Gedanken zum Text "System, Subjekt und Erziehung" von Jürgen Oelkers


Essay, 2012

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Essay zum Text: System, Subjekt und Erziehung von: Manuel Berg

Ziel der Pädagogik sei es schon immer gewesen, den Menschen zum Menschen zu erziehen, dabei verwendet(e) die Pädagogik die Begriffe Mensch, Subjekt und Person gleichbedeutend. Der Zögling solle zur Tugend gebracht, zum Guten geführt und zur Sitte erzogen werden. Der Autor stellt die Hauptthese auf, dass die Systemtheorie für Weiterungen und Einschränkungen des Subjektbegriffs sorge, dabei Luhmann aber nicht den Subjektbegriff negiere, sie aber gleichzeitig zu antipädagogischen Konsequenzen führe. Daneben ersetze die Systemtheorie nicht die Pädagogik und auch nicht die Bildungstheorie, ergo, die Außen- und die Innenperspektive, da sie nicht den praxisrelevanten Kern treffe. Der Autor unterstellt weiter eine Nichtpassung der Pädagogik mit der Geschichte des Subjektbegriffs.1

Aber was ist eigentlich der Mensch? Und was ist die Systemtheorie? Fangen wir mit dem Menschen an. Was genau ist er? Was ist eine Person? Ist der innere Mensch mit allen seinen dunklen Kräften, Reizen und Trieben nur Einer, so wie Herder einst kund gab? Besteht der Mensch nicht nur aus Körper, sondern auch aus Geist? Be- sitzt der Mensch die Freiheit des Geistes? Oder ist alles was er macht von außen determiniert? Wie kann man Identität greifen? Wenn Identität nur eigens erfahrbar ist, dann wäre Individualität weder erkennbar, noch könn- te sie anerzogen werden. Persönlichkeit schwebte dann nebulös über jeder Person, sie bliebe ein Konstrukt menschlicher Artikulation (jeder empfindet bei Wörtern und Gegenständen etwas anderes) und verlöre sich in der Sphäre von Spekulation / Interpretation bzw. Sprache. Ist der Mensch das Abbild Gottes? Wenn wir die Ver- nunft Gottes in uns tragen, dann gäbe es einen Netzwerkgeist, oder etwa nicht? Sind wir ein Abbild Gottes, müsste irgendetwas in uns allen gleich sein, gleich unserem Schöpfer. Dies jedoch würde Identität ins Negative rücken, dann gälte Individualität als nicht vorhanden, stattdessen wären wir alle gleichsam eine Kollektiv-Iden- tität!? Für den Menschen gilt es, aufgrund seines Menschseins, sich seiner würdig zu verhalten und zu bewei- sen, dass er das Abbild Gottes ist, bzw. weil er eine Sonderstellung in der Natur einnimmt, diese zu erkennen und auszufüllen.2 Ich glaube Comenius will damit andeuten, dass der Mensch zu viel mehr in der Lage ist, er kann eine höhere Menschengattung schaffen, als die jetzige. Der Mensch muss um seiner selbst Willen morali- scher, autonomer, verantwortungsvoller, liebevoller und wissender werden. Denken wir hier an Kant zurück, so stellen wir doch fest, dass heute das Zeitalter der Gegenaufklärung vorherrscht. Viele Menschen sind zu faul, lassen für sich arbeiten und denken und lassen andere die Verantwortung für sich übernehmen, denn es ist das Einfachste, oder: Der Mensch ist nicht das, was er sein sollte! Aber woher weiß er was er sein soll? Er ist zu un- bestimmt, nicht selbstbestimmt! Herder sprach im Zusammenhang der Identitätserkennung darüber, wie man Individuen unterscheiden könne, und zwar durch die Verfeinerung oder ich würde hier sagen, durch die Schär- fung oder sogar Neubildung der Sinne. Demnach könne der schärfste Feinsinn die ursprüngliche Natur des Menschen wahrnehmen. Stellt sich nur die Frage welcher Sinn dies leisten kann (Evolution? → höhere Sinne entwickeln sich noch?) Die bereits angesprochene Autonomie des inneren Menschen ist jedoch wahrlich nicht mehr wegzudenken. Verfügte der Mensch nicht über Selbstbestimmung, d.h., ließe er sich fremdbestimmen, also herumkommandieren, dann wäre er nichts anderes als ein Tier, welches auf Befehle wartet, wie ein Hund eben, denn dieser führt auch nur Befehle aus und wird konditioniert. Nur würden hier Menschen einander konditionieren, was den Menschen auf eine Stufe mit dem Tier stellen würde. Autonom zu sein bedeutet hier, Mut zu haben, und nicht feige zu sein, der, der Mut hat, wird immer belohnt werden und zwar mit einer eigenen, für andere nicht zu ersetzenden Erfahrung. Das ist der Mensch, der, der Entscheidungen trifft, im Guten wie im Bösen, unter Verblendung wie auch im Glauben an das Richtige. Dazu ist nur der Mensch auf dieser Erde in der Lage. Er kann zur Erkenntnis gelangen und sich Urteile und Gesetze (auch moralische und Naturgesetze) bilden, mittels der Vernunft. Nur der Mensch ist in der Lage über sich selbst nachzudenken, sowie auch seine Person zu bestimmen, der Mensch kann sich selbst Ziele seines Handelns (Lebens) setzen und danach trachten, so wie der Mensch auch dazu in der Lage ist, über seine Gedanken nachzudenken und die Meinungen anderer zu überdenken und in die eigene Persönlichkeit einzubauen. Was zeichnet also den Menschen aus? Dass nur er an das über das hinaus nichts größeres gedacht werden kann, denken kann, nämlich Gott? Nur seine Moralfähigkeit und Vernunft? Ich denke auch die Empfindsamkeit. Der innere Mensch, welcher ästhetisch schön und sittlich gut ist, wird in der Zeit nach Descartes zum empfindsamen Menschen gewendet. Durch seine innere Ästhetisierung kann der Mensch die Welt romantisieren. Empfindsamkeit ist für jeden Menschen ein eigener