Der technologische Fortschritt unserer Gesellschaft ermöglicht heute eine massgeschneiderte Familienplanung, im Rahmen derer Eltern Kindern beinahe nach Wunsch eine Existenz schenken können. Da aus Fehlschlägen dieser neuen Gestaltungsmöglichkeiten mitunter Geschädigte hervorgehen, ist in jüngerer Zeit vermehrt versucht worden Schadenersatz-Ansprüche in Form von Klagen geltend zu machen, die üblicherweise unter den Begriffen “wrongful birth” (ein nicht gewolltes Kind) oder “wrongful life” (ein nicht so gewolltes Kind) zusammengefasst werden. Aus solchen Sachverhalten entstehen sowohl heikle Rechtsfragen als auch spezifische Anspruchsgrundlagen aus vertraglicher (Art. 97 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR) und ausservertraglicher (Art. 41 ff. OR) Haftpflicht, in deren Mittelpunkt meistens eine mögliche Sorgfaltspflichtverletzung der behandelnden Ärzteschaft steht. Durch die neueren Entwicklungen im Auftragsrecht ist die Ärzteschaft aus haftpflichtrechtlicher Sicht in eine für sie ungünstige und der Unberechenbarkeit von individuellen Behandlungsverläufen zuwiderlaufende Misslage geraten, während die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von Verschulden, Adäquanz, Vertragsverletzung und Widerrechtlichkeit je nach Sachverhalt und Haftungsgrundlage unter Umständen Abgrenzungsschwierigkeiten nach sich zieht. Die Arbeit setzt sich fallbezogen mit den persönlichen Anspruchsvoraussetzungen aus ärztlichem Auftragsverhältnis und unerlaubter Handlung auseinander und nimmt Stellung sowohl zu denkbaren Schadenspositionen aller Beteiligten als auch zur “Kind-als-Schaden”-Diskussion. Die Bedeutung der Drittschadensliquidation und die der deliktsrechtlichen Bemessungsnormen (Art. 47 und Art. 49 OR) werden erörtert und die Durchsetzbarkeit gegebener Anspruchsgrundlagen eingeschätzt. Abschliessend werden neben ethischen und medizinischen Aspekten die Bedeutung eines schriftlichen “Familienplanungsvertrags” zwischen Eltern und Ärzteschaft, einer erwünschten Drittschutzwirkung und die Anwendung des Haftpflichtrechts überhaupt im Rahmen des gesamtgesellschaftlichen Schädigungspotentials von “wrongful birth”- und “wrongful life”-Klagen diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
- Präambel
- §1. Grundlagen
- 1.1 Themenspezifische Begriffsdefinitionen
- 1.1.1 Familienplanung
- 1.1.2 Schutz der Persönlichkeit
- 1.1.3 Durchkreuzung der Familienplanung
- 1.1.4 Haftpflichtrecht i.w.S.
- 1.1.4.1 Funktionen, Ziele und Motive
- 1.1.4.2 Haftung
- 1.1.4.3 Haftungsarten und Haftungstatbestände
- 1.1.4.4 Ersatzansprüche aus Haftpflicht
- 1.2 Unterscheidung der Vertrags- und Deliktshaftung
- 1.3 Ein Spannungsfeld zwischen Vertrags- und Familienrecht
- 1.4 Zusammenhang zwischen Familien- und Haftpflichtrecht
- 1.1 Themenspezifische Begriffsdefinitionen
- §2. Anspruchsvoraussetzungen aus Auftragsverhältnis (Art. 97 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR)
- 2.1 Schaden
- 2.2 Differenzierung der fallbezogenen Schadenspositionen
- 2.3 Kausalität
- 2.4 Vertragsverletzung
- 2.5 Verschulden
- §3. Anspruchsvoraussetzungen bei Haftung aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. OR)
- 3.1 Schaden
- 3.2 Kausalität
- 3.3 Widerrechtlichkeit
- 3.4 Verschulden
- §4. Haftungsvoraussetzungen anhand Fallkonstellationen
- 4.1 Wrongful birth - unerwünschtes Kind
- 4.2 Wrongful life - "nicht so" erwünschtes Kind
- 4.3 Mehrheit von Haftungsgründen / Schuldnern
- §5. Verhaltenspflichten vs. Widerrechtlichkeit
- §6. Drittschadensliquidation
- §7. Ersatzansprüche infolge immaterieller Unbill
- 7.1 Grundvoraussetzungen
