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INHALTSVERZEICHNIS
1 Einleitung
2 Der Begriff des Wunders
2.1 Wundergeschichten als Problem im Religionsunterricht
3 Konzept von Stefan Alkier und Bernhard Dressler
3.1 Bewertung Konzept Alkier und Dressler
3.2 Umgang mit dem Konzept von Alkier/ Dressler im Religionsunterricht
4 Fazit I Ausblick
5 Quellen- und Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Es ist schwierig in der heutigen Zeit das Thema Wunder, aufgrund des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik, zu definieren. Unter einem Wunder versteht man heutzutage Ereignisse, die sich wissenschaftlich und rational nicht erklären lassen, die außerhalb der Vorstellungskraft liegen und den Naturgesetzen widersprechen. Dem heutigen Durchschnittsmenschen fällt es schwer, aufgrund der Wissenschaft und Technik, noch an Wunder zu glauben. Alles was nicht sinnlich wahrnehmbar ist wird abgelehnt oder nur belächelt, so wie auch die Wundergeschichten der Bibel. Rudolf Bultmann erklärt dieses Phänomen mit folgenden Worten:
„[Man kann nicht] elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben [.. -]."1
Wundergeschichten müssen als Glaubenszeugnisse des frühen Christentums verstanden werden, es sind keine Tatsachenberichte. Trotzdem wirken diese Geschichten auf viele Menschen befremdlich und nicht mehr zeitgemäß.2
Die biblischen Wundergeschichten von Jesus treten in der heutigen Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund. Es stellt sich die Frage ob es überhaupt noch möglich ist sich auf Wundergeschichten vor dem Hintergrund der Wissenschaft einzulassen? Wie sollte man im Religionsunterricht mit Wundergeschichten umgehen? Können Wundergeschichten überhaupt noch zum Gegenstand im Unterricht gemacht werden? Welche Probleme ergeben sich dadurch für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Pädagogen? Was verstehen die Menschen heutzutage unter einem Wunder und wie stellen sie es sich vor?3 Aufgrund dieser und noch vieler anderer Fragen besteht auf Seiten der Religionspädagogik Handlungsbedarf. Dies ist einer der Gründe, warum es so zahlreiche Veröffentlichungen zur Didaktik von biblischen Wundergeschichten im Unterricht gibt.
Diese Arbeit beschäftigt sich, nach einer Definition des Wunderbegriffs, mit einer Problembeschreibung von Wundergeschichten im Unterricht und schließt daran die didaktischen Überlegungen von Stefan Alkier und Bernhard Dressler an. Nach einer Bewertung des Konzepts versucht diese Arbeit einen möglichen Umgang im Religionsunterricht zu konstruieren. Danach folgt abschließend ein Fazit.
2 Der Begriff des Wunders
Unter dem Begriff des Wunders wird allgemein ein Ereignis verstanden, welches nicht erklärbar ist und Verwunderung oder auch Erstaunen auslöst.
Bernd Kollmann definiert Wunder folgendermaßen: „Wunder sind außerordentliche Geschehnisse mit Hinweischarakter auf das Wirken höherer Mächte."4 Die uns bekannte Naturordnung wird durch ein Wunder durchbrochen und dieses Ereignis erscheint uns unbegreiflich, übernatürlich und nicht erklärbar. Jedoch widerspricht dies dem modernen Weltbild, welches infolge von Wissenschaft und Technik entstanden ist. Ein Durchbrechen der Naturordnung durch Gott erscheint aus Sicht des Glaubens durchaus möglich, da Gott die Natur selbst erschaffen hat, jedoch ist es aus wissenschaftlicher Sicht nur eine Frage der Zeit, bis auch dafür eine logische, rationale Erklärung gefunden wird.5
Heute ist es gebräuchlicher Überraschungsmomente oder Erstaunliches mit dem Begriff des Wunders zu definieren, es geschieht etwas womit man nicht gerechnet hat.6 Diese Definition findet deutlich weniger Anstoß, da sie ohne Widerspruch zu den Naturgesetzen steht.7
In der Umwelt des Neuen Testaments sind Wundergeschichten weiter verbreitet als im Alten Testament. Abhängig von der Abgrenzung zählt man ca. 30-35 Einzelerzäh lungen im Neuen Testament.8 Es gibt verschiedene Wunder über Krankenheilungen, Exorzismen und andere Wunder, jedoch wollen die Synoptiker in ihrer Überlieferung Jesus nicht vordergründig als Wundermann darstellen, sondern die Wundertaten als deutliche Hinweise auf das entscheidende Handeln Gottes in Jesus darstellen. Das Wirken Gottes wird aufgezeigt und die Wundergeschichten besitzen eschatologischen Charakter.9 Damit ist der grundlegende Unterschied zu biblischen Wundern und Wundern der modernen Zeit genannt.
