Gâwein ahte um wâfen: Keiî leite sich slâfen

Gawein und Keie als Indikatoren ritterlicher Tugenden


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Ritterideal und der Durchschnittsritter

Gawein

Keie

Fazit

Literatur, Quellen und Bilder

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Gawein und Keie als Indikatoren ritterlicher Tugenden

„Ritter, miles: das ist zunächst eine Bezeichnung für den Berufskrieger. Wenn daraus eine umfassende Standesbezeichnung wird, die andere verdrängt oder ihnen gleichwertig wird, der Gegenbegriff zu Bauer und Bürger, dann ist das nicht allein aus militärtechnischen Änderungen, aus der zunehmenden Wichtigkeit des berittenen Kämpfers zu erklären. Es hat zur Voraussetzung auch eine andere Stellung des Kriegers in der Gesellschaft und im Denken.“1

Was hier in der „Einführung in die Geschichte des Mittelalters“ von Hartmut Boockmann beschrieben wird, setzt den Beginn einer vollkommenen Neudefinition des adligen Reiterkriegers. Aufgrund militärischer Notwendigkeiten, Boockmann verweist hier auf die Bedrohung durch die Heiden,2 musste der christliche Pazifismus zugunsten der Selbstverteidigung überwunden werden; es wurde notwendig Konzepte wie den bellum iustium auf die Gegenwart des Mittelalters zu übertragen und es dem guten Christen zu erlauben ohne Verlust des Seelenheils die Feinde des christlichen Abendlandes zu erschlagen.

So wurde der Krieg als Mittel zur Ehrsteigerung, wie schon durch virtus in der römischen Antike, in Adelskreisen mehr als salonfähig, er wurde ritterlich . Doch der Kampf zu Pferde machte niemandem zum Ritter, selbst einen Adligen nicht. Vielmehr bedeutete die Ritterweihe „die Aufnahme in eine Gruppe, deren Mitglieder durch einen besonderen Ehrenkodex miteinander verbunden, die durch eine eigene Erziehung geformt und an eigentümlichen Formen des Umgangs zu erkennen sind, die besondere Feste feiern, spezielle Waffenübungen abhalten, die eine neue Art von Literatur schätzen.“3 Es ist also nicht nur falsch, sondern historisch untragbar, das Rittertum auf eine Profession zu reduzieren. Wie jeder exklusive Kreis, vom König über den Meisterdetektiv bis zum Jedi, waren auch die Ritter Gegenstand von Kunst und Popkultur. Eine besondere Rolle spielt das Rittertum in der Literaturgattung des mittelalterlichen Artusroman. Hier wurden nicht nur Geschichten von Rittern erzählt, es wurden auch ritterliche Tugenden und die Verletzung derselben, mitsamt ihren Folgen dargestellt. Als bedeutendster Vertreter des mittelalterlichen Artusromans lässt sich für den deutschsprachigen Raum eindeutig Hartmann von Aue anführen. Mit seinen Erzählungen „Erec“ und „Iwein“ präsentiert er, vor der Kulisse des mythischen Artushofes verschiedenste Aspekte des Rittertums, beispielsweise die Werbung um eine Dame, Feste, Turniere, Kampf oder auch Abenteuer und Herrschertum. Die Titelhelden, Erec und Iwein leben darin jeweils entgegengesetzte Extreme des Rittertums aus, womit der Zuhörer oder Leser, nicht nur unterhalten, sondern auch über ritterliches Verhalten belehrt werden soll. Nicht zuletzt, weil sich der Rezipientenkreis der Werke größtenteils bei Hofe befunden hatte. Erec verbrachte zuviel Zeit in seinem Schloss mit seiner Frau im Bett, was er dort außer regieren tat, wird von Hartmann nicht näher beleuchtet. Im Iwein, der zeitlich nach Erec spielt, driftet der Titelheld ins Gegenteil ab und vernachlässigt Land und Frau um auf Abenteuer auszuziehen und Ruhm und Ehre zu erlangen, er verrittert - analog Erecs verligen . In beiden Fällen sind verschiedene ritterliche Aktionen notwendig, um den Helden zu rehabilitieren.

