Evidenzbasierte Patienteninformationen zu Asthma bronchiale

Bewertung aus der Perspektive der Gesundheitspädagogik und der angestrebten Nutzer


Thèse de Bachelor, 2011

166 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abstract

I EINLEITUNG
1 Hinführung zum Thema
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
2 Methodisches Vorgehen
3 Inhaltlicher Aufbau

II THEORETISCHER HINTERGRUND
1 Definitionen von Begrifflichkeiten
1.1 Evidenzbasiert
1.2 Patienteninformation
1.3 Gesundheitspädagogik
1.4 Nutzer
2 Bedeutung von Patienteninformationen
3 Health Literacy
4 Das Shared Decision Making Modell
5 Evidenzbasierte Patienteninformationen aus gesundheitspädagogischer Sichtweise
5.1 Literaturanalyse
5.1.1 Datenbankrecherche
5.1.2 Internetrecherche
5.1.3 Ergebnis der Recherche
5.2 Die Bedeutung der Gesundheitspädagogik
5.3 Gesundheitspädagogische Bewertungskriterien für Patienteninformationen
5.3.1 Grundlegende Kriterien
5.3.2 Spezielle Kriterien

III METHODISCHES VORGEHEN
1 Sampling
1.1 Auswahlkriterien
1.2 Ablauf der Rekrutierung der Fokusgruppen
1.3 Arbeitsvorbereitung der Fokusgruppen
1.4 Durchführung der Nutzertestung
2 Verwendetes Textmaterial
2.1 Begründung der Auswahl der Patienteninformationen
2.2 Einführung in die drei ausgewählten Patienteninformationen
2.2.1 Gesundheitsinformation.de, Asthma
2.2.2 PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungsLeitlinie, Asthma
2.2.3 Techniker Krankenkasse, Asthma bronchiale, eine Information für Patienten und Angehörige
2.3 Begründung der Kapitelauswahl
2.4 Erhalt der Informationsmaterialien
3 Datenerhebungsmethode
4 Erhebungsinstrumente
4.1 Kurzfragebogen
4.2 Leitfaden
5 Datenauswertung
5.1 Die Aufbereitung des Materials
5.2 Auswertungsverfahren

IV ERGEBNISSE
1 Soziodemographische Daten der Teilnehmenden
2 Ergebnisse der Kurzfragebögen
3 Inhaltsanalytische Auswertung der Fokusgruppenergebnisse
4 Ergebnisse der Fokusgruppen
4.1 Wirkungen der Patienteninformationen
4.2 Verständlichkeit
4.2.1 Allgemeine Verständlichkeit
4.2.2 Notwendige Erläuterungen
4.2.3 Sprachstil
4.3 Inhalte
4.3.1 Text beantwortet Überschriftenaussage
4.3.2 Fehlende Aspekte
4.4 Struktur
4.5 Umfang
4.6 Layout
4.7 Kommunikationsverbesserung
4.8 Weiterempfehlung
4.9 Glaubwürdigkeit
4.10 Vergleich der Informationen
5 Diskussion der Ergebnisse

V SCHLUSS
1 Fazit
2 Ausblick
Quellenverzeichnis
Ehrenwörtliche Erklärung
Anhang
1 Suchstrategie in Datenbanken
2 Suchstrategie im Internet
3 Internetseiten
4 Erklärungsschreiben
5 Einverständniserklärung
6 Soziodemographische Daten
7 Kurzfragebogen zur Wirkung des Textes
8 Leitfaden
9 Anzahl der Nennungen zu den Subkategorien
10 Transkripte der Nutzertestungen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Hierarchie der Evidenz

Abbildung 2: Arten von Patienteninformationen im Kontext der Versorgungskette

Abbildung 3: Vom Patienten zum Bürger – Rollen der Nutzer des Gesundheitswesens

Abbildung 4: Ablaufdiagramm der Literaturrecherche

Abbildung 5: Ablaufdiagramm der Internetseitenrecherche

Abbildung 6: Gesundheitsinformation.de: Wie unsere Informationen entstehen

Abbildung 7: Ablauf der Erstellung der PatientenLeitlinie Asthma

Abbildung 8: Ablaufmodell der Inhaltsanalyse

Abbildung 9: Mittelwerte der Antworten zu den Fragen des Kurzfragebogens

Abbildung 10: Prozentuale Verteilung der Subkategorien auf die zentralen Kategorien, alle Patienteninformationen (n=1014)

Abbildung 11: Prozentuale Verteilung der Subkategorien auf die zentralen Kategorien, unterteilt nach den Patienteninformationen (n= 1014)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Modelle medizinischer Entscheidungsfindung

Tabelle 2: Layoutkriterien

Tabelle 3: Gesundheitspädagogische Bewertungskriterien für Patienteninformationen

Tabelle 4: Verwendete Patienteninformationen

Tabelle 5: Soziodemographische Daten der Befragten

Abstract

Patienteninformationen spielen eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Patientensouveränität. Das Einbeziehen von Bürgerinnen und Bürgern in die Entwicklung und Bewertung solcher Informationen ist bisher vernachlässigt worden. Auch deren Aufbereitung aus gesundheitspädagogischer Sicht wurde bisher nur unzureichend beachtet. Beide Aspekte sind jedoch von wichtiger Bedeutung.

Demzufolge werden gesundheitspädagogische Bewertungskriterien für Patienteninformationen entwickelt. Mit einem sich auf die gesundheitspädagogischen Kriterien stützenden Leitfaden werden exemplarisch empirische Untersuchungen in Form von Nutzertestungen in drei Fokusgruppen zur Bewertung von drei Patienteninformationen durchgeführt: Deren Thema ist Asthma bronchiale und es handelt sich um die Information vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, die PatientenLeitlinie zur Nationalen VersorgungLeitlinie und die Patienteninformation der Techniker Krankenkasse. Der Großteil der Testerinnen und Tester ist von einer Lungenerkrankung betroffen.

Die Auswertung der Interviewtranskripte geschieht in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring mit Hilfe des Datenanalyseprogramms MAXQDA. Dabei sind die insgesamt 1014 Nennungen zehn Kategorien mit 46 Subkategorien zugeordnet worden. Exemplarisch lassen sich folgende Ergebnisse aufzeigen: Im Hinblick auf die Verständlichkeit weisen alle drei Patienteninformationen kurze Sätze und einfache Sprache auf. Die theoretische Vorgabe der Wichtigkeit der Kürze einer Information wird in der Bewertung der 100-seitigen PatientenLeitlinie widerlegt, unter anderem begründet durch die prägnanten Erklärungen und hilfreiche Abbildungen. Das Layout, speziell die Schriftgestaltung wird bei allen Informationen überwiegend als gut leserlich bewertet.

Die Arbeit verdeutlicht die Relevanz der Methodik und Didaktik bei der Erstellung und Bewertung von Patienteninformationen. Weiterhin sind auch Patienteninformationen von Herausgebern, die angeben ihre Informationen unter bestverfügbarem evidenzbasierten Wissen zu erstellen, aus Sicht von Nutzerinnen und Nutzern teilweise verbesserungswürdig und in Zukunft die Bürgerinnen- und Bürgerorientierung zur Erstellung qualitativ hochwertiger Patienteninformationen unumgänglich.

I Einleitung

1 Hinführung zum Thema

Seit mehreren Jahren gibt es bürgerorientierte Neuerungen und Fortschritte zur Förderung von „Wirtschaftlichkeit, Qualität und Bedarfsgerechtigkeit im Gesundheitswesen“ (Horch 2009, 889). Auf internationaler Ebene geschieht dies durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die europäischen Gesundheitsminister. Verantwortlich dafür in Deutschland sind als wichtige Akteure unter anderem die Gesundheitspolitik und der Kooperationsverbund gesundheitsziele.de, eine Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung (GVG), die seit 2000 Gesundheitsziele für Deutschland entwickeln (Horch 2009). Ein Ziel der Gesundheitspolitik ist das Herbeiführen von „Bürger/innen- und Patient(inn)enorientierung“ (Horch 2009, 889). Zur Herausstellung dessen Wichtigkeit ist in dem nationalen Forum gesundheitsziele.de neben anderen Zielen das nationale Gesundheitsziel „Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken“ entwickelt worden (Horch 2009, 890).

