Quo Vadis Journalismus?


Hausarbeit, 2012

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Einleitung

Kapitel 2: Das traditionelle Modell des Journalismus

Kapitel 3: Die Ära des Web 2.0
3.1 Zentrale Merkmale
3.2 Das Phänomen Weblog

Kapitel 4: Journalismus im Internet-Zeitalter
4.1 Anforderungen und Gefahren
4.2 Das Problem der Finanzierung
4.3 Weblogs und Qualitätssicherung

Kapitel 5: Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Kapitel 1: Einleitung

Seit einigen Jahren gilt die Tageszeitungsbranche als gefährdet - Auflagenrückgänge und sinkende Werbeeinnahmen machen den Verlagen zu schaffen. Untergangsstimmung herrscht insbesondere in den USA, wo in jüngster Vergangenheit zahlreiche Zeitungen eingestellt worden sind. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise gerieten auch angesehene Qualitätsblätter wie die New York Times in Gefahr. Diese stand vor etwa zwei Jahren in den Schlagzeilen, als der mexikanische Milliardär Carlos Slim, dem damals etwa sieben Prozent des Verlages gehörten, der hochverschuldeten Zeitung 250 Millionen Dollar zur Verfügung stellte. Doch ob Investoren die US-amerikanische Zeitungsbranche, deren „Vertriebserlöse, Werbeumsätze und Aktienwerte spätestens seit 2008 im freien Fall“ (Weichert u.a. 2009: 8) sind, retten können, ist fraglich. Dagegen geht es dem deutschen Zeitungsmarkt noch vergleichsweise gut

- Qualitätsblätter wie die S ü ddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung konnten in den vergangenen Monaten ihre Auflage sogar erhöhen. Doch das sind Ausnahmen, denn, wie Weichert u.a. (2009: 10) betonen, verlaufen die Geschäfte der meisten Verlage nicht zufriedenstellend. Entlassungswellen, redaktionelle Zusammenlegungen und ein damit verbundener Qualitätsverlust sind - wenn auch weniger ausgeprägt als in den USA

- die Konsequenz. Insofern scheint die Zukunft des Journalismus nicht im Printbereich zu liegen - der Weg führt zwangsläufig ins Internet. Dort steht ihm aber in der Web 2.0-Ära eine Kultur gegenüber, die seine genuinen Funktionsweisen in Frage stellt. So haben technologische Innovationen zu einer neuen Philosophie unter Internetnutzern geführt, die zunehmend ihre - gemäß dem Paradigma der traditionellen Massenkommunikation - passive Rolle ablegen und am Meinungsbildungsprozess mitwirken möchten. Simons (2011: 142) spricht in diesem Zusammenhang treffend von „einer zweiten Medienrevolution nach der Erfindung des Buchdrucks“. In Anbetracht dessen scheint sich der Journalismus im Internet mehr denn je neu positionieren zu müssen, um nicht kontinuierlich an gesellschaftlicher Akzeptanz zu verlieren. Wie ein richtungsweisendes Verständnis aussehen könnte, soll in dieser Arbeit erörtert werden - zudem arbeite ich wesentliche Chancen und Gefahren für den Journalismus im Internet-Zeitalter heraus. Zu Beginn beschäftige ich mich mit dem traditionellen Modell des Journalismus, danach soll auf die Charakteristika des Web 2.0- Zeitalters eingegangen und mit dem Weblog eine zentrale Erscheinungsform vorgestellt werden. Im Hauptteil diskutiere ich zunächst die neuen Anforderungen an den Journalismus, danach wird dessen Finanzierung beleuchtet. Anschließend soll geklärt werden, welcher Stellenwert Weblogs bei der journalistischen Qualitätssicherung beigemessen werden kann. In einer Schlussbetrachtung werte ich die Ergebnisse aus.

