Ursachen und Folgen der Russischen Finanz- und Währungskrise von 1998


Term Paper (Advanced seminar), 2001

20 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ursachen der Russlandkrise
2.1 Makroökonomische Schwächen
2.1.1 Auslandsverschuldung
2.1.2 Staatshaushalt
2.1.3 Wachstum
2.2 Mikroökonomische Schwächen
2.2.1 Russisches Bankensystem
2.2.2 Russischer Unternehmenssektor
2.2.3 Rohstoffpreise
2.3 Zwischenfazit

3 Auswirkungen der Russlandkrise
3.1 Russland
3.1.2 Die aktuelle Situation
3.2 Industrieländer

4 Fazit und Bewertung der Russlandkrise

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Transformation einer ganzen Volkswirtschaft, der Wechsel von Kommunismus bzw. Zentralverwaltungswirtschaft zur Marktwirtschaft ist ein komplizierter, langwieriger Prozess. Im Vorfeld der Russlandkrise von 1998, also knapp zehn Jahre nach dem Ende des Kommu- nismus, befand sich das Riesenreich in einemökonomischen Vakuum: 80% der Transaktio- nen der Unternehmen finden auf Basis von Tauschhandel statt, nur knapp 10% der Steuerzah- lungen der Großunternehmen gehen bar oder per Überweisung ein; die Schattenwirtschaft und der illegale Kapitalexport florieren, aber die offizielle Wirtschaft schrumpft. Die Dollarisie- rung schreitet fort, für Rubel gibt es immer weniger, manchmal nichts zu kaufen. Russlandsökonomischer Zustand gleicht am Ende des Jahres 1998 sozialistischen Zeiten.

Vor dem offenen Ausbruch der Krise galt eine Politik mit dem Ziel der monetären Stabilisie- rung, die mit Hilfe eines Systems fester Wechselkurse erreicht wurde, als größter Erfolg der postsozialistischen Wirtschaftspolitik. Ende 1996 wurde zum ersten Mal ein Wechselkursziel mit einer nominalen Abwertung entsprechend der erwartetetn Inflationsrate für das nächste Jahr festgelegt.1 Es gelang, die Inflation vonüber 2500 Prozent im Jahr 1992 auf 11 Prozent in 1997 zu senken und damit das Vertrauen in den Rubel zu stärken. „Das Ziel eines nominel- len Wechselkursankers besteht in der Schaffung eines Korsetts für die inländische Preisni- veauentwicklung sowie im Aufbau von Vertrauen in die externe Stabilität einer Währung“.2 Insgesamt konnten durch diesen Wechselkurskorridor sichere monetäre Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die positiven Auswirkungen dieser Maßnahmen spiegelten sich unter anderem in dem gestiegenen Vertrauen ausländischer Investoren wieder. So nahmen die Di- rektinvestitionen in Russland 1997 um den Faktor 2,5 gegenüber dem Vorjahr zu3. Das Kon- zept schien aufzugehen. Die makroökonomischen Indikatoren bescheinigten der russischen Wirtschaftspolitik 1997 erste Erfolge.

Mit dem offenen Ausbruch der Währungskrise zeigten sich jedoch Mitte August 1998 die Unzulänglichkeiten des russischen Staates, der Wirtschaft und des Finanzsystems. Der Wech- selkurs konnte nicht mehr verteidigt werden und der Rubel verlor innerhalb eines Monats gut 60 Prozent seines Wertes. Das fragile russische Finanzsystem erlitt den Totalkollaps.

Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Ursachen und Folgen der russischen Finanzkrise im August 1998 herauszuarbeiten und zu erörtern. Die russische Krise ist dabei nur zum Teil als Krisen- ereignis im Sog der Asienkrise zu sehen. Sie hat ihre Ursachen vielmehr in internen Proble- men. Russland ist dabei in einer wesentlich komplizierteren Lage als die meisten asiatischen Staaten, da nicht nur der mikroökonomische Bereich, wie z.B. das Finanzsystem oder der Un- ternehmenssektor, erhebliche Schwächen aufweist, sondern auch die makroökonomischen Indikatoren dem Land große Probleme bescheinigen. Vor diesem Hintergrund werden im ers- ten Abschnitt dieser Arbeit die zentralenökonomischen Ursachen der Russlandkrise erörtert. Der zweite Abschnitt zeigt auf, welche Folgen die Krise für Russland und die wichtigsten Industrienationen hat. Abschließend beurteile ich die Krise und gehe auf die aktuelle Situation in Russland ein.