Diese Souveränität wird maßgeblich von der Patientenrolle bestimmt, die seit einiger Zeit einem Wandel unterliegt. Die Patienten vertrauen den Ärzten nicht mehr blind, sondern informieren sich immer mehr selbst. Aus einer paternalistischen Arzt-Patient-Beziehung wird zunehmend eine Beziehung in der beide Parteien gleichberechtigt sind. Dies kann in geeigneter Weise durch shared decision making erreicht werden (Heesen et al 2006). „Nach einer europäischen Vergleichsstudie wollen mehr als 80 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger aktiv in Entscheidungsprozesse im Rahmen der Arzt-Patient-Interaktion eingebunden werden. Dass dies tatsächlich der Fall ist, sehen nur knapp 45 Prozent“ (Robert Koch-Institut 2006, 205). Daran wird deutlich, dass die Patientenbeteiligung zwar auf dem richtigen Weg ist, jedoch Defizite bestehen, die es abzubauen gilt. Viel versprechend sind hier zum Beispiel Verbesserungen bei der Erstellung von Patienteninformationen unter Beteiligung der Nutzerinnen und Nutzer. Die Informationen können dazu dienen Patientinnen und Patienten zu besseren Kenntnissen zu verhelfen, sie zu mündigeren, selbstbewussteren Personen zu machen, und sie so zu befähigen, effektiver an gesundheitlichen Entscheidungsprozessen zu partizipieren (Scheibler 2008).

1.1 Problemstellung

Es gibt eine Vielfalt von Patienteninformationsangeboten. Die Einschätzung und Sicherung der Qualität davon steht aber immer wieder zur Diskussion und ist für Bürgerinnen und Bürger auf Grund unzureichender Transparenz nur schwer möglich. Zwar werden Patienteninformationen vielfach multidisziplinär entwickelt (z.B. durch Ärzte, Psychologen etc.), die Nutzerperspektive und -meinung wird bei der Erstellung der Informationen jedoch häufig kaum oder nicht mit einbezogen. Dies zeigt ein großes Manko auf. Um qualitativ hochwertige, unabhängige und nutzbare Patienteninformationen zu gewährleisten, müssen Bürgerinnen und Bürger mehr bei der Entwicklung und Bewertung dieser beteiligt sein (Dierks et al 2001, 72f; Isfort et al 2004). Diese Bedeutsamkeit der Nutzerinnen und Nutzer wird auch in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes des Robert Koch-Instituts (2006) hervorgehoben: „Die Patientenbeteiligung fördert den Therapieerfolg beispielsweise bei chronischen Schmerzen, psychischen Störungen, Diabetes, Rheuma oder Kopfverletzungen“ (Robert Koch-Institut 2006, 205).

Zur Erstellung von Patienteninformationen auch aus Patientensicht ist ein erster wichtiger Schritt schon vorhandene Informationen zu bewerten. Berücksichtigt man, dass die jeweiligen Patientinnen und Patienten erst einmal die besten Experten ihrer Anliegen sind, ist der Verzicht auf ihre Einschätzung von Patienteninformationen eigentlich nicht nachvollziehbar. Sinnvoll ist es vielmehr die Informationen aus Sicht der Betroffenen beurteilen zu lassen (Dieterich 2007).

Bei der bereits erwähnten Multidisziplinarität wird die Perspektive der Gesundheitspädagogik kaum beachtet. Bewertungskriterien für Patienteninformationen aus dieser Sichtweise gibt es bisher nur in geringem Maße. Die Stärke des Faches ist jedoch die Interdisziplinarität. Gerade die Methodik und Didaktik von vielen Patienteninformationen wäre durch die Anwendung von gesundheitspädagogischen Kriterien verbesserungsfähig.

Ein weiteres Problem betrifft die Unabhängigkeit der Patienteninformationen. Linde, Gothe und Ryser (1999) weisen in ihrer Studie darauf hin, dass 93,5% der von Berliner Allgemeinärzten an Patienten ausgehändigte Informationen von der Pharmaindustrie stammen und 83,8% der im Wartezimmer ausgelegten. Hier besteht die Möglichkeit, dass diese Broschüren von dem Interesse geleitet sind, mehr Medikamente zu verkaufen. Patienteninformationen von öffentlichen Einrichtungen und Krankenkassen sind in dieser Hinsicht unabhängiger und besser untersucht. Dies ist eine bessere Grundlage zur Untersuchung der Nutzerinnen- und Nutzerorientierung.

1.2 Zielsetzung

Zu dem Ziel der Etablierung von „Bürger/innen- und Patient(inn)enorientierung“ (Horch 2009, 889) gehört unter anderem eine Arzt-Patient-Beziehung, in der es eine gesteigerte Partizipation der Patienten in der Entscheidungsfindung gibt. Dies soll zu informierten mündigen Patienten führen, die in einem gleichberechtigten Verhältnis zum Arzt stehen können. Für diese Kompetenzfähigkeit, die eigenständiges Handeln und Entscheidungsbeteiligung bedeutet, bilden qualitativ hochwertige Patienteninformationen eine wichtige Grundlage. Unter dem von der GVG entwickelten, bereits erwähnten nationalen Gesundheitsziel „Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken“ (Hölling et al 2011, 31; Horch 2009,890) entstanden vier Zielbereiche: Der erste fällt unter das zentrale Handlungsfeld „Transparenz erhöhen“ (Horch 2009,889) und lautet: „Bürger/innen und Patient(inn)en werden durch qualitätsgesicherte, unabhängige, flächendeckend angebotene und zielgruppengerichtete Gesundheitsinformationen und Beratungsangebote unterstützt“ (Hölling et al 2011, 32; Horch 2009,892). Teilziel eins davon ist: „Eine patient(inn)en- und bürger(innen)orientierte Vermittlung und Erläuterung bereitgestellter Gesundheitsinformationen wird gewährleistet“ (Horch 2009,892). Ein entscheidendes Kriterium für die Beurteilung, ob die patientenorientierte Vermittlung erfüllt ist, ist das Bewerten durch Nutzerinnen und Nutzer, ob die bereitgestellten Gesundheitsinformationen auch aus ihrer Sicht nutzbringend sind. Denn nur dann kann das erwähnte Teilziel erfüllt werden. Folglich ist neben der professionellen fachlichen Bewertung die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in die Entwicklung und Bewertung von Gesundheitsinformationen ein wichtiger Schritt. Daraus ergibt sich der Schwerpunkt der Arbeit im Ansatz der Gesundheitspädagogik und der Perspektive von Nutzerinnen und Nutzern bei der Bewertung von Patienteninformationen. Die zentralen Fragen lauten demnach:

- Nach welchen gesundheitspädagogischen Kriterien muss eine Patienteninformation bewertet werden?
- Wie bewerten die Nutzer die Patienteninformationen?

Vor diesem Hintergrund verfolgt die Bachelorarbeit folgende Ziele:

- Gesundheitspädagogische Bewertungskriterien für Patienteninformationen gibt es bis jetzt nur in geringem Maße. Demnach soll mit Hilfe dieser Arbeit das Spektrum von bereits bestehenden Qualitätskriterien um einen wichtigen Aspekt erweitert werden.
- Durch die Nutzertestungen sollen die Meinungen der Probanden über die Qualität der ausgewählten Patienteninformationen herausgefunden werden, was ein wichtiger Schritt ist, die Lücke des Einbezuges von Nutzerinnen und Nutzer zu schließen.
- Durch die Bewertung aus der Perspektive von Nutzerinnen und Nutzern kann positives und auch verbesserungswürdiges an den Patienteninformationen aufgezeigt werden. Dies könnte für die Ersteller der Patienteninformationen nützlich sein. Sie haben die Möglichkeit die Erkenntnisse in ihre weitere Arbeit mit einfließen zu lassen.

2 Methodisches Vorgehen

Fokusgruppen stellen eine qualitative Forschungsmetode dar, die hilfreich zur Ermittlung von Einstellungen und Ansichten mehrerer Personen ist. Für die vorliegende Arbeit ist sie die geeignete Methode, weil dadurch eine Bewertung von Patienteninformationen aus mehreren Blickwinkeln angestrebter Nutzerinnen und Nutzer stattfinden kann. Zur Strukturierung und Vergleichbarkeit der drei durchgeführten Fokusgruppen dient ein Leitfaden.

Die Gruppeninterviews werden transkribiert, um sie anschließend mit dem computergestützten Datenanalyseprogramm MAXQDA auszuwerten. Als Methode der Auswertung wird sich auf die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring gestützt.

3 Inhaltlicher Aufbau

Die Arbeit ist in fünf Kapitel unterteilt.

