Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Zielgruppe der Validationstherapie
3. Grundprinzipien der Validationstherapie
4. Theorien als Grundlage der Grundprinzipien
5. Vier Phasen im Stadium der Aufarbeitung
5.1 Phase I – „Mangelhafte Orientierung (orientiert, aber unglücklich) "
5.2 Phase II – „Zeitverwirrtheit“
5.3 Phase III – „sich wiederholende Bewegungen – sie ersetzen die Sprache“
5.4 Phase VI – „Vegetieren – totaler Rückzug nach innen“
6. Anwendung der Validation
7. Diskussion der Validationstherapie als Beratungsansatz
8. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Sonstige Verzeichnisse
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Beratung als Problemlöseprozess (Quelle: HUMMEL-GAATZ, DOLL 2007, 29)
Methodenkritik: Darstellung und Diskussion der Validationstherapie als Beratungsansatz
1. Einführung
Der Begriff der Validationstherapie wurde von Naomi Feil geprägt (geboren 1932 in München, im Alter von vier Jahren in die Vereinigten Staaten emigriert). Frau Feil wuchs im Montefiore-Altersheim in Cleveland (Ohio), das von ihrem Vater geleitet wurde, auf. Ihre Mutter war dort als Sozialarbeiterin tätig. 1950 studierte Frau Feil an der Columbia Universität in New York Psychologie und Sozialarbeit. Nach Abschluss ihres Studiums 1956 arbeitete sie in New York in einem Krankenhaus und Gemeinschaftszentrum vor allem mit orientierten und gesunden Menschen. Im Jahr 1963 kehrte sie als Gruppentherapeutin in das Montefiore-Heim zurück (vgl. MORTON 2002, 37). Dort betreute sie vor allem alte Menschen über 80 Lebensjahre, die zudem oftmals desorientiert waren. Die hier arbeitenden Pflegenden versuchten oftmals, den desorientierten Menschen zu helfen, indem sie diesen die Realität vergegenwärtigen wollten. Diese „…Realitätsorientierungstherapie (ROT) wurde bereits in den 1950er Jahren entwickelt. Hierbei geht man davon aus, dass ein Mindestmaß an Orientierung notwendig ist, um die Funktionsfähigkeit der Betroffenen zu erhalten. Entsprechend werden die Patienten etwa mit Hilfe von großen Uhren, Schildern oder verbalen Hinweisen bei der räumlichen, zeitlichen und sozialen Orientierung unterstützt“ (NOCON u.a. 2010, 183).
Frau Feil stellte jedoch in ihrer Berufspraxis fest, dass diese Menschen in ihrer eigenen Erlebniswelt gefangen waren und oftmals nur auf andere reagieren konnten, wenn ihre Gefühle wahrgenommen und in Beziehung zu ihren Erinnerungen gesetzt wurden (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 13). Durch das Bestreben, die Wichtigkeit der Realität zu verdeutlichen, wurde oftmals die für die Betroffenen wichtigere subjektive Realität nicht vergegenwärtigt (vgl. BLEATHMAN, MORTON 1992, 658).
„In der Methode der Validation verwendet man Einfühlungsvermögen, um in die innere Erlebniswelt der alten, desorientierten Person vorzudringen“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 15). Validation ist somit eine Verbindung aus einer einfühlsamen Einstellung, einer Entwicklungstheorie, um das Verhalten zu verstehen, sowie einer bestimmten Technik um alten, desorientierten Menschen zu helfen, ihre Würde wiederzugewinnen (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 15). „Valide heißt: wertvoll, gültig, wert sein. Validation kann mit Wertschätzung übersetzt werden“ (SCIBORSKI 2007a, 235). Für ihre Methode stützt sich FEIL auf Theorien, die von anderen Theoretikern für die Allgemeinbevölkerung entwickelt wurden. Die Validationstherapie zählt hierbei zu den personenzentrierten Ansätzen und zielt darauf ab, „…die emotionalen Aspekte in den Äußerungen der Klienten mit Demenz wahrzunehmen und nicht allein die Worte“ (LIPINSKA 2010, 87). Die Ursprünge hierfür „…liegen in der Theorie und Praxis der „klientenzentrierten“ Psychotherapie, die nach dem Zweiten Weltkrieg von dem amerikanischen Psychologen Carl Rogers begründet wurde“ (MORTON 2002, 16).
2. Zielgruppe der Validationstherapie
Nach Ansicht von FEIL sind es vor allem desorientierte, sehr alte Menschen, die von der Validation profitieren können. Diese Menschen haben ein größtenteils sinnvolles und produktives Leben geführt und erleben dann mit fortschreitendem Alter zahlreiche Verluste, wie z.B. Nachlassen des Seh- und Hörvermögens, des Kurzzeitgedächtnisses, Verlust von sozialen Rollen oder der Mobilität (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 42). Sie ziehen sich in der Folge „… lieber [aus der Realität] zurück, als sich so viele Verluste einzugestehen. Unglück durch Verleugnen zu überwinden, hat ihnen schon in früheren Krisen geholfen“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 42). FEIL geht von einer psychodynamischen Theorie der Desorientiertheit aus und sieht die Verwirrtheit alter Menschen „…als eine Bewältigungsstrategie im Umgang mit einer unerträglichen Realität und auch als Regression zu früheren, unvollendeten Entwicklungsphasen“ (MORTON 2002, 49).
Die Personen, die von der Validation profitieren können, sind jenseits der 80 Jahre, mangelhaft oder unglücklich orientiert und haben in ihrem Leben ernste Krisen vorrangig geleugnet (vgl. SCIBORSKI 2007a, 235). Die Ursache der Desorientierung ist bei dieser Personengruppe in der Kombination aus Verlusten und fehlenden Bewältigungsmechanismen zu sehen. Diese Verluste werden von FEIL eingeteilt in
1. Körperliche Verluste, wie Hirnschädigungen und Verluste von Seh- und Hörfähigkeiten, Mobilitätsverluste
2. Psychische Verluste, wie lebenslanges Verleugnen von Krisen oder unerledigten Aufgaben
3. Soziale Verluste, wie der Reduktion des Sozialstatus oder Rollenverluste
(vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 43)
Zudem betont FEIL, dass Menschen, die im bisherigen Leben mit einem weitreichenden Verhaltensrepertoire ausgestattet sind, psychische Beeinträchtigungen im Alter besser bewältigen können, als Menschen, die über wenig Kompensationsmechanismen für körperliche und psychosoziale Verluste verfügen. Sie „können entweder ihr äußeres Verhalten verändern oder dieses Verhalten resultiert nicht aus einer Unfähigkeit, mit einer überwältigenden Anzahl von Verlusten klarzukommen“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 44).
3. Grundprinzipien der Validationstherapie
Die Grundprinzipien der Validationstherapie wurden von FEIL „…primär aus ihrer praktischen Arbeit mit desorientierten hochbetagten Menschen“ (VOGEL 2008, 22) entwickelt. Die Basis der Prinzipien sind „…Empathie, Wärme [und] Achtung…“ (SCIBORSKI 2007a, 235).
FEIL suchte erst im Nachhinein eine theoretische Begründung für ihre Validationstherapie (vgl. VOGEL 2008, 22). Dazu zählen beispielsweise Theorien von Vertretern der humanistischen Psychologie wie MASLOW oder ROGERS oder der psychoanalytischen Psychologie wie FREUD oder JUNG. „Die Techniken und Interventionen beruhen auf einer Synthese verhaltens- und psychotherapeutischer Methoden“ (MEYER, KÖPKE 2005, 302). Durch Anwendung von 14 Kerntechniken soll ein respektvoller, tröstender und einfühlsamer Umgang mit desorientierten Menschen erreicht werden. Dies erfolgt über verbale Techniken, wie Verwendung von „W-Fragen“, wie beispielsweise „wer“, „was“, „wann“, „wo“ oder „wie“ (nicht „warum-Fragen“), Umformulierung und Wiederholen des Gesagten, Verwendung mehrdeutiger Ausdrücke wie z.B. „jemand“, „etwas“, um missverständliche Aussagen zu verstehen sowie Sprechen mit klarer, tiefer und fürsorglicher Stimme. Zudem kommen nonverbale Techniken wie Berührung oder Blickkontakt zur Anwendung (vgl. MEYER, KÖPKE 2005, 302). Die Validation „…zielt in erster Linie auf psychische Faktoren und die Lebensqualität der Patienten. Gefühle und Wahrnehmungen von Demenzpatienten werden nicht korrigiert, sondern sollen respektiert und bestätigt werden“ (NOCON u.a. 2010, 183).
4. Theorien als Grundlage der Grundprinzipien
Die Validationstherapie basiert auf zahlreichen von FEIL herangezogenen Theorien, wobei sich diese auf die Allgemeinbevölkerung beziehen und als „…nützlich zur Unterstützung der Validationsprinzipien“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 16) beschrieben werden. Um die Grundprinzipien theoretisch zu verankern, verwendet FEIL Kernaussagen verschiedener Theorien.
Eine theoretische Basis beruht hier z.B. auf der Aussage der humanistischen Psychologie „Betrachte deinen Klienten als eine besondere Persönlichkeit“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 16). Die Aussage, den Klienten als das zu akzeptieren, was er ist, stammt ebenfalls aus der humanistischen Psychologie und dient als eine weitere Begründung, um die Validation zu unterstützen. Auch Aussagen und Gedanken zu verwendeten Symbolen, wie von FREUD oder JUNG in Rahmen der Psychoanalyse beschrieben, nutzte FEIL, um „…die These von einer Art „universeller Symbolsprache…“ (MORTON 2002, 57) aufzustellen. Obwohl sich desorientierte Menschen sprachlich oftmals nicht mehr ausdrücken können, ist es über die Deutung „…scheinbar bedeutungsloser Verhaltensweisen…“ (MORTON 2002, 57) möglich, den dahinterstehenden Sinn zu verstehen.
VERWOERDT vertritt die Idee, dass Menschen auf Stressoren mit ihren eigenen Bewältigungs- und Abwehrmechanismen reagieren (vgl. VERWOERDT 1990, 43) und dass das Verhalten aus einer Kombination von verschiedenen Veränderungen während der gesamten Lebensspanne besteht (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 18). Das Verhalten mangelhaft orientierter Menschen hat daher immer einen Grund (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 18). Das sechste Grundprinzip, nach dem das Verhalten desorientierter Menschen in einem bestimmten Grundbedürfnis begründet sein kann, wird vor allem durch die von MASLOW beschriebene Hierarchie menschlicher Bedürfnisse begründet. Hierbei unterscheidet MASLOW zwei Bedürfnisklassen: Defizitmotive und Wachstumsmotive. „Fehlende Befriedigung der Defizitmotive führt zu Krankheit, Befriedigung zu Gesundheit bzw. Widergenesung. Erfüllung der Wachstumsmotivation führt zu Selbstverwirklichung […]. Die Aktivierung der Wachstumsmotive ist nur auf der Grundlage befriedigter Defizitmotivation möglich“ (v. ROSENSTIEL 2003, 394). Die Bedürfnisse werden auch durch FEIL als Pyramide beschrieben, die zwar „…nicht hundertprozentig auf alte, desorientierte Menschen…“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 22) zutreffen, aber zum Verstehen des Verhaltens hilfreich sind (vgl. FEIL; KLERK-RUBIN 2010, 22). In ihrem Buch listen FEIL, KLERK-RUBIN verschiedene Bedürfnisse auf, wie beispielsweise:
- Aufarbeitung von unerledigten Aufgaben, um in Frieden sterben zu können
- In Frieden zu leben
- Bedürfnis, Gefühle auszudrücken und damit angehört zu werden
- Bedürfnis, Schmerzen und Unannehmlichkeiten zu reduzieren
- Bedürfnis nach sensorischer Stimulation, taktilen, visuellen, auditiven, olfaktorischen, gustatorischen und auch sexuellen Ausdrucksmöglichkeiten… (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 23)
Auf das von MASLOW begründete Hierarchieprinzip, welches besagt, dass „…das nächsthöhere Motiv nur dann aktiviert werden kann, wenn das darunter stehende befriedigt ist…“ (v. ROSENSTIEL 2003, 395) geht FEIL ebensowenig ein wie auf eine mögliche Hierarchisierung der von ihr beschriebenen Bedürfnisse. Sie beschreibt lediglich, dass menschliche Gefühle, wie z.B. Liebe, Wut, Hass, Elend als fundamental beschrieben werden. Wenn das Bedürfnis verstanden wird, „…das hinter einem bestimmten Verhalten steht, so kann man mit der Person, die man validiert, besser mitfühlen. Wenn man dieses Bedürfnis dann in Worte fasst, fühlt sich die Person verstanden und akzeptiert“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 24).
5. Vier Phasen im Stadium der Aufarbeitung
In seiner Theorie der Lebensstadien beschreibt ERIKSON acht Stadien vom Säuglingsalter, der Jugend bis hin zum Erwachsenenalter und ordnet diesen Stadien zu erfüllende Aufgaben zu. Diese sind im jeweiligen Lebensstadium zu bewältigen. „In each phase of the Eriksonian model, the developing person is faced with a life crisis of opposing potentials in polar tension“ (VERWOERDT 1990, 27). Gelingt es nicht, diese Krisen zu bewältigen, tauchen diese in einem späteren Stadium erneut auf. „Die ungelöste Aufgabe plagt und verfolgt uns bis ins hohe Alter. Wenn wir ihre Existenz weiterhin leugnen, sie uns nicht eingestehen, wartet die Aufgabe so lange, bis unsere Kontrolle nachlässt“ (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 33). Die letzte Entwicklungsstufe im Alter beinhaltet die psychosoziale Krise der „Ich-Integrität gegen Verzweiflung“. Da FEIL diese Definition in der praktischen Arbeit zu allgemein verfasst war, schuf sie eine neunte Stufe, das „Aufarbeiten oder Vegetieren“ (vgl. MORTON 2002, 55). In diesem Lebensstadium fehlt dem Betroffenen Integrität. „Integrität im Alter heißt, seine Stärken trotz seiner Schwächen zu erkennen. […] Mit Integrität kann ein neuer Lebensstil gewagt werden, wenn alte Verhaltensmuster ausgedient haben“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 31). Dieses Stadium unterteilt Feil in die vier Phasen der Aufarbeitung, wobei jede der einzelnen Phasen einen weiteren Rückzug aus der Realität darstellt und damit langsamer psychischer Regression entspricht. Diese Stadien werden von FEIL mit den Begriffen „…malorientation, time confusion, repetitive motion, and vegetation“ (FEIL 1992, 129) beschrieben. Die betroffene Person kann dabei schnell zwischen den einzelnen Phasen wechseln oder langfristig in ein und derselben Phase verharren (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 67). Die jeweiligen Validationstechniken sind spezifisch für jede Stufe anzuwenden (vgl. FEIL 1992, 129).
Von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der vier Phasen ist die Interpretation der von den Betroffenen verwendeten Symbole. Hierbei spiegeln bestimmte Gegenstände oder Personen einen wichtigen Gegenstand/ eine wichtige Person der Vergangenheit wieder (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 67). Hierbei benennt FEIL typische universelle Symbole desorientierter Menschen und deren Bedeutungen, wie z.B.:
- Hand – Baby
- Tuch – wichtige Papiere, Backteig, Kinder
- Knopf, Kieselstein – Nahrung, Liebe
- wiegende Bewegung – Mutter, Mutterschaft, Sicherheit, Genuss
- Rollstuhl – Auto, Fahrrad, Fahrzeug (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 69)
5.1 Phase I – „Mangelhafte Orientierung (orientiert, aber unglücklich)“
In ihrem Buch beschreibt FEIL, dass die Personen in dieser Phase ihre gesellschaftlich vorgeschriebenen Rollen beibehalten, zugleich jedoch das Anliegen haben „…alte Konflikte in verkleideter Form zu äußern…“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 70). Die betroffenen Personen sind in dieser Phase „…noch orientiert, sind sich gelegentlicher Verwirrung und Vergesslichkeit bewusst und überspielen sie mit Ausreden, um die Gedächtnislücke zu füllen“ (SCIBORSKI 2007a, 235). In den Fokus rücken Sprache und rationales Denken, Ordnung und Struktur sind von großer Bedeutung. Um sich nicht mit den verdrängten Gefühlen auseinandersetzen zu müssen, werden andere Personen beschuldigt und die Kontrolle über das eigenen Gefühlsleben schwindet (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 71). Laut FEIL weisen diese Menschen typische körperliche Charakteristika aus, wie z.B. steife Haltung, angespannte Körpermuskulatur, gespannte Lippen, vorstehender Kiefer oder Finger oftmals im Zeigestatus. Zudem neigen diese Patienten dazu, verschiedene Gegenstände zu sammeln und zu horten wie z.B. Taschentücher, Sicherheitsnadeln, Zeitungen und vieles mehr (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 71). „Sie projizieren ihre tiefliegenden Ängste auf andere, um ihr Gleichgewicht aufrechtzuerhalten“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 71). Auch psychologische Charakteristika werden deutlich. Hierzu zählen beispielsweise ein Klammern an die Realität, das Bewusstsein gelegentlicher Verwirrung, das Leugnen von Gefühlen und die Ablehnung von Berührungen oder Intimität (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 72).
5.2 Phase II – „Zeitverwirrtheit“
Aufgrund der Anhäufung der Verluste kognitiver oder sozialer Fähigkeiten sowie Schwinden von Seh-, Hör- oder Bewegungsvermögen wird der Rückzug verstärkt. Diese Personen leugnen diese Verluste nicht mehr und haften nicht mehr an der Realität. Sie verlieren das Gefühl für die Zeit und leben nach ihrer eigenen inneren Uhr. Es kommt zu einem zunehmenden Verhaften in der Vergangenheit. Der betroffene Mensch ist „…weder zur Zeit, noch zum Ort, noch zu seiner Person orientiert. […] Zeitverwirrte können noch sprechen, verbal kommunizieren, haben aber einen großen Teil [..][der] Realität gegen ihre „persönliche Realität“ eingetauscht“ (KLERK-RUBIN 2006, 42). Auch hier spielen Symbole eine wichtige Rolle (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 73). Die Menschen „…kehren zu grundlegenden, universellen Gefühlen zurück: Liebe, Hass, Trauer, Angst vor Trennung, Streben nach Identität“ (FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 73). FEIL konnte typische körperliche Zeichen wie Muskelentspannung, Starren in die Ferne, langsames Sprechen, weinerliche Stimme identifizieren. Die Schultern sind oft nach vorne gebeugt, der Hals wirkt eingezogen, der Gang ist schlurfend. Psychische Beeinträchtigungen zeigen sich in einer verstärkten Gefühlswelt ohne sich an konkrete Fakten zu erinnern. Erinnerungen werden in eigenen Wortschöpfungen dargestellt und ausgemalt, neue Ereignisse werden vergessen, Vergangenes ist mit hoher Emotionalität präsent (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 74).
5.3 Phase III – „sich wiederholende Bewegungen – sie ersetzen die Sprache“
In der Phase III zeigen die Menschen oftmals vorsprachliche Bewegungen, da Gefühle nicht mehr verarbeitet werden können. In der Vergangenheit jahrelang unterdrückte Gefühle wie Scham, Schuld, sexuelle Wünsche können nicht mehr kontrolliert werden und treten nun zu Tage (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 75). Es ist „…die Phase der sich wiederholenden (repetitiven) Bewegungen“ (KLERK-RUBIN 2006, 43). Die Betroffenen bewegen sich rhythmisch hin und her, Singen ohne dabei Sätze zu bilden, die Muskulatur wirkt entspannt, Finger u. Hände zeigen stereotypische Bewegungsabläufe. Da diese Menschen wenig sprechen, schwindet zunehmend die Fähigkeit, sich auszudrücken, die Denkleistung nimmt stark ab (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 77). Sie ziehen sich zunehmend in die Isolation zurück.
5.4 Phase IV – „Vegetieren – totaler Rückzug nach innen“
In dieser Phase ist der Mensch von der Außenwelt abgeschnitten, es „…handelt sich um einen völligen Rückzug aus der Realität“ (KLERK-RUBIN 2006, 45). Diese Menschen benötigen Berührung und Fürsorge (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 78). Die Augen sind meist geschlossen, leer und ziellos, die Muskulatur ist schlaff, es finden keine Bewegungen mehr statt. Angehörige werden nicht mehr erkannt, Gefühle werden nicht mehr wahrgenommen (vgl. FEIL, KLERK-RUBIN 2010, 79). Bei diesen Menschen ist es laut FEIL möglich „…die Validation auf einer individuellen Basis anzuwenden, sie räumt aber ein, daß [!] die therapeutische Wirkung eher eine Hoffnung als eine realistische Erwartung ist“ (MORTON 2002, 63).
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