Der Artushof dient hierbei als Referenz für das Rittertum. Laurie Finke und Martin Shichtman bezeichnen Artus in „King Arthur and the Myth of History“4 als „empty signifier“, als leeren Ausdruck, der frei mit Bedeutung gefüllt werden kann und dessen Eigenschaften dementsprechend allein vom Zeitgeist und den Ansichten des jeweiligen Autors bestimmt werden können. Deutlich wird dieser Umstand schon daran, dass Artus eigentlich auf eine keltische Legende über einen Anführer mit ähnlichem Namen zurückgeht, also weder Ritter, noch Herrscher von Gottes Gnaden. Aus ebendiesem Anführer wurde dann in späteren Erzählungen ein König, um diesen König herum erwuchs der Artushof und bildete schließlich die formbare Masse, die sich bis heute für die verschiedensten Geschichten zurechtkneten lässt. Hartmann lässt also durch Artus, sein Ideal der Herrscher- beziehungsweise Rittertugenden leben. Die Ritter am Artushof waren währenddessen eine Ansammlung, nicht näher charakterisierter Figuren, denen sich jedoch ohne weiteres das akzeptable Ausleben der Rittertugenden unterstellen lässt. Es gibt jedoch vier Ausnahmen. Einerseits natürlich die beiden Titelhelden von „Erec“ und „Iwein“, die ihre Mitritter zu Beginn der Romane an Persönlichkeit keinesfalls überflügeln, durch ihre Abenteuer jedoch charakterisiert werden und aus der Menge herausstechen. Dieser Vorgang erfordert jedoch tausende von Versen. Die anderen beiden profilierten Ritter werden dem Leser deutlich schneller zugänglich, es handelt sich dabei um Keie und Gawein.

Keie scheint auf den ersten Blick den Antiritter zu verkörpern, er ist faul und ängstlich, missgünstig und beleidigend, sein Ansehen interessiert ihn nicht. Betrachtet man die Figur jedoch näher, erkennt man auch positive Eigenschaften, die ihrerseits teils sogar aus den schlechten Eigenschaften erwachsen. Ihm gegenüber steht der Ritter Gawein als Inbegriff der Ritterlichkeit. Er ist stark, mutig, ehrenhaft, reist durchs Land, besteht Abenteuer und scheint der perfekte Ritter zu sein. Doch auch Gaweins Ritterlichkeit hat auf den zweiten Blick schwerwiegende Nachteile. Doch beide sind nur Randfiguren der Romane, sie gehen zwar durch ihre Eigenschaften nicht in der Masse der Ritter unter, sind aber für die Handlung von nebensächlicher Bedeutung. Warum also hat Hartmann Gawein und Keie in seine Romane aufgenommen? Durch die starke Dichotomie der beiden Charaktere lässt sich zunächst davon ausgehen, dass Hartmann die beiden Figuren zur Verdeutlichung des Ritterideals herangezogen hat: Gawein als Überritter und Keie als Antiritter. Doch warum ist Keie dann beim Volk besonders beliebt und warum trägt Gawein dann die Schuld an Iweins verrittern? Hartmann hat offenbar bewusst ambivalente Figuren erschaffen, deren Funktion über einfache Belehrung des Lesers oder Zuhörers hinausgehen musste. Welche Funktion erfüllen also Keie und Gawein wirklich? Warum thematisiert Hartman überhaupt die positiven Seiten des Antirittertums und warum liegen bei Hartmann auch im Überrittertum Gefahren?

