Arbeitnehmerüberlassung durch Wohlfahrtsverbände. Ist Gemeinnützigkeit drin, wo Gemeinnützigkeit drauf steht?


Hausarbeit, 2012

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Präsenz des Themas

2 Begriffsbestimmungen und Grundlagendefinitionen
2.1 Arbeitnehmerüberlassung
2.2 Leiharbeitnehmer
2.3 Verleiher
2.4 Entleiher

3 Arbeitnehmerüberlassung und spezifische Schutzbedürftigkeit
3.1 Rahmenbedingungen einer Arbeitnehmerüberlassung
3.2 Spezifische Schutzbedürftigkeit

4 Entstehung und Entwicklung des AÜG
4.1 Geschichtliche Entwicklungen des AÜG
4.2 Gemeinnützige Organisationen im Anwendungsbereich des AÜG

5 Das AÜG a.F. in der Praxis- Chance oder Missbrauch?
5.1 Gewerbliche Organisationen und Leiharbeit
5.2 Gemeinnützige Organisationen und Leiharbeit

6 Inhalte und Auswirkungen der aktuellen Gesetzesreform
6.1 Erlaubnispflicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit
6.2 Erlaubnispflicht im Rahmen einer vorübergehenden Überlassung
6.3 Erlaubnispflicht im Rahmen einer gelegentlichen Überlassung
6.4 Versagung einer Arbeitnehmerüberlassung
6.5 Das neue AÜG und gemeinnützige Organisationen

7 Fazit und Ausblick

8 Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Modell der Arbeitnehmerüberlassung (eigene Darstellung)

Arbeitnehmerüberlassung durch Wohlfahrtsverbände ist Gemeinnützigkeit drin, wo Gemeinnützigkeit drauf steht?

Soweit dies möglich ist, werden in der folgenden Arbeit geschlechts neutrale Formulierungen verwendet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird teilweise nur eine männliche Formulierung gewählt. Falls nicht ausdrücklich anders angegeben, beziehen sich also alle Aussagen und Beschreibungen sowohl auf weibliche als auch auf männliche Personen.

1 Präsenz des Themas

Das arbeitsmarktpolitische Modell der Arbeitnehmerüberlassung steht zunehmend im Mittelpunkt arbeitsrechtlicher, politischer und sozialer Diskussionen - vor allem wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Leiharbeitnehmern, welche auch in der Karika- tur in Abbildung 1 thematisiert wird. Die vorliegende Arbeit knüpft genau an diese Dis- kussion an und untersucht den unternehmerischen Umgang mit dem arbeitsmarktpoliti- schen Instrument der Arbeitnehmerüberlassung und der sich daraus ergebenden Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer. Stellvertretend für viele aktuelle Debatten um angeblich vorherrschende Skandale im Zusammenhang mit Leiharbeit, stehen fol- gende Aussagen:

„In der ARD-Sendung „Anne Will“ sagte [Frau]von der Leyen, bei Schlecker müsse man „sehr genau hinschauen“, ob gegen Vorschriften zur Leiharbeit verstoßen werde. „Wenn das der Fall ist, werden wir diese Schlupflöcher schließen.“ Sie betonte zugleich, bereits jetzt gebe es Mechanismen, um einen Missbrauch der Regelungen zur Zeitarbeit zu verhin- dern. So müsse jede Leiharbeitsfirma von der Bundesagentur für Arbeit eine Lizenz erhal- ten“ (Focus online 2010a).

„Seit fast sechs Jahren betreibt der Caritas-Verein Altenoythe dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung, seit gut zwei Jahren wird dies unter anderem auch auf Grund der öffentlichen Kritik des Betriebsrates der vereinseigenen Leiharbeitsfirma sowie der Gewerkschaft ver.di öffentlich bemerkt. Die Aufmerksamkeit für die Arbeitnehmerüberlassung beim Caritas Verein spitzte sich aus Anlass eines Gerichtsverfahrens beim Oldenburger Arbeitsgericht zu. Mehrere Angestellte der Leiharbeitsfirma hatten mit Unterstützung von ver.di auf Beschäftigung beim Caritas-Verein geklagt, waren damit aber bei den Oldenburger Richtern und damit in erster Instanz gescheitert“ (Möhring-Hesse 2010, 1).

