Marktbeherrschung durch Essential Facilities

Insbesondere Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und gewerblichen Schutzrechten


Epreuve d'examen, 2008

276 Pages, Note: 3 (9 Punkte)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
I. Sinn und Zweck der Untersuchung, oder: Was helfen Gesetzbücher gegen Schwerter?
1. Die Lehre vom Wettbewerb als Allheilmittel gegen Staatsversagen
2. Bildschirmtext als unscheinbarer Apologet eines fulminanten Paradigmenwechsels
3. Wesentliche Einrichtungen am Liberalisierungshimmel
a) Führt der Ownership Unbundling Ansatz der Europäischen Kommission zu einer Senkung des Regulierungsaufwandes und mehr Wettbewerb und ist er mit den Eigentumsgrundrechten vereinbar?
b) Stellt die Essential-Facilities-Doktrin ein angemessenes und effizientes Werkzeug zur Bekämpfung von Marktmachtmiss- bräuchen in Netzwirtschaften dar?
c) Sind Fallgestaltungen, bei denen Marktmachtmissbräuche mit Bezug auf die Inhaberschaft immaterialgüterrechtlicher Aus- schließlichkeitspositionen Gegenstand der Untersuchung sind, rechtsdogmatisch präzise unter Anwendung der Essential- Facilities-Doktrin lösbar?
II. Schwerpunkte der Untersuchung

B. Vom Wesen der Marktbeherrschung durch die Kontrolle über wesentliche Einrichtungen und dem regulativen Instrumentarium zur Verhinderung gemeinschaftsrechtswidriger Wettbewerbsverzerrungen
I. Vorbemerkungen
1. Vom Wesen des Begriffs der ‚wesentlichen Einrichtung’
2. Interessenlage des zugangsverweigernden Marktbeherrschers
3. Vom allgemeinen Wesen und Zweck des Regulierungsrechts
4. Vom Engpasscharakter zur Essential Facility
5. Die Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen gegenüber Nutzungspetenten als Form des Marktmachtmissbrauchs
a) Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Artikel 82 EG
b) Nichtvorhandensein einer objektiven Rechtfertigung für die Zugangsverweigerung durch den Altsassen
c) Eignung zum Ausschluss von Wettbewerb durch den Nutzungs- petenten
II. Die Essential-Facilities-Doktrin als Regulierungsinstitut zur Verhinderung von Marktmissbräuchen in Gestalt vorsätzlicher Zugangs- verweigerung zu wesentlichen Einrichtungen durch deren Inhaber
1. Definition des Begriffs der Essential-Facilities-Doktrin
2. Ursprung und historische Entwicklung der Essential-Facilities- Doktrin
a) Die Wurzeln der Essential-Facilities-Doktrin im Common Law
b) Section 2 des Sherman Acts als Rechtsgrundlage der Essential Facilities-Doktrin in den U.S.A
c) Die Entstehungsgeschichte der US-amerikanischen Essential- Facilities-Doktrin dargestellt an den Fällen United States vs. Terminal Railroad Association und Otter Tail Power Company
d) Erste Erwähnung des Begriffs ‚Essential-Facilities-Doktrin’ in Hecht vs. Pro-Football Inc
e) Das Urteil MCI Communications Corporation vs. AT & T als Leitentscheidung zur US-amerikanischen Essential-Facilities- Doktrin
3. Allgemeines in Bezug auf den Einzug und die Rezeption der Essential-Facilities-Doktrin in das deutsche und europäische Kartellrecht
4. Darstellung der Integration der Essential-Facilities-Doktrin in das europäische Kartellrecht anhand der Hafen-Entscheidungen und des Bronner-Falls
a) Die grundlegende Bedeutung der Hafen-Entscheidungen für die Etablierung der Essential-Facilities-Doktrin im europäischen Kartellrecht
aa) Versuch der Monopolisierung eines vom Primärmarkt abgeleiteten Marktes als Begründung eines missbräuchlichen Verhaltens i.S.d. Artikels 82 EG
bb) Der Missbrauchstatbestand des Artikel 82 EG ist nur bei Nichtvorliegen einer sachlichen Rechtfertigung erfüllt
b) Das Urteil Bronner, die Entwicklung des Bronner-Kriteriums und der Duopoltest des EuGH als weitere Meilensteine der Entwicklung der Essential-Facilities-Doktrin europäischer Aus- prägung
aa) Darstellung des Sachverhalts
bb) Darstellung und Analyse der Entscheidungsgründe des EuGH
(1) Relevanter Markt
(2) Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung
(3) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG
(a) Analyse des eventuellen Vorliegens eines Bezuges zur Essential-Facilities-Doktrin in der Tenorierung des EuGH
(b) Bezug zu den EuGH-Entscheidungen Commercial Solvents und CBEM hinsichtlich des Kriteriums der Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs
(c) Bezug zur EuGH-Entscheidung Magill hinsichtlich des Kriteriums der außergewöhnlichen Umstände
(d) Notwendige Voraussetzungen zur hinreichenden Erfüllung des Missbrauchstatbestandes gemäß Artikel 82 EG
(aa) Vorliegen alternativer Vertriebswege für Tageszeitungen
(bb) Zugang zum bestehenden Tageszeitungshaus zustellungssystem nicht unverzichtbar

A. Einleitung

I. Sinn und Zweck der Untersuchung, oder: Was helfen Gesetzbücher gegen Schwerter?

1. Die Lehre vom Wettbewerb als Allheilmittel gegen Staatsversagen

Ein Staat, der klar definierte gesellschaftliche oder politische Ziele imple- mentieren will, muss sich dazu bestimmter Steuerungs- bzw. Koordinations- strukturen im Sinne von Governance bedienen, womit die Art und Weise, die Methode oder das System2 gemeint sind, mit der eine Gesellschaft bzw. ein gesellschaftliches Teilsystem regiert wird. Zu unterscheiden sind diesbe- züglich Steuerungsmodelle der vertikalen und horizontalen Koordination, wobei die vertikale Koordination in der Tradition des Hegelschen Staatsver- ständnisses steht, welches den Staat als ein über der Gesellschaft stehendes System verortet, das mit integrativen, dem Gemeinwohl dienenden Funktio- nen ausgestattet ist.3 Der Interventionsstaat Hegelscher Prägung greift dem- zufolge deliberativ in das Wirtschaftsleben ein, um negative Folgen des Marktgeschehens im Vorfeld zu verhindern oder durch zielführende Umver- teilungsmaßnahmen auszugleichen bzw. zu beseitigen und greift zudem regulativ durch den Erlass von Ge- und Verboten in das gesellschaftliche Leben ein. Dazu bedient er sich verschiedener Koordinationsinstrumente, die unterschiedlichen Aufgabenkreisen zugeordnet sind.

Grundsätzlich zu differenzieren sind hierbei kompetitiv-regulative Koordi- nationsinstrumente, die das Marktverhalten regeln, protektiv-regulative Koordinationsinstrumente, deren Aufgabe die Beseitigung negativer Folgen der wirtschaftlichen Leistungserstellung ist und sozial-regulative Koordina- tionsinstrumente, die normative Fragen der Gesellschaft zu regeln haben.4 Ein interventionistisch geprägter Staat ist häufig selbst Dienstleistungsan- bieter und dies in der Regel vor allem in Wirtschaftssektoren, die von her- ausragendem öffentlichen Interesse sind, wie zum Beispiel in den traditio nell staatlich kontrollierten Netzwirtschaften der Bereiche Telekommunikation, Energieversorgung und Bahnverkehr. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts geriet der aktiv am Wirtschaftsleben partizipie- rende Interventionsstaat vor allem durch den unter den Rahmenbedingen einer sich beschleunigt vertiefenden Globalisierung kontinuierlich steigen- den internationalen Wettbewerbsdruck aber nicht zuletzt auch durch neue wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse5 hinsichtlich einer auf dem suk- zessiven Schwinden seiner Deutungshoheit und Problemlösungskapazitäten basierenden graduellen Degression seiner Existenzlegitimation zunehmend unter Druck.

Dies führte in der Folge zu einem Umdenken und letztendlich zu einem grundlegenden Paradigmenwechsel in Bezug auf das vorherrschende Staats- verständnis, welcher eine graduelle Transition der Rolle des Staates vom Interventionsstaat hin zum neoliberalen und kooperativen Staat beförderte. Der neoliberale Staat sollte sich vollständig aus dem Wirtschaftsleben zu- rückziehen und sich ausschließlich auf seine Kernbereiche, zu denen bei- spielsweise die Gewährleistung innerer und äußerer Sicherheit gehört, kon- zentrieren, was argumentativ von den Anhängern eines neoliberalen Staates dadurch unterfüttert wurde, dass es immer, wenn der Staat aktiv in das Wirt- schaftsleben eingreife, zu ineffizienten und suboptimalen volkswirtschaftli- chen Ergebnissen komme. Der kooperative Staat sollte infolgedessen eigene Dienstleistungen in Form von öffentlichen Unternehmen einstellen, das Wirtschaftsleben deregulieren, wodurch sich eine größere ökonomische Ef- fizienz erzielen ließe6, und ansonsten nur in denjenigen Fällen regulierend und intervenierend eingreifen, in denen ein Versagen des Marktes bzw. eine Verfälschung des Wettbewerbs zu erwarten sei.7

Die traditionelle Sicht, dass Wettbewerb in Netzsektoren prinzipiell nicht möglich ist, wich in den letzten Jahrzehnten vor allem bei den Entschei- dungsträgern in Recht und Politik aber auch bei den Führungskräften in Wirtschaft und Wissenschaft mehr und mehr der Einsicht, dass die Öffnung dieser Sektoren für den Wettbewerb zu gesamtwirtschaftlichen Ergebnis- verbesserungen führt.

Dazu muss allerdings die Markteröffnung, die im Rahmen der durch die EG-Kommission instigierten Liberalisierungsprozesse erzielt wurde - wobei letztere hinsichtlich ihrer akademischen Substanz auch durch Überlegungen bezüglich der Ineffizienz von Monopolen und die Lehre vom Staatsversa- gen8 befördert wurden - in einen geeigneten wettbewerbsrechtlichen Rah- men eingebunden sein.9

Besteht dann aufgrund der regulierenden Intervention staatlicher Maßnah- men schlussendlich ein funktionierender Wettbewerb, so kann von einem Gleichgewicht auf dem betreffenden Markt ausgegangen werden, bei dem es letztendlich dem Verbraucher ermöglicht worden ist, einerseits zwischen den jeweiligen Konditionen der verschiedenen Anbieter zu wählen und sich andererseits in seiner Privatautonomie vertraglich an das von ihm aufgrund seines Preis-/ Leistungsverhältnisses präferierte Angebot zu binden.