Nach der Einleitung folgen im zweiten Kapitel theoretische Hintergrundinformationen. Dabei werden zunächst themenrelevante Begriffe definiert bevor die heutige Wichtigkeit von Patienteninformationen aufgezeigt wird. Anschließend wird die Bedeutsamkeit von health literacy und die sich verändernde Patientinnen- und Patientenrolle auf Grundlage des shared decision making Modells beschrieben. Zur Erstellung der gesundheitspädagogischen Bewertungskriterien fand zuerst eine Literaturrecherche nach Bewertungsinstrumenten und Kriterienkatalogen zur Entwicklung von Patienteninformationen statt. Daraufhin folgt die Erklärung und Erstellung der relevanten Kriterien.

In Kapitel drei wird das methodische Vorgehen der Arbeit näher dargelegt: Beim Sampling (Stichprobe) für die Fokusgruppen wird der Auswahlvorgang der Fokusgruppen und die Durchführung der Nutzertestungen näher beleuchtet. Es werden die drei verwendeten Patienteninformationen zu Asthma bronchiale vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, der Nationalen VersorgungsLeitlinie und der Techniker Krankenkasse, deren Entstehung und Erhalt und die Begründung der Kapitelauswahl erläutert. Die Art der Datenerhebung und die Begründung der verwendeten Erhebungsinstrumente in den Fokusgruppen folgen. Den Abschluss dieses Kapitels bildet die Auswertung der Daten.

Kapitel vier befasst sich mit den Ergebnissen der Nutzertestungen. Unterteilt sind diese nach Angaben zu den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den Ergebnissen der Kurzfragebögen und der inhaltsanalytischen Auswertung, bevor die Ergebnisse der Fokusgruppen ausgearbeitet werden. Am Ende findet die Diskussion der Ergebnisse im Bezug zur vorhergehenden Theorie statt.

Das letzte Kapitel schließt mit einem Fazit und einem Ausblick ab.

II Theoretischer Hintergrund

1 Definitionen von Begrifflichkeiten

Zur Festlegung eines späteren Bewertungsmaßstabes werden die folgenden relevanten Variablen erläutert und definiert.

1.1 Evidenzbasiert

Laut dem Deutschen Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. (2008) drückt Evidenz, aus dem Lateinischen stammend, umgangssprachlich „Augenschein, Offenkundigkeit, völlige Klarheit“ aus. In Bezug auf evidenzbasierte Medizin (EbM) stammt der Begriff vom Englischen Wort evidence ab, was Nachweis, Beweis bedeutet. Evidenz steht für Informationen aus wissenschaftlichen Studien, die den Sachverhalt festigen oder widerlegen (Kuhlen et al 2005, 28f; Kunz et al 2000, 398). Eines der ersten Male taucht der Ausdruck evidenzbasierte Medizin, verwendet von Gordon Guyatt, im ACP Journal Club Anfang der neunziger Jahre auf (Kuhlen et al 2005, 29; Jähn 2004, 140). Nach David Sackett, einem der Pioniere der evidenzbasierten Medizin, lautet die Definition: „Evidence based medicine is the conscientious, explicit, and judicious use of current best evidence in making decisions about the care of individual patients. The practice of evidence based medicine means integrating individual clinical expertise with the best available external clinical evidence from systematic research” (Sackett et al 1996, 71). Nach Sänger et al (2006, 7) ist „eine Information […] dann evidenzbasiert, wenn Aussagen zu Untersuchungen und Behandlungsmöglichkeiten mit wissenschaftlichen Quellen belegt sind, welche zum Zeitpunkt der Erstellung die besten und aussagekräftigsten Daten zum betreffenden Problem beinhalten.“

Evidenzbasierte Medizin ist demnach das Zusammenfügen, Bewerten und für therapeutische und / oder diagnostische Entscheidungen nutzbar gemacht werden wissenschaftlicher Erkenntnisse. EbM stützt sich dabei auf drei Säulen: Die individuelle, klinische Expertise, auch interne Evidenz genannt, die beste verfügbare externe Evidenz, also den aktuellsten Stand der klinischen Forschung, und die Werte, Wünsche und Umstände des Patienten (Sackett et al 1996; Straus et al 2005). Sie erfordert alle drei Säulen, da nur so eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis ausgeschaltet werden kann, es möglich ist, die

unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten zu erkennen, und der Mensch als Ganzes betrachtet werden kann.

Umgesetzt wird die Evidenzbasierte Medizin in einem mehrstufigen Prozess (Jähn 2004, 141):

1. Formulierung einer deutlichen und bedeutsamen klinischen Frage
2. Recherche nach externer Evidenz, zum Beispiel mit Hilfe der Datenbank Cochrane Library (http://www.thecochranelibrary.com)
3. Kritische Überprüfung der recherchierten Literatur auf Relevanz und Validität (Abbildung 1)
4. Anwendung der Evidenz in individueller Situation in der Klinik unter Einbezug der Erwartungen des Patienten
5. Evaluation der Durchführung der Evidenzbasierten Medizin

Die Qualität der Evidenzlage kann an Hand der Hierarchie der Evidenzstufen festgemacht werden. Dies ist in Abbildung 1 genauer dargestellt. Je höher die Evidenzstufe ist, desto geringer ist das Risiko einer Ergebnisverzerrung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Hierarchie der Evidenz

(Quelle: Modifiziert nach Jähn 2004, 140; Oxford

Centre for Evidence-based Medicine 2009)

*= Randomisierte kontrollierte Studien

1.2 Patienteninformation

Es gibt einen vielseitigen Gebrauch des Begriffs der Patienteninformation, der sich mit den unterschiedlichen Aufgaben und Zielen differenziert. Anstelle des Ausdrucks Patienteninformation werden solche Informationen ebenfalls Gesundheitsinformation oder medizinische Laieninformation genannt (Sänger 2004, 8; Sänger et al 2006, 11). Auf Initiative des Bundesministeriums der Justiz und des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung wurden zwecks Transparenz die Rechte der Patienten in einem Papier mit dem Titel „Patientenrechte in Deutschland, Leitfaden für Patientinnen/Patienten und Ärztinnen/Ärzte“ von allen Beteiligten des Gesundheitswesens zusammengefasst und veröffentlicht. Ein Aspekt des Leitfadens ist das Recht der Menschen auf umfangreiche Informationen zu Krankheits- und Gesundheitsfragen, wie auch auf die nachvollziehbare Vermittlung dieser Information (Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium der Justiz 2007). Des Weiteren benötigen die Betroffenen Informationen und Wissen über die Versorgungsqualität, das Gesundheitswesen, verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, sozialrechtliche Gesichtspunkte und die Gesundheitspolitik. Dabei können sich die Informationen unter anderem auf Gesunderhaltung, Lebensstil, Früherkennung, Vermeidung, Diagnose, Krankheitsverständnis, Therapie, Krankheitsbewältigung, Nachsorge und Pflege beziehen (Klemperer et al 2010; Sänger et al 2006, 11). Sänger et al (2006, 11) definiert Patienteninformationen, genauer gesagt evidenzbasierte Patienteninformationen, wie folgt: „Evidenzbasierte Patienteninformationen beruhen auf objektiven und wissenschaftlich belegten Aussagen zu Erkrankungen und deren Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten. Sie berücksichtigen die zum Zeitpunkt der Erstellung vorhandenen besten und aussagekräftigsten Daten zu den untersuchten Themen und die Erfahrungen und Bedürfnisse betroffener Patienten. Evidenzbasierte Patienteninformationen müssen für Menschen ohne medizinische Vorbildung verständlich und relevant sein. Relevanz bedeutet, dass als ‘Erfolgsfaktoren‘ der Behandlung auch solche dargestellt werden, die für Patienten bedeutsam sind. Dies sind insbesondere die Lebenserwartung und die Lebensqualität.“ Demgemäß dienen Patienteninformationen als Grundlage, sich als betroffene Person an Kommunikations- und Entscheidungsprozessen mit zu beteiligen. Dabei sollen die Betroffenen mit Hilfe der Patienteninformation neben dem Verstehen einer Erkrankung, der Behandlung etc. genauso über Nutzen, Risiken und Nebenwirkungen, wie auch über unnötige und schädliche Schritte in Kenntnis gesetzt werden (Sänger 2004, 8f; Sänger et al 2006, 7). Im Kontext der Versorgungskette brauchen Betroffene und ggf. ihre Angehörigen verschiedene Arten von Informationen, die sich auf jeweils neu aufkommende Fragen beziehen. Eine genauere Darstellung erfolgt in Abbildung 2. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich dabei auf evidenzbasierte Patienteninformationen (in Abbildung 2 hervorgehoben) in schriftlicher Form.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Arten von Patienteninformationen im Kontext der Versorgungskette