Insgesamt ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern für viele Unternehmen ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Instrument geworden, um flexibel auf Nachfragespitzen oder Auftragsflauten reagieren zu können. Das Modell Arbeitnehmerüberlassung ist für die Dynamik des Arbeitsmarktes von wesentlicher Bedeutung geworden, denn es bietet vor allem arbeitslosen Bürgern eine Chance auf ein sozial abgesichertes Beschäfti- gungsverhältnis: Auch eine Arbeitnehmerüberlassung verschafft in der Regel volle sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und gibt Perspektiven. Ein Großteil der Leiharbeitnehmer wechselt anschließend in ein, wenn auch nur mittelfristiges, aber dennoch festes Arbeitsverhältnis (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2010, Seigis 2011, 4). Am Modell der Arbeitnehmerüberlassung bedienen sich mittlerweile nahezu alle Branchen - von Banken, Handwerks- und Handelsunternehmen über medizinische und soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Altenheime (Spiegel online 2010, Meurer 2011, 38). So kam es, dass derzeit in Deutschland mehr als eine Million Leiharbeitnehmer beschäftigt sind. Zwischen 2003 und 2008 war fast jedes zehnte neu entstandene sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis ein Leiharbeitsverhältnis (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2010, Bundesregierung 2011a, 1). Bei der öffentlichen Diskussion um die Frage “Arbeitnehmerüberlassung - Chance oder Missbrauch“ wird häufig kritisch auf die Motive sowohl der Verleiher als auch der Entleiher von Arbeitnehmern geschaut. Es scheint, dass dieses arbeitsmarktpolitische Instrument zunehmend auch genutzt wird, um Personalkosten in Form von Lohn- und Gehaltskosten zu senken. Neben gewerblichen Unternehmen sehen sich aus diversen Gründen verstärkt auch gemeinnützige Organisationen dazu gezwungen, Personalkosten zu senken. Viele sozialwirtschaftliche Träger, wie kirchliche Pflegeeinrichtungen oder große Wohlfahrtsverbände, bedienen sich aus diesem Grund der Arbeitnehmerüberlassung, obgleich von den Akteuren immer wieder betont wird, dass es sich dabei um Einzelfälle handle. Jedoch ist insbesondere bei den großen Wohlfahrtsverbänden eine Zunahme der Einzelfälle sowie eine verstärkte sozialpolitische Debatte darüber zu beobachten (unter anderem Bundesregierung 2011a, Deutscher Gewerkschaftsbund 2010, Focus online 2010a+b, Spiegel online 2010). So betreibt beispielsweise der Caritas-Verein Altenoythe e.V. bereits seit 2005 die Dienstleistungsgesellschaft CVA-D GmbH mit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, welche im Rahmen einer dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung in der Behindertenhilfe eingesetzt werden - zu Bedingungen weit unterhalb der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes e.V. (Möhring-Hesse 2010).

Leiharbeitnehmer im Sinne einer Arbeitnehmerüberlassung leisten ihre Arbeit an unter- schiedlichen Orten und Betrieben, was ein hohes Maß an Flexibilität und Bereitschaft, sich schnell neuen Gegebenheiten anzupassen, erfordert. Aufgrund dieser besonderen Anforderungen entsteht eine spezifische Schutzbedürftigkeit der Leiharbeitnehmer im Vergleich zu festangestellten Mitarbeitern (Bundesagentur für Arbeit 2011, 6). Das Ar- beitnehmerüberlassungsgesetz - im Folgenden AÜG genannt- regelt dabei die not- wendigen Rahmenbedingungen. Dennoch sind in der Praxis verschiedene Fälle des “missbräuchlichen“ Einsatzes bekannt geworden, welche mit dem AÜG und allein mit tarifvertraglichen Regelungen nicht zu unterbinden waren. Vor diesem Hintergrund, aber auch insbesondere durch die Anforderungen der europäischen Leiharbeitsrichtli- nie bzgl. des Schutzes von Leiharbeitnehmern, reagierte der deutsche Gesetzgeber im letzten Jahr mit einer Gesetzesreform (Deutscher Bundestag 2010a, 7, Hamann 2011).

