er diesen Vorgang auf Video aufnimmt. Er möchte das Material später Edward zeigen, um ihn dazu zu bringen, Isabella zu rächen, was er als unterhaltsam erleben würde. Es gelingt Edward jedoch, Isabella zu retten.

Auch kann er sie davor bewahren, in Folge von James' Biss, durch welchen sie mit einer Art „Gift“ infiziert wurde, selbst zur Vampirin zu werden, indem er die Wunde aussaugt, etwa so, wie man bei einem Schlangenbiss Erste Hilfe leisten würde. Er schluckt ihr Blut dabei jedoch nicht ab. James wird derweil von seiner Familie getötet, sodass alle Cullens und Isabella wieder nach Forks zurückkehren können.

Midnight Sun sollte die Ereignisse nochmals erzählen, dieses Mal jedoch aus der Sicht Edwards, während Biss zum Morgengrauen aus Isabellas Sicht geschrieben ist. Meyer schreibt jedoch an dem Roman nicht weiter, da Teile respektive Vorfassungen desselben bereits gegen ihren Willen im Internet veröffentlicht worden seien. Die bereits verfassten Teile hat sie ihrer Leserschaft auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt (siehe Literaturverzeichnis).

2.5 Gespräch mit dem Vampir

Gespräch mit dem Vampir (Originaltitel: Interview with a vampire, auf deutsch auch unter dem Titel Interview mit einem Vampir erschienen) ist der erste Band der insgesamt zehn Bände umfassenden Reihe Chronik der Vampire von Anne Rice. Das Buch erschien erstmalig 1976. In dem Roman erzählt der Vampir Louis du Pointe du Lac seine Lebens- und Unlebensgeschichte einem Reporter. Er berichtet, dass er Ende des 18. Jahrhunderts aufgrund eines Schicksalsschlags lebensmüde gewesen sei, aber nie den Mut gehabt habe, sich selbst zu töten. Stattdessen sei der Vampir Lestat de Lioncourt auf ihn aufmerksam geworden und habe ihn schließlich auch zu einem Vampir gemacht. Es sei ihm sehr schwer gefallen, sich damit abzufinden, dass es nun zu seinem Leben gehören würde, Menschen zu töten. Eine Weile lang habe er sich ausschließlich von tierischem Blut ernährt, was ihm aber nie das gleiche gute Gefühl von Erfüllung gegeben habe. Als Louis eines Tages die Kontrolle über sich verliert und ein kleines, verwaistes Mädchen soweit leer trinkt, dass sie sterben würde, macht Lestat das Kind, Claudia, ebenfalls zu einer Vampirin. Louis, Lestat und Claudia leben mehrere Jahrzehnte als „Familie“ zusammen. Claudia, deren Körper sich nicht weiterentwickelt, wird zunehmend unzufrieden und beginnt Fragen zu stellen. Sie und Louis hegten schon länger den Wunsch, Lestat zu verlassen, doch fehlte vor allem Louis bisher der Mut dazu. Claudia versucht, Lestat zu töten und zunächst scheint den beiden verbliebenen Vampiren, dass es gelungen sei. Sie planen, eine Reise auf unbestimmte Zeit anzutreten, auf welcher sie nach anderen Vampiren suchen wollen, um zu erforschen, wie es kommt, dass es Vampire gibt, wer der erste gewesen ist und welchem Sinn ihre Existzenz dient. Kurz vor ihrer Abreise stellen sie mit Erschrecken fest, dass Lestat keineswegs tot ist, sondern sich an ihnen rächen möchte. Ihre Flucht gelingt ihnen, indem sie Lestat in Brand stecken. Ob er damit nun eindgültig tot ist, wissen sie nicht zu sagen.

Sie treffen nach langem Umherreisen in Paris auf eine Sippe von Vampiren, die gemeinsam ein Theater betreiben. Sie lernen den inoffiziellen Anführer, Armand, kennen. Da Claudia fürchtet, Louis an Armand zu verlieren, überredet sie Louis, für sie eine Gefährtin zu erschaffen, Madeleine. Eines Tages jedoch werden die drei von den Vampiren des Theaters überfallen und des versuchten Mordes an Lestat, der inzwischen ebenfalls in Paris eingetroffen ist, angeklagt. Claudia und Madeleine werden dem Tageslicht ausgesetzt und damit getötet. Louis ist tief getroffen und zündet aus Rache das Theater der Vampire an, sodass der größte Teil von ihnen verbrennt. Armand war jedoch von ihm gewarnt worden, sich in näherer Zeit dort aufzuhalten, sodass er bei dem Brand nicht zu Schaden kommt.

Armand und Louis reisen nun gemeinsam umher und kehren schließlich in Louis' Heimat Lousiana zurück. Sie haben sich jedoch immer mehr voneinander entfremdet. Kurz bevor Armand Louis zurücklässt, um wieder eigener Wege zu gehen, gesteht er ihm, dass er maßgeblich zur Hinrichtung Claudias beigetragen habe, um sie nicht als Konkurrentin um Louis' Gunst zu haben. Louis war dies jedoch immer schon klar gewesen, auch wenn Armand es bis dato geleugnet hatte.

2.6 Der kleine Vampir

Der kleine Vampir ist sowohl der Titel des ersten Teils als auch der gesamten zwanzigteiligen Kinderliteratur-Reihe von Angela Sommer-Bodenburg, wobei die Teile neun bis sechszehn auch unter dem Namen Anton und der kleine Vampir erschienen sind. Im ersten Teil wird geschildert, wie der Menschenjunge Anton Bohnsack das Vampirkind Rüdiger von Schlotterstein und seine Geschwister kennenlernt. Dies geschieht recht unspektakulär dadurch, dass Rüdiger eines Abends als Anton allein zu Hause ist, ganz einfach durch Antons Fenster in sein Zimmer kommt. Die beiden Kinder unterhalten sich; da Anton sich sehr für Gruselgeschichten und damit auch für Vampire interessiert, fehlt es nicht an Gesprächsstoff. Da Rüdiger beteuert, dass er bereits gegessen habe, legt sich auch Antons anfängliches Misstrauen schnell, obwohl er auch in Zukunft noch häufiger ein gewisses Unbehagen in der Gegenwart des kleinen Vampirs empfinden wird. Rüdiger leiht sich ein Buch von Anton aus, sodass schon allein deswegen feststeht, dass die beiden sich wiedertreffen müssen, damit Anton sein Eigentum zurück erhält. Bei dieser Gelegenheit bringt Rüdiger Anton auch gleich einen Umhang mit, der es auch dem Menschenkind möglich macht, zu fliegen. Von jetzt an stehen regelmäßigen Ausflügen der beiden an Samstagabenden, an denen Antons Eltern fast immer ausgehen, nichts mehr im Wege. Rüdiger stellt Anton schließlich auch seiner jüngeren Schwester Anna vor und als Anton ihn eines Abends sogar in seine Familiengruft begleitet, lernt er auch seinen älteren Bruder Lumpi kennen, vor dem er allerdings Angst hat. Anna hingegen scheint noch harmloser als Rüdiger, da sie sich nur von Milch ernährt. Dafür bringt sie ihn häufiger durch ihre romantischen Schwärmereien in Verlegenheit.

Probleme stellen sich ein, als Antons Eltern Antons neue Freunde kennenlernen möchten und sie zum Tee einladen. Zunächst lädt Anton einfach einen anderen Jungen zu sich ein, den er dafür bezahlt, sich als Rüdiger auszugeben. Der Schwindel fliegt jedoch bald auf. Auf die erneute Einladung seiner Eltern hin, kommen Rüdiger und Anna tatsächlich zum Tee - wenn auch erst nach Einbruch der Dunkelheit. Die Bohnsacks empfinden die neuen Freunde ihres Sohnes zwar durchaus als recht eigenartig und fragen sich auch, in was für Verhältnissen diese Kinder wohl aufwachsen mögen, geben sich aber letztlich mit allen Erklärungen, die Anton abgibt, zufrieden. In den folgenden Teilen der Reihe meistern Anton, Rüdiger und seine Geschwister verschiedene Schwierigkeiten. Dabei spielt es stets eine Rolle, vor Antons Eltern zu verbergen, dass Rüdiger und Anna echte Vampire sind. Schließlich ist es sicherer für Vampire, wenn keiner an sie glaubt. Noch wichtiger ist es allerdings, die Freundschaft zwischen Anton und Rüdiger sowie seiner Schwester vor Rüdigers Familienmitgliedern zu verheimlichen, da diese zum einen von einem Heißhunger überfallen werden und Anton beißen könnten und da es zum anderen für Vampirkinder verboten ist, mit Menschen befreundet zu sein.

2.7 Brennen muß Salem

Stephen Kings Brennen muß Salem (Originaltitel: Salem's Lot) erschien erstmalig 1975. Es erzählt die Geschichte des Schriftstellers Ben Mears, der nach Jahren in seine Heimatstadt Jerusalem's Lot zurückkehrt. Er plant, dort ein altes Haus zu mieten, das den Bewohnern seit jeher als Spukhaus gilt. Auch Ben will dort schon als Kind den ehemaligen Bewohner des Hauses gesehen haben, obwohl dieser zum betreffenden Zeitpunkt schon seit Jahren tot war. Ben stellt zu seinem Erstaunen jedoch fest, dass das Haus trotz seines Rufes schon vermietet ist. Über den Mieter, Mr. Barlow, istjedoch wenig bekannt. Er und sein Mirarbeiter Mr. Straker scheinen den Bewohnern des Städtchens ebenso unheimlich wie das Haus selbst.

Bald darauf kommt es in der Stadt gehäuft zu seltsamen Todesfällen. Außerdem verschwindet ein Kind spurlos. Ben hatte sich bereits zuvor für die ungewöhnlichen Mieter interessiert, zumal sie ihm seine Pläne, das Spukhaus zu mieten, durchkreuzt hatten. Er untersucht nun aber auch die seltsamen Unglücksfälle und stellt bald eine Verbindung her. Jedoch ist er nicht alleine, nach und nach bekommt er Hilfe von verschiedenen Seiten. So machen sich schließlich er, seine Freundin Susan Norton, ein zehnjähriges Kind namens Mark, ein Priester, ein Arzt und ein Lehrer, die inzwischen allesamt an Vampire glauben, an die Bekämpfung des als Vampir enttarnten Mr. Barlows. Es überleben jedoch nur Ben und Mark. Auch die Einwohner Jerusalem's Lots, die sich nicht an der Bekämpfung der Vampire beteiligt hatten, sind inzwischen allesamt tot oder aber selbst zu Vampiren geworden. Ben und Mark fliehen zunächst, kehren aber schließlich in ihre wie völlig ausgestorben wirkende Stadt - bei Tag ist sie es auch - zurück und brennen sie vollständig nieder, um so einer weiteren Ausbreitung des Vampirismus zuvorzukommen.

3 Sexualmoral und Liebe

Schon Mario Praz (1994, S. 90) geht in seinem Grundlagenwerk zur Schwarzen Romantik Liebe, Tod und Teufel am Rande auch auf den Vampir ein und stellt dabei fest, dass das „Liebesverbrechen“ ein „fester Bestandteil“ von Vampirgeschichten sei. Allein die Wortwahl „Liebesverbrechen“ weist darauf hin, dass Liebe - sowohl im Sinne von Partnerschaft als auch im Sinne von Sexualität - keineswegs von gesellschaftlichen Normvorstellungen und Reglementierungen ausgenommen ist. Die Inhalte dieser Vorstellungen mögen von Jahrhundert zu Jahrhundert sehr unterschiedlich ausgesehen haben, nie aber war die Liebe der Moral egal. Dabei ist jedoch zu beobachten, dass die Grenzen dessen, was gesellschaftlich „erlaubt“ ist, sich stets ausweiten. Zur Zeit der ersten Hochphase der Vampirliteratur, etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war körperliche Liebe in jeder Form noch ein sehr heikles, aber auch ambivalentes Thema; so

sollte es [...] zu einer zunehmenden Verleugnung und Unterdrückung des „Sexualtriebes“ gekommen sein. Kulminieren würde diese Entwicklung in der angeblich umfassenden Prüderie des 19 Jahrhunderts, die einen fast undurchdringlichen Mantel des Schweigens über alles Sexuelle gebreitet hätte. Besonders Frauen galten als Opfer der bürgerlichen Sexualmoral, ihre sexuellen Begierden würden in den „bürgerlichen Jahrhunderten“ grundsätzlich negiert (Eder 2002, S. 11).

Eder stellt diesem Bild jedoch ein „unter dem Mantel des Schweigens“ durchaus aktives, sexuelles Leben der Menschen entgegen. Bezüglich des sich wandelnden Frauenbildes schreibt er:

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts [...] verstärkte sich der Druck auf die krisenanfälllige Geschlechts- und Geschlechteridentität des bürgerlichen Mannes.3 Bürgerliche und proletarische Frauen beanspruchten nun mehr zu sein als nur Ehegattin, Hausfrau und Mutter.

[...] Nicht nur die öffentliche und politische Vormachtstellung der Männer wurde bedroht, auch die „Sexualitäts“-Insignien der bürgerlichen Männlichkeit kamen unter Beschuss. Zu nennen ist insbesondere die bürgerliche Doppelmoral, die den außerehelichen Geschlechtsverkehr bei Männern zum Kavaliersdelikt erklärte, bei Frauen aber streng sanktionierte. Der rapide Wandel des Frauenbildes verwiese

Wissenschaftler nun nicht mehr nur auf die kulturellen und biologsichen Geschlechtsmerkmale, sondern auf deren potentielle Antipoden (Eder 2002, S. 168).4

In Folge dieser gesellschaftlichen Umwälzungen, die sicherlich mit einer Art „Wachstumsschmerzen“ verbunden gewesen sein mögen, bestand hier ein besonders hoher „Abarbeitungsbedarf“. Da gleichzeitig Sexualität aber nach wie vor stark tabuisiert war, brauchte es hier einen Umweg - über die Literatur und den Vampir. Die Geschlechtlichkeit „schlich [...] in die Gruselgechichten zur Hintertür herein - chiffriert, entstellt und pervertiert“ (Meurer 1996, S. 69). Der Biss des Vampirs wurde dabei zum Symbol für einen dem Zeitempfinden nach „verqueren“ und „unnatürlichen“ Sexualakt. Vor allen Dingen Stokers Dracula ist immer wieder in diesem Licht gelesen worden.

Daneben werden aber auch andere, von der Norm abweichende Formen von Sexualität im Rahmen des literarischen Vampirismus angesprochen. Indirekt ist in jedem Fall die Nekrophilie angesprochen, insofern, dass ein Vampir ein (un)totes Wesen ist und als Untoter Teil am Tod hat. Nach dem gleichen Muster lässt sich dieses Argument aber entschärfen: Als Untoter hat der Vampir genauso auch Teil am Leben. Zu welcher Seite das Pendel nun ausschlägt, hängt vom jeweiligen Text ab. Gerade weil der Vampir spätestens seit Dracula fest mit Erotik und Sexualität konnotiert ist und daher automatisch in diesem Licht gesehen und gelesen wird, sind auch weitere Formen von gesellschaftlicher Norm abweichender Sexualität, die durch den Blutsauger thematisiert werden, erkennbar. Dies sind zum Beispiel Homosexualität, BDSM, Pädophilie und Inzest.

[...]


1 Vgl. zum Beispiel die Spiegel-Bestsellerlisten unter http://wissen.spiegel.de/wissen/resultset.html? pc=2&suchbegriff=bestseller&fo=SPIEGEL&sm=&von=&bis=&attr=t&cl=0&clsuchbegriff=%23sig_id %3D5000591&dfilter=bestseller&cllabel=Bestenlisten&quellen=%2BBX%2CWIKI%2C%2BSP%2C%2BMM %2CALME%2CSTAT%2C%2BMEDIA [Stand: 26.06.09]. So finden sich auf der Liste vom 02.02.09 drei Romane der Reihe, nämlich auf den Plätzen 1, 2 und 7. Auf der Liste vom 08.06.09 wird zwar der erste Platz von einer anderen Autorin eingenommen, die Plätze 2 und 3 sind aber immer noch mit Meyer belegt.

2 Ein Artikel, der den Begriff „Moral“ für sich behandelt - ohne den Zusatz der Sitte - findet sich in dem genannten Werk nicht. Die Ausführungen zu „Moral und Sitte“ stellen für diese Arbeit jedoch eine geeignete Grundlage dar, auch wenn auf den Begriff der „Sitte“ hier nicht weiter eingegangen werden wird.

3 Im Original findet sich hier eine Fußnote, die jedoch hier nicht von Bedeutung ist.

4 Eder bezieht seine Ausführungen ausdrücklich auf den Raum Deutschland/Österreich. Für diese Arbeit wird aber davon ausgegangen, dass die Entwicklungen im englischsprachigen Raum zumindest ausreichend ähnlich verlaufen sind.

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Literarische Vampirmotivik als Spiegel der Moral
Hochschule
Universität Münster
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
72
Katalognummer
V189269
ISBN (eBook)
9783656134183
ISBN (Buch)
9783656134558
Dateigröße
646 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Vampirismus, Vampir
Arbeit zitieren
Birte Richter (Autor:in), 2009, Literarische Vampirmotivik als Spiegel der Moral, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189269

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