(Quelle: Modifiziert nach Sänger et al 2006, 11)

1.3 Gesundheitspädagogik

Die ersten Überlegungen der Gesundheitspädagogik sind bereits in der Antike nachzuweisen. Bei Hippokrates (460-377 v. Chr.), wie auch bei Platon (427-347 v.Chr.) und Celsus (um 25 v.Chr. – 50 n. Chr.), waren die pädagogische Vorstellung eines durch Bildung bestimmten und die medizinische Lehre eines gesundheitsbewussten Lebens stark miteinander verbunden. In der Zeit standen Medizin und Pädagogik in Wechselwirkung miteinander und der Gesundheitsbildung wurde ein großer Stellenwert zugeschrieben (Henner 1998, 24; Zwick 2004, 35). Bei genauerer Auseinandersetzung mit dem Begriff der Gesundheitspädagogik kommt jedoch die Frage der Bedeutung von Gesundheit und von Pädagogik auf und wie die diese Begriffe im Zusammenhang zueinander stehen. Die Definition von Gesundheit gestaltet sich als vielfältig und ist somit nicht klar für den Bereich der Gesundheitspädagogik festzulegen. Nach Wulfhorst (2002, 23f) liegt jedoch den meisten Definitionsversuchen die Definition der WHO, „Gesundheit ist der Zustand völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheiten oder Behinderung“ (Weltgesundheitsorganisation 1998) zu Grunde und es existiert ein großteils kongruentes Ansehen darüber, „dass Gesundheit und Krankheit sich auf die verschiedenen Dimensionen der Wirklichkeit des Menschen und nicht nur auf den Körper beziehen“ (Wulfhorst 2002, 24).

Pädagogik kann als „Wissenschaft von der Erziehung des Menschen“ (Wulfhorst 2002, 24) oder auch als „das Nachdenken über die Erziehung, die Bildung, das Lehren und Lernen“ (Henner 1998, 20) verstanden werden. Beides sind für die Gesundheitspädagogik passende Definitionen. Ebenfalls hilfreich ist die Sichtweise, dass der Ausgangspunkt der Pädagogik ein Individuum ist, das sein Leben in einer konkreten Situation selbst gestaltet (Zwick 2004, 33). Der Zusammenhang von Gesundheit und Pädagogik kann durch Nachstehendes erläutert werden (Hörmann 1998, 115): Menschliches Verhalten spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des im Laufe der Zeit gewandelten Morbiditäts- und Mortalitätspanoramas, unter anderem durch die Abnahme von Infektionskrankheiten und den Anstieg chronischer Erkrankungen. Gesundheit ist ein Ergebnis eines Verhaltens, was in gewissem Maße zwar determiniert, jedoch auch veränderbar und lernbar ist. An diesem Punkt setzen die Pädagogik und die Psychologie an. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass Gesundheit durch entsprechendes hilfreiches Vorgehen gefördert und schließlich als pädagogischer Auftrag begriffen werden kann. Wichtig erscheint deswegen der Ansatz Henners (1998, 38ff), dass Gesundheit in Zukunft immer mehr aus pädagogischer und nicht nur aus medizinischer Sicht weitervermittelt werden soll. Demzufolge lässt sich auch eine wirkungsvolle Gesundheitsförderung mehr aus dem pädagogischen Bereich als aus der Medizin ableiten. Dazu, so Henners Forderung (1998, 42), „muss die Pädagogik allerdings zunächst selbst das Thema Gesundheit in seiner Erzieh-, Bild-, Lehr-, und Lernbarkeit zum Gegenstand ihrer Forschung werden lassen“, da die Pädagogik noch nicht so stark das Feld methodischen Handelns und der Schulungen für sich erkannt hat. An diesem Punkt kann und muss die Interdisziplinarität der Gesundheitspädagogik ansetzen und zwischen der Medizin und der Pädagogik vermitteln (Henner 1998, 42f).

Eine Theorie der Gesundheitspädagogik zu beschreiben, ist auf Grund einer nur zum Teil bestehenden grundlagenwissenschaftlichen Orientierung in der derzeitigen Situation nur diffus möglich (Unterhaslberger 2008, 1f). Es bestehen verschiedene Ansätze. Zwick (2004, 7ff) sieht die Gesundheitspädagogik als Teildisziplin der Erziehungswissenschaften, wobei dabei „die Frage nach einer Konstituierung der Gesundheitspädagogik als erziehungswissenschaftlicher Teildisziplin eng mit dem Selbstverständnis der Pädagogik als eigenständiger Wissenschaft verbunden ist“ (Zwick 2004, 7). Wulfhorst (2002, 33) versteht Gesundheitspädagogik als einen Dachbegriff für die existierenden Theorien, Konzeptionen, Modelle etc., die gesundheitsrelevantes Verhalten, gesundheitsrelevante Verhältnisse, die Förderung gesundheitsrelevanter Kompetenzen und die Vermittlung gesundheitsrelevanter Inhalte beeinflussen. Voraussetzung dafür ist eine wissenschaftliche Begründung der Ansätze. Wulfhorst (2002, 87) sieht diese Ansätze jedoch kritisch meistens als didaktische Konzeptionen, die häufig „ideologisch, zumindest aber rezeptologisch überlagert“ sind. Das Ziel aus pädagogischer Sicht ist die Ermöglichung selbstständigen und zielorientierten Handelns durch die Unterstützung und Förderung von Handlungs- und Verhaltenskompetenzen. Demnach sind besonders gesundheitsrelevante Einstellungs- und Verhaltensweisen anzugehen, wobei Erfolg darin nur durch Anknüpfung an Erfahrungen und Erlebnisse der Zielgruppe, unter Berücksichtigung kultureller und sozialer Einflüsse, erzielt werden kann (Gudjons 2006, 353). Daran knüpft die Gesundheitspädagogik wiederum an, da sie mit Hilfe ihrer Interdisziplinarität und mit pädagogischen Mitteln auf das Gesundheitsverhalten jedes Individuums oder auch einer Gruppe einwirken kann.

1.4 Nutzer

Die Auffassung von der Patientenrolle im Gesundheitswesen befindet sich im Verlauf der historischen Entwicklung in einem Wandel. Aus passiven Personen werden immer mehr informierte, autonome und mündige Individuen, beziehungsweise sollen es werden. Damit diese Personen den Anforderungen, Rechten und Pflichten der neuen Rolle gerecht werden können, brauchen und erwarten sie präzise, umfassende und differenzierte Informationen, Dienstleistungen und ein umfangreiches Leistungsspektrum (Bohle 2002; Wirtz 2005). Auf Grund der Rollenveränderung entsteht ebenfalls eine Modifikation des Patientenbegriffs. Patientinnen und Patienten werden stärker als Kunden, Klienten oder Nutzer gesehen und bezeichnet. Überdies können die Begriffe Adressaten oder Anwender, vor allem im Zusammenhang mit Informationsvermittlung und dem selbstständigen Erlangen von Informationen, verwendet werden. „Nutzer des Gesundheitswesens ist demnach jede Person, die Zugang zum System der gesundheitlichen Versorgung hat, unabhängig davon, ob dieser Zugang genutzt wird oder nur fakultativ besteht“ (Dierks et al 2003, 314). Im Gesundheitswesen nimmt der Mensch auf drei Ebenen Rollen ein, wobei er in der Lage ist, verschiedene Rollen gleichzeitig zu präsentieren:

Auf der Mikroebene ist der Mensch als akut oder chronisch Kranke oder Kranker präsent, die oder der eine bedarfsgerechte und wirkungsvolle Behandlung für seine Erkrankung sucht.

Auf der Mesoebene nimmt der Mensch die Rolle als Versicherte oder Versicherter ein, die oder der sich gegen das Krankheitsrisiko und die dadurch entstehenden Kosten schützen will bzw. muss.

Auf der Makroebene handelt der Mensch als Bürgerin oder Bürger, die oder der intakte Versorgungsstrukturen, gesundheitsförderliche Lebensbedingungen und Entscheidungspartizipation im Gesundheitswesen verlangt (Dierks et al 2003, 314ff).