Konzerninterne Personalführungsgesellschaften, Unternehmen der öffentlichen Hand und gemeinnützige Organisationen - die ihre Arbeitnehmer auf Selbstkostenbasis überlassen - konnten dies bis zum 30. November 2011 ohne Erlaubnis tun (z. B. Per- sonalgestellungen gemäß §§ 4 Abs. 3 TVöD und TV-L). Künftig ist jedoch jede Arbeit- nehmerüberlassung, auch für jene Organisationen, nur mit Erlaubnis, darüber hinaus auch nur gelegentlich und vorübergehend, als auch zu denselben Konditionen wie Festangestellte, möglich (Hamann 2011, 4). Bis zur aktuellen Gesetzesreform waren frei-gemeinnützige Träger, die in der Sozialwirtschaft im Auftrag des Staates an der ge- sellschaftlichen Problemlösung beteiligt sind, in der Regel vom Geltungsbereich des AÜG ausgenommen - was ihnen im Vergleich zu gewerblichen Unternehmen einen Vorteil im Bezug auf ihr arbeitsmarktpolitisches Agieren einräumte (ebd., 5).

Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit genau auf diese Akteure ein beson- derer Fokus gelegt. Es wird der Frage nachgegangen, ob auf der Grundlage des bishe- rigen AÜG alte Fassung (fortan a.F.) von gemeinnützigen Akteuren - allen voran die großen Wohlfahrtsverbände - Arbeitnehmerüberlassung als arbeitsmarktpolitisches Modell “missbraucht“ oder lediglich als legales Instrument zur Wirtschaftlichkeitssteige- rung entsprechend genutzt wurde. Untersucht werden soll, ob das Modell der Arbeit- nehmerüberlassung und dessen Anwendung im Dritten Sektor zum einen mit den ge- setzlichem Zieldefinitionen und zum anderen mit den Leitbildern der jeweiligen gemein- nützigen Institutionen kompatibel ist. Des Weiteren soll die Frage beantwortet werden, ob in der letzten AÜG-Reform gemeinnützige Organisationen ganz bewusst in den Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgenommen wurden und damit willentlich nicht mehr privilegiert werden sollen oder ob der Gesetzgeber diese nur “vergessen“ hat und keinen Handlungsbedarf für eine auch in Zukunft bestehende “Ausnahmeregelung gemeinnütziger Arbeitnehmerüberlassungen“ sah.

Um der oben aufgeführten Fragestellung gerecht zu werden, ist die vorliegende Arbeit wie folgt strukturiert: Nachdem im ersten Kapital die Problemstellung und dessen Prä- senz thematisiert wurde, werden im zweiten Kapitel grundlegende Begrifflichkeiten de- finiert. Anschießend wird in Kapitel drei neben dem Modell der Arbeitnehmerüberlas- sung, die spezifische Schutzbedürftigkeit der Leiharbeiter zur Erläuterung des Hinter- grunds des Gesetzes thematisiert. Darauf folgend wird in Kapitel vier die Entstehung und Entwicklung des AÜG mit Bezug auf die Regelung gewerbsmäßiger und nicht-ge- werbsmäßiger (wirtschaftlicher) Arbeitnehmerüberlassung kurz umrissen, um seine An- wendung auf gemeinnützige Organisationen zu klären. Bevor in Kapitel sechs auf die aktuellsten Änderungen des AÜG und ihre Auswirkungen auf die Praxis gemeinnütziger Organisationen eingegangen wird, wird zunächst in Kapitel fünf beschrieben, wie unterschiedlich das bis dahin geltende AÜG teilweise “missbräuchlich“ interpretiert wurde. Dazu werden sowohl Beispiele aus der Wirtschaft als auch aus dem Dritten Sektor herangezogen. Abschließend wird versucht, unter Berücksichtigung von Stellungnahmen verschiedener gemeinnütziger Organisationen und unter Berücksichtigung der Herausforderungen in der Sozialwirtschaft, zukünftige Auswirkungen und Handlungsanweisungen zu skizzieren.

2 Begriffsbestimmungen und Grundlagendefinitionen

Im folgenden Kapitel werden Grundbegriffe und Definitionen, die im Kontext zum AÜG stehen, erläutert. Darüber hinaus soll kurz auf das Modell Arbeitnehmerüberlassung und seine Charakteristika eingegangen werden. Sowohl in der Fachliteratur als auch umgangssprachlich werden unterschiedliche Termini wie Zeitarbeit, Leiharbeit, Mitar- beiterüberlassung oder auch Personalgestellung synonym verwendet. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden diese Begriffe in dieser Arbeit einheitlich mit Leiharbeit bzw. Arbeitnehmerüberlassung beschrieben. Selbiges gilt für die Begrifflichkeit Leihar- beitnehmer, welche in dieser Ausarbeitung synonym für Zeitarbeiter, Leiharbeiter oder überlassener Arbeitnehmer genutzt wird.