Kapitel 2: Das traditionelle Modell des Journalismus

Journalismus kann als eine um Neutralität bemühte, distanzierte Instanz verstanden werden, die mit Informationen und Analysen zur Orientierung der Gesellschaft beiträgt. Neutralität wurde Ende des 19.Jahrhunderts zur Leitmaxime, als Journalismus im Zuge der zunehmenden Auflösung der sozialen Klassen fortan breitere Zielgruppen bedienen musste. Als Hauptfunktion erachtet Rühl (in Armborst 2006: 89) die „Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“ - aufgrund seiner Reichweite kann Journalismus gesellschaftliche Diskussionen steuern und zur „Konstitution von Realität und kollektiver Identität“ (Müller 2008: 6) beitragen. Ebenfalls wichtig ist die Funktion der Komplexitätsreduktion, wobei Journalisten als Vermittler zwischen „voneinander geschiedenen Lebenswirklichkeiten“ (Pöttker in Armborst 2006: 90) fungieren - mit dem Ziel, Geschehnisse für breite Teile der Gesellschaft plausibel zu machen. Etabliert hat sich auch die Kompensationsfunktion, bei der es um die Repräsentation der Interessen von Randgruppen und das Aufgreifen von gesellschaftlich relevanten, aber beispielsweise von der Politik vernachlässigten Themen geht. Ebenso Konsens herrscht darüber, dass Journalismus eine Kontrollfunktion erfüllen müsse, also als „professionelle Fremdbeobachtung der verschiedenen Gesellschaftsbereiche“ (Weischenberg/Malik 2006: 346) zu fungieren habe. Die Erstellung von Inhalten erfolgt nach dem Prinzip des Gatekeeping (deutsch: Schrankenwärter), das als „Regime der Kontrolle“ (Bruns 2009: 107) bezeichnet werden kann: Redaktionen bestimmen darüber, welche Informationen in welcher Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Deren zentrale Aufgabe liegt darin, aus der Fülle an Informationen die wesentlichen herauszufiltern - nicht zuletzt, weil beispielsweise einer Tageszeitung nur eine begrenzte Anzahl an Seiten zur Verfügung steht. Der Gatekeeping- Prozess lässt sich in drei aufeinanderfolgende Stufen unterteilen: Eingang, Ausgang und Antwort. An der Eingangsstufe werden Informationen in den Produktionsprozess eingelassen bzw. abgewiesen, an der Ausgangsstufe werden die zu Berichterstattungen verarbeiteten Informationen „in die Medien entlassen“ (Bruns 2009: 108). Mit der Antwortstufe wird dem Rezipienten ein Rückkanal geboten - wobei aber Redaktionen entscheiden, ob sie beispielsweise Leserbriefe veröffentlichen möchten.