Genauer werden die Rollen der Nutzerinnen und Nutzer im Gesundheitswesen in Abbildung 3 dargelegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Vom Patienten zum Bürger – Rollen der Nutzer des Gesundheitswesens

(Quelle: Modifiziert nach Dierks et al 2003, 314)

Die mit der Zeit entstandenen „alten“ und „neuen“ Rollendefinitionen bestehen in der Realität im deutschen Gesundheitssystem noch parallel und einige der geforderten neuen Rollen etablieren sich zum Teil nur langsam. Die aufweisende Gemeinsamkeit aller neuen Rollen ist Partizipation auf der Makro- und Mesoebene, wie auch die Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer in die Interaktion mit den Professionellen auf der Mikroebene (Dierks et al 2003, 320f).

2 Bedeutung von Patienteninformationen

Auch im heutigen Informationszeitalter sind Ärztinnen und Ärzte noch häufig eine der wichtigsten Quellen von Gesundheitsinformationen. Da die Patientenrolle aber mehr und mehr zu einer aktiven, verantwortlichen und informierten Rolle wird, aus Sicht der Betroffenen, wie auch aus Sicht des Gesundheitssystems, reichen den Patientinnen und Patienten die gegebenen Auskünfte oft nicht aus. Sie möchten weitere tiefergehende spezifische Informationen erhalten (Dierks et al 2009, 315ff; Klemperer et al 2005, 12ff; Schmid et al 2003). Dazu nutzen interessierte Personen als Quellen zunehmend das Internet, aber auch Familie und Bekannte, Krankenkassen und telefonische Auskunftsdienste. Vornehmlich sind es jedoch weiterhin Zeitschriften und Broschüren, wie im Gesundheitsmonitor 2004, einer regelmäßigen Befragung eines Querschnitts der Bevölkerung zu einem breiten Spektrum gesundheitspolitisch relevanter Themen, dargelegt wurde (Isfort et al 2004, 95). Knapp 50 Prozent der Befragten haben Interesse an Gesundheitsinformationen und versuchen viele Informationen zu erhalten. Diese sind für die Entscheidungsfindung von immer größer werdender Bedeutung, zum einen, um als Verbraucherin oder Verbraucher autonome Entscheidungen fällen zu können und zum anderen, um gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten im Sinne von shared decision making zu einem gemeinsamen Entschluss zu gelangen (Isfort et al 2004, 92ff). Als wichtige Grundlage, auf die sich Patienteninformationen beziehen und worauf sie aufbauen, dient das Konzept der ‚Health Literacy‘ und das ‚Shared Decision Making Modell‘. Daher werden diese beiden Punkte näher erörtert.

3 Health Literacy

Health literacy, im Deutschen häufig synonym mit Gesundheitskompetenz, Gesundheitsalphabetisierung, Gesundheitsbildung oder Kompetenz für gesundheitsförderliche Lebensführung verwendet, ist ein recht neues Forschungsfeld, in dem bis heute kein Konsens über eine einheitliche Begriffsdefinition besteht. In den Anfängen wurde health literacy verstanden als „…the ability to read and comprehend prescription bottles, appointment slips, and the other essential health-related materials required to successfully function as a patient” (Ad-Hoc Committee on Health Literacy for the Council of Scientific Affairs 1999, 552). Diese Definition konzentriert sich auf eine gute Compliance und die Basisfähigkeit, Gesundheitsinformationen und –angebote zu verstehen. Sie verfolgt den klinischen Ansatz. Diesem Paradigma steht die public health Perspektive gegenüber. Sie wurde erstmals von Don Nutbeam 1998 für die Weltgesundheitsorganisation formuliert: „Health literacy represents the cognitive and social skills which determine the motivation and ability of individuals to gain access, to understand and use information in ways which promote and maintain good health” (Nutbeam, 1998). 2000 überarbeitete er die Definition noch einmal und differenziert genauer, in Anlehnung an Freebody und Luke, zwischen drei Ebenen von literacy:

Funktionale Ebene: Grundlegende Fertigkeiten im Lesen und Schreiben.

Interaktive (kommunikative) Ebene: Fortgeschrittene kognitive, soziale, Lese- und Schreibfertigkeiten, die zu der aktiven Teilnahme am Leben, der Informationsbeschaffung und dem Informationsaustausch erforderlich sind.

Kritische Ebene: Fortgeschrittene kognitive, soziale, Lese- und Schreibfertigkeiten zur kritischen Analyse von Informationen und deren Nutzung zu einer verbesserten Lebensbewältigung.

Danach bedeutet health literacy mehr als die Fertigkeit Gesundheitsinformationen zu lesen. Sie impliziert aktives Handeln durch das Erlangen eines Wissensniveaus und persönlicher Kompetenzen, um mit Hilfe von Verhaltens- und Verhältnisänderungen die eigene Gesundheit wie auch die der Gemeinschaft zu verbessern (Weltgesundheitsorganisation 1998, 16). In steigender Reihenfolge führen die drei Ebenen folglich zu mehr Autonomie und Empowerment.

Aus Sicht der Gesundheitspädagogik ist die Definition von Abel und Bruhin adäquat, da sie health literacy mit einem breiteren Blickwinkel als bisher beschrieben betrachtet. Danach wird health literacy als „wissensbasierte, [soziale und kulturelle] Kompetenz für eine gesundheitsförderliche Lebensführung [verstanden]. (...) Dieses Wissen wird primär über Kultur, Bildung und Erziehung vermittelt bzw. weitergegeben. Zur wissensbasierten Gesundheitskompetenz gehört neben dem alltagspraktischen auch spezialisiertes Wissen, z.B. über individuelle und kollektive Gesundheitsrisiken oder über Massnahmen zur Verbesserung der gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen“ (Abel und Bruhin 2003, 129). Auch die Begriffsbestimmung von Kickbusch et al (2005, 10) berücksichtigt die Interdisziplinarität des Faches, wonach health literacy definiert ist als „(…) die Fähigkeit des Einzelnen, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken – zu Hause, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem, im Markt und auf politischer Ebene. Gesundheitskompetenz ermächtigt Personen zur Selbstbestimmung und zur Übernahme von Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit bezüglich ihrer Gesundheit. Sie verbessert die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen und Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen.“[1]

Zur sinnvollen und effektiven Umsetzung und Erlangung guter health literacy sollten unter anderem qualitativ hochwertige Patienteninformationen verwendet werden, die bestimmte Kriterien zu erfüllen haben. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass Patienteninformationen Verbraucherinnen und Verbraucher dazu auffordern, die oben beschriebenen Ebenen der Gesundheitskompetenz (funktionale, interaktive und kritische Ebene) anzuwenden. Dazu müssen die Informationen gelesen, interpretiert, analysiert, erfasst und umgesetzt werden (Sommerhalder et al 2007, 5). Somit ist zum Erstellen von Patienteninformationen health literacy unumgänglich und bildet einen Teil von deren Fundament.

4 Das Shared Decision Making Modell

Richtet sich der Blick auf die Art und Weise, wie in einer Behandler-Patient-Interaktion die medizinischen Behandlungsoptionen getroffen werden, wird in der Medizinsoziologie zwischen drei Konzepten unterschieden: Dem paternalistischen Modell, dem Shared Decision Making Modell (SDM), zu Deutsch partizipative Entscheidungsfindung, sowie dem Informationsmodell. Die Unterschiede der hierarchischen Strukturen im Kommunikationsprozess sowie der Informationsvermittlung sind genauer in Tabelle 1 dargestellt (Bergelt et al 2010; Eickholt 2006).

Tabelle 1: Modelle medizinischer Entscheidungsfindung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Bergelt et al 2010)

Im Folgenden wird genauer auf das Modell des Shared Decision Makings eingegangen, da evidenzbasierte Patienteninformationen darauf aufbauen.

Das Modell ist in den 90er Jahren, in Anlehnung an die patientenzentrierte Medizin, entwickelt worden. Die ursprüngliche Konzeption galt chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten und den verschiedenen Möglichkeiten sie zu therapieren. Mittlerweile haben sich die Anwendungsbereiche ausgeweitet auf die Aufklärung über mangelnde Erkenntnislage bei erwünschten und unerwünschten Wirkungen einer Therapie und auf nur teilweise gesicherte Behandlungsmethoden. Diese Ausweitung der Anwendungsbereiche stellt den Bezug zu Patienteninformationen heraus, da darin diese Bereiche thematisiert werden und die in Tabelle 1 genannten Kriterien erfüllt sein sollten. Das Modell der partizipativen Entscheidungsfindung wird definiert als „ein Interaktionsprozess mit dem Ziel, unter gleichberechtigter aktiver Beteiligung von Patient und Arzt auf Basis geteilter Informationen zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft zu kommen“ (Härter 2004, 91).