2 Ursachen der Russlandkrise

Die Asienkrise 1997 führte auf die weltweiten Devisen- und Finanzmärkte zu starken Turbu- lenzen. Eine Währung nach der anderen wertete ab, zahlreiche Börsenindizes verloren stark an Wert. Im Zusammenhang mit der Russlandkrise stellt sich die Frage, ob Russland im Sog der Asienkrise in das wirtschaftliche Dilemma geraten ist oder ob fundamentale interne Prob- leme zum Ausbruch der Krisensituation im August 1998 geführt haben. Wenn die Russland- krise einzig und allein Folge der Asienkrise wäre, würde dies auf eine Schwäche des gesam- ten Weltwährungssystem hindeuten. Die Probleme der russischen Wirtschaft sind aber so of- fenkundig und vielseitig, dass es zunächst schwierig ist,überhaupt die gravierendsten Schwachpunkte herauszufiltern. Zum einen leidet der russische Staat unter einem enormen Haushaltsdefizit. Zum anderen liegen beträchtliche Mängel im Unternehmens- und Finanz- sektor vor. Dazu kommen weitere strukturelle Probleme wie der hohe Anteil der Schatten- wirtschaft, die einseitige Abhängigkeit von Rohstoffexporten und die hohe Kapitalflucht.

2.1 Makroökonomische Schwächen

Bei der Frage nach den Ursachen für die Russlandkrise ist es nicht möglich die Ursache he- rauszufinden. Die Ursachen sind eher in einer Kombination aus schlechter Finanzpolitik, Schwächen des russischen Finanzsystems und Problemen der russischen Volkswirtschaft zu suchen. Sicherlich haben gravierende makroökonomische Probleme die Krise ausgelöst. Da- hinter verbergen sich aber grundlegende Schwächen im mikroökonomischen Bereich, beson- ders im Bankensystem und im Unternehmenssektor.

2.1.1 Auslandsverschuldung

Im Zusammenhang mit der russischen Finanzkrise wird häufig auch von einer Schuldenkrise gesprochen, weil sich die Krise nicht auf Währungsprobleme beschränkt, sondern auch eine Auslandsschuldenkrise umfasst. Eine Auslandsschuldenkrise ist eine Situation, in der ein Land seineöffentlichen oder privaten Auslandsschulden nicht mehr bedienen kann. Eine Hauptursache für die Russlandkrise liegt in der hohen Auslandsverschuldung. Die Auslands- verschuldung schnellte nach Schätzungen der EBRD4 von knapp 28 Prozent des BIP im Jahr 1997 auf fast 54 Prozent im Jahr 1998. Diese Entwicklung ist eng mit dem Staatsdefizit ver- bunden. Denn die russische Regierung versucht, die Haushaltslücke vor allem durch kurzfris- tige Kredite zu schließen und davon kommt rund ein Drittel aus dem Ausland.5

Im Rahmen der verfolgten wirtschaftspolitischen Strategie zur monetären Stabilisierung fi- nanzierte die russische Zentralbank ab 1995 das enorme Staatsdefizit nicht mehrüber die No- tenpresse sondernüber Kreditaufnahme am zuvor ins Leben gerufenen privaten Kapitalmarkt. Mit der Umstellung deröffentlichen Haushaltsfinanzierung auf den Markt für Staatsanleihen sollten die eskalierenden Budgetdefizite ohne Zentralbankkredite auskommen. Die Emission von Schatzwechseln in Rubel mit einer Laufzeiten von unter einem Jahr (GKO’s)6 sowie von Wertpapieren mit variabler Verzinsung und einer Laufzeit von einem bis zu drei Jahren (OFZ’s) sollten Abhilfe leisten. Der private Kapitalmarkt entpuppte sich anfangs als will- kommene Einrichtung für die Regierung und für inländische Nachfrager. Nach dem Abbau von Kapitalimportbeschränkungen wurden die Rubelanleihen auch für ausländische Investo- ren zu einer attraktiven Anlage, und konkurrierten mit Anleihen auf anderen Emerging Mar- kets.7 Von 1995 bis 1997 blähte sich der Bestand der Staatsanleihen von unter 50 Mrd. auf bis zu 350 Mrd. Rubel auf. Laut EBRD8 überstieg der Marktwert aller GKOs und OFZs alle Ru- beleinlagen des russischen Bankensystems. Die Regierung befand sich in dem Dilemma die Schatzwechsel permanent umzuschulden. Die Kosten der Finanzierungsumstellung waren hoch.

