Die Einführung des DRG-Systems hat Krankenhäuser und Kliniken vor die Aufgabe stellt, Gesundheitsdienstleistungen wirtschaftlich zu erbringen. Aufbau- und Ablauforganisation des Krankenhauses klassischer Prägung stehen einer wirtschaftlichen Leistungserbringung jedoch eher entgegen. Auch die klassich-hierarchische Ordnung innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen wird den zunehmend kompetenzbasierten Tätigkeitsfeldern des modernen Krankenhauses nicht mehr gerecht. Die Arbeit zeichnet zunächst die Entwicklung der bisherigen Krankenhausorganisationsform unter Einbeziehung historischer Aspekte nach, um dann die zweifelsohne notwendigen Veränderungen im Hinblick auf Organisation und Führung in einem nach DRGs vergüteten Krankenhaus aufzuzeigen.
1. Möglichkeiten und Grenzen der klassischen Krankenhausorganisation
1.1 Einleitende Überlegungen
Zum Verständnis der häufig in vielen Krankenhäusern gewachsenen Organisationsstruktur ist ein kurzer Blick in die Geschichte des Krankenhauswesens hilfreich. Hierbei kommt es nicht auf eine historisch korrekte Beschreibung an, die an dieser Stelle auch nicht geleistet werden könnte, sondern es geht vielmehr darum, holzschnittartig herauszustellen, worin der eigentliche Unterschied zwischen dem klassischen im Mittelalter begründeten Hospizwesen und dem DRG-gesteuerten Krankenhaus der Gegenwart besteht. Diesen Unterschied zu verstehen, fällt Ärzten, Patienten und der Allgemeinbevölkerung, die mittels demokratischer Voten durchaus über die Möglichkeit verfügt, zuminddest indirekt die Grundzüge der Gesundheitspolitik mitzubestimmen, gleichermaßen schwer. Eine gedankliche Klärung erscheint somit angebracht. Im Folgenden soll jedoch nicht nur der Unterschied zwischen eher karitativ denn ökonomisch dominierten Ansätzen der Krankenhausführung erörtert werden, sondern aus dem vertieften Verständnis der beiden zunächst konträr und schwer vereinbar anmutenden Ansätze sind unmittelbar Überlegungen abzuleiten, auf welche Weise die in der betriebswirtschaftlichen Forschung entwickelten möglichen betrieblichen Organisationsformen einen Beitrag dazu leisten können, das Krankenhaus weder als reines Wirtschaftsunternehmen, noch als ausschließliche Stätte der Barmherzigkeit zu verstehen. An dieser Stelle soll betont werden, dass es sich bei der Frage nach der bestmöglichen Organisation des Betriebes „Krankenhaus“ keinesfalls um ein Glasperlenspiel handelt. Nur eine gleichzeitig an die Realität wirtschaftlicher Notwendigkeiten ebenso wie an den humanitär-gesellschaftlichen Auftrag angepasste Organisationsstruktur wird die Existenz eines Krankenhauses auf Dauer sichern können. Wie eine solche Organisationsstruktur aussehen könnte und welche Mühe die notwendige Umgestaltung allen Beteiligten abverlangt, soll den Schlusspunkt der hier angestellten Überlegungen bilden.
1.2 Aufgaben und Organisation des Krankenhauses im traditionellen
Verständnis
Ziele und Organisation eines Krankenhauses im traditionellen Verständnis beruhen auf dem im Mittelalter dominierenden und religiös motivierten Gedanken der Nächstenliebe. Dem in Not geratenen Individuum, das den existentiellen Risiken von schwerer Krankheit, Invalidität und Armut noch ohne den Schutz sozialstaatlicher Institutionen ausgesetzt war, sollte möglichst unmittelbar im Sinne einer gelebten „Caritas“ geholfen werden, wobei als unmittelbares Vorbild für das eigene Handeln die biblisch-neutestamentliche Geschichte vom barmherzigen Samariter diente. Insofern wurden die aus dem Pilgerwesen hervorgegangenen mittelalterlichen Hospize die ersten Einrichtungen, in denen sich Kollektive von gesundheitlich und sozial hilfsbedürftigen Menschen zusammenfanden, um in erster Linie pflegerischen und seelsorgerischen Beistand zu erhalten. Aus den Hospizen entwickelten sich bei zunehmenden Bevölkerungszahlen, anhaltend unzureichender sozialer Absicherung und wachsenden medizinischen Kenntnissen folgerichtig die ersten Krankenhäuser, die jetzt häufig nicht mehr allein der Führung einer Ordensgemeinschaft oblagen, sondern im Auftrag einer lokalen Regierungsgewalt wie z.B. einer Stadtregierung oder eines Fürsten betrieben wurden (vgl. Murken 1988[1]).
