Forensische Psychiatrie wird in der Öffentlichkeit wie kaum ein anderes Arbeitsgebiet besonders
heftig diskutiert. Die objektive Beurteilung wird durch eine emotionale Betroffenheit
erschwert. Die auf Sensationen ausgerichteten Medien fordern immer lauter ein Ausbleiben
von Toleranz für die Verurteilung von psychisch kranken Straftätern. Vergessen wird oftmals,
dass diese Täter meist selbst eine lange Zeit voller Pein und Elend erlitten haben, und somit
selbst Opfer waren. Doch passt in diesem Satz die Vergangenheitsform? Hört ihr Opferdasein
genau dann auf, wenn sie zum Täter werden? Die öffentliche Meinung macht sich darüber
womöglich wenig Gedanken und vergisst dabei auch, dass diese Personengruppe aufgrund
ihrer Erkrankung als schuldunfähig gesehen werden muss. Schuldunfähigkeit würde Freiheit
bedeuten, und Freiheit induziert keine Unterbringung. Aus diesem Grund fügt der Gesetzgeber
als Voraussetzung für die Anordnung einer Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt hinzu, dass diesem Täter diese Freiheit nicht zugesprochen
werden darf, sofern von ihm in Folge seiner Erkrankung weitere erhebliche
rechtwidrige Taten zu erwarten sind. Erst, wenn „erwartet werden kann, dass der Untergebrachte
keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.“ (§ 67d Abs. 2 StGB), wird ihm seine
offizielle Schuldunfähigkeit auch im vollen Umfang gewährt. Die Unterbringung in einer solchen
Vollzugsform ist damit mehr Behandlung als Bestrafung, ist damit mehr Verbesserung
der Kriminalprognose als einfaches Wegsperren und damit in jedem Fall mehr als das, was
die öffentliche oder auch politische Meinung fordert.
Der Therapie im Maßregelvollzug wird daher ein hohes Maß an Verantwortung übertragen.
D. W. Winnicott (1956) formulierte einmal: „Die antisoziale Tendenz ist ein Hinweis auf
Hoffnung.“. Die Arbeit in der Forensik muss wertschätzend versuchen, diese Hoffnung weiter
auszubauen und die antisoziale Tendenz umzukehren. Die Arbeit mit dem mehrfach schwer
geschädigten Patientenklientel kann nur erfolgreich sein, wenn ein umfangreiches Methodenarsenal
verwendet wird. Das multiprofessionelle Team muss sich aus möglichst vielen
Berufsgruppen zusammensetzen, die das Ziel verbindet, dem Menschen einen umfassenden
Entwicklungsspielraum zu offerieren. Zu diesem breiten Spektrum von therapeutischen Verfahren
zählt auch die pädagogische Therapie in Form von Bildungsangeboten während der
Unterbringungszeit. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Forensik - Was ist das?
- Zur Geschichte der Forensik und des Maßregelns
- Rechtliche Grundlagen
- Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
- Zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
- Ein Überblick über die aktuelle Situation im Maßregelvollzug
- Das Bild der Forensik in der Öffentlichkeit
- Organisatorische und bauliche Voraussetzungen
- Das Klientel des psychiatrischen Maßregelvollzuges
- Das Behandlungsteam
- Die Behandlung im Maßregelvollzug
- Der therapeutische Verlauf einer Maßregelvollzugsbehandlung
- Ein kurzer Exkurs zur Verdeutlichung des Stufenplankonzepts
- Die drei grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten: Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie
- Kriminalität: Abweichendes Verhalten als Reaktion auf Bildungsmangel
- Formulierung der Fragestellung vor dem Hintergrund der theoretischen Diskussion
- Methodik der empirischen Untersuchung
- Planung und Vorgehensweise
- Studiendesign
- Erhebungsinstrument Fragebogen
- Datenerhebung
- Datenauswertung
- Ergebnisse der Datenerhebung
- Geschlecht, Alter und Staatsangehörigkeit
- Lese-Rechtschreibschwäche
- Schulische Vorbildung
- Berufliche Bildung
- Bildungswünsche
- Erlebnisse mit Mitschülern und Einstellung gegenüber Lehrern
- Einflussnahme von Familie, Freunden und sonstigen Bezugspersonen auf das Lernverhalten
- Hypothesenüberprüfung und Zusammenfassung der Ergebnisse
- Eine kritische Reflexion der empirischen Untersuchung
- Implikation für die Praxis: Die aktuelle Situation der pädagogischen Therapie in der Forensik in Sachsen
- Die rechtliche Situation der Pädagogik in der Forensik
- Eine Ist-Analyse der pädagogischen Angebote in Sachsen
- Eine Handlungsempfehlung für den pädagogischen Sektor der sächsischen Maßregelvollzugsbehandlung
- Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit dem Themenfeld der pädagogischen Therapie im Maßregelvollzug. Ziel der Arbeit ist es, einen differenzierten Blick auf den schulischen und beruflichen Werdegang von psychisch kranken Straftätern in Sachsen zu werfen und die Möglichkeiten und Grenzen der pädagogischen Betreuung in diesem Kontext zu beleuchten.
- Der schulische und berufliche Werdegang von psychisch kranken Straftätern
- Die Rolle der Bildung im Zusammenhang mit Kriminalität
- Die rechtlichen Rahmenbedingungen der pädagogischen Therapie im Maßregelvollzug
- Die aktuellen Angebote und Herausforderungen der pädagogischen Betreuung in der Forensik
- Handlungsempfehlungen für die Optimierung der pädagogischen Therapie im Maßregelvollzug
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in die Thematik der Forensik und des Maßregelns. Dabei werden die historische Entwicklung, die rechtlichen Grundlagen sowie die aktuelle Situation im Maßregelvollzug beleuchtet. Insbesondere wird auf das Klientel, die Behandlungsteams und die verschiedenen Therapieformen eingegangen.
Im Anschluss wird die Frage nach der Verbindung zwischen Kriminalität und Bildungsmangel untersucht. Die Relevanz von Bildung im Hinblick auf die Prävention von Kriminalität wird erörtert und die Bedeutung von Bildungsinhalten im Maßregelvollzug herausgestellt.
Die Methodik der empirischen Untersuchung wird detailliert dargestellt. Dabei wird auf die Planung und Durchführung der Datenerhebung und -auswertung eingegangen.
Die Ergebnisse der Datenerhebung werden in den folgenden Kapiteln präsentiert. Schwerpunkte sind die schulische Vorbildung, die berufliche Bildung, die Bildungswünsche und die Erfahrungen mit Mitschülern und Lehrern der befragten Personen.
Die Ergebnisse werden im Anschluss in Bezug auf die formulierten Hypothesen diskutiert und zusammengefasst. Abschließend erfolgt eine kritische Reflexion der empirischen Untersuchung.
Die Arbeit endet mit einem Kapitel, das die Implikationen für die Praxis beleuchtet. Die rechtliche Situation der Pädagogik in der Forensik wird dargestellt, die aktuellen pädagogischen Angebote in Sachsen werden analysiert und Handlungsempfehlungen für die Verbesserung der pädagogischen Therapie im sächsischen Maßregelvollzug formuliert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Forensik, Maßregelvollzug, pädagogische Therapie, Kriminalität, Bildungsmangel, Schulische Vorbildung, Berufliche Bildung und Handlungsempfehlungen im Kontext der psychisch kranken Straftäter in Sachsen.
- Quote paper
- Oliver Zetsche (Author), 2011, Pädagogische Therapie in der Forensik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191418