2. Bildschirmtext als unscheinbarer Apologet eines fulminanten Paradigmenwechsels

Ein fundamentaler Paradigmenwechsel im Telekommunikationssektor mit seinerzeit kaum abschätzbarer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung kündigte sich - zunächst von der breiten europäischen Öffentlichkeit außer in Frank- reich (und in geringerem Umfang auch in Deutschland) kaum in nennens- wertem Ausmaß bemerkt bzw. genutzt - seit den 80er Jahren des 20. Jahr- hunderts in Form des damals so genannten BTX-Dienstes (in Frankreich Minitel) an, der aus heutiger Sicht eindeutig als geradezu apologetischer Vorläufer des heutigen, weltweit vollfunktionalen Internets einzustufen ist, zumindest im nationalen Rahmen bereits einen rudimentären elektronischen Postversand ermöglichte und damit auch erste wirtschaftliche Anwendungs- bereiche vor allem in Form von rein textbasierten Bestellmöglichkeiten er- öffnete. Über so genannte Knotenpunkte waren auch zu diesem Zeitpunkt für den Verbraucher bereits Einwahlmöglichkeiten in andere europäische Netze vorhanden, wenn dies auch mit einem gewissen Aufwand und hemds- ärmeligem Enthusiasmus verbunden war. Die weitere Entwicklung führte vor allem seit der in der Schweiz vollzogenen Schöpfung des Worldwide Webs - zu ständigen Vereinfachungen der Kommunikations- und Daten- transferprozesse und einer exponentiell zunehmenden Vernetzung der An- wender im globalen Maßstab. In etwa seit der Jahrtausendwende haben ins- besondere die Netzwirtschaften der seinerzeit so betitelten New Economy nicht zuletzt wegen der sich immer rasanter vollziehenden technologischen Fortentwicklung der Betriebssysteme, CPU-Taktfrequenzen, Datentransfer- raten, Speicherkapazitäten und Backbone-Technologien sowie aufgrund der Entwicklung von nunmehr ausreichende Transaktionssicherheit gewähren- den Technologien wie digitalen Signaturen, Micropayment-Systems und einem PIN- und TAN-Code-basierten Online-Banking in nicht vorhersehba- rer Weise an volkswirtschaftlicher Bedeutung gewonnen. Eine entscheiden- de Rolle spielte in diesem Zusammenhang die allumfassend einsetzende Verknüpfung von Mobiltelefonie, Internet und den klassischen Medien wie Fernsehen, Gaming und Musikwiedergabe sowie die zunehmende Akzep- tanz und Nutzung des Internets für Bestell- und Bezahltransaktionen durch nahezu alle Bevölkerungsschichten in praktisch allen Teilen der Europäi- schen Union und darüber hinaus.

Diese Erschließung und gesamtgesellschaftlich intensive Nutzung interakti- ver Vertriebswege vollzieht sich in vielen endkundenrelevanten Bereichen wie beispielsweise dem Buchen von Reisen, der Teilnahme an Online- Auktionen, der Nutzung von Online-Partnerbörsen oder dem Online- Banking und -Gaming, aber auch hinsichtlich der Inanspruchnahme von contentbasierten Leistungen wie dem Downloaden von Musik-, Video- oder Anwendersoftware-Dateien, wobei zuletzt die Entwicklung des Web 2.0, des so genannten „Mitmach-Internets“, neue Akzente hinsichtlich der zu erzielenden Interaktionstiefe und -vielfalt sowie der Erlebnisdimensionen, die sich dem Konsumenten erschließen lassen, setzte. B2B-Transaktionen auf der einen sowie Peer-to-Peer-Transaktionen10 auf der anderen Seite run- den das Spektrum der im Umfeld des Internets entstandenen Netzwirtschaf- ten und der über sie abgewickelten Sekundärmarktprozesse ab. An all diesen Entwicklungen hatte das von der Microsoft Corporation entwickelte Client- und Server-Betriebssystem MS-Windows einen nicht unerheblichen Anteil.

3. Wesentliche Einrichtungen am Liberalisierungshimmel

Aber auch in anderen volkswirtschaftlich hoch-relevanten Wirtschaftssekto- ren, etwa in den Bereichen Strom, Gas und Verkehr, nimmt die Bedeutung von Netzstrukturen tendenziell zu.11 In der Vergangenheit wurden Netzin- dustrien durch gesetzliche Marktzutrittsschranken geschützt, wodurch diese sich praktisch von Anbeginn an im Monopolzustand befanden.12 Wie lange allerdings die abschließende Umsetzung der nunmehr seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts anberaumten Liberalisierungsprozesse im nationalen Rahmen konkret andauern kann, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen; an der trotz jahrelanger Parlamentsdebatten immer noch nicht komplett vollzoge- nen Privatisierung der Deutsche Bahn AG einschließlich ihres Schienennet- zes kann man zumindest unschwer ablesen, dass es sich dabei durchaus um Jahrzehnte handeln kann.

Nachdem - aus europäischer Sicht betrachtet - die Liberalisierungsprozesse in den Post-, Strom- und Telekommunikationssektoren weitgehend abge- schlossenen wurden, sind neu auf den Markt drängende Wettbewerber trotz des Wegfalls der Monopole in den einstmals staatlich dominierten und regu- lierten Sektoren in der Regel auf Netzzugangsgewährungen durch ehemalige Monopolisten angewiesen, da jene auf den betreffenden Märkten noch im- mer marktbeherrschend sind und die Parallelerrichtung von Netzinfrastruk- turen zudem in der Regel volkswirtschaftlich unsinnig bzw. dem jeweiligen Wettbewerber wirtschaftlich schlicht und ergreifend unzumutbar ist.

Dem geneigten Betrachter der sich am Liberalisierungshimmel entfaltenden Realität drängt sich allerdings zuweilen immer wieder die uralte Frage: ‚was helfen Gesetzbücher gegen Schwerter?’ auf. Dies nicht zuletzt deshalb, weil hartnäckige Verfechter des Wettbewerbs auch lange Jahre nach Umsetzung der Liberalisierungsrichtlinien ‚auf dem Papier’ deren greifbar effektive Umsetzung in der Wirklichkeit der transeuropäischen Netze anmahnen. In diesem Zusammenhang stellen sich einige Fragen, die im Rahmen dieser Abhandlung eingehender behandelt werden sollen.

a) Führt der Ownership Unbundling Ansatz der Europäischen Kommission zu einer Senkung des Regulierungsaufwandes und mehr Wettbewerb und ist er mit den Eigentumsgrundrechten vereinbar?

Es wird zumindest ansatzweise zu erörtern sein, ob der von der EU- Kommission hinsichtlich der Entflechtungsproblematik integrierter Ener- gieversorgungsunternehmen im Rahmen des 3. Liberalisierungspaketes an- beraumte Pfad des Ownership-Unbundling in der Energiewirtschaft zu den erstrebten wettbewerbsoptimierenden Ergebnissen führen kann, welche rechtlichen und politischen Gestaltungsmöglichkeiten und Perspektiven er bei kreativer Handhabung zu eröffnen imstande ist und ob er sich zweifels- frei innerhalb der Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen bewegt.

b) Stellt die Essential-Facilities-Doktrin ein angemessenes und effizientes Werkzeug zur Bekämpfung von Marktmachtmissbräuchen in Netzwirtschaften dar?

Zur Ermöglichung eines fairen Wettbewerbs für Marktneulinge durch regu- lierende Eingriffe in das Verhalten von Marktbeherrschern sind sowohl im allgemeinen Kartellrecht als auch im sektorspezifischen Sonderkartellrecht in Deutschland gesetzliche Rahmenbedingungen kodifiziert worden. Im Rahmen der vorliegenden Erörterung wird u.a. auf die Voraussetzungen für den Zugang zu wesentlichen Einrichtungen sowie auf behördliche Sankti- onsmöglichkeiten bei Feststellung eines Marktmachtmissbrauchs auf deut- scher und europäischer Ebene eingegangen werden. Da beispielsweise das Schienennetz, das Telefonleitungsnetz oder auch die Stromnetze hinsichtlich ihrer Marktzugangsrelevanz wesentliche Einrichtungen (Essential Facilities) darstellen, etablierte sich im Hinblick auf die Bemühungen um eine struktu- rierte Bewältigung der Marktöffnungs- bzw. Zugangsgewährungsproblema- tik in diesem Zusammenhang auch im europäischen Wettbewerbsrecht die Anwendung der ursprünglich in den U.S.A. angedachten Essential- Facilities-Doktrin. Im Rahmen der Erörterung wird auf die Entstehungsge- schichte und die Anwendbarkeit der EFD auf einschlägige Sachverhalte im Einzelnen eingegangen.

c) Sind Fallgestaltungen, bei denen Marktmachtmissbräuche mit Be- zug auf die Inhaberschaft immaterialgüterrechtlicher Ausschließlich- keitspositionen Gegenstand der Untersuchung sind, rechtsdogmatisch präzise unter Anwendung der Essential-Facilities-Doktrin lösbar?

Aus aktueller Sicht der europäischen Wettbewerbshüter gehören zudem auch marktzugangsnotwendige Einrichtungen in virtuellen Netzen zum Kreis der bereits erwähnten Essential Facilities und unterfallen somit auch der entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Gesetzgebung. Es wird somit zu untersuchen sein, inwieweit das Instrumentarium der Essential-Facilities- Doktrin einen angemessenen Weg zur Bewältigung einschlägiger Problem- kreise - nicht nur in Bezug auf die Zugangsgewährung zu netzwirtschafts- basierten Infrastrukturen physischer Natur, sondern auch insbesondere im Hinblick auf die Prüfung von Sachverhalten im Spannungsfeld zwischen Immaterialgüterrechtsschutz und Wettbewerbsrecht - eröffnet.