Als Kernelemente werden folgende Punkte formuliert:

- Der Entscheidungsfindungsprozess findet mindestens zwischen Ärztin / Arzt und Patientin / Patienten statt.
- Es erfolgt ein Informationsaustausch in beide Richtungen.
- Die Ärztin / der Arzt vermittelt alle relevanten medizinischen Informationen neutral und verständlich und klärt die Patientin oder den Patienten über Risiken und Erfolgschancen auf.
- Die Patientin / der Patient äußert persönliche Präferenzen, die im Prozess berücksichtigt werden (Bergelt et al 2010).

Somit nehmen beide Parteien eine Expertenrolle auf partnerschaftlicher Ebene ein und übernehmen geteilte Verantwortung im gesamten Prozess und für die Entscheidung. Beide Mitwirkende sind sich der Wahlmöglichkeiten bewusst. Des Weiteren wird der teilnehmenden Person im Shared Decision Making eine völlig veränderte Rolle im Vergleich zur paternalistisch zugewiesenen Rolle zugeschrieben. Sie ist mündig und informiert und somit optimalerweise in der Lage, Kritik, Bedenken und Präferenzen der Ärztin oder dem Arzt gegenüber zu äußern. Darüber hinaus ist sie sich über ihre Gefühle, Ziele und Einstellungen bewusst und weiß diese zu kommunizieren. Es werden also objektive wie auch subjektive Aspekte beachtet. Das sogenannte Equipoise-Statement nimmt in dem Interaktionsprozess zweierlei sehr bedeutsame Funktionen ein. Zum einen verdeutlicht es das Gleichgewicht zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient und zum anderen die Gleichwertigkeit der Behandlungsoptionen (Bergelt et al 2010; Eickholt 2006, 10 ff; Heesen et al 2006).

5 Evidenzbasierte Patienteninformationen aus gesundheitspädagogischer Sichtweise

Dieser Teil der Arbeit befasst sich mit der Herausarbeitung und Erklärung der Bewertungskriterien für Patienteninformationen aus gesundheitspädagogischer Sichtweise. Vor der Kriterienbeschreibung wird das Vorgehen der Literaturanalyse dazu aufgezeigt und die Bedeutung der Gesundheitspädagogik für Patienteninformationen erläutert.

5.1 Literaturanalyse

Die dokumentierte Literaturanalyse wurde durchgeführt, um Bewertungsinstrumente und Kriterien zur Bewertung und Entwicklung von Patienteninformationen zu identifizieren. Dabei wurde Schwerpunkt auf gesundheitspädagogische Kriterien gelegt. Zusätzlich fand eine Suche nach Internetseiten von Informationsdiensten statt, die in diesem Feld tätig sind.

5.1.1 Datenbankrecherche

Vom 23.03.2011 bis 28.03.2011 wurde eine Recherche in den Datenbanken The Cochrane Library, PubMed und FIS-Bildung durchgeführt. Dabei wurden folgende englische Begriffe in verschiedener Weise miteinander verknüpft: patient information, health information, consumer health information, a ssessment of quality, guideline appraisal, quality appraisal, checklist, information brochure, pamphlet, patient education, health education, evidence-based patient information, evidence-based health information. Als deutsche Schlagwörter wurden Patienteninformation, Gesundheitspädagogik und Gesundheitskompetenz verwendet. Des Weiteren wurde nach konkreten Autoren gesucht und es wurde Literatur verwendet, die in Literaturverzeichnissen bereits verwendeter Quellen enthalten war (genaue Literaturrecherche im Anhang: 1 Suchstrategie in Datenbanken).

Vorweg wurden zur Eingrenzung der Literatur Einschlusskriterien und Ausschlusskriterien definiert:

Einschlusskriterien:

- Die Literatur ist deutsch- oder englischsprachig.
- Die Publikation bezieht sich auf Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumente zur Bewertung bzw. Entwicklung von Patienteninformationen.

Ausschlusskriterien:

- Die Publikation liegt weder in deutscher noch englischer Sprache vor.
- Die Publikation ist nur unvollständig oder als Abstract vorhanden.
- Die Publikation bezieht sich inhaltlich nur auf Internetseiten und nicht auf Printmedien.
- Die Publikation beinhaltet Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumente zur Bewertung bzw. Entwicklung von Leitlinien.
- Die Publikation beinhaltet Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumente, die nur an spezielle Krankheiten anknüpfen und dadurch zu themenspezifisch sind.
- Die Publikation wurde mehrmals gefunden.

5.1.2 Internetrecherche

Neben der Datenbankrecherche fanden am 21.3.2011 und 22.3.2011 Internetrecherchen mit Hilfe der Suchmaschine Google statt. Dazu wurden ebenfalls Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt:

Einschlusskriterien:

- Die Internetseite ist deutsch- oder englischsprachig.
- Die Internetseite bezieht sich auf Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumente zur Bewertung bzw. Entwicklung von Patienteninformationen.

Ausschlusskriterien:

- Die Internetseite liegt weder in deutscher noch englischer Sprache vor.
- Die Internetseite bezieht sich inhaltlich nur auf Internetseiten und nicht auf Printmedien.
- Die Internetseite beinhaltet Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumente zur Bewertung bzw. Entwicklung von Leitlinien.
- Die Internetseite beinhaltet Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumente, die nur an spezielle Krankheiten anknüpfen und dadurch zu themenspezifisch sind.
- Die Internetseite wurde mehrmals gefunden.

Jedes Mal wurden die ersten 50 Suchergebnisse begutachtet, wobei folgende Suchbegriffe verwendet und kombiniert wurden: Patienteninformation, Patientenbroschüre, Bewertung, Qualitätskriterien, Kriterien, Qualität, Gesundheitsinformation, patient information, criteria, quality, appraisal, informed decision patient und health (genauer Suchablauf Anhang: 2 Suchstrategie im Internet).

5.1.3 Ergebnis der Recherche

Die Suche in den Datenbanken ergab 1082 Literaturstellen. Nach Durchsicht der Titel und Abstracts, unter Berücksichtigung der Ein- und Ausschlusskriterien, wurden 1043 Publikationen ausgeschlossen. Von den verbliebenen 39 Veröffentlichungen wurden schließlich 17 Publikationen zu Empfehlungen, Kriterien und/oder Instrumenten zur Bewertung bzw. Entwicklung von Patienteninformationen für die Erklärung und Zusammenstellung gesundheitspädagogischer Bewertungskriterien verwendet (Abbildung 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Ablaufdiagramm der Literaturrecherche

(Quelle: Eigene Abbildung)

Bei der Internetrecherche wurden 19 hilfreiche Webseiten erfasst. In Abbildung 5 ist der Suchablauf dargelegt. Die Ergebnisse erheben jedoch angesichts der Weitläufigkeit des Internets keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Eine Liste mit den eingeschlossenen Internetseiten befindet sich im Anhang (3 Internetseiten).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Ablaufdiagramm der Internetseitenrecherche

(Quelle: Eigene Abbildung)

5.2 Die Bedeutung der Gesundheitspädagogik

Das Verschieben des Krankheitsspektrums von Infektionskrankheiten und einer medizinischen Behandlung, mit der Aufmerksamkeit auf ursächlichen Zusammenhängen hin zu chronischen und sogenannten Zivilisationskrankheiten, unterstreicht die Bedeutung der gesundheitspädagogischen Sichtweise. Denn das expandierte Krankheitsspektrum erfordert eine weitere Sichtweise als nur die aus der klinischen Medizin. Ebenso sind die Fachgebiete der Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Sportwissenschaft, Ernährungswissenschaft und Pflegewissenschaft zu berücksichtigen (Hurrelmann et al 2006, 17f, 24). Die Gesundheitspädagogik verknüpft diese Disziplinen, baut somit auf einem interdisziplinären Konzept auf, und ist daher eine bedeutsame und für die Beurteilung von Patienteninformationen geeignete Fachrichtung. Sie orientiert sich primär an Prävention und Gesundheitsförderung, Ressourcen und Schutzfaktoren und nicht an krankmachenden Risikofaktoren. Eine Grundlage bildet die Salutogenese anstatt der Pathogenese. Ferner unterstützt sie Menschen durch Wissensvermittlung, unterstützt die Änderung der Einstellung und der Motivation und möchte den Menschen somit zu mehr Empowerment verhelfen, um ihre Gesundheit zu erhalten und zu verbessern. Hinzu versucht die Gesundheitspädagogik die Menschen so zu stärken, dass sie auf materielle und soziale Lebensbedingungen einwirken können, zum Beispiel im Rahmen von Gemeinwesen- oder Stadtteilarbeit, mit dem Ziel diese gesundheitsförderlicher zu gestalten. Die Fachrichtung der Gesundheitspädagogik setzt demnach am Verhalten und an den Verhältnissen an. Deren Ziele können nur durch den Einbezug persönlicher Lebensstile erreicht werden. Dazu ist es unabdingbar, dass sich Wissen und Können im Verhalten der angesprochenen Personen widerspiegeln, da nur so eine Wirkung der Gesundheitsbildung erzielt werden kann. Dazu wird versucht, den Menschen als gesamte Person mit einzubeziehen, indem alle seine Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt werden (Hoermann 2009, 22ff). Die Gesundheitspädagogik verfolgt diese Aspekte und stellt daher eine wichtige Grundlage für Bewertungskriterien von Patienteninformationen da.