Beim Produktionsprozess gelten spezifische Qualitätsstandards als obligatorisch - seit Anfang der 1990er wird darüber auch zunehmend in der Wissenschaft diskutiert. Eine genaue Definition erscheint aber unmöglich: „Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln“ (Ruß-Mohl 1992: 85). Rager (1994: 196) stuft Aktualität als „zentrale Dimension“ von journalistischer Arbeit ein, da sich diese dadurch vom Handeln anderer gesellschaftlicher Systeme wie der Wissenschaft abgrenzen lasse, die ebenso Themen zur gesellschaftlichen Diskussion bereitstellt, aber weniger ausgeprägt auf Aktualität achtet. Aktualität lässt sich in die Bereiche Tagesaktualität und latente Aktualität unterteilen: Bei Ersterer bemisst sich Qualität daran, wie schnell Redaktionen auf Tagesereignisse reagieren; als latent aktuell werden Themen eingestuft, die in einer Gesellschaft durchgängig präsent sind (z.B. Arbeitslosigkeit). Für diese muss, wie Rager (1994: 197) meint, „immer erst neue Aktualität geschaffen werden“ - diesbezügliche Qualität hängt entscheidend davon ab, inwiefern es die jeweilige Redaktion schafft, „den Gegenwartsbezug plausibel zu machen.“ Während es bei der Dimension der Aktualität um die Erfassung von Themen geht, so steht bei der der Relevanz deren Aufbereitung im Vordergrund. Qualität ist dann erreicht, wenn alle wichtigen Positionen und Akteure in der Berichterstattung erwähnt werden. Dies ist jedoch ein schwieriges Unterfangen, da journalistische Produkte stets „Interpretationen der Realität“ (Rager 1994: 198) sind. Aufgrund dessen erwies sich die Leitmaxime absoluter Objektivität, die sich Anfang des 20.Jahrhunderts ausgehend von der angenommenen „Möglichkeit einer realitätsadäquaten Berichterstattung“ (Wyss 2002: 117) etablierte, als nicht umsetzbar. Dies führte zur Herausbildung eines differenzierteren Objektivitätsbegriffes - eine allgemein akzeptierte Definition etablierte sich jedoch nicht. Die Definitionsproblematik hängt entscheidend damit zusammen, dass es zu viele Objektivitätskriterien gibt, zu denen u.a. Vollständigkeit, Ausgewogenheit und Richtigkeit gezählt werden - letztgenannte Dimension wird vereinzelt als eigenständiger Qualitätsstandard angesehen. Wie Rager (1994: 200) betont, sei der Qualitätsstandard der Richtigkeit erfüllt, wenn „möglichst fehlerfrei und frei von logischen Widersprüchen“ berichtet werde. Eine weitere Qualitätsdimension ist Vielfalt, deren Erfüllung eine hohe Bedeutung beizumessen ist - schließlich kann damit zur freien Meinungsbildung und Stabilisierung von demokratischen Gesellschaften beigetragen werden. Im wissenschaftlichen Diskurs werden oftmals Unterkategorien von Vielfalt gebildet - beispielsweise Themen-, Interessen- und Quellenvielfalt (vgl. Wyss 2002: 125, 126). Zudem gibt es Ansätze, bei denen Vielfalt als Nonplusultra journalistischer Qualität betrachtet wird: So ist Rager (1994: 194) der Ansicht, dass Vielfalt keine eigenständige Qualitätsdimension sei, sondern „die Zielvorgabe, an der Qualitätsmaßstäbe zu entwickeln sind“.

Voraussetzung für die Erfüllung dieser Qualitätsstandards sind adäquat besetzte Redaktionen mit solide ausgebildeten Journalisten - über Jahrzehnte hinweg wurde dies durch ein stabiles Finanzierungsmodell aus Abonnements, Einzelverkäufen und Anzeigenerlösen gewährleistet. Damit Qualitätsstandards kontinuierlich eingehalten werden, haben sich verschiedene Instanzen wie beispielsweise Redaktionskonferenzen etabliert: Während bei der täglichen Konferenz die Inhalte bereits veröffentlichter Zeitungsexemplare kritisiert werden, so stehen bei Wochen- und Jahreskonferenzen ausführliche Diskussionen über Qualitätsstandards und die publizistische Linie im Vordergrund. Wyss (2002: 205) betont, dass die Redaktionskonferenz als „eines der wichtigsten Steuerungsinstrumente der journalistischen Qualitätssicherung“ angesehen werden kann; dagegen schließt Meckel (1999: 120) aus Gesprächen mit Chefredakteuren, dass die Konferenzen oft unter „Zeitmangel, fehlender Stringenz und Konzentration sowie Kommunikationsbarrieren leiden“. Außerdem gibt es Presseräte und den Medienjournalismus. Erstere werden des Öfteren als 'zahnlose Tiger' bezeichnet, da dessen Rügen nur selten Veränderungen im redaktionellen Ablauf zur Folge haben. Ein höheres Potenzial wird dem Medienjournalismus zugeschrieben - Ruß-Mohl (1997: 224) hebt dessen Stellenwert für die Qualitätssicherung hervor: „Ohne die Artikulationsmöglichkeiten, die der Medienjournalismus bietet, blieben die anderen Infrastrukturen nahezu wirkungslos“. Jedoch hat diese Instanz ebenso ein eingeschränktes Sanktionspotenzial, worauf ich in Kapitel 4.3 eingehe. Medienjournalismus wird insbesondere innerhalb spezifischer Ressorts von Tageszeitungen betrieben - seine Hauptaufgabe besteht neben dem öffentlichen Anprangern von Missständen darin, „normsetzende Leistungen des Journalismus […] zu würdigen“ (Ruß-Mohl 1997: 224).