2.1 Arbeitnehmerüberlassung

Bei der Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich um eine Form des drittbezogenen Personaleinsatzes, infolgedessen ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Zwecke der Arbeitsleistung einem Dritten überlässt. Bei der Arbeitnehmerüberlassung wird ein Ar- beitnehmer - der Leiharbeitnehmer - von seinem Arbeitgeber - dem Verleiher - zur Erbringung einer Arbeitsleistung an einen Dritten, einem Kunden - dem so genannten Entleiher - überlassen. Aus einer Zweierbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeit- nehmer entsteht so eine Dreierbeziehung bzw. Dreiecksbeziehung zwischen Verleiher,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Modell der Arbeitnehmer ü berlassung (eigene Darstellung)

“Überlassen“ im Sinne des AÜG bedeutet die Zurverfügungstellung eines Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung an einen Dritten. Der Entleiher erhält durch den Überlassungsvertrag das Recht, den Leiharbeitnehmer wie ein Arbeitgeber anzuweisen (Bundesagentur für Arbeit 2011, 8).

2.2 Leiharbeitnehmer

Leiharbeitnehmer kann jeder sein, der auch Arbeitnehmer sein kann. Für das AÜG ist der allgemeine arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgeblich. Kennzeichnend für die Arbeitnehmereigenschaft ist die persönliche Abhängigkeit, also die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung, sowie der Eingliederung in den Betrieb. Mit Bezug auf gemeinnützige Organisationen sei hier erwähnt, dass behinderte Menschen in einer anerkannten Werkstatt für Behinderte keine Arbeitnehmer in diesem Sinne sind und somit in der

2.3 Verleiher

Als Verleiher wird derjenige bezeichnet, der Arbeitnehmer überlässt. Verleiher, in diesem Sinne, kann jeder sein, der auch Arbeitgeber sein kann, z. B. natürliche und ju- ristische Personen oder Personengesellschaften. Der Verleiher ist Arbeitgeber im ar- beitsrechtlichen Sinne. Der Verleiher hat mit der Beschäftigung eines Leiharbeitneh- mers das Arbeitgeberrisiko und die Arbeitgeberpflichten, insbesondere nach dem Ar- beits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, zu übernehmen (Bundesagentur für Ar- beit 2011, 7).

2.4 Entleiher

Dem Entleiher werden die Leiharbeitnehmer vom Verleiher zur Arbeitsleistung überlassen. Als Entleiher kommt mit Ausnahme des Verleihers jeder in Betracht, der selbst Arbeitgeber sein kann. Die rechtliche Organisationsform ist wie beim Verleiher für die Eigenschaft eines Entleihers ohne Belang. Als Entleiher ist der Betrieb anzusehen, der mit Bezug auf Aufgabenbereich und Organisation eigenständig handelt und zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern der überlassenen Art berechtigt ist (Bundesagentur für Arbeit 2011, 7).

3 Arbeitnehmerüberlassung und spezifische Schutzbedürftigkeit

Nachdem zum besseren Verständnis die oben aufgeführten Begrifflichkeiten erläutert wurden, beschreibt das folgende Kapitel das Modell der Arbeitnehmerüberlassung und eine daraus entstehende spezifische Schutzbedürftigkeit der entliehenen Arbeitnehmer.