Entscheidend ist also, dass biblische Wunder nicht als „isolierte Fakten um ihrer selbst willen oder zur Verherrlichung des Wundertäters geschehen"10, sondern das Heilshandeln Gottes demonstrieren. Biblische Wundergeschichten benötigen keine naturwissenschaftliche Aufklärung, sie wollen nur den Blick für die heilsversprechende Anwesenheit Gottes schärfen.11
2.1 Wundergeschichten als Problem im Religionsunterricht
Mit dem Beginn der Naturwissenschaften begannen auch die Diskussionen um die biblischen Wundergeschichten. Muss man an Wunder einfach glauben, ohne einen historischen Beweis? Sind Wunder überhaupt beweisbar?12 Die neutestamentlichen Wundergeschichten zählen, aufgrund diverser Verständnisschwierigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen, zu den anspruchvollsten Themen- bereichen in der Religionspädagogik.13
Lange Zeit waren Wundergeschichten im Religionsunterricht in allen Klassenstufen Gegenstand, ohne das mögliche Gefahren in der Vermittlung oder im Verständnis der Schülerinnen und Schüler erkannt wurden.14 Dies änderte sich jedoch als Klaus Wegenast 1966 die Frage, ob Wundergeschichten der Bibel für die Grundschule geeignet seien, entschieden verneinte. Viele Religionspädagoginnen und Religionspädagogen stimmten Wegenast zu und befürworteten seine Ansicht, das Thema Wunder frühestens in der Sekundarstufe zu behandeln.15 Die Frage nach der Wirklichkeit dieser Erzählungen stellt eines der Hauptprobleme von Wundergeschichten dar. Dies wird vor allem in der Primarstufe sichtbar, da Grundschulkinder, aufgrund ihrer intellektuellen Entwicklung, die Wundererzählungen eher als Tatsachenberichte und nicht als Glaubens- und Bekenntnisgeschichten verstehen. Deswegen wird diskutiert, ob Wundergeschichten überhaupt in adäquater theologischer Form in der Primarstufe behandelt werden können.16
Das Thema Wundergeschichten wird zum Teil im Unterricht aber auch gern ganz umgangen, da das Wirklichkeitsverständnis der Schülerinnen und Schüler mit dem Thema der Wundergeschichten kollidiert. Deswegen wird lieber auf die Bibel im Un- terricht verzichtet oder es werden nur ausgewählte Stellen gelesen.17
Ein anderes Problem ergibt sich, wenn Wundergeschichten zum Thema im Religionsunterricht werden, sie jedoch nicht mehr als Wundergeschichten selbst, sondern nur noch symbolisch oder als Gleichnis verstanden werden. Die Wundergeschichten werden von Lehrenden als sozial- und psychologische Botschaften interpretiert und vermittelt, jedoch wird damit vordergründig die Unwissenheit bzw. das Unverständnis der Lehrenden deutlich, die mit dem Wunder als Thematik von biblischen Ge- schichten nichts anzufangen wissen.18
Des Weiteren wird beklagt, dass Schülerinnen und Schüler ein „negatives Vorverhältnis zu biblischen Texten, zu Themen christlicher Religion und zu theologischen Themen allgemein"19 besäßen. Diese Themen seien für viele Schülerinnen und Schüler „uncool".20
Es muss natürlich bedacht werden, dass das Neue Testament mit keiner Zeile für Kinder geschrieben wurde und dass die Voraussetzungen für eine Erschließung des Bibeltextes dem heutigen durchschnittlichen Menschen fast völlig verlorengegangen sind, deswegen ist es wichtig einen neuen Zugang zur Bibel zu schaffen.21
An diesem Punkt kann das Geflecht der verschiedenen Probleme aufgezeigt werden. Einerseits wird bemängelt, dass die Schülerinnen und Schüler teilweise eine negative Grundeinstellung zu biblischen Texten besäßen und biblischen Geschichten als nicht zeitgemäß empfinden würden, andererseits wird die Bibel als Medium im Unterricht gern umgangen, da man sich scheut sie dem Wirklichkeitsverständnis der Kinder und Jugendlichen im Unterricht auszusetzen. Diese Probleme bedingen sich augenscheinlich wechselseitig. Je weniger die Bibel im Unterricht verwendet wird, desto befremdlicher wirken die biblischen Wundergeschichten auf die Schülerinnen und Schüler.
Ein anderes Problem, speziell zu Wundergeschichten, stellt die Spannung zwischen zwei konträren Ansichten in Bezug auf die Weltanschauung dar: Auf der einen Seite wird fast uneingeschränkt an die Wissenschaft geglaubt, die durch technische Neuheiten und aufklärende Forschung gestützt wird, auf der anderen Seite lässt sich aber eine weitverbreitete Wissenschaftsangst beobachten, die mit einer Weltuntergangsstimmung und dem Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber der Technik und den Ma- schinen verbunden ist.22 Diese beiden Spannungsfelder müssen ebenfalls bedacht werden, wenn nach der Erfahrungswelt und dem Wirklichkeitsverständnis von Kindern und Jugendlichen gefragt wird.