Am Ende der Ausführungen werden die Kartellverfahren gegen den Soft- warehersteller Microsoft angeführt, welche dem Unternehmen zum Vorwurf machten, seine marktbeherrschenden Stellung für Betriebssysteme gezielt ausgenutzt zu haben, um beispielsweise den Windows Media Player gegen- über Konkurrenzprodukten zu begünstigen.13 Auch hier stellt sich die Frage der Analyse und der Bewertung des von der EG-Kommission im Rahmen der Entscheidung angewandten rechtsdogmatischen Instrumentariums - dies insbesondere auch im Hinblick auf das bestehende Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und gewerblichen Schutzrechten, was in diesem Zusammenhang einer entsprechend eingehenden schnittstellenspezifischen Betrachtung zu unterziehen sein wird.

II. Schwerpunkte der Untersuchung

Die nachfolgende Untersuchung ist in 3 Abschnitte untergliedert, von denen der erste einen allgemeinen Überblick über das Phänomen der Erlangung und Verstetigung von Marktherrschaft durch die Möglichkeit zur Kontrolle ü ber wesentliche Einrichtungen in Netzwirtschaften vermittelt, der zweite den Zugriff auf Essential Facilities in virtuellen Netzen im Spannungsver- hältnis zwischen Wettbewerbsrecht und der Anwendbarkeit gewerblicher Schutzrechte darstellt und der dritte - wie bereits erwähnt - den MicrosoftFall als Beispielfall für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Verweigerung der Offenlegung von Schnittstellen anführt und erläutert. Die sich daran anschließende Schlussbetrachtung bleibt einer zusammenfassenden Synthesis und einem Ausblick vorbehalten.

B. Vom Wesen der Marktbeherrschung durch die Kontrolle über we- sentliche Einrichtungen und dem regulativen Instrumentarium zur Verhinderung gemeinschaftsrechtswidriger Wettbewerbsverzerrungen

I. Vorbemerkungen

1. Vom Wesen des Begriffs der ‚wesentlichen Einrichtung’

Eine Einrichtung kann eine Ware oder Dienstleistung im weitesten Sinne, insbesondere eine Netzstruktur in den Bereichen Telekommunikation, Ener- gieversorgung und Verkehr sein, wobei Einrichtungen im Sinne der Essen- tial-Facilities-Doktrin auch aus softwarebasierten Informationsstrukturen mit Netzwerkcharakter bestehen können. Eine Einrichtung ist gerade dann wesentlich, wenn sie für die Ausübung der Tätigkeit des konkurrierenden Nutzungspetenten unentbehrlich ist, also keine faktische oder potenzielle Substitutionsm ö glichkeit besteht.14 Paradigma für Infrastruktureinrichtun- gen, deren missbräuchliche Zugangsverweigerung unter der Lehre der Es- sential-Facilities-Doktrin erörtert werden, sind deshalb vor allem die Netze der bereits erwähnten Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieversor- gungswirtschaft, ohne deren Mitbenutzungsmöglichkeit nämlich konkurrie- renden Unternehmen dieser Wirtschaftssektoren ein Zugang zu den nachge- ordneten Märkten im Regelfall nicht oder nur unter extrem erschwerten Bedingungen möglich ist, da die diesen Netzökonomien zugrunde liegenden Infrastruktureinrichtungen häufig durch äußerst hohe Errichtungskosten gekennzeichnet sind.15 So kann beispielsweise davon ausgegangen werden, dass der finanzielle und zeitliche Aufwand zur Verlegung neuer Schienen- trassen, unterirdischer Kabel oder der Errichtung von Hochspannungsmas- ten den Aufbau von Parallelinfrastrukturen in den Bereichen Strom, Bahn und Telekommunikation nahezu unmöglich macht. Weiterhin würden die mit der Neuerrichtung solcher wesentlichen Infrastruktureinrichtungen ver- bundenen Eingriffe in die Natur und die erhebliche Belastung der Anwohner durch große Anzahlen von Baustellen erwartungsgemäß zu hohen Wider- ständen in der Bevölkerung führen. Für den Fall, dass derartige Barrieren den Markteintritt eines Wettbewerbers wirksam verhindern, kann der Inha- ber einer Essential Facility - sofern in seine Eigentumsrechte nicht regulativ eingegriffen wird - den Markteintritt potenzieller Konkurrenten verhindern und den Markt somit unangefochten alleine kontrollieren. Auf Grundlage der Essential-Facilities-Doktrin kann deshalb einem marktbeherrschenden Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich auferlegt wer- den, einem potenziellen Konkurrenten diskriminierungsfreien Zugang zu einer dem Alt-sassen gehörenden wesentlichen Einrichtung zu gewähren, um dem Nutzungspetenten letztlich zu ermöglichen, als Mitwettbewerber auf einem bestimmten Markt in Erscheinung zu treten, weswegen der Essen- tial-Facilities-Doktrin daher - zumindest prinzipiell - das Potenzial zuge- sprochen werden kann, einen spürbaren Beitrag zur Förderung wirksamen Wettbewerbs zu leisten.16 Zusammengefasst könnte man Essential Facilities also definieren als physische oder informatische, wesentliche Infrastruktur- einrichtungen, deren Benutzung für einen erfolgreichen Marktzugang durch Newcomer unabdingbar ist.

2. Interessenlage des zugangsverweigernden Marktbeherrschers

Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen, das zugleich Inhaber einer wesentlichen Einrichtung ist, gegenüber externen Nutzungspetenten den Zugang zu dieser wesentlichen Einrichtung verweigert, die es in primärer Hinsicht für die Abwicklung eigener Geschäftsprozesse benötigt, ist es in der Regel bestrebt, die unternehmerische Nutzung der Einrichtung durch Konkurrenten zu verhindern.17 Ein derartiges Verhalten kann jedoch zu schwerwiegenden Wettbewerbsverzerrungen in dem betreffenden Markt führen und infolge Dessen einen hoheitlichen Regulierungsbedarf auslösen.

3. Vom allgemeinen Wesen und Zweck des Regulierungsrechts

Das Regulierungsrecht ist ein ausgesprochen vielgestaltiges Rechtsgebiet im Schnittstellenbereich von Wirtschafts-, Verwaltungs- und Kartellrecht, wo- bei der Gesetzgeber sich für eine sektorspezifische Regulierung entschieden hat. Zu den diskret geregelten Rechtsmaterien zählen heute insbesondere das Energiewirtschaftsrecht, das Postrecht, das Telekommunikationsrecht und das Eisenbahnrecht. Unter Regulierung im weiteren Sinne sind alle Formen wirtschaftspolitischer Lenkungseingriffe zu verstehen, wobei Gegenstand des Regulierungsrechts im Wesentlichen eine über das allgemeine Kartell- recht hinausgehende Wettbewerbsaufsicht ist. Aufgrund der Tatsache, dass das Prinzip der unternehmerischen Freiheit jedoch zu den Eckpfeilern der europäischen Wirtschaftssystemordnung zählt, gilt Regulierung durch derar- tige politische Lenkungseingriffe in der Marktwirtschaft zunächst einmal vom Grundsatz her als nicht systemkonform und bedarf einer stichhaltigen Rechtfertigung. Regulierende Eingriffe in den wirtschaftlichen Prozess wer- den daher im Schrifttum oft auch mit großer Skepsis betrachtet. Allerdings kann unter Umständen auf Märkten, in denen es an effizientem Wettbewerb mangelt, oder die schon vom Ansatz her nicht wettbewerblich organisiert sind, ein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf erwachsen.18 Der Staat muss in solchen Fällen gewissermaßen als Garant für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsordnung herhalten und durch gezieltes staatliches Regulie- rungshandeln die „ unsichtbare Hand “ des Wettbewerbs ersetzen.19 Regulie- rung muss in diesem Zusammenhang also als Verkörperung der Gewährleis- tungs- und Auffangverantwortung des Staates für die Erbringung daseinsnotwendiger Dienstleistungen verstanden werden. Regulierungsrecht hat gleichwohl einen ambivalenten Charakter: es schützt als Privatrecht die Wettbewerbsorientierung der Aufgabenerfüllung und als öffentliches Recht die Gemeinwohlorientierung der Leistungserbringung.

Vor dem Hintergrund der insbesondere die physischen Netzwirtschaften (wie z.B. im Gas-, Strom- und Telekommunikationssektor) seit Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts betreffenden Privatisierungs- und Liberali- sierungsprozesse kreisen die Herausforderungen an den Gesetzgeber bei der Formulierung einschlägiger Gesetzestexte infolgedessen schwerpunktmäßig um die Fragestellung, wie der Staat seine Gewährleistungsverantwortung wahrnehmen und zugleich aber privaten Unternehmen, die eigennützigen, nicht gemeinnützigen Zielen verpflichtet sind, die Aufgabenerfüllung über- lassen kann. Genau durch diesen oben angeführten Eigennutz privater Un- ternehmen - im Sinne einer Ausrichtung auf die Erzielung eines maximalen Shareholder Values - kann allerdings bei einem Verzicht auf jedwede Inter- vention im Sinne einer wirtschaftspolitischen Lenkung bzw. Regulierung die Gefahr nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass durch den Rück- zug des Staates aus diesen Wirtschaftsbereichen erhebliche Machtpositionen privater Unternehmen auf Märkten, die der öffentlichen Daseinsvorsorge dienen, begründet und dass unter Umständen massive Marktungleichge- wichte befördert unter schlimmstenfalls sogar perpetualisiert werden. Um potenziellen Fehlentwicklungen der genannten Art effizient entgegenwirken zu können, ist der Staat gehalten, durch eine angemessene wirtschaftspoliti- sche Rahmengesetzgebung und Interventionspolitik zu gewährleisten, dass die Versorgungsnetze jedweden Nutzungspetenten zu diskriminierungsfrei- en, wettbewerbsanalogen und transparenten Bedingungen zur Verfügung stehen.20 Im Zentrum der Zielfunktionen jener auf Netzwirtschaften bezoge- nen wirtschaftspolitischen Regulierung stehen infolgedessen die Netze und die Gewährung des diskriminierungsfreien Zugangs zu ihnen.