3.1 Rahmenbedingungen einer Arbeitnehmerüberlassung

Der Leiharbeitnehmer steht in einem direkten Arbeitsverhältnis zum Verleiher. Diesem gegenüber gelten die gesetzlichen, tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Arbeit- nehmerrechte. Für das Arbeitsvertragsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer gelten grundsätzlich die gleichen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, einschließlich des Kündigungsschutzgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, wie für andere Arbeitnehmer auch (Deutscher Bundestag 2010a, 7). Der Verleiher als vertraglicher Arbeitgeber gewährt Urlaub, führt Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer ab und ist an sämtliche bestehende Arbeits- und Sozialgesetze gebunden (Thüsing 2008, 44). Das Weisungsrecht wird bei einer Arbeitnehmerüberlassung dem Entleiher übertragen, der die Mitverantwortung für den Arbeitsschutz trägt. Weisungs- und pflichtwidriges Verhalten darf aber nur der Verleiher als vertraglicher Arbeitgeber ahnden. Der Vertrag zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher ist ein Arbeitsvertrag mit allen Rechten und Pflichten, wie in jedem Arbeitsverhältnis üblich. Der Unterschied besteht nur darin, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer einem Dritten zu überlassen (entgegen § 613 Satz 2 BGB) (Thüsing 2008, 44f, Seigel 2011, 5f). Der Entleiher nutzt Leiharbeitnehmer, ohne dass arbeitsrechtliche Ansprüche daraus entstehen, da direkte vertragliche Bindungen zum Arbeitnehmer ganz fehlen bzw. nur zum Verleiher bestehen. Ist dieser Vertrag über eine Arbeitnehmerüberlassung zwischen Verleiher und Entleiher jedoch unwirksam, führt dies dazu, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher durch gesetzliche Fiktion zustande kommt (§§ 9, 10 AÜG).

3.2 Spezifische Schutzbedürftigkeit

Wird ein Arbeitnehmer im oben beschriebenen Modell zur Verleihung angestellt, birgt dies „spezifische Belastungen, die sein Arbeitsverhältnis von dem anderer Arbeitneh- mern unterscheidet“ (Thüsing 2008, 4). Es ist laut Kommentar zum Arbeitnehmerüber- lassungsgesetz ein prekäres Arbeitsverhältnis, das einen besonderen gesetzlichen Schutz bedarf. Darüber hinaus wird vom Leiharbeitnehmer eine sehr hohe Flexibilität verlangt, die im häufigen Wechsel von Unternehmen zu Unternehmen angelegt ist. Ein solcher ständiger Wechsel der Betriebsstätte führt dazu, dass arbeitgeberspezifische Qualifikationen nur schwer erworben werden können und damit verbunden, Leiharbeit- nehmer geringere Karrierechancen haben. Ein weiteres Argument spricht für ein ge- sondertes Schutzbedürfnis des Leiharbeitnehmers: Aufgrund der tendenziell eher kurzen Dauer der Arbeitsverhältnisse, sind Leiharbeitnehmer weniger häufig gewerk- schaftlich aktiv. Hier ist gesetzlicher Schutz erforderlich, um dem Lohnrisiko und dem geringen Bestandsschutz eines Leiharbeitsverhältnisses zu begegnen. Wie diesem Schutzbedürfnis im Einzelnen Rechnung zu tragen ist, liegt beim Gesetzgeber, der laut Kommentar dadurch „seinem aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Gebot zur aus- gewogenen Ausgestaltung des Arbeitsrechts Rechnung trägt“ (ebd., 6). In Frankreich beispielsweise wird dem Leiharbeitnehmer eine zusätzliche Prekaritätsprämie in Höhe von 10% des Verdienstes eines Festangestellten gezahlt. Auch die Einführung des Equal-pay-Gebots in das AÜG a.F. war vom Gesetzgeber als eine Regelung zur Kom- pensation der Nachteile für Arbeitnehmer gedacht. Zudem war zum Schutz des Arbeit- nehmers lange Zeit gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung ausnahmslos verboten (ebd., 9). Wie sich Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung im Laufe der Jahre entwickelt haben, wird im nächsten Kapitel beschrieben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Arbeitnehmerüberlassung durch Wohlfahrtsverbände. Ist Gemeinnützigkeit drin, wo Gemeinnützigkeit drauf steht?
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Veranstaltung
Recht für Non-Profit Manager
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
34
Katalognummer
V192169
ISBN (eBook)
9783668322233
ISBN (Buch)
9783668322240
Dateigröße
751 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitsrecht, Arbeitnehmerüberlassung, Dritter Sektor, Non-Profit Organisationen, Zeitarbeit
Arbeit zitieren
Sven Rosenhauer (Autor:in), 2012, Arbeitnehmerüberlassung durch Wohlfahrtsverbände. Ist Gemeinnützigkeit drin, wo Gemeinnützigkeit drauf steht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192169

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Arbeitnehmerüberlassung durch  Wohlfahrtsverbände. Ist Gemeinnützigkeit drin, wo Gemeinnützigkeit drauf steht?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden