Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Entwicklung der Fragestellung
2. Einleitung
3. Charakterisierung der Frauenfiguren
3.1. Mutter
3.2. Esther
3.3. Lydia
4. Pankraz
5. Schmollen in der Psychologie
6. Lust- und Realitätsprinzip
7. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Entwicklung der Fragestellung
Pankraz‘ ist eine Figur, die nicht nur durch ihr Schmollen gekennzeichnet ist, sondern auch durch verschiedene andere psychologische Aspekte. Es ist jedoch festzuhalten, dass das Schmollen eines der interessanteren Phänomene ist. Was löst dieses Schmollen aus? Welche Grundlagen gibt es in der Natur Pankraz‘ und warum ist er, wie er ist?
Um diese Frage umfassend zu beantworten, bedarf es mehrerer Ansätze, die verein- zelt schon in der Literatur versucht wurden zu erklären. Bisher wurde jedoch noch kein verstärktes Augenmerk darauf gelegt, welche Rolle die Frauenfiguren in seinem Verhalten spielen. Gewiss wurde die Position der Lydia von vielen Seiten gedeutet - das wird in dieser Hausarbeit ebenfalls geschehen -, jedoch fehlt es oft an anderen Blickwinkeln. Welche Rolle spielt die Mutter und seine Schwester? Es gibt nur drei Frauen, die Pankraz‘ Leben beeinflusst haben, und diese drei gilt es, soweit es geht, zu beleuchten.
Neben der Rahmenhandlung wird in dieser Hausarbeit die Psychologie Pankraz‘ dargestellt. Es werden Erklärungsansätze gegeben, die das Schmollen verständlicher machen sollen. Dies kann unter anderem mit den Schriften Freuds gelingen, die eine Analyse ermöglichen. Hier knüpfe ich an die Ergebnisse aus dem Seminar an und beziehe diese Ergebnisse auf Pankraz.
2. Einleitung
Die Novelle „Pankraz, der Schmoller“ trägt bereits im Titel das, was den Protagonis- ten ausmacht. Der Titel ist bereits Vorausdeutung auf sein inneres und äußeres Ver- halten.
Sie steht am Anfang des großen Novellenzyklus „Die Leute von Seldwyla“, was die Wichtigkeit und Exemplarhaftigkeit unterstreicht. In der Vorrede wird das Schicksal der Seldwyler beschrieben. Sie betreiben regen Schuldenverkehr und leben so lange es geht, von dem, was sie haben. Die Gemeinde ist zwar reich, jedoch sind die Bür- ger so arm, dass man eigentlich nicht weiß, wovon sie leben.1 Den Kern der Ge- meinschaft bilden die jungen Seldwyler im Alter von zwanzig bis 36 Jahren. Diese Gruppe von Seldwylern übt ihren Beruf aus und errichtet sich ein Kredit- und Schul- dennetzwerk ein. Hier leben sie dann solange auf Kredit, bis sie die Grenze ihres Alters erreicht haben und verarmt den Rest ihres Lebens verbringen müssen. Diese Altersgrenze ist eine Grenze, „wo die Männer anderer Städtlein etwa anfangen erst recht in sich zu gehen und zu erstarken“2. Manche Seldwyler gehen daraufhin ins Ausland und arbeiten als Söldner, wenn es gesundheitlich zu verkraften ist und die seltensten Männer kehren daraufhin reich und ehrenhaft zurück. Die Regel ist dies jedoch nicht.
Mit dieser Vorrede beginnt die Novelle und lässt direkt im Anschluss den „Pankraz“ folgen. Ein Beispiel, in dem gezeigt wird, dass es Sonderfälle in Seldwyla gibt, die es wert sind, erzählt zu werden.
Pankraz muss dort weitermachen, wo sein Vater aufgehört hat. Sein Vater verspürte gegen den seldwyler Lebensstil eine Abneigung, konnte sich der vorherrschenden Sitte jedoch nicht entziehen. Schließlich kam er mit den Jahren an seine Grenzen, wie es in Seldwyla üblich ist, trat zurück und verstarb früh. Er hinterließ eine Frau, eine Tochter und einen Sohn. Pankraz kehrt nach einem Streit und einer verlorenen Schlägerei Seldwyla den Rücken um sich zuerst mit Gelegenheitsarbeit und später als Söldner der britischen Armee am Leben zu erhalten. Er kehrt Jahre später ehren- haft zu seiner Mutter und seiner Schwester nach Seldwyla zurück und erzählt ihnen von seiner Reise, die vor allem geprägt ist von Lydia, einer Frau, die er während sei- ner Stationierung in Indien kennen lernte.