4. Vom Engpasscharakter zur Essential Facility

Sowohl im europäischen, als auch im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass ein Unternehmen prinzipiell die völlige Bestimmungsfreiheit darüber besitzt, mit wem es zu welchen Konditionen Verträge schließen möchte. Unsere Zivilrechtsordnung gewährt insofern eine umfassende Auswahl-, Abschluss- und Gestaltungsfreiheit, die grundsätzlich selbstverständlich auch solche Unternehmen für sich in Anspruch nehmen können, welche Erzeugnisse herstellen, Dienstleistungen erbringen oder über Einrichtungen verfügen, auf die andere Unternehmen notwendig zurückgreifen müssen, um selbst wirtschaftlich auf einem nachgelagerten Markt aktiv werden zu kön- nen. Wenn allerdings eine Konstellation eintritt, in der ein Unternehmen auf einem vorgelagerten Markt so mächtig ist, dass ein anderes Unternehmen, welches auf einem nachgelagerten Markt tätig zu werden beabsichtigt, an der Nutzung der Erzeugnisse oder zugangsnotwendigen Einrichtungen des marktmächtigen Unternehmens nicht vorbeikommt, spricht man von dem Bestehen eines Bottlenecks (Engpasseinrichtung). Das Bestehen einer derar- tigen Situation ist solange unproblematisch, wie das den vorgelagerten Markt beherrschende Unternehmen dem Nutzungspetenten den Zugang zu angemessenen Bedingungen ermöglicht. Im Falle einer Weigerung wird jedoch unter Umständen nicht nur der Marktzugang des Nutzungspetenten unmöglich, sondern zugleich auch der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt beeintr ä chtigt. Die Frage der Hinnehmbarkeit derartiger Wettbe- werbsbeeinträchtigungen bzw. die Frage, ob und inwieweit die konditionier- te Reglementierung potenzieller Zugangsgewährungsverpflichtungen hier geeignet erscheint, Abhilfe zu schaffen, hat dann das Kartellrecht zu beant- worten. Zur rechtstheoretischen Strukturierung von Lösungsansätzen für Problemstellungen innerhalb dieses Themenkreises ist u.a. die nachfolgend eingehender erläuterte Essential-Facilities-Doktrin entwickelt worden, die - von den U.S.A. ausgehend - mittlerweile in verschiedene Rechtssysteme im internationalen Raum Einzug gehalten hat. Auf europäischer Ebene wird eine Fallbearbeitung einschlägiger Sachverhalte der Zugangsverweigerung zu wesentlichen Einrichtungen im Rahmen der Prüfung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG durchgeführt. Bevor in Abschnitt B. II. die geschichtliche Entwicklung der Essential- Facilities-Doktrin und ihre schrittweise Rezeption in das Europäische und Deutsche Kartellrecht im Einzelnen aufgezeigt wird, werden nachfolgend der Übersicht halber schon im Kurzüberblick die wesentlichen Vorausset- zungen für eine Anwendung von Artikel 82 EG im Kontext der Verweige- rung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen dargelegt.

5. Die Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen gegenüber Nutzungspetenten als Form des Marktmachtmissbrauchs

a) Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Artikel 82 EG

Das Vorliegen eines Verstoßes gegen Artikel 82 EG aufgrund der Verwei- gerung des Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung setzt voraus, dass:

1. ein marktbeherrschendes Unternehmen, das über eine Essential Facility verfügt,

2. einem anderen Unternehmen den Zugang zu dieser Einrichtung ohne sachlichen Grund verweigert, sodass

3. der Wettbewerb auf einem bestimmten Markt ausgeschlossen werden kann.21

b) Nichtvorhandensein einer objektiven Rechtfertigung für die Zugangsverweigerung durch den Altsassen

Eine entscheidende Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Artikel 82 EG ist, dass die Verweigerung des Zugangs zu einer wesentlichen Einrich- tung durch den Altsassen bzw. Marktbeherrscher nicht objektiv, das heißt durch sachliche Gründe, gerechtfertigt sein darf22, denn das Vorliegen einer Rechtfertigung würde selbstverständlich das Vorliegen eines Missbrauchs- tatbestandes ausschließen.

c) Eignung zum Ausschluss von Wettbewerb durch den Nutzungspe- tenten

Die Zugangsverweigerung zu einer wesentlichen Einrichtung durch den Altsassen muss zudem geeignet sein, jeglichen Wettbewerb durch den Nut- zungspetenten auf einem bestimmten Markt auszuschlie ß en.23 Dies gilt ins- besondere für einen dem Zugang zu der wesentlichen Einrichtung nachgela- gerten und daher von diesem abgeleiteten Markt. Wenn ein solcher Fall vorliegt, ist es daher notwendig, den Zugang zu der Essential Facility als vorgelagertem Markt von einem nachgelagerten Markt, auf dem die betref- fende wesentliche Einrichtung für die Erstellung oder das Angebot der Pro- dukte bzw. Dienstleistungen des nachgelagerten Markts verwendet wird, zu differenzieren.24

II. Die Essential-Facilities-Doktrin als Regulierungsinstitut zur Ver- hinderung von Marktmissbräuchen in Gestalt vorsätzlicher Zugangs- verweigerung zu wesentlichen Einrichtungen durch deren Inhaber

Faktisch bestehende wirtschaftliche Macht ist immer auf einen bestimmten relevanten Markt bezogen, wobei ein marktbeherrschendes Unternehmen vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass es unabh ä ngig vom Wettbewerb agieren kann und genau dadurch den Wettbewerb zu beeinflussen faktisch imstande ist. M ö hring ist der Ansicht, dass ein Unternehmen insbesondere dann marktbeherrschend sei, wenn es mit Rücksicht auf die Größe seines Marktanteils in der Lage ist, die Erzeugung für eine bestimmte Art von Wa- ren oder die Preise und Geschäftsbedingungen für eine bestimmte Art von Waren oder Leistungen ohne wesentliche Rücksichtnahme auf den Wettbe- werber zu gestalten und dadurch den Markt fühlbar zu beeinflussen.25 Im Zusammenhang mit der Beherrschung von wesentlichen Einrichtungen, de- ren Nutzung eine zwangsläufige Voraussetzung für den Markteintritt von Wettbewerbern des Inhabers darstellt, ergeben sich hier insbesondere in Netzwirtschaften einige Spezifika. Doch zunächst wollen wir uns den Ent- wicklungsphasen der Essential-Facilities-Doktrin etwas genauer widmen.

1. Definition des Begriffs der Essential-Facilities-Doktrin

Unter dem Stichwort Essential-Facilities-Doktrin wird die Frage erörtert, ob die Inhaber von Infrastruktureinrichtungen, die über diese Einrichtungen den Zugang zu vorgelagerten oder nachgeordneten Märkten beherrschen, anderen Unternehmen die Mitbenutzung ihrer Einrichtungen gestatten müs- sen, selbst wenn ihnen davon eine Konkurrenz auf dem jeweiligen vorgela- gerten oder nachgeordneten Markt durch den Nutzungspetenten droht26, wobei der Begriff Doktrin ein mehr oder weniger wissenschaftliches System von Ansichten bzw. Aussagen bezeichnet, welches in der Regel den An- spruch erhebt, allgemeine Gültigkeit hinsichtlich ihrer Deutungshoheit für einen bestimmten Problemkreis zu besitzen.27

2. Ursprung und historische Entwicklung der Essential-Facilities- Doktrin

Der Begriff Essential Facilities stammt - wie bereits erwähnt - ursprünglich aus den U.S.A., denn im kartellrechtlichen Sprachgebrauch der Vereinigten Staaten werden bestimmte Infrastrukturen, Netze und andere betriebliche Ressourcen, die für einen Einstieg in den Wettbewerb oder für dessen Auf- rechterhaltung als unerl ä sslich und gleichzeitig als nicht duplizierbar ange sehen werden, schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff Essential Facilities zusammengefasst.28

a) Die Wurzeln der Essential-Facilities-Doktrin im Common Law

Die frühesten Wurzeln der Essential-Facilities-Doktrin reichen laut Venit/Kallaugher29 allerdings bis zu einer jahrhundertealten Tradition des Common Law zurück, wonach der Inhaber eines lokalen Monopols ver- pflichtet ist, sich gegenüber seinen potenziellen Kunden fair zu verhalten. So konnte sich beispielsweise ein Müller nicht einfach ohne stichhaltige Rechtfertigung weigern, das Korn eines örtlich ansässigen Getreidebauern zu mahlen. Bereits im 19. Jahrhundert sind diverse Fälle unter Bezugnahme auf jene Regeln des Common Law entschieden worden.30

b) Section 2 des Sherman Acts als Rechtsgrundlage der EssentialFacilities-Doktrin in den U.S.A.

Ihren konkreten Ursprung hat die Essential-Facilities-Doktrin in der Rechtsprechung des Supreme Courts zum US-amerikanischen Kartellrecht.31 Rechtsgrundlage der betreffenden Entscheidungen war Section 2 des Sherman Acts aus dem Jahre 1890, welcher das Verbot der versuchten oder vollendeten Monopolisierung von Märkten festsetzt:

“ Every Person who shall monopolize, or attempt to monopolize, or combine or conspire with any other person or persons, to monopolize any part of the trade or commerce among the several states, or with foreign nations, shall be deemed guilty of felony. ”

Der Begriff der Monopolisierung setzt sich dabei aus der Perspektive und in der Formulierung der US-amerikanischen Rechtsprechung kumulativ aus zwei Komponenten zusammen:

(1) The possession of monopoly power in the relevant market, and

(2) The wilful acquisition or maintenance of that power as distinguished from growth or development as a consequence of a superior product, business acumen or historical accident.32

Das tatbestandliche Vorliegen einer Monopolisierung erfordert im amerika- nischen Recht infolgedessen nicht nur die Inhaberschaft tatsächlicher Mo- nopolmacht, sondern setzt desweiteren auch das Bestehen einer Monopoli- sierungsabsicht des Altsassen voraus. Ein Marktbeherrscher handelt daher nur dann missbräuchlich, wenn er eine erlangte Machtstellung unter Einsatz unangemessener und von der Rechtsordnung zu missbilligender Mittel ver- teidigt.33 Grundsätzlich wird die fehlende wirtschaftliche oder tatsächliche Möglichkeit potenzieller Wettbewerber, sich selbst entsprechende wesentli- che Einrichtungen zu schaffen, als Indiz dafür gesehen, dass die Monopol- stellung des Altsassen, der Inhaber der wesentlichen Einrichtung ist, zu der jene potenziellen Wettbewerber als Nutzungspetenten Zugang verlangen, auch auf dem Vorsatz der verwerflichen Monopolisierung durch den Altsas- sen beruht.34

c) Die Entstehungsgeschichte der US-amerikanischen EssentialFacilities-Doktrin dargestellt an den Fällen United States vs. Terminal Railroad Association und Otter Tail Power Company