Vorgang, vor seinem Inneren verblasst die Realität, ja, der Mensch blüht von innen. Der Mensch zeigt Gefühle mehr oder minder - sind diese Gefühle echt und vertritt die Person sie auch, dann spricht Schlegel hier dem Menschen Originalität zu. Dabei seien das Ästhetische und Ethische kein Widerspruch, da die schöne Seele nichts Böses verübe.3 Bei der Frage, was Persönlichkeit denn nun sei, kommt Fröbel meiner Meinung nach einer sehr biologistischen Antwort nahe, indem er sagt: „ Die ganze künftige Wirksamkeit des Menschen müsse im Kinde als Keim gesehen werden. Die Kräfte, Anlagen und Richtungen, die Glieder und Sinnentätigkeiten des Menschen sollen daher in der notwendigen Reihenfolge entwickelt werden, in der sie selbst an und in dem Kinde hervortreten. “4 Dies gelinge laut Fröbel nur, wenn die Entwicklung des Innen und Außen gleichzöge, also Innerliches veräußerlicht und Äußerliches verinnerlicht werde. Diese zentrale pädagogische Aufgabe setzt bereits einen Wesenskern voraus, jener müsse erkannt und entwickelt werden. Somit wäre Persönlichkeit angeboren, müsste sodann erkannt und ausgebildet / gefördert werden? Folgerichtig ließe sich so das Grundproblem lösen, nämlich wie von außen beeinflusst werden kann, was innerlich schon besteht. Dies wiederum ließe Erziehung nicht als Übergröße oder als von außen bestimmende und einwirkende Macht daherkommen, sondern sie kommt so im Gewand des Arrangements und der Improvisation daher, sie lockt mehr, als dass sie vorschreibt und fordert.5 Ich denke, ein biologistischer Ansatz ist hier nicht falsch, denn wir sind unwiderstreitlich auch das Produkt unserer Gene und materiellen Strukturen. Der Mensch kann sich selbst vom Subjekt ins Objekt verwandeln. Diese Fähigkeit ist durch die Leiblichkeit überwindbar, weil Leiblichkeit die Form ist, in der Selbstreflexivität den Körper durchdringt. Sozialität zeigt, dass Beziehung nur über Leiblichkeit möglich ist, und die Liebe nur so erfahrbar wird. Leiblichkeit macht den Menschen also plastisch, im Hinblick auf seine Umwelt. Dies bringt jedoch die Gefahr mit sich, dass der Mensch einer Dualismusgefahr unterläuft, sich plötzlich seinem eigenen Körper gegenüberzustehen. Der Mensch würde mit seinem Körper mechanisch umgehen, und zugleich seine Reflexivität behaupten. Diesen Anspruch tat auch Descartes kund, indem er den menschlichen Körper zur Maschine ernannte. Dieses Dualismusproblem kann der Mensch nur dadurch überwinden, indem er seinen Körper akzeptiert und ihn mit seiner Seele zusammengehörig denkt, denn nur durch den Körper kann die Expression des Geistes ihren Ausdruck nach außen finden. Eine Kommunikation nur auf geistlicher Ebene ist für uns momentan nicht möglich, und würde auch nicht im Bereich des Menschlichen liegen.6 Kommen wir nun noch einmal auf die Entwicklung der Persönlichkeit zurück, so wissen wir aus der aktuellen Forschung, dass der Mensch seine Persönlichkeit ab dem 1. Lebensmonat aktiv und passiv konstruiert und stetig weiterentwickelt (role-taking, role-making, Spiegelneurone, Kommunikation, Erfahrung, Beobachtung, Imitation etc.). Diese Entwicklung kann jedoch diametral entgegengesetzt auch als Verlust verspürt werden. Niemand von uns wird je wieder ein dermaßen unbeschwertes Leben wie in der Kindheit erleben und zudem merken wir doch irgendwie, dass wir die Welt heute nicht mehr so wahrnehmen, wie wir es einst taten. Was haben wir verloren? Unseren Spieltrieb? Unsere Phantasie? Was ist dies, was wir vergeblich suchen, aber nicht finden? Wir haben etwas von uns vergessen. Damit wäre Identität vergänglich und damit durch die Pädagogik nicht zur Perfektionierung der Welt hochstilisierbar. Befreit sich stattdessen das Subjekt vom päd. Anspruch der Erziehungsbedürftigkeit?7 Eine bessere Welt hat man seit der Aufklärung jedenfalls nicht geschaffen und so kann man getrost davon sprechen, dass die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen in den Sternen steht, Erziehung und Subjekt fahren nebeneinander entlang auf der Gleise zum Zielbahnhof Menschsein, wobei ich hier nicht bestreiten möchte, dass man durch Erziehungshandeln den Zögling erreichen kann. Inwieweit kann man Kinder überhaupt erziehen, denn sie machen doch eh alles nach!? Oder inwiefern kann jeder Einzelne sich selbst erziehen, z.B. durch Reflexion und Disziplinierung? Man kann das Kind hingegen auch nicht sich selbst überlassen, es muss Grenzen und Respekt gegenüber dem Anderen lernen, damit es sich später in die Gesellschaft harmonisch einfügen kann. Um Persönlichkeit zu formen, sollte man sich nicht von Erziehungszielen leiten lassen, sie sind ideologisch aufgeladen und beherbergen tradierte (unreflektierte, archaische) Vorstellungen und zudem auch Wünsche, die oftmals ohne Rücksicht auf das Kind formuliert wurden. Wäre der Mensch nicht erziehungsfähig, erübrigten sich auch die Theoriebausteine Individuum vs. Gesellschaft bzw. Subjekt vs. System. Erziehung wurde durch Idealisierung instrumentalisiert und damit auch das Kind, es wurde bestimmt und gelenkt für einen angeblich höheren Zweck, eine bessere Menschheit.8 Erwähnenswert hier wäre auch die Erziehung zum Frieden von Maria Montessori. Dabei soll das Kind verteidigt, erkannt, geliebt und ihm gedient werden, um so eine bessere Menschheit zu verwirklichen.9