3. Charakterisierung der Frauenfiguren
3.1. Mutter
Pankraz hat zu seiner Mutter kein körperliches Verhältnis. Als Leser erfährt man nur sehr wenig über sie. Wir wissen, dass ihr Mann gestorben und sie nun Witwe ist. Sie bleibt in der Novelle namenlos. Das Verhältnis von Pankraz seiner Mutter gegenüber ist sehr eingeschränkt und größtenteils kühl. Sie entbindet ihn im Haushalt von jeder Verantwortung. Sie denkt, sie schont ihn und empfindet Mitleid für ihren Sohn, der mit seiner Schmollerei immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Durch dieses Verhalten schafft die Mutter es nicht, Pankraz eine Orientierung zu bieten, geschwei- ge denn, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Aufgrund ihrer Unfähigkeit Pankraz zu erziehen, schafft sie ihm einen realitätsfernen Freiraum. Es fehlt Pankraz folglich an Realitätssinn, aber auch an Dingen wie ökonomische Geschicklichkeit, oder politisches Verhandeln. Genauso, wie Pankraz seinen Mitmenschen nicht be- gegnen kann, kann die Mutter mit ihm auch schon längst nicht mehr kommunizieren. Ein Beispiel dafür ist die fehlende Aufmerksamkeit, als Pankraz zu dem Kern seiner Erzählung, Lydia, kommt und Mutter und Schwester einschlafen.
Die Probleme, die die Mutter hat, kann sie nicht überwinden und ist deshalb unfähig Pankraz ihre Liebe zu zeigen. Sie kompensiert dieses Fehlen an Liebe dadurch, dass sie ihn schonen will und aus sämtlichen Haushaltspflichten heraushält. Be- zeichnend für diesen Mangel an körperlicher Zuwendung ist die Szene, in der es um das gemeinsame Essen des Kartoffelbreis aus einer Schüssel geht. Die Mutter geht auf das Schmollen ihres Sohnes ein und gewährt ihm eine zusätzliche Portion Milch. Die Szene in der der Kampf um den Kartoffelbrei beschrieben wird, zeigt, wie die Familie aufgestellt ist. Der Kartoffelbrei ist eine Metapher für den Nukleus der Fami- lie. Die Familie sitzt dabei um eine Schüssel herum, die gefüllt ist mit Kartoffelbrei, und sie essen gemeinsam mit Blechlöffeln aus einer Schüssel. Pankraz weist hier schon einen Sinn für „militärische Regelmäßigkeit“3 auf und kontrollierte, dass jeder nur so viel vom Kartoffelbrei und Butter oder Milch aß, wie ihm auch zustand. Im Ge- gensatz zu Pankraz ist seine Schwester hier auf ihren Vorteilen bedacht. Sobald sie keine Butter mehr hatte, leitet sie welche aus den Kanälen zu sich um. Dies tat sie solange, bis Pankraz beleidigt den Löffel wegwarf und schmollte. Sein Verhalten erweichte wiederum seine Mutter und sie gab ihren Teil der Butter ab. Sie deutet ihr Tun als Liebe, wohingegen dies einen Mangel an Realitätsbezug bedeutet und Pankraz in seiner Schmollerei bestätigt.
3.2. Esther
Im Gegensatz zu der Erziehung von Pankraz, verläuft die Erziehung von Esther in geordneten Bahnen. Esther ist Pankraz einzige Schwester und ist zu Beginn der Novelle zwölf Jahre alt. Sie wird beschrieben als „ein bildschönes Kind mit langem und dickem braunem Haar, großen braunen Augen und der allerweißesten Hautfarbe“4. Esther sitzt den ganzen Tag am Spinnrad und muss, im Gegensatz zu ihrem Bruder, mithelfen, die Familie zu ernähren.
Für Esther gelten dieselben Regeln und Verhaltensweisen, wie für ihre Mutter. Da die Mutter Witwe ist, will Esther ihr so gut es geht im Haushalt helfen. Dazu gehört auch, dass Esther sich entschlossen hat, nicht zu heiraten. Der einzige Mann im Leben der beiden Frauen ist also Pankraz und um ihn drehen sich auch die Ereignisse in der Familie. Es wird gesagt, dass die Schwester es als selbstverständlich ansieht, dass sie im Haushalt mithelfen muss, während ihr Bruder tun und lassen kann, was er will, dennoch finden sich beim täglichen Mittagessen Abläufe, in denen Esther sich rächt.
„ Die einzige Entsch ä digung und Rache nahm sie sich durch eine allerdings arge Unzuk ö mmlichkeit, welche sie sich beim Essen mit List oder Gewalt immer wie- der erlaubte. “5
Gemeint ist die Art und Weise, wie die beiden Geschwister um die Butter oder Milch im Kartoffelbrei konkurrieren. Die Art der Wortwahl lässt darauf schließen, dass es sich hier nicht nur um Geschwisterrivalitäten handelt, wie sie in jeder Familie auftreten, sondern tiefer gehen. Es wird von „Rache“ gesprochen, was darauf schließen lässt, dass die abneigenden Gefühle gegenüber Pankraz bei Esther tief verwurzelt sind. Die einzige Beziehung der Geschwister, die zu Beginn der Novelle beschrieben wird, konzentriert sich auf diesen täglichen Kampf beim Mittagessen.
[...]
1 Keller, Gottfried: Pankraz, der Schmoller. In: Sämtliche Werke und ausgewählte Briefe. Hrsg. Von Clemens Heselhaus, Carl Hanser Verlag, München o.J. Bd. 2. S. 9.
2 Keller, Pankraz. S. 10.
3 Keller, Pankraz. S. 15.
4 Keller, Pankraz, S. 14.
5 Keller, Pankraz, S. 15.