Kapitel 3: Die Ära des Web 2.0

3.1 Zentrale Merkmale

Eine prägnante Definition des Begriffes Web 2.0 ist aufgrund seiner zahlreichen Facetten unmöglich - jedoch steht er für eine neue Ära in der Massenkommunikation. Während das traditionelle Modell eine strikte Einteilung in wenige Produzenten und viele Konsumenten betont, so verfestigt sich in der Web 2.0-Ära „eine neue Philosophie der Internetnutzung“ (Stanoevska-Slabeva 2008: 4). Der Rezipient betrachtet das Internet zunehmend nicht mehr als reines Informationsmedium - er entwickelt sich zum sogenannten 'Prosumenten' und erhebt den Anspruch, eigenständig erstellte Inhalte zu verbreiten und sich am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen. Oftmals wird der Begriff des Web 2.0 mit dem des Social Web gleichgesetzt, jedoch betrachtet Ersterer das neue Internet-Zeitalter wesentlich differenzierter. Während das Social Web als Teilbereich des Web 2.0 den Schwerpunkt auf jene Bereiche legt, bei denen es „um die Unterstützung sozialer Strukturen und Interaktionen“ (Ebersbach u.a. 2011: 32) geht, so bezieht Web 2.0 auch ökonomische, rechtliche und technische Aspekte mit ein. Eine erste systematische Auseinandersetzung mit dem seit rund sieben Jahren kursierenden Begriff des Web 2.0 erfolgte durch den Softwareentwickler Tim O´Reilly, dessen sieben Kategorien von Ebersbach u.a. (2011: 28- 31) beschrieben werden. Neben einer durch innovative Applikationen entstandenen Omnipräsenz des Internets betont O`Reilly insbesondere die Einbeziehung der kollektiven Intelligenz von Rezipienten durch Betreiber. Hierdurch kann beispielsweise eine hohe inhaltliche Qualität erzielt werden, „wenn starke individuelle und auch kontroverse Meinungen in der Gruppe existieren“ (Ebersbach u.a. 2011: 211). Bei entsprechenden Plattformen wird die redaktionelle Arbeit mehr oder weniger an räumlich voneinander getrennte Nutzer delegiert, deren Zusammenwirken oft auf dem Organisationsprinzip der Kollaboration basiert, das von dem der Kooperation abzugrenzen ist: Aufgaben werden „nicht im Vorhinein arbeitsteilig aufgetrennt, sondern jeder trägt gleichermaßen mit seinen individuellen Kenntnissen […] zur Lösung der Gesamt-Aufgabe bei, ohne dass von einander unterschiedene Aufgabenbereiche [...] explizit definiert würden“ (Schmalz in Ebersbach u.a. 2011: 207). O`Reilly lässt jedoch die im Web 2.0-Zeitalter entwickelten neuen Geschäftsmodelle wie Premiummitgliedschaften, Micropayment oder Long Tail (vgl. Ebersbach u.a. 2011: 242-246) außen vor. Bei letztgenanntem Ansatz geht man in Anbetracht dessen, dass sich im Internet Angebot und Nachfrage nach beispielsweise Informationen zunehmend „in unzählige Sparten […] verästeln und dass die Märkte zersplittern“ (Simons 2011: 120), davon aus, dass Unternehmen mit vielen Nischenprodukten mehr Gewinn als mit wenigen Massenprodukten erwirtschaften können.