5.3 Gesundheitspädagogische Bewertungskriterien für Patienteninformationen

Aus den in der Literaturanalyse identifizierten Quellen sind die in den nachstehenden Abschnitten beschriebenen gesundheitspädagogischen Bewertungskriterien für Patienteninformationen herausgearbeitet worden. Nicht noch einmal überprüft wurde die inhaltliche Richtigkeit der in den Informationen stehenden Aussagen, da zumindest zwei der drei ausgewählten Patienteninformationen für sich in Anspruch nehmen, ihre Broschüren unter bestverfügbaren evidenzbasierten Kriterien zu erstellen. Bei der Literaturrecherche sind etliche Instrumente und Kriterienkataloge zu inhaltlichen Kriterien gefunden worden, wobei der Umfang stark variierte. Die Darlegung der inhaltsüberprüfenden Kriterien hätte den Rahmen der Arbeit jedoch überschritten. Der Schwerpunkt liegt auf den gesundheitspädagogischen Bewertungskriterien, die die methodisch-didaktische Aufbereitung von Patienteninformationen beleuchten. Unterteilt sind die kommenden Kriterien in grundlegend und speziell.

5.3.1 Grundlegende Kriterien

Die grundlegenden Kriterien geben einen Überblick über die Basisvoraussetzungen für schriftliche Patienteninformationen aus gesundheitspädagogischer Sicht. Im Kommenden werden die einzelnen Bewertungskriterien näher beleuchtet.

Verfügbarkeit

Eine Grundvoraussetzung einer guten Patienteninformation ist die Verfügbarkeit. Sie sollte einem möglichst großen Leserkreis zugänglich sein. Die Möglichkeiten der Erhältlichkeit sind mittlerweile groß: Informationen können leicht über das Internet erhalten oder angefordert werden und schriftliches Material liegt an vielen Stellen, zum Beispiel in Arztpraxen oder bei Krankenkassen öffentlich aus. Dabei sind bereits bei der Erstellung der Information in Betracht auf die jeweilige Zielgruppe die Art und das Format zu beachten. Ein Broschüre für ältere Menschen sollte zum Beispiel nicht nur über das Internet zugänglich sein, da dieses Altersgruppe nicht unbedingt vertraut mit dem Computer ist und die Verfügbarkeit daran scheitern könnte (Shaddock 2002).

Zweck

Patienteninformationen sollten ihre konkrete Absicht und den Zweck ihrer Verwendung hinsichtlich der Zielgruppe gleich zu Beginn klarstellen. Ohne diese Informationen ist es für die Lesenden und auch das Fachpersonal schwierig herauszufinden, welches die jeweils geeignete Information ist. Der Zweck und das Ziel sind leicht unter Einsatz von aussagekräftigen Titeln und Titelbildern zu vermitteln. Auch eine adäquate Einleitung trägt zum Verständnis wichtiger Kernaussagen bei, so dass sich Interessierte schnell einen Überblick über die entsprechende Informationen verschaffen können (Coulter et al 1998, 53; London 2003, 157; Sänger et al 2004).

Umfang

Der Umfang von Patienteninformationen sollte möglichst an die Zielgruppe angepasst sein und nur so viele Informationen enthalten, wie die Adressaten bearbeiten, verstehen und anwenden können. Das Minimieren und Definieren der Lernziele und das gleichzeitige hervorheben der Kernelemente ist dabei einer der schwierigsten Parts im Entwicklungsprozess der Informationen. Einerseits sind keine wichtigen Informationen, wie zum Beispiel Risiken und Nebenwirkungen zu unterschlagen, andererseits sollte bei der Erstellung immer wieder überprüft werden, ob die gemachten Angaben für die Leserinnen und Leser essenziell sind. Nur so ist es möglich eine geeignete Information zu verfassen. Die Schwierigkeit der Anpassung an die Zielgruppe bleibt jedoch immer bestehen, besonders wenn ein breites Spektrum der Bevölkerung erreicht werden soll. In solch einer Lage sollte sich der Umfang einer Patienteninformation am Durchschnitt des Kenntnisstandes, des Verständnislevels und der Lesefähigkeit der Zielgruppe orientieren (Doak et al 1996, 77ff; London 2003, 149f).

Praktisch anwendbares Wissen

Ein weiteres wichtiges, allgemeines Kriterium für gute Patienteninformationen aus Sicht der Gesundheitspädagogik ist die Vermittlung von konkret anwendbarem Wissen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten anwendbares Wissen für die Praxis. Sie möchten Lösungsansätze und Ratschläge erhalten, die realistisch und greifbar sind und keine idealistischen Vorstellungen vermitteln. Es sollte nicht nur theoretisches Wissen vermittelt werden. Demnach sollte eine Patienteninformation handlungsorientiert ausgelegt sein, indem sie Abschnitte beinhaltet, die auf die Anliegen und Interessen der Betroffenen eingehen. Dieses Vorgehen kann die Kommunikation mit Gesundheitsdienstleistern, Familienangehörigen und Freunden verbessern (Siebert 1990, 55ff).

Verständlichkeit

Die Verständlichkeit stellt ein wichtiges, grundlegendes gesundheitspädagogisches Kriterium dar, ohne das keine Patienteninformation richtig genutzt werden kann. Langer, Schulz von Thun und Tausch (2011, 21) haben in unzähligen Forschungsreihen vier Merkmale der Verständlichkeit identifiziert: Einfachheit, Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz, anregende Zusätze. Nur durch die Berücksichtigung dieser Eigenschaften bei der Erstellung von Informationsmaterial können die Inhalte verständlich sein und in Folge dessen von Nutzerinnen und Nutzern kritisch begutachtet und hinterfragt werden. Bei der Einschätzung der Verständlichkeit kommt es nicht nur auf den Text, sondern ebenfalls auf die Zielgruppe an. Es ist ausschlaggebend, deren Fähig- und Fertigkeiten zu berücksichtigen. So sollten Patienteninformationen, die im Normalfall für die Allgemeinheit geschrieben sind, für jede Bürgerin und jeden Bürger unabhängig vom Bildungsgrad verständlich sein (Doak et al 1996, 73ff; Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung e.V. 2011, 34; International Patient Decision Aid Standards (IPDAS) Collaboartion 2005; Moult et al 2004; NHS Brand Guidelines2010; Sänger et al 2004).

5.3.2 Spezielle Kriterien

Der gesundheitspädagogische Ansatz sieht neben dem Ausrichten von Patienteninformationen nach grundlegenden Merkmalen einen weiteren Schwerpunkt bei Kriterien, die noch genauer auf die Art der Wissensvermittlung, die Methodik und Didaktik eingehen (Doak et al 1996, 73ff; London 2003, 148ff).

Lesbare Information

Die individuelle Gesundheitskompetenz (health literacy) gilt als eine der besten Prädiktoren des jeweiligen Gesundheitszustandes (Badarudeen et al 2010). Da literacy, die Lesefähigkeit, in engem Zusammenhang mit health literacy steht, quasi eine Voraussetzung dafür ist, besteht auch eine Verknüpfung zwischen der Lesefähigkeit und dem individuellen Gesundheitszustand. Dies zeigt sich unter anderem in der international durchgeführten Studie „Adult Literacy and Lifeskills Survey (ALL)“. Menschen mit geringeren Lesefähigkeiten erzielen zum Beispiel eine geringere Compliance mit den Gesundheitsdienstleistern, warten länger bis sie einen Arzt aufsuchen, werden schneller ins Krankenhaus eingewiesen, gehen seltener zu Screenings oder schildern einen schlechteren Gesundheitszustand (Doak et al 1996, 3f; National Center for Education Statistics 2005). Demzufolge ist es bedeutsam, Patienteninformationen an die Lesefähigkeiten der angesprochenen Personen anzupassen. Kurze Sätze und Absätze, klare, erklärende und neutrale Sprache, wenige Fremdwörter, einfach zu lesen und zu verstehen, ein aktiver Schreibstil und die Vermeidung von genderspezifischen Ausdrücken sind wichtige Merkmale einer gute Patienteninformation und wirken motivierend auf die Ratsuchenden (Angela et al 2001; Castro et al 2007; Charvet-Berard et al 2008; Doak et al 1996, 28, 78f; Moult et al 2004; London 2003, 155; Patient Information Forum 2011; Steckelberg et al 2005; Vahabi et al 1995; Wizowski 2008; 84f).