Im Jahre 1912 entschied der US Supreme Court dann in United States vs. Terminal Railroad Association35, dass ein Marktbeherrscher unter gewissen Voraussetzungen verpflichtet sein kann, einem potenziellen Wettbewerber, der als Nutzungspetent den Zugang zu einer von dem Marktbeherrscher kontrollierten wesentlichen Einrichtung begehrt, diesen Zugang einzuräu- men. In dem genannten Fall hatte ein Eisenbahnkonsortium den Bahnhof von St. Louis aufgekauft und sich dann geweigert, anderen Unternehmen der Branche den Zugang zu dem Bahnhof und den Streckenanlagen zu ge- währen. Die von der Zugangsverweigerung betroffenen Eisenbahngesell- schaften erhoben Klage beim Gericht, welches einen klaren Verstoß gegen Section 2 des Sherman Acts feststellte und die Inhaber der wesentlichen Einrichtungen dazu verpflichtete, ihren Wettbewerbern die Nutzung der fraglichen Anlagen zu den gleichen Bedingungen zu gewähren. Auch die Entscheidung Otter Tail Power Company des US Supreme Court s aus dem Jahre 197336, welche ein Energieversorgungsunternehmen, das in drei US- Bundesstaaten über ein Monopol bei der Stromerzeugung und -verteilung verfügte, betraf, wird in der Regel im Zusammenhang mit der Herausbil- dung der Essential-Facilities-Doktrin gesehen. Der Fall war so gelagert, dass einige Kommunen in der bezeichneten Region nach Auslaufen der Konzes- sionsverträge beabsichtigten eigene Stadtwerke zu gründen, um die Ver- braucher im Anschluss direkt beliefern zu können. Daher verlangten sie von Otter Tail, ihnen Elektrizität zu Großhandelspreisen zu verkaufen und be- gehrten darüber hinaus auch die Durchleitung der Energie anderer Elektrizi- tätswerke über das im Besitz von Otter Tail befindliche Leitungsnetz. Bei- des wurde von Otter Tail verweigert. Da für ein derartiges Verhalten keine rechtfertigenden technischen Gründe vorlagen, hat der US Supreme Court einen Verstoß gegen das Monopolisierungsverbot gemäß Sec. 2 des Sher- man Acts bejaht und hinsichtlich der Schwierigkeiten, auf die eine Kommu- ne bei der selbständigen Stromversorgung stößt, festgestellt: „Interconnec- tion with other utilities is frequently the only solution.“37

d) Erste Erwähnung des Begriffs ‚Essential-Facilities-Doktrin’ in Hecht vs. Pro-Football Inc.

Das Urteil Hecht vs. Pro-Football Inc. des Court of Appeals, District of Co- lumbia Circuit, aus dem Jahre 197738 ist die erste Gerichtsentscheidung, in der der Begriff Essential-Facilities-Doktrin konkret verwendet wurde.39 Gegenstand des Falls war die Nutzung des Football-Stadions in Washing- ton, das die Firma Pro-Football, die auch Betreiberin des Footballteams Redskins war, von einer hoheitlichen Einrichtung des District of Columbia geleast hatte. In dem zugrunde liegenden Leasingvertrag war vereinbart worden, dass das Football-Stadion in Washington während der gesamten Vertragslaufzeit nicht an ein anderes Football-Team als die Redskins über- lassen werden durfte. Ein gewisser Mr. Hecht beabsichtigte, ein neues Foot- ball-Team zu gründen und hierfür das Stadion anzumieten. Dies lehnte die Betreiberin des Stadions vertragsgemäß ab. Der District of Columbia Cir cuit hielt in diesem Zusammenhang die Essential-Facilities-Doktrin, die verlangt, dass die Besitzer von wesentlichen Einrichtungen, die praktisch nicht dupliziert werden können, selbige mit ihren potenziellen Konkurrenten zu fairen Bedingungen teilen müssen, für entscheidungserheblich40 und führte die rechtsdogmatische Existenz der Essential-Facilities-Doktrin auf die Entscheidung Terminal Railroad Association zurück, die dann in der Entscheidung Otter Tail Power Company bestätigt worden sei. Das Gericht stellte weiterhin fest, dass eine Einrichtung noch nicht einmal unverzichtbar (indispensable) zu sein brauche, um das Kriterium der Wesentlichkeit zu erfüllen, sondern, dass es ausreichend sei „if duplication of the facility would be economically infeasible and if denial of its use inflicts a severe handicap on potential market entrants.“41

Andererseits brauche die wesentliche Einrichtung dann nicht geteilt zu wer- den, wenn dies unpraktikabel wäre oder der Besitzer seine eigenen Kunden nicht mehr angemessen versorgen könnte. Im vorliegenden Fall hätte der Leasingvertrag das Kartellverbot der Sec. 1 und 3 Sherman Act dann ver- letzt, wenn:

1.) die Nutzung des genannten Stadions für den Betrieb eines FootballTeams in Washington wesentlich ist,

2.) eine derartige Stadioneinrichtung praktischerweise nicht durch potenzielle Konkurrenten dupliziert werden könne,

3.) ein anderes Team das Stadion nutzen kann, ohne die Nutzung durch die Redskins einzuschränken, und

4.) die im Leasingvertrag vereinbarte Beschränkung eine gerechte Mitnutzung des Stadions durch potenzielle Konkurrenten verhindert hat.42 Ob dies der Fall war, hatte die vorhergehende Gerichtsinstanz zu entschei- den und war daher nicht Gegenstand der Entscheidung des District of Co- lumbia Circuit.

e) Das Urteil MCI Communications Corporation vs. AT & T als Leitentscheidung zur US-amerikanischen Essential-Facilities-Doktrin

Die eigentliche Leitentscheidung zur Essential-Facilities-Doktrin ist jedoch nach überwiegender Ansicht43 das Urteil des Court of Appeals, 7th Circuit, im Fall MCI Communications Corporation vs. AT & T aus dem Jahre 1983.44 MCI Communications beabsichtigte die Erweiterung ihres Angebots von Telekommunikationsdiensten im Long-Distance-Geschäft. In vielen Ortsnetzen besaß aber AT & T ein natürliches Monopol, sodass MCI - um dennoch die in den betreffenden Orten ansässigen Fernsprechteilnehmer erreichen zu können - von AT & T die Zusammenschaltung (inter- connection) der MCI-Fernleitungen mit den genannten Ortsnetzen verlangte, was AT & T ablehnte.

Das Gericht hat in diesem Fall seine Entscheidung mit der Begründung auf die Essential-Facilities-Doktrin gestützt, die Weigerung eines Monopolisten, eine ihm gehörige bzw. von ihm betriebene wesentliche Einrichtung zur Verfügung zu stellen, könne rechtswidrig sein, wenn er dadurch seine Mo- nopolmacht (monopoly power) von einer Produktionsstufe auf eine andere, und von einem Markt auf einen anderen ausdehnen kann.45 Dies sei der Grund dafür, dass die Antitrust-Gesetze Unternehmen, die eine wesentliche Einrichtung kontrollieren, dazu verpflichten, die besagte Einrichtung zu nicht-diskriminierenden Bedingungen zugänglich zu machen. Das Gericht nannte in dieser Entscheidung vier prinzipielle Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Essential-Facilities-Doktrin, wodurch dieses Urteil sei- nen Status als Leitentscheidung begründete:

„ (1) Control of the essential facility by a monopolist;

(2) A potential competitor’s inability to practically or reasonably duplicate the essential facility;

(3) The denial of the use of that facility to a competitor; and

(4) The feasibility of providing the essential facility.“46

Der 7th Circuit stellte bezogen auf den konkreten Fall fest, dass AT & T die uneingeschränkte Kontrolle über die von MCI zum Zwecke der Erweiterung ihres Angebots von Telekommunikationsdiensten im Long-Distance- Geschäft benötigten Ortsnetze besitze. Die von der MCI angestrebten Zu- sammenschaltungen der eigenen Fernleitungen mit den fraglichen Ortsnet- zen der AT & T seien daher für MCI unzweifelhaft wesentlich, um die ge- planten neuen Dienste anbieten zu können, und es sei weder für MCI wirtschaftlich machbar, die Ortsnetze zu duplizieren, noch könne das Unter- nehmen die Genehmigung der Aufsichtsbehörde für eine solche unwirt- schaftliche Duplizierung erhalten, wohingegen AT & T die Nutzung durch den Zugangspetenten abgelehnt habe, obwohl diesem Ansinnen kein legiti- mer gesch ä ftlicher oder technischer Grund (no legitimate business or tech- nical reason) entgegengestanden habe und MCI von AT & T weder einen vorrangigen Zugang noch eine Aufgabe ihrer marktzugangsnotwendigen Einrichtungen verlangt habe.47 Infolgedessen sah das Gericht in der Verwei- gerung des Zugangs zu den Ortsnetzen die Vornahme eines unzul ä ssigen Monopolisierungsaktes durch AT & T.

Dennoch bliebe die Darstellung des historischen Werdegangs der Essential- Facilities-Doktrin unvollständig, würde man nicht auch auf den Beitrag der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Begriffsprägung und dogmatischen Definition des Deutungshorizontes derselben hinweisen. Insbesondere Neale48 und Sullivan49 - aber auch diverse andere amerikanische Autoren - haben in nicht unerheblicher Weise zur Entwicklung der Essential- Facilities-Doktrin beigetragen, da sie aus den frühen Fallentscheidungen in strukturierter Weise allgemeine Grundsätze abgeleitet haben. Zudem ent- springt der Begriff ‚Essential-Facilities-Doktrin’ selbst ebenfalls der rechtswissenschaftlichen Literatur: gemäß van Siclen wurde er in Kommen- taren zum US-amerikanischen Antitrust-Case-Law geprägt.50

3. Allgemeines in Bezug auf den Einzug und die Rezeption der Essen- tial-Facilities-Doktrin in das deutsche und europäische Kartellrecht

Während der letzten Jahrzehnte hat eine schrittweise Rezeption der Essen- tial-Facilities-Doktrin in die nationalen Wettbewerbsrechtssysteme einiger EU-Mitgliedstaaten stattgefunden. Dies fand jedoch zunächst nicht auf dem Wege der Kodifizierung statt, sondern die Essential-Facilities-Doktrin stell- te - soweit sie in den jeweiligen nationalen Kartellrechtsordnungen Anwen- dung fand - einen Teil des richterlichen Fallrechts dar. Erst durch den deut- schen Gesetzgeber erfolgte im Jahre 1998 mit der 6. Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die erste allgemeine Kodifizie- rung der Essential-Facilities-Doktrin51, wobei der Regierungsentwurf der Novelle sich explizit auf die zuvor ergangenen Hafen-Entscheidungen52 der EG-Kommission berief und die im europäischen Recht verankerte Essential- Facilities-Doktrin auf diese Weise verbindlich festzuschreiben bestrebt war.53 Der in der Doktrin verkörperte grundsätzliche Rechtsgedanke findet sich allerdings schon seit längerem in diversen sektor-spezifischen EG- Richtlinien und -Verordnungen sowie einigen im nationalen Rahmen erlas- senen Gesetzen.54 Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich weitgehend auf die Rezeption der Essential-Facilities-Doktrin in das Euro- päische Kartellrecht. Auf die deutsche Kodifizierung im Rahmen des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB wird jedoch weiter unten in der gebotenen Kürze geson- dert und vergleichend einzugehen sein.