[...]


1 Vgl. Oelkers, Jürgen, System, Subjekte und Erziehung 175-176.

2 Vgl. ebd. 176-178.

3 Vgl. ebd. 176-180.

4 Fröbel 1982, S. 31, zit. nach: Oelkers, Jürgen, System, Subjekte und Erziehung 180.

5 Vgl. ebd. 180.

6 Vgl. Mieth, Dieter, Was wollen wir? Ethik im Zeitalter der Biotechnik 455-462.

7 Vgl. Oelkers, Jürgen, System, Subjekte und Erziehung 181-182.

8 Vgl. Dokumentation, Arte TV, Morgen wieder Prügelstafe? Online unter: http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=1345155,day=7,week=49,year=2011.html, 09.12.2011, 10:00.

9 Vgl. http://www.friedenspaedagogik.de/themen/friedenserziehung/friedenspaedagogik_1900_bis_heute/vor_1950/maria_montessori_der_frieden_und_die_erziehung_1932, 16.12.2011, 21:04.

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Details

Titel
Gedanken zum Text "System, Subjekt und Erziehung" von Jürgen Oelkers
Hochschule
Universität Osnabrück  (Erziehungs- und Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Moderne Subjektbegriffe
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V190190
ISBN (eBook)
9783656151067
ISBN (Buch)
9783668106932
Dateigröße
546 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gedanken, text, system, subjekt, erziehung, jürgen, oelkers
Arbeit zitieren
B.A. Manuel Berg (Autor:in), 2012, Gedanken zum Text "System, Subjekt und Erziehung" von Jürgen Oelkers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190190

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