Darüber hinaus hat sich die Grundlage der Bibeldidaktik in den letzten Jahren bedeutend verändert. Neben den neuen Einsichten bei der Schriftauslegung, muss die Bi- beldidaktik nun auch den Übergang von einer „christentümlichen"23 Gesellschaft zu einer polyvalenten Gesellschaft berücksichtigen.
[...]
1 Bultmann, Rudolf, Neues Testament und Mythologie. Das Problem der Entmythologisierung der neutestamentlichen Verkündigung, 2. Aufl. München 1985, S. 18.
2 Kollmann, Bernd, Neutestamentliche Wundergeschichten: biblisch-theologische Zugänge und Impulse für die Praxis, Stuttgart 2002, S. 7.
3 Blum, Hans-Joachim, Biblische Wunder - heute: Eine Anfrage an die Religionspädagogik, Stuttgart 1997, S. 8.
4 Kollmann, Wundergeschichten, S. 9.
5 Ebd., S. 9.
6 Bsp. für diesen Gebrauch ist der Duden, dieser nennt folgende Bedeutungen für den Begriff des Wunders: „[A]ußergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlichen Kräften zugeschriebenes Geschehen, Ereignis, das Staunen erregt; etwas, was in seiner Art, durch sein Maß an Vollkommenheit das Gewohnte, Übliche so weit übertrifft, dass es große Bewunderung, großes Staunen erregt."
7 Ebd., S. 9. Als näheres Beispiel für diese unerwarteten Ereignisse wird „Das Wunder von Bern" im Jahr 1954 von Kollmann genannt, als die deutsche Fußballmannschaft den Sieg holte (vgl. ebd., S. 9). Als ein aktuelleres Wunder-Ereignis kann man die Rettung der verschütteten Bergarbeiter in Chile im Jahr 2010 nennen.
8 16 Heilungen, sechs Naturwunder, vier Exorzismen, drei Totenerweckungen und mehrere Begleitwunder.
9 Kollmann, Wundergeschichten, S. 12. Kollmann bezieht sich auf: Delling, Gerhard, Das Verständnis des Wunders im Neuen Testament, in: Suhl, Alfred (Hrsg.), Der Wunderbegriff im Neuen Testament, WdF 295, Darmstadt 1980, S. 300-317.
10 Ebd., S. 11.
11 Ebd., S. 11.
12 Becker, Ulrich/ Wibbing, Siegfried, Wundergeschichten, Handbücherei für den Religionsunterricht 2, Gütersloh 1965, S. 3f.
13 Kollmann, Wundergeschichten, S. 184.
14 Ebd., S. 184f. Die Gefahr wurde nur vereinzelt erkannt, jedoch ohne erwähnenswertes Eingreifen (vgl. ebd., S. 184-185).
15 Ebd., S. 185. Vgl. dazu: Wegenast, Klaus, Wundergeschichten der Bibel in der Grundschule?, in: Wegenast, Klaus (Hrsg.), Glaube - Schule - Wirklichkeit, Gütersloh 1970, S. 156-160.
16 Ebd., S. 185.
17 Alkier, Stefan/ Dressler, Bernhard, Wundergeschichten als fremde Welten lesen lernen. Didaktische Überlegungen zu Mk 4,35-41, in: Bernhard Dressler/ Michael Meyer-Blanck (Hg.), Religion zeigen. Religionspädagogik und Semiotik, Münster 1998, S. 163.
18 Ebd., S. 163. Als Bsp. wird u.a. die Sturmstillung als Wundergeschichte genannt, die zu einer Angststillungsgeschichte wird und die Speisungsgeschichten werden oft symbolisch als Teilungsgeschichten verstanden (ebd., S. 164). Vgl. dazu: Ingo Baldermann, Einführung in die Biblische Didaktik, Darmstadt 1996, S. 77. Baldermann betont, dass Wundergeschichten kein symbolisches Verpackungsmaterial für theologische Aussagen sind.
19 Ebd., S. 166.
20 Ebd., S. 166.
21 Fütterer, Elisabeth, Biblische Geschichten im Religionsunterricht. Probleme und Möglichkeiten anhand von Wundergeschichten, Stuttgart 1984, S. 8.
22 Alkier, Wundergeschichten, S. 167.
23 Eggers, Theodor, Wenn das Wunder Schule macht. Ein Beitrag zur Bibeldidaktik und zum Religionsunterricht, Düsseldorf 1991, S. 16.
- Quote paper
- Ramona Imberge (Author), 2012, Wundergeschichten in der Schule als fremde Welten lesen lernen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197157
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