Die Struktur der Schulden ist aus zwei Gründen sehr problematisch. Zum einem haben die Anleihen sehr kurze Laufzeiten. Schon nach kurzer Zeit musste der russische Staat ständig neue Anleihen emittieren, um die alten GKO’s fristgerecht bedienen zu können. Zum anderen war der russische Staat stark in Framdwährung verschuldet. Aus diesem Grund musste mit aller Kraft ein stabiler Rubelkusr verteidigt werden. Jeder Kursverlust des Rubels bedeutet einen Anstieg des realen Schuldendienstes. „Wer Schulden in Fremdwährung hat, der wird bei Abwertungen der inländischen Währung immer Probleme haben. Der russische Staat hat aus der Zeit der Sowjetunion Fremdwährungsschulden geerbt und sich noch weiter und vor allem kurzfristig in fremder Währung verschuldet. Das russische Bankensystem ging hohe ungesicherte Währungsrisiken ein. Kommt eine Abwertung, dann ist gegen eine Liquiditäts- und Solvenzkrise ab einer bestimmten Abwertungsrate nichts mehr zu machen. Denn die in- ländische Zentralbank kann in diesem Fall die inländischen Schuldner nicht retten, da sie nicht das Geld produzieren kann, das die Schuldner benötigen.“9

Ein unmittelbarer Auslöser für die Währungs- und Finanzkrise war der Vertrauensverlust ge- genüber dem Finanzplatz Russland. Die russische Regierung musste kurz vor der Krise allein 1,2 Milliarden US-Dollar wöchentlich10 aufbringen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten umzuschulden. Investoren entschieden wöchentlich, ob sie die Anleihen behalten wollten oder nicht. Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass die Asienkrise sehr wohl die Entwicklung in Russland negativ beeinflusste. Die Skepsis der Investoren gegenüber Emerging Markets nahm allgemein zu. Ratingagenturen setzten die Kreditwürdigkeit Russlands in Folge der Asienkrise runter. Institutionelle Anleger, wie z.B. amerikansiche Pensionsfonds, die sich an diesen Ra- tings orientieren, zogen daraufhin Kapital aus dem Land ab. Neue Käufer für die Staatsanlei- hen konnten nur bei astronomisch hohen Zinsen gefunden werden. Diese stiegen von 17 Pro- zent im Juli 1997 auf 58 Prozent im Juli 1998. Die hohen Zinsen wiederum belasteten den russischen Schuldendienst zusätzlich. Da trotz hoher Zinsen schließlich keine Käufer mehr für neue Anleihen gefunden wurden, konnten fällige GKO’s nicht mehr bedient werden. Das Ver- trauen in den russischen Anleihenmarkt war dahin. Das fragile System der ständigen Um- schuldung war nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Am 17. August 1998 verkündete die russische Regierung, dass sie die Bedienung der Schatz- briefe für 90 Tage aussetzt, dass Unternehmen ihre Auslandschulden nicht mehr fristgerecht bedienen müssen und dass der Wechselkurs des Rubels ab sofort freigegeben wird.

2.1.2 Staatshaushalt

Ein gravierendes makroökonomisches Problem ist neben der hohen Staatsverschuldung auch die fehlende Haushaltsdiszplin. Der russischen Regierung mangelt es seit Beginn der wirtschaftlichern Transformation an einer disziplinierten Finanzpolitik, so dass der russische Staathaushalt erhebliche Defizite aufweist.

Grafik 1: Der russische Staathaushalt Quelle: Aslund 1998

[...]


1 DIW (1997)

2 Herr (2000a) S. 31

3 RECEP (1998) S. 23

4 EBRD (1998) S. 12ff.

5.EBRD (1998) S. 12ff.

6 IWF (1998) S. 18

7 Herr (2000a)

8 EBRD (1998) S. 12ff.

9 Herr (2000a) S. 38

10 Dies bezifferte sich auf 8 Milliarden Rubel vor der Abwertung im August 1998 6

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Ursachen und Folgen der Russischen Finanz- und Währungskrise von 1998
College
Humboldt-University of Berlin  (Lehrstuhl für internationale Politik)
Course
Hauptseminar: Staaten und Finanzmärkte: die Reform der internationalen Finanzarchitektur
Grade
1,3
Author
Year
2001
Pages
20
Catalog Number
V19298
ISBN (eBook)
9783638234528
File size
1590 KB
Language
German
Notes
Mit dem offenen Ausbruch der Währungskrise zeigten sich jedoch Mitte August 1998 die Unzulänglichkeiten des russischen Staates, der Wirtschaft und des Finanzsystems. Der Wechselkurs konnte nicht mehr verteidigt werden und der Rubel verlor innerhalb eines Monats gut 60 Prozent seines Wertes. Das fragile russische Finanzsystem erlitt den Totalkollaps. Ziel dieser Arbeit soll es sein, die Ursachen und Folgen der russischen Finanzkrise im August 1998 herauszuarbeiten und zu erörtern...
Keywords
Ursachen, Folgen, Russischen, Finanz-, Währungskrise, Hauptseminar, Staaten, Finanzmärkte, Reform, Finanzarchitektur
Quote paper
Tobias Pehle (Author), 2001, Ursachen und Folgen der Russischen Finanz- und Währungskrise von 1998, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19298

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