Das Krankenhaus im traditionellen Verständnis entstand jedoch erst, nachdem sich die Medizin als wissenschaftliche Disziplin vollends von den eher religiös motivierten seelsorgerischen und pflegerischen Aufgaben emanzipieren konnte. Dieser Emanzipationsprozess dauerte bis in das 19. Jahrhundert hinein an. Sein Abschluss hatte einschneidende Folgen für die organisatorische Gestaltung des Krankenhauses. Erst jetzt „entstanden die ersten Krankenhäuser, in denen die medizinischen Behandlungskonzepte die Organisationsstruktur und die Aufgaben bestimmten. Sie sollten nicht länger mehr Versorgungsheime und Bewahrungsanstalten für Invaliden, Irre, Alte, Arme, Hilflose und Obdachlose sein, sondern waren für Kranke gedacht, die nach medizinischen Erkenntnissen als heilbar galten.“ (Schulze 1989[2])
1.2.1 Aufgaben des klassischen Krankenhauses
Mit der wissenschaftlichen Emanzipation der Medizin als einer klinischen Handlungslehre sui generis geht auch eine Veränderung des Krankheitsverständnisses einher. Krankheit wird jetzt zu allererst als organische Fehlfunktion verstanden. Das medizinische Interesse verlagert sich vom Kranken hin auf seine Krankheit, für die je nach betroffenem Organ unterschiedlich medizinische Subdisziplinen zuständig sind. Mit dem Prozess der Verdinglichung der Krankheit geht somit eine arbeitsteilige organ-, methoden- oder kollektivbezogene Spezialisierung einher. Der Nephrologe ist Organspezialist für die Niere, der Radiologe Methodenspezialist für die bildgebende Diagnostik, Kinder- und Frauenärzte sind Spezialisten für bestimmte Gruppen von Kranken. Oder anders formuliert: „Krankheit wird zunehmend monokausal, d.h. in einer Eindimensionalität von Kausalketten verstanden. Behandlungskonzepte orientieren sich nicht an den Personen, sondern Krankheitssymptome werden Körperteilen bzw. –organen zugeordnet, die dann entsprechend behandelt werden.“ (Schulze 1989[3])
Diese offensichtlich mechanistische Konzeption hat dann dazu geführt, das Krankenhaus nicht nur als eine Art „Gesundheitsfabrik“ zu betrachten, sondern auch als solche zu konstruieren. Mehr oder weniger unverhohlen zeigt sich das Selbstverständnis mechanistischer Gesundheitsstrategien in der Architektur moderner Großkliniken. Die Aufgaben solcher klassischer Krankenhäuser und Kliniken sind eindeutig. Sie dienen der Wiederherstellung gestörter Organfunktionen mit denjenigen Mitteln, welche die modernen Naturwissenschaften und Forschungszweige bereitstellen. Bereits an dieser Stelle zeigt sich, dass sich das Geschehen in einem organmedizinisch dominierten herkömmlichen Krankenhaus auch mit betriebswirtschaftlichen Kategorien beschreiben lässt. Die Wiederherstellung gestörter Organfunktionen oder zumindest der Versuch, diese in positiver Weise zu beeinflussen, lässt sich zwanglos als „Gesundheitsdienstleistung“ auffassen. Aus dieser Sicht handelt es sich bei Kliniken und Krankenhäusern nach Fleßa dann folgerichtig um Betriebe, die Gesundheitsdienstleistungen produzieren, „die sie auf Märkten anbieten. Die Leistung des Krankenhauses ist nicht die Gesundheit selbst, sondern in der Regel eine Dienstleistung (= Gesundheitsgut), die sich positiv auf den Gesundheitszustand auswirkt. Diesem Angebot steht die Nachfrage nach dieser Dienstleistung gegenüber, die sich meist auf einen objektiven Mangel an Gesundheit zurückführen lässt.“ (Fleßa 2007[4])
So erfolgreich der eingeschlagene Weg der Organmedizin im Hinblick auf die Bekämpfung von bestimmten Erkrankungen auch gewesen sein mag, so hat sich spätestens gegen Ende des 20. Jahrhunderts gezeigt, dass den Erfolgen der Gesundheitsfabrik Krankenhaus nicht unerhebliche Probleme gegenüberstehen. Der methodisch konsequenten Elimination der kranken Person aus dem medizinischen Denken musste mit der Einführung der Psychosomatischen Medizin als eines weiteren ärztlichen Spezialgebietes begegnet werden, um das Individuum aus seiner klinischen Verlorenheit zu retten. Auch diejenigen, die trotz aller Bemühungen um Perfektionierung der Gesundheitsmechanik nicht mehr kurativ zu behandeln sind und gelegentlich als „austherapiert“ bezeichnet werden, versucht man durch die im Entstehen begriffene Subdisziplin der Palliativmedizin wenigstens nicht alleine zu lassen. Die größte Gruppe, die eigentlich am meisten von der Professionalisierung und Spezialisierung der Medizin profitiert, die sogenannten chronisch Kranken, verzeichnen ob ihrer effektiven Behandlung eine so enorme zahlenmäßige Zunahme, dass Sie Ihrerseits zu einer zum Teil grenzwertigen Belastung der faktisch verfügbaren und ökonomisch vorhandenen Ressourcen führen. Der Siegeszug der modernen am naturwissenschaftlichen Ideal orientierten Medizin führt also im Hinblick auf die Institution Krankenhaus augenscheinlich nicht nur zu Erfolgen, sondern auch zu bislang ungelösten Problemen, die sowohl die Kliniken selbst als auch die außerklinischen Versorgungsstrukturen betreffen.
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