Bei erstellten Inhalten handelt es sich gewöhnlicherweise um keine fertigen Produkte - die Nutzer sind beteiligt an einem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung, den Simons (2011: 101) als ein zentrales Paradigma der neuen Massenkommunikationsära einstuft. Während dieser dürfte sich angesichts der hohen Popularität von Plattformen wie Wikipedia die Hierarchie zwischen Produzent und Konsument zunehmend auflösen - Simons (2011: 102) geht von einer Verdrängung des jahrzehntelang unangefochtenen unternehmerischen Top- Down-Prinzips durch das des Bottom-up aus: Die Betreiber beschränken sich vorwiegend auf das Bereitstellen der entsprechenden Infrastruktur und übernehmen nur vereinzelt moderierende Aufgaben - Plattformen werden „anhand der Wünsche […] der Nutzer“ weiterentwickelt. Zu den bekanntesten Anwendungen der Web 2.0-Ära zählen Wikis, Weblogs und Social-Network-Dienste, die nach Ebersbach u.a. (2011: 38, 39) allesamt kommunikative Funktionen haben und in einem Dreiecksmodell - bestehend aus den Dimensionen Kollaboration, Information und Beziehungspflege - zu platzieren sind:

Während bei Wikis die Dimension der Kollaboration sehr ausgeprägt ist, dienen Social- Network-Dienste vorwiegend der Beziehungspflege. Weblogs bewegen sich indes im Spannungsfeld zwischen Kollaboration und Information.

3.2 Das Phänomen Weblog

Bei einem Weblog (Wortkreuzung aus Web und Logbuch) stehen sich gewöhnlicherweise ein oder wenige Beitragsersteller und eine meist unbegrenzte Anzahl an Beitragskommentatoren gegenüber - ein charakteristisches Merkmal dieser Beiträge ist eine durch subjektive Darstellung spezifischer Ereignisse erzeugte Authentizität (vgl. Ebersbach 2011: 62). Im Gegensatz zu klassischen Internetportalen ist das Verlinken auf externe Beiträge ein wesentliches Strukturmerkmal von Weblogs. Ihre Betreiber haben weniger die Absicht, Rezipienten möglichst lange zu binden - generell verstehen sie sich „als Teilnehmer einer großen umfassenden Diskussion“ (Simons 2011: 16), die sich innerhalb der sogenannten Blogosphäre ereignet. Hierunter versteht man die Gesamtheit aller Weblogs und ihre Vernetzung, wozu insbesondere Trackbacks beitragen. Diese benachrichtigen Betreiber automatisch darüber, wenn in anderen Weblogs auf ihre Beiträge Bezug genommen wird - das Ziel dieses Prinzips besteht darin, „inhaltlich verwandte Beiträge aus verschiedenen Blogs miteinander zu verlinken“ (Simons 2011: 17), womit zur Verständigung unter Bloggern und zur Bildung dynamischer Gegenöffentlichkeiten beigetragen werden kann.