- 7.2 Leistung von Genugtuung (Art. 47 OR)
- 7.3 Verletzung der Persönlichkeit (Art. 49 OR)
- 7.4 Tatbestandselemente
- 7.4.1 Unbill
- 7.4.2 Kausalität
- 7.4.3 Widerrechtlichkeit
- 7.4.4 Verschulden
- §8. Zur Teilrevision des Haftpflichtrechts
- §9. Prüfung der Anspruchsgrundlagen bei bestimmten Fallkonstellationen
- 9.1 Kind vs. Kindsmutter
- 9.2 Elter vs. Arzt bei wrongful birth
- 9.3 Durchsetzbarkeit der Ansprüche
- §10. Stellungnahmen und Schlussfolgerungen
- 10.1 Aspekte der Ethikfrage
- 10.1.1 Rechtliche Aspekte
- 10.1.2 Medizinische Aspekte
- 10.2 Lösungsvorschlag
- 10.3 Zusammenfassung und Fazit
- 10.1 Aspekte der Ethikfrage
- §11. Ausblick
- §12. Dank
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der rechtlichen Problematik von „wrongful birth“ und „wrongful life“ im Kontext der Familienplanung. Sie untersucht die Anspruchsgrundlagen aus Vertrags- und Deliktshaftung im Zusammenhang mit ärztlichem Fehlverhalten bei der Familienplanung und deren Auswirkungen auf die Eltern und das Kind.
- Haftungsgrundlagen bei „wrongful birth“ und „wrongful life“
- Schadenspositionen der Beteiligten
- Die „Kind-als-Schaden“-Diskussion
- Drittschadensliquidation und Bemessungsnormen im Deliktsrecht
- Ethische und medizinische Aspekte der Familienplanung
Zusammenfassung der Kapitel
- Präambel: Einleitung und Vorstellung des Themas der Arbeit.
- §1. Grundlagen: Definition zentraler Begriffe wie Familienplanung, Schutz der Persönlichkeit, Durchkreuzung der Familienplanung und Haftpflichtrecht.
- §2. Anspruchsvoraussetzungen aus Auftragsverhältnis: Analyse der Anspruchsgrundlagen aus ärztlichem Auftragsverhältnis im Kontext von „wrongful birth“ und „wrongful life“.
- §3. Anspruchsvoraussetzungen bei Haftung aus unerlaubter Handlung: Untersuchung der Anspruchsgrundlagen aus Deliktshaftung im Zusammenhang mit ärztlichem Fehlverhalten bei der Familienplanung.
- §4. Haftungsvoraussetzungen anhand Fallkonstellationen: Anwendung der Haftungsvoraussetzungen auf konkrete Fallkonstellationen von „wrongful birth“ und „wrongful life“.
- §5. Verhaltenspflichten vs. Widerrechtlichkeit: Diskussion der Pflichten von Ärzten und der Frage der Widerrechtlichkeit von Handlungen, die zur Durchkreuzung der Familienplanung führen.
- §6. Drittschadensliquidation: Analyse der Möglichkeiten der Drittschadensliquidation im Kontext von „wrongful birth“ und „wrongful life“.
- §7. Ersatzansprüche infolge immaterieller Unbill: Erörterung von Ersatzansprüchen für immaterielle Schäden, insbesondere Genugtuungsansprüche.
- §8. Zur Teilrevision des Haftpflichtrechts: Diskussion der möglichen Auswirkungen einer Revision des Haftpflichtrechts auf die rechtliche Situation bei „wrongful birth“ und „wrongful life“.
- §9. Prüfung der Anspruchsgrundlagen bei bestimmten Fallkonstellationen: Analyse von konkreten Fallkonstellationen, wie z.B. die Ansprüche von Kindern gegen ihre Mütter oder Eltern gegen Ärzte.
- §10. Stellungnahmen und Schlussfolgerungen: Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der Arbeit.
- §11. Ausblick: Vorstellung von weiteren Forschungsfragen und möglichen Entwicklungen im Zusammenhang mit „wrongful birth“ und „wrongful life“.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der Familienplanung, Haftung, "wrongful birth", "wrongful life", Vertragshaftung, Deliktshaftung, ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung, Schadenersatz, Schmerzensgeld, Drittschadensliquidation, Ethik, Medizin und Familienrecht.
- Citation du texte
- Raoul Mutter (Auteur), 2012, Haftpflichtfragen bei durchkreuzter Familienplanung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190062