Um diese Fragen zu klären, ist es zunächst notwendig, den Begriff des Rittertums und Ritterideals eindeutig zu klären, um daraus den Durchschnittsritter als Referenz ableiten zu können. Dann folgt eine Charakterisierung von Keie und Gawein auf Basis des „Erec“ und „Iwein“, außerdem soll versucht werden, die beiden Extremritter innerhalb des Artusuniversums genauer zu verorten, um sie dann schließlich mit dem vorher entwickelten Referenzritter zu vergleichen. Grundlage für die Untersuchungen bilden die „Erec“ und „Iwein“ Editionen von Cramer5

Das Ritterideal und der Durchschnittsritter

Wie bereits der Terminus impliziert, handelt es sich beim Ritterideal um eine Idee, ein Ideal, um die Vorstellung eines perfekten Ritters, beziehungsweise im Sinne vorliegender Arbeit, um die poetische Vorstellung des perfekten Ritters.

Wie es der Natur einer Idee entspricht, deckt sie sich nur beschränkt mit der Realität, in diesem Fall mit den Realitäten des mittelalterlichen Lebens. Natürlich gab es ritterliche Tugenden, die eine unbedingte Voraussetzung für den Stand bildete, ein Ritter musste beispielsweise Frömmigkeit zeigen, um im christlichen Sinne kein Mörder zu werden, auch lag es nahe, sich im Kriegshandwerk zu üben, und die musischen Talente, die der ideale Ritter fördern sollte, waren bei Hofe sicherlich auch nützlich. Es ist also davon auszugehen, dass es sich hierbei um Kanon an ritterlichem Handwerskzeug handelte, der allen Mitgliedern des Standes gemein war. Gravierende Unterschiede, unter den Rittern, und vor allem zwischen den lebenden Rittern und jenen auf dem Papier, bestanden im Ansehen, dem „Maß an ê re “ des einzelnen Ritters. Wie auch im griechischen AristieIdeal oder dem römischen dignitas -Streben, ging es dem mittelalterlichen Ritter darum möglichst viel ê re anzusammeln. Je mehr ê re desto höher war die Stellung unter den Rittern. Es handelt sich also um ein übliches Distinktionsmerkmal in einer, zur Homogenität neigenden Gruppe. Am Artushof wird dieses Phänomen durch die runde Tafel besonders deutlich, dadurch, dass sich alle Ritter gleichberechtigt gegenübersaßen, war es notwendig, eine höhere Stellung anderweitig messbar zu machen. So erkennt man zum Beispiel in Hartmanns Artus sehr deutlich Augustus wieder, der ebenso durch das höchste Maß an dignitas beziehungsweise ê re sein Herrschaftsrecht ableitet oder zumindest seine bereits bestehende Herrschaft legitimiert.

[...]


1 Boockmann, Hartmut: Einführung in die Geschichte des Mittelalters; München 2007, S. 40. (auf buchinterne Seitenverweise wurde zugunsten des Stils verzichtet)

2 Boockmann 2007, S.41

3 ebd.

4 Finke, Laurie; Shichtman, Martin: King Arthur and the Myth of History; Gainesville 2009

5 Hartmann von Aue: Iwein. Übersetzt von Thomas Cramer; Berlin, New York 2001
Hartmann von Aue: Erec. Übersetzt von Thomas Cramer; Frankfurt am Main 2005

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Gâwein ahte um wâfen: Keiî leite sich slâfen
Untertitel
Gawein und Keie als Indikatoren ritterlicher Tugenden
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Der mittelhochdeutsche Artusroman
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V197933
ISBN (eBook)
9783656239772
ISBN (Buch)
9783656240242
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anmerkung der Korrektorin: "Inhaltlich eine wirklich überzeugende Arbeit, was fehlt und unbedingt auf- und ausgebaut werden muss, ist die Einbettung in die Forschungsliteratur."
Schlagworte
Hartmann von Aue, Artusroman, Literaturgeschichte, Rittertum
Arbeit zitieren
Florian Enders (Autor:in), 2012, Gâwein ahte um wâfen: Keiî leite sich slâfen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197933

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