4. Darstellung der Integration der Essential-Facilities-Doktrin in das europäische Kartellrecht anhand der Hafen-Entscheidungen und des Bronner-Falls

Die EG-Kommission hat die Essential-Facilities-Doktrin im Rahmen der Hafen-Entscheidungen von 1992 - 1993 erstmals argumentativ zielführend und in Anlehnung an das US-amerikanische Antitrust-Recht aufgegriffen und auf diesem Wege de facto in das europäische Kartellrecht eingeführt.55 Mit dem Magill -Urteil des EuGH wurden die Entscheidungsgründe der Kommission dann durch die Rechtsprechung allgemein bestätigt.56 Auf- grund der Notwendigkeit einer separaten Erörterung einer potenziellen An wendbarkeit der Essential-Facilities-Doktrin auf immaterialgüterrechtlich geschützte Einrichtungen wird unter B.III. gesondert auf die Fälle Magill und IMS Health eingegangen werden, die - trotz ihrer Darstellung an anderer Stelle - beide wesentliche Meilensteine der Rezeption der EssentialFacilities-Doktrin in das europäische Kartellrecht darstellen.

a) Die grundlegende Bedeutung der Hafen-Entscheidungen für die Etablierung der Essential-Facilities-Doktrin im europäischen Kartell- recht

Im Rahmen der 3 Hafen-Entscheidungen der EG-Kommission der Jahre 1992 - 1993 wurde die Essential-Facilities-Doktrin gewissermaßen im eu- ropäischen Kartellrecht verankert. Charakteristisch für jeden dieser Fälle war, dass der Betreiber und Eigentümer eines Hafens einem Wettbewerber im Markt für Fährdienstleistungen den Zugang zum Hafen verweigerte. Die EG-Kommission war in allen 3 Fällen vom Vorliegen eines missbräuchli- chen Verhaltens gemäß Artikel 86 EGV a.F. (nachfolgend wird aus Grün- den der Übersichtlichkeit ausschließlich auf Artikel 82 EG Bezug genom- men)57 überzeugt und begründete dies in ihren Entscheidung entsprechend, wobei sie erstmals in der Geschichte des europäischen Wettbewerbsrechts die Essential-Facilities-Doktrin argumentativ ins Feld führte, nach deren Konzept ein Unternehmen dann gegen Artikel 82 EG verstößt, wenn es „für die Gestellung einer wesentlichen Einrichtung marktbeherrschend ist [...] und anderen Unternehmen den Zugang zu dieser Einrichtung ohne sachliche Rechtfertigung verweigert oder nur unter Bedingungen gewährt, die ungüns- tiger sind als für seine eigenen Dienste.“58 Die EG-Kommission definierte den Begriff wesentliche Einrichtung in diesem Zusammenhang als eine „Einrichtung oder Infrastruktur, ohne deren Nutzung ein Wettbewerber sei- nen Kunden keine Dienste anbieten kann.“59

aa) Versuch der Monopolisierung eines vom Primärmarkt abgeleiteten Marktes als Begründung eines missbräuchlichen Verhaltens i.S.d. Arti- kels 82 EG

Nach Maßgabe und in Anlehnung an die Rahmen der Lieferverweigerung ergangenen Urteile in den Fällen T é l é marketing und Commercial Solvents60 ist das Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens im Sinne der Essential-Facilities-Doktrin dann zu missbilligen, wenn es einem potenziel- len Wettbewerber den Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung untersagt, sodass der Nutzungspetent auf dem abgeleiteten Markt die von ihm inten- dierte wirtschaftliche Aktivität nicht ausüben kann und dort zudem jeglicher Wettbewerb unterbunden wird, der Marktbeherrscher also versucht, durch die Verweigerung des Zugangs zu seinen Einrichtungen neben dem Pri- märmarkt auch den sekundären Dienstleistungsmarkt zu monopolisieren, zu dem der potenzielle Wettbewerber einen Zugang begehrte.61

bb) Der Missbrauchstatbestand des Artikel 82 EG ist nur bei Nichtvorliegen einer sachlichen Rechtfertigung erfüllt

Gemäß der in der Sealink II- Entscheidung durch die EG-Kommission im Rahmen ihrer begründenden Ausführungen dargelegten Grundsätze stellt die Verweigerung des Zugangs zu einer wesentlichen Einrichtung durch einen Marktbeherrscher nur im Falle des Nichtvorliegens einer sachlichen Rechtfertigung ein missbräuchliches Verhalten dar62, wobei insbesondere das Fehlen technischer, wirtschaftlicher oder fachlicher Voraussetzungen für die sachgerechte Nutzung der Einrichtung durch den Zugangspetenten63, aber auch das Vorhandensein begrenzter Kapazitäten des Altsassen hinsicht- lich der Verfügbarkeit der fraglichen wesentlichen Einrichtung - wenn sel- bige nur den Zugang einer bestimmten Anzahl von Unternehmen zu absor- bieren imstande ist - als Begründung einer sachlichen Rechtfertigung für eine Zugangsverweigerung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen infrage kommen64 und die Rechtfertigungsgründe gemäß des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu bewerten sind.65 Desweiteren ist der Inhaber einer Essential Facility berechtigt, für deren Schaffung und Instandhaltung einen angemessenen Ausgleich für die erbrachten Vorleistungen - bei- spielsweise in Form einer Nutzungsgebühr - in Rechnung zu stellen.66

b) Das Urteil Bronner, die Entwicklung des Bronner-Kriteriums und der Duopoltest des EuGH als weitere Meilensteine der Entwicklung der Essential-Facilities-Doktrin europäischer Ausprägung

Das EuGH-Urteil im Fall Bronner vom 26. November 199867 hat nach verbreiteter Auffassung zu einer Schärfung der Konturen des europäischen Kartellrechts und einer präziseren Trennschärfe hinsichtlich der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Essential-Facilities-Doktrin beigetragen und darüber hinaus auch zur Entwicklung des so genannten Duopoltests des EuGH und des Bronner-Kriteriums geführt.

aa) Darstellung des Sachverhalts

Die Oscar Bronner GmbH & Co. KG verlegt in Österreich die Tageszeitung Der Standard, welche einen Marktanteil von 3,6 % hält. Der Vertrieb er- folgt überwiegend über Kioske und per Postzustellung, aber nicht durch ein Hauszustellungssystem. Der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, der die Neue Kronen Zeitung und den Kurier publiziert, die zusammen ei- nen Marktanteil von knapp 47 % des Marktes für Tageszeitungen halten, betreibt über seine 100-prozentige Tochter, die Mediaprint Zeitungsver- triebsgesellschaft, das einzige landesweit operierende Hauszustellungssys- tem. Die Oscar Bronner GmbH & Co. KG (Klägerin) verlangte von der Me- diaprint -Gruppe Zugang zu deren landesweitem Hauszustellungssystem für Tageszeitungen gemäß § 35 des österreichischen Kartellgesetzes (öst. KartG), der den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbietet, da nach ihrer Auffassung nur eine Hauszustellung gewährleiste, die Tages- zeitung schon in den frühen Morgenstunden an die Abonnenten ausliefern zu können und die in der Regel erst am späten Vormittag erfolgende Zustel- lung per Post dazu keine gleichwertige Alternative darstelle. Ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen sei für die Klägerin angesichts der nur geringen Zahl von Abonnenten unrentabel und daher wirtschaftlich unzu- mutbar. In ihren weiteren Ausführungen betonte die Klägerin, dass sie ge- genüber dem Wirtschaftsblatt, einer Tageszeitung, die von Mediaprint nicht verlegt, aber trotzdem vertrieben werde, einer dauerhaften Diskriminierung unterworfen sei. Die Mediaprint -Gruppe führte aus, dass sie nicht verpflich- tet sei, ihre unmittelbaren Wettbewerber zu fördern. Sie habe unter Einsatz hohen finanziellen Aufwands ihr Hauszustellungssystem errichtet, dessen Kapazität überfordert würde, wenn es für alle österreichischen Tageszeitun- gen zwangsgeöffnet würde. Die Situation des Wirtschaftsblatts könne mit derjenigen des Standards keineswegs verglichen werden, da der Vertrieb des Wirtschaftsblatts nur einen Teil des zwischen den Unternehmen vertrag- lich ausgehandelten Gesamtpakets an Leistungen darstelle und Mediaprint u.a. auch den Druck des Wirtschaftsblatts übernehme. Überdies enthalte das Wirtschaftsblatt wesentliche redaktionelle Teile einer Volltageszeitung - wie Sport, Fernsehen und Kultur - nicht, weswegen das Wirtschaftsblatt aus Sicht der Mediaprint-Gruppe nicht in direkter Konkurrenz zu den eigenen Tageszeitungen stünde. Das Oberlandesgericht Wien, welches mit dem Rechtsstreit in seiner Funktion als Kartellgericht befasst war, sah in der Fra- ge, ob das Verhalten von Mediaprint gegen Artikel 82 EG (Artikel 86 EGV a.F.) verstoße, eine zentrale Vorfrage zur Entscheidung des bei ihm anhän- gigen Rechtsstreits, da ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Missbrauchsverbot des Artikel 82 EG folgerichtigerweise auch einen Ver- stoß gegen das nationale Missbrauchsverbot des § 35 öst. KartG darstelle und ein nach Gemeinschaftsrecht verbotenes Verhalten wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht nach nationalem Recht geduldet werden dür- fe. Das OLG Wien legte infolgedessen dem EuGH die nachfolgend verein- facht wiedergegebenen Vorlagefragen vor, ob:

1.) die Weigerung eines Presseunternehmens mit überragender Marktstellung, die Tageszeitung eines Wettbewerbers in ihr Hauszustellungssystem aufzunehmen, und

2.) dessen Bedingung an Zugangspetenten, ein Gesamtpaket an Leistungen abzunehmen, um Zugang zu dem Hauszustellungssystem zu erlangen, den Tatbestand der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.d. Artikel 82 EG erfüllten.