Erstmals wurde der Begriff des Weblog von John Barger verwendet, der ab 1997 auf seiner Homepage täglich Links zu verschiedenen Themen zusammentrug und diese mit entsprechenden Beschreibungen versah. Barger definierte Weblogs sehr allgemein als Internetseiten, „where a Web logger logs all the other Web pages she finds interesting“ (Barger in Seeber 2008: 13). Spezifischer war die Auseinandersetzung von Cameron Barett, der in seinem Essay Anatomy of a Weblog (1999), der „als eine Art Gründungsmanifest“ (Armborst 2006: 34) angesehen wird, auf konkrete Merkmale wie häufige Aktualisierungen einging. Gleichwohl sehen nicht wenige die Ursprünge der Weblogs bereits Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre, als Internet-Pioniere wie Tim Berners-Lee ihre Entdeckungen im damals neuen Medium der Öffentlichkeit zugänglich machten: „Whatever their reasons, for these folks it seemed the most natural thing in the world to put the record of their travels around the web on the web“ (Blood 2002: 2). Solche Seiten wurden fast ausschließlich von Web-Designern und Informatikern geführt, denn die Erstellung mit HTML- oder Texteditoren war kompliziert und machte eine breite gesellschaftliche Partizipation unmöglich. Im Nachhinein wurden diese frühen Blogger-Aktivitäten der Kategorie des sogenannten Filter-Style-Weblogs zugeordnet, die von der der Free-Style- Weblogs abzugrenzen ist. Während sich bei Ersterer die Aktivitäten der Betreiber weitestgehend auf das Zusammentragen und Kommentieren von Links beschränkt, so zeichnen sich Free-Style-Weblogs insbesondere durch eine reduzierte Anzahl an Links und einen hohen Textanteil aus (vgl. Armborst 2006: 42, 43). Dieses Mitte der 1990er Jahre erstmals erprobte Format, bei dem der Schwerpunkt oft auf der Darstellung von persönlichen Themen und deren Reflexion liegt, hatte Ende der 1990er Jahre im Zuge der Entwicklung von innovativen Plattformen wie Blogger.com und damit verbundenen Erleichterungen beim Führen, Pflegen und Gestalten von Weblogs seinen Durchbruch:

„While weblogs had always included a mix of links, commentary, and personal notes, in the postBlogger explosion increasing numbers of weblogs eschewed this focus on the web-at-large in favor of a sort of short-form journal. These blogs, often updated several times a day, were instead a record of the blogger´s thoughts: something noticed on the way to work, notes about the weekend, a quick reflection on some subject or another“ (Blood in Seeber 2008: 14).

Mit der Frage, welche Funktionen das Betreiben eines Weblogs haben kann, hat man sich in der Wissenschaft in den vergangenen Jahren häufig auseinandergesetzt. So erachtet die Medienpsychologin Nicola Döring u.a. eine Sozial- und Kreativfunktion, die von Armborst (2006: 40, 41) erläutert werden, als wesentlich. Bei Ersterer dient das Betreiben eines Weblogs vorwiegend dem Identitätsbildungsprozess, während die Kreativfunktion beispielsweise auf professionelle Journalisten zutrifft, die fernab redaktioneller Zwänge mit journalistischen Darstellungsformen experimentieren wollen.

Bahnbrechende inhaltliche Veränderungen ereigneten sich in den Jahren nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center. Hatten sich Weblogs bis dahin meist auf die Darstellung von Alltagserlebnissen mit geringer gesellschaftlicher Relevanz beschränkt, so vollzog sich seit 2001 insbesondere in den USA „eine Politisierung der Blogosphäre“ (Seeber 2008: 25): Es bildeten sich Gegenöffentlichkeiten, die fortan eine alternative Form des Publizierens betrieben und beispielsweise die Sinnhaftigkeit des Irak- Krieges hinterfragten. Diese Entwicklung führte zur Etablierung der Kategorie des Warblogs, worunter vorwiegend jene Blogs verstanden werden, „in denen sich Kriegsberichte aus erster Hand finden“ (Armborst 2006: 57). Ein bekanntes Beispiel ist der Blog Where is Read?, in dem ein in Bagdad lebender Architekt unter dem Pseudonym 'Salam Pax' über den Irak-Krieg berichtete. In der Folgezeit etablierten sich weitere Unterkategorien, die von Seeber (2008: 28-42) erläutert werden. Dazu zählen Watchblogs und Underground-Blogs: Erstere beäugen häufig die Arbeit des traditionellen Journalismus - Underground-Blogs dienen insbesondere in repressiven Ländern der Bildung von Gegenöffentlichkeiten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Quo Vadis Journalismus?
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Medienwissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
24
Katalognummer
V201973
ISBN (eBook)
9783656278481
ISBN (Buch)
9783656279440
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vadis, journalismus
Arbeit zitieren
Daniel Seehuber (Autor:in), 2012, Quo Vadis Journalismus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201973

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