Zur Überprüfung und Bewertung der Lesbarkeit von schriftlichen Informationen existieren verschiedene Lesbarkeitsformeln. Mit am häufigsten werden die Flesch Formel, Fry, Gunning Fog Index und SMOG angewandt (Badarudeen et al 2010; Doak et al 1996, 41ff; London 2003, 155; Vahabi et al 1995; Wizowski 2008; 103). Diese helfen den Lesbarkeitsgrad zu messen, indem sie, jeweils in unterschiedlicher Art und Weise, die Silben-, Wörter- und Satzlängen bestimmen und auswerten. Nicht berücksichtigt werden dabei das Format, der Inhalt und der Umfang der Texte sowie die Komplexität des Inhaltes (Angela et al 2001; Doak et al 1996, 2ff, London 2003, 175ff).

Patienteninformationen sollten einen Lesbarkeitsgrad von fünf, was dem Level einer zehn- bis elfjährigen Person entspricht, nicht überschreiten (London 2003, 155; Vahabi et al 1995). Dies ist auch für Menschen mit einer besseren Lesefähigkeit von Vorteil. Durch das leichtere Verstehen ist ihre Motivation zum Lesen höher und sie benötigen weniger Zeit dafür (Doak et al 1996, 7).

Lernstimulation

Neue Informationen werden am besten gelernt, indem sie mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft und assoziiert werden können, vorausgesetzt sie entsprechen der Logik, der Sprache und den Erfahrungen der jeweiligen Person (Doak et al 1996, 64ff). Zur Unterstützung des Lernprozesses gibt es drei Elemente, die die Informationen beinhalten bzw. umsetzen sollten.

Zum einen sollten Verhaltensweisen vorhanden sein, genau beschrieben werden und bestenfalls durch Beispiele und konkrete Tipps veranschaulicht werden. Dabei sind Einschätzungen wie lange etwas dauern wird (Zeit), Annahmen was auf dem Weg zum Ziel zu erwarten ist (Antizipation) und Hinweise darauf, wenn etwas nicht wie erwartet verläuft (Misslingen) die maßgeblichen Elemente. Denn der Mensch lernt besser unter Einsatz von konkreten Fragestellungen und der Beobachtung von Dingen. Generalisationen und Abstraktionen hingegen können häufig nicht in Bezug mit den Informationen gebracht werden (London 2003, 157f).

Als zweites ist der Einbezug der Lesenden mittels Interaktion hilfreich. Die Aktivierung sollte durch interaktive Elemente im Text und den Abbildungen geschehen. Dies führt zu einem besseren Verständnis und weiterem Auseinandersetzen mit den Inhalten der Information. Beispielsweise wirken Zusammenfassungen und Wiederholungen, Checklisten oder freier Platz zum Aufschreiben eigener Notizen und Fragen lernunterstützend, begünstigen die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema und steigern die Wahrscheinlichkeit des Verstehens der Inhalte (Coulter 1998, 35; Doak et al 1996, 64f; Köpke et al 2005; London 2003, 157; Moult et al 2004; Mühlhauser et al 2008; National Health and Medical Research Council 1999, 38f).

Als drittes und letztes Element steht die Motivation. Personen sind zum Lesen motiviert, wenn sie der Auffassung sind, nach der Auseinandersetzung mit der Information eine Wissens- und/oder Fertigkeitserweiterung erlangt zu haben. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung wird dadurch gefördert. Dies kann nur durch ein Zusammenspiel von Wollen (Motivation) und Können (Wissen), die die Grundlage für selbstorganisiertes Lernen bilden, erreicht werden. Das Können vermag größtenteils nur durch entsprechende motivationale Beweggründe angeregt werden. Eine gesteigerte Aufmerksamkeit und dadurch entstehendes besseres Verstehen und Behalten können durch situationales Interesse, zum Beispiel durch interessante, ansprechende Darstellungen oder Bilder unterstützt werden (Lenzner 2009, 39ff). In Patienteninformationen sollten folglich aktivierende und anregende Elemente wie interaktive Aufgaben, auffällige und interessante Überschriften oder Checklisten enthalten sein, um die Leserinnen und Leser zu motivieren.

Visuelle Darstellungen

Einfach strukturierte Abbildungen, Grafiken und Bilder tragen zur besseren Verständlichkeit und Erinnerungsfähigkeit von Inhalten und der Einhaltung von Empfehlungen in Patienteninformationen bei, da sie visualisiert werden und sich das Gelesene demnach besser einprägt (Katz et al 2006). Für Illustrationen sollten vereinfachte und klare Zeichnungen, vorzugsweise Strichzeichnungen, verwendet werden, da Fotos viele Details enthalten, die leicht ablenken können und deren Bedeutung oft schwieriger nachvollziehbar ist. Visuelle Darstellungen sollten immer in Verbindung mit den Texten stehen, indem sie die Kernpunkte widerspiegeln und so eine lernförderliche Wirkung zu erzielen. Abbildungsbeschriftungen verdeutlichen, worum es in den Tabellen, Grafiken Bildern geht. Schon das Titelbild einer Patientenbroschüre kann das Interesse wecken und Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn es den Zweck der Information verdeutlicht (Castro et al 2007; Clerehan et al 2005; Doak 1996, 91ff; Köpke et al 2005; London 2003, 156; Mühlhauser et al 2008; Vahabi et al 1995). Demnach ist es unumgänglich, dass gute Patienteninformationen aus Sicht der Gesundheitspädagogik mit entsprechenden Bildern, Zeichnungen, Grafiken und Tabellen zu versehen sind.

Lernunterstützendes Layout

Es liegen viele Empfehlungen und Instruktionen für das Layout von schriftlichen Patienteninformationen vor. Aus gesundheitspädagogischer Perspektive sind dabei besonders die lernunterstützenden Aspekte zu berücksichtigen, wodurch das Interesse der Leserinnen und Leser geweckt werden soll, die Information zu lesen. Als Grundvoraussetzung hat diese eine klare Struktur aufzuweisen, so dass durchgängig ein roter Faden zu erkennen ist. Dafür sollte sie ein Inhaltsverzeichnis enthalten, das den Interessierten einen Überblick über die verschiedenen Themen gibt. Eine Zusammenfassung zeigt, ob alle wichtigen Inhalte abgehandelt werden, verbessert die Klarheit der Lesenden und hilft ihnen, sich an die wichtigsten Punkte zu erinnern. Der Text sollte kurze, klare Überschriften haben, die wie aus Sicht der Lesenden formuliert sind. Als besonders passend erscheint hier die Frageform (Clerehan et al 2005; Bernier 1993; Doak 1996, 83f; Koch et al 2008, 9; Köpke et al 2005; Mühlhauser et al 2008; NHS Brand Guidelines 2010; London 2003, 156f;).

[...]


[1] Originaldefinition auf Englisch; Deutsche Übersetzung vom Bundesamt für Gesundheit (Schweiz), April 2006

Fin de l'extrait de 166 pages

Résumé des informations

Titre
Evidenzbasierte Patienteninformationen zu Asthma bronchiale
Sous-titre
Bewertung aus der Perspektive der Gesundheitspädagogik und der angestrebten Nutzer
Université
University of Education Freiburg im Breisgau  (Institut für Alltagskultur, Bewegung und Gesundheit)
Cours
Gesundheitspädagogik
Note
1,0
Auteurs
Année
2011
Pages
166
N° de catalogue
V190726
ISBN (ebook)
9783656177364
ISBN (Livre)
9783656177524
Taille d'un fichier
2841 KB
Langue
allemand
Mots clés
Evidenzbasiert, Patienteninformation, Asthma, Gesundheitspädagogik, Nutzer
Citation du texte
Lara Weber (Auteur)Marie-Luise Dierks (Éditeur de série)Gabriele Seidel (Éditeur de série), 2011, Evidenzbasierte Patienteninformationen zu Asthma bronchiale, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190726

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