In seinen Schlussanträgen hielt Generalanwalt Jacobs die Vorlagefragen zwar für zulässig68, sah in der Verweigerung des Zugangs zum landesweiten Hauszustellungssystem der Mediaprint -Gruppe allerdings keinen Verstoß gegen Artikel 82 EG69 und verneinte deswegen die Relevanz der zweiten Vorlagefrage in Bezug auf die Bedingung, ein Gesamtpaket abzunehmen.70

bb) Darstellung und Analyse der Entscheidungsgründe des EuGH

In seinem Urteil kam der EuGH zu denselben Ergebnissen wie auch schon Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen. Die Zulässigkeit der Vor- lagefragen bejahte der EuGH indem er feststellte, dass die Beurteilung so- wohl der Rechtserheblichkeit der Vorlagefragen als auch der Notwendigkeit des Vorabentscheidungsersuchens allein dem vorlegenden Gericht zustehe und es dem EuGH daher nicht gestattet sei, die Gründe für das Ergehen des Vorlagebeschlusses zu prüfen.71

Das Verhältnis der Zuständigkeiten geht zurück auf Leitsatz 1 einer auf Er- suchen um Vorabentscheidung des Tribunal du travail de Bruxelles in Bel- gien gefällten Entscheidung des EuGH vom 11.4.1973 bezüglich eines Falls zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer, aus dem hervorgeht, dass der EuGH im Verfahren nach Artikel 177 EG zwar nicht befugt ist, die Normen des Ge- meinschaftsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, und somit auch nicht zuständig ist, eine Bestimmung des innerstaatlichen Rechts unter diese Normen einzuordnen, aber einem innerstaatlichen Gericht die Kriterien für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand geben kann, die jenem bei der Beurteilung der Wirkungen dieser Bestimmung dienlich sein könn- ten.72 Im vorliegende Fall sah der EuGH allerdings in der Weigerung eines Presseunternehmens, der Tageszeitung eines Wettbewerbers Zugang zu sei- nem Hauszustellungssystem zu gewähren, unter den gegebenen Umständen keinen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot des Artikel 82 EG73, womit er indirekt das Vorliegen eines Anspruchs von Bronner gegen Mediaprint auf Zugangsgewährung zu dem fraglichen Hauszustellungssystem der Mediaprint -Gruppe verneinte. Die Prüfung von Artikel 82 EG nahm der EuGH wie in der Regel üblich in drei Schritten vor: den ersten Schritt bildete die Definition des relevanten Marktes - der gleichzeitig jedoch zumindest einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausmachen muss -, dann prüf- te er in einem zweiten Schritt, ob die Mediaprint -Gruppe eine beherrschen- de Stellung auf dem relevanten Markt innehat, und schließlich prüfte er, ob die vorliegend zu untersuchende Verhaltensweise einen Missbrauch dieser beherrschenden Stellung darstellt.

(1) Relevanter Markt

In Bezug auf den relevanten Markt begnügte sich der EuGH damit, für eine trennscharfe Abgrenzung desselben erforderliche präzisierende rechtliche Hinweise zu erteilen, während er die tatsächliche Ermittlung des relevanten Marktes dem vorlegenden Gericht überließ. Dieser umfasse „alle Erzeugnis- se oder Dienstleistungen, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedi- gung eines gleich bleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen oder Dienstleistungen nur in geringem Maße austauschbar sind.“74 Im Fall Bronner sei daher insbesondere zu eruieren, ob die in Öster- reich existierenden Hauszustellungssysteme grundsätzlich mit anderen etab- lierten Arten des Zeitungsvertriebs, wie dem Laden- oder Kioskverkauf ei- nerseits und der Zustellung per Post andererseits, hinreichend austauschbar sind, und ob eine derartige Austauschbarkeit auch zwischen dem landeswei- ten Hauszustellungssystem von Mediaprint und anderen, nur auf regionaler Ebene existierenden Hauszustellungssystemen besteht.75

(2) Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung

Gemäß der Ausführungen des EuGH hätte die Mediaprint- Gruppe jedenfalls für den Fall eine marktbeherrschende Stellung innegehabt, dass das landes- weite Hauszustellungssystem mit den anderen in Österreich vorfindlichen Vertriebssystemen für Tageszeitungen nicht hinreichend austauschbar wäre, da Mediaprint bezüglich des landesweiten Hauszustellungssystems eine tats ä chliche Monopolstellung innehatte.76 Die beherrschende Stellung beträfe dann auch einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes, da das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats bereits ausreiche, um dieses Kriterium hinreichend zu erfüllen.77

(3) Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG

Das Vorliegen eines Missbrauchs dieser möglicherweise vorfindlichen marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG durch die Mediaprint Gruppe hat der EuGH aus Gründen, die im Folgenden etwas eingehender dargestellt und unter Anführung der Auffassungen einiger namhafter Stimmen des Schrifttums reflektiert werden sollen, aber abgelehnt.

(a) Analyse des eventuellen Vorliegens eines Bezuges zur EssentialFacilities-Doktrin in der Tenorierung des EuGH

Im unmittelbaren Rahmen seiner urteilsbegründenden Argumentation hat der EuGH den Begriff Essential Facilities bzw. wesentliche Einrichtungen nicht benutzt, verwendet ihn jedoch im Rahmen der zusammenfassenden Darstellung der Rechtsauffassung von Bronner.78 Im einleitenden Satz zu seiner Prüfung begab der EuGH sich allerdings auf sorgsam annähernde Weise in eine unmittelbare konnotative Nähe des Schlüsselbegriffs der Es- sential Facilities, indem er konstatierte, es sei zu prüfen, ob ein Missbrauch vorliege, da ein Wettbewerber „um einen für den Verkauf seiner Tageszei- tung als wesentlich angesehenen Vertriebsweg gebracht“ werden könnte, wenn der Betreiber des einzigen landesweit operierenden Tageszeitungs- hauszustellungssystems ihm den Zugang zu diesem verweigerte.79

(b) Bezug zu den EuGH-Entscheidungen Commercial Solvents und CBEM hinsichtlich des Kriteriums der Ausschaltung jeglichen Wett- bewerbs

Im Rahmen seiner Prüfung nahm der EuGH zunächst Bezug auf die durch ihn in den Fällen Commercial Solvents80 und CBEM81 erlassenen Urteile, denen er die Leitaussage entnahm, dass die Weigerung, einem Wettbewerber „die für die Ausübung von dessen Tätigkeit unerlässlichen Rohstoffe oder Dienstleistungen“ zu liefern bzw. zu erbringen, nur in dem Fall missbräuchlich sei, dass sie unzweifelhaft geeignet ist, „ jeglichen Wettbewerb durch dieses Unternehmen auszuschalten.“82

(c) Bezug zur EuGH-Entscheidung Magill hinsichtlich des Kriteriums der außergewöhnlichen Umstände

Als nächstes nahm der EuGH Bezug auf sein Urteil im Fall Magill83, wo- nach die Lizenzverweigerung eines Immaterialgüterrechtsinhaber gegenüber einem potenziellen Wettbewerber nur unter au ß ergew ö hnlichen Umst ä nden ein missbräuchliches Verhalten i.S.d. Artikel 82 EG darstellen kann.84 Im Fall Magill hätten die außergewöhnlichen Umstände darin bestanden, dass die Zugangsgewährung zu den begehrten Programminformationen „für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit [...] unentbehrlich “ gewesen sei, dass diese Zugangsverweigerung „das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, für das eine potenzielle Nachfrage [...] bestand, verhinderte“, darüber hinaus auch „nicht durch sachliche Erw ä gungen gerechtfertigt“ gewesen sei, und dass sie zudem geeignet gewesen sei, „ jeglichen Wettbewerb auf dem abge- leiteten Markt auszuschließen.“85

(d) Notwendige Voraussetzungen zur hinreichenden Erfüllung des Missbrauchstatbestandes gemäß Artikel 82 EG

In seinen Ausführungen ließ der EuGH allerdings die zentrale Fragestellung ungeklärt, ob die im Rahmen der Magill -Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze hinsichtlich der gemeinschaftswettbewerbsrechtlich definierten Grenzen der Freiheit zur beliebigen Ausübung eines gewerblichen Schutz- rechts durch einen marktbeherrschenden Schutzrechtsinhaber kategorisch auf die Ausübung eines beliebigen Eigentumsrechts übertragbar sind.86 Selbst wenn dies der Fall wäre, läge jedoch im Fall Bronner nur dann ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG durch die Mediaprint-Gruppe vor, wenn folgende zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt wären:

1.) Die Verweigerung der in der landesweiten Hauszustellung bestehenden und vom Zugangspetenten begehrten Dienstleistung muss zweifelsfrei ge- eignet sein, jeglichen Wettbewerb auf dem österreichischen Tageszeitungs- markt durch den die Dienstleistung begehrenden, potenziellen Konkurrenten auszuschalten, und darf nicht objektiv zu rechtfertigen sein [i]; und

2.) die vom Zugangspetenten begehrte Dienstleistung selbst muss für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit des potenziellen Konkurrenten in dem Sinne unentbehrlich sein, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Er- satz für das landesweit operierende Hauszustellungssystem vorhanden ist [ii].87

(aa) Vorliegen alternativer Vertriebswege für Tageszeitungen

Der EuGH verneinte im vorliegenden Fall das Vorliegen beider genannter Voraussetzungen und begründete dies mit den Argumenten, dass zum einen feststünde, dass für den landesweiten Vertrieb von Tageszeitungen auch andere etablierte Vertriebsstrukturen - wie die Zustellung per Post und den Laden- bzw. Kioskverkauf - zur Verfügung stünden. Den Umstand, dass die ausschließliche Nutzung derartiger alternativer Vertriebsstrukturen hinsicht- lich des Vertriebs bestimmter Tageszeitungen auf der Ebene landesweiten Absatzes für den Wettbewerber des Inhabers des einzigen landesweit ope- rierenden Tageszeitungshauszustellungssystems gegebenenfalls zu subopti- malen Vertriebsmengenergebnissen führen könnte, hat der EuGH im Rah- men seiner Ausführungen ausdrücklich billigend hingenommen.88

(bb) Zugang zum bestehenden Tageszeitungshauszustellungssystem nicht unverzichtbar

Zum anderen seien nach Auffassung des EuGH keinerlei rechtliche, techni- sche oder auch nur wirtschaftliche Hindernisse ersichtlich, die es einem be- liebigen, mit dem Inhaber des einzigen landesweit operierenden Hauszustel- lungssystems in Konkurrenz treten wollenden Verleger von Tageszeitungen unmöglich machen oder zumindest unzumutbar erschweren würden, allein oder in Kooperation mit anderen gleichgesinnten Verlegern ein eigenes landesweites Tageszeitungshauszustellungssystem zu errichten.89

[...]


2 Braun/Giraud, Steuerungsinstrumente, S. 147.

3 Braun/Giraud, Steuerungsinstrumente, S. 148.

4 Braun/Giraud, Steuerungsinstrumente, S. 153.

5 Das tatsächliche Vorliegen eines natürlichen Monopols im Energiesektor wurde von Wettbewerbsökonomen zunehmend bezweifelt, siehe Renz, Liberalisierung S. 70.

6 Braun/Giraud, Steuerungsinstrumente, S. 158.

7 Eising, Liberalisierung und Europäisierung, S. 30.

8 Vgl. Hohmann, S. 19.

9 Http://www.vwl.uni-freiburg.de/fakultaet/vw/forschung/netecon.html.

10 Transaktionen zwischen Unternehmen (B2B) bzw. Einzelpersonen (Peer-to-Peer).

11 Van Miert, WuW 1998, S. 7.

12 Klimisch/Lange, WuW 1998, S. 17.

13 Zur Bußgeldverhängung am 12.7.2006: http://www.heise.de/newsticker/meldung/75368.

14 EuGH, Bronner, S. I-7791, Tz. 41.

15 Emmerich, S., FS Söllner, S. 35.

16 Ibsch 2007, S. 38.

17 Lettl, Kartellrecht, Rn. 285-295.

18 Bausch, Netznutzungsregeln, S. 52.

19 Vgl. S ä cker, Freiheit, S. 101, mit Verweis auf Adams, ALR, S. 527.

20 Vgl. S ä cker, Freiheit, S. 99.

21 Lettl, Kartellrecht, Rn. 285-295.

22 EuGH, Bronner, S. I-7791, Tz. 41.

23 EuGH, Bronner, S. I-7791, Tz. 41.

24 Lettl, Kartellrecht, Rn. 285-295.

25 M ö hring, GRUR 1952, S. 469.

26 Emmerich, Kartellrecht, S. 155.

27 Ähnlich auch http://de.wikipedia.org/wiki/doktrin.

28 Ibsch 2007, S. 38.

29 Venit/Kallaugher, Essential Facilities, S. 319 f.

30 Vgl. Venit/Kallaugher, Essential Facilities, S. 320.

31 M ö schel, IM, § 19 GWB, Rn. 178.

32 United States vs. Grinnell Corp., S. 570 f.

33 Vgl. Müller, EuZW 1998, S. 232 f.

34 Markert, FS Mestmäcker 1996, S. 661 ff.

35 United States vs. Terminal Railroad Association, S. 383.

36 Otter Tail vs. United States, S. 366.

37 Otter Tail vs. United States, S. 378.

38 Hecht vs. Pro-Football, S. 982 f.

39 Vgl. Schwintowski, WuW 1999, S. 846.

40 Hecht vs. Pro-Football, S. 992.

41 Hecht vs. Pro-Football, S. 992.

42 Hecht vs. Pro-Football, S. 993.

43 Vgl. Van Siclen, Background Note, S. 113 ; M ü ller, EuZW 1998, S. 233.

44 MCI vs. AT&T, S. 1081.

45 MCI vs. AT&T, S. 1132.

46 MCI vs. AT&T, S. 1132 f.

47 MCI vs. AT&T, S. 1133.

48 Neale, Antitrust Laws, Part I, Chap. II, No. 3, S. 68 ff. und Chap. V, No. 2, S. 131 ff.

49 Sullivan, Handbook, § 48, S. 125 ff.

50 Van Siclen, Background Note, Nr. 1 “Introduction“.

51 Ansätze einer Kodifizierung der EFD finden sich weiterhin sowohl in der australischen als auch in der dänischen Gesetzgebung, vgl. Dreher, DB 1999, S. 833 f.

52 EG-Kommission, Sealink I; EG-Kommission, Sealink II; EG-Kommission, Hafen von R ö dby.

53 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9720, S. 36.

54 So z.B. Postbinnenmarkt-Richtlinie, §§ 28, 29 PostG., §§ 33, 35 TKG.

55 Deselaers, EuZW 1995, S. 563.

56 M.w.N. Mennicke, ZHR 160 (1996), S. 649.

57 Artikel 86 EGV a.F., d.h., in der Fassung des Vertrags von Maastricht, entspricht Artikel 82 EG gemäß des Vertrags von Amsterdam; nachfolgend wird ausschließlich Artikel 82 EG zitiert.

58 EG-Kommission, Sealink II, Tz. 66.

59 EG-Kommission, Sealink II, Tz. 66.

60 EuGH, T é l é marketing, S. 3278; EuGH, Commercial Solvents, S. 251 f.

61 Vgl. M ü ller, EuZW 1998, S. 234 f.

62 EG-Kommission, Sealink II, Tz. 66.

63 Vgl. Müller, EuZW 1998, S. 235.

64 Markert, WuW 1995, S. 564.

65 Deselaers, EuZW 1995, S. 568.

66 Vgl. EuGH, C.I.C.R.A. ./. Renault, Tz. 17.

67 EuGH, Bronner, S. I-7791.

68 Schlussanträge v. Generalanwalt Jacobs zu EuGH, Bronner, S. I-7796 ff., Nr. 9 ff.

69 Schlussanträge v. Generalanwalt Jacobs zu EuGH, Bronner, S. I-7801 ff., Nr. 28 ff.

70 Schlussanträge v. Generalanwalt Jacobs zu EuGH, Bronner, S. I-7815, Nr. 71 ff.

71 EuGH, Bronner, S. I-7823 ff., Tz. 12 ff.

72 EuGH, Michel S., S. 457.

73 EuGH, Bronner, S. I-7832, Tz. 47.

74 EuGH, Bronner, S. I-7829, Tz. 33.

75 EuGH, Bronner, S. I-7829, Tz. 34.

76 EuGH, Bronner, S. I-7829, Tz. 35.

77 EuGH, Bronner, S. I-7829, Tz. 36.

78 EuGH, Bronner, S. I-7826, Tz. 24.

79 EuGH, Bronner, S. I-7830, Tz. 37.

80 EuGH, Commercial Solvents, insbes. S. 252, Tz. 25.

81 EuGH, CBEM./.CLT und IPB, insbes. S. 3278, Tz. 26.

82 EuGH, Bronner, S. I-7830, Tz. 38.

83 EuGH, RTE u. ITP./.Kommission (Magill -Urteil), insbes. S. I-823 f., Tz. 49 ff.

84 EuGH, Bronner, S. I-7830, Tz. 39.

85 EuGH, Bronner, S. I-7830 f., Tz. 40.

86 EuGH, Bronner, S. I-7831, Tz. 41.

87 EuGH, Bronner, S. I-7831, Tz. 41.

88 EuGH, Bronner, S. I-7831, Tz. 43.

89 EuGH, Bronner, S. I-7831, Tz. 44.

Fin de l'extrait de 276 pages

Résumé des informations

Titre
Marktbeherrschung durch Essential Facilities
Sous-titre
Insbesondere Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und gewerblichen Schutzrechten
Université
Free University of Berlin
Cours
Studienabschlussarbeit im Rechtsgebiet Wettbewerbsrecht
Note
3 (9 Punkte)
Auteur
Année
2008
Pages
276
N° de catalogue
V193568
ISBN (ebook)
9783656186656
ISBN (Livre)
9783656187585
Taille d'un fichier
1545 KB
Langue
allemand
Annotations
Umfassender Gesamtüberblick über alle Bereiche der Essential-Facilities-Thematik in allen gängigen Netzwirtschaften mit vertiefenden Ausführungen zu dem Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und gewerblichen Schutzrechten anhand der Microsoft-Fälle.
Mots clés
EFD, Marktbeherrschung, Essential-Facilities-Doktrin, Microsoft-Fälle, Microsoft, Marktbeherrschung durch Essential Facilities, Independent, ISO, Independent System Operator, Regulierung, Ownership Unbundling, Marktmissbrauch in Netzwirtschaften, wesentliche Einrichtungen, Art. 82 EG, Engpasscharakter, Zugangsverweigerung, Hafen-Entscheidungen, Otter Tail, Bronner, Duopoltest, Relevanter Markt, Monopolisierung, Lizenz, Abgeleiteter Markt, Marktregulierung, Elektrizitätswirtschaft, Liberalisierungspaket, Übertragungsnetz, Oligopol, Full Ownership Unbundling, Deep ISO, Regional System Operator, Shallow ISO, Deep RSO, Montan Union, Immaterialgüterrecht, Interoperabilität, Schnittstellen, Dekompilierung, Dynamischer Wettbewerb, Restwettbewerb, Bedarfsmarktkonzept, Netzwerkeffekte, Marktzutrittsbarrieren, Geschäftsverweigerung, Zwangslizenzierung, Marktmacht, Bottleneck, Commercial Solvents, Gatekeeper, Sui-generis-Schutz, Sole-Source-Daten, Computer-Betriebssystem, Client-Lock-in, Offenlegung von Schnittstellen, Primärmarkt, Komplementärmarkt, Windows, Windows Media Player, Preishöhenmissbrauch, Product-Bundling
Citation du texte
Michael A. Louis (Auteur), 2008, Marktbeherrschung durch Essential Facilities, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193568

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