Clinical Reasoning in der Diätassistenz. Eine Bestandsaufnahme


Term Paper (Advanced seminar), 2011

25 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung Clinical Reasoning

3. Clinical Reasoning in der Diätassistenz

4. Der Clinical Reasoning Prozess
4.1. Formen des Clinical Reasoning

5. Tätigkeitsfelder von Diätassistenten

6. Clinical Reasoning in der Diättherapie
6.1. Definition Diättherapie
6.2. Ablauf der Diättherapie
6.3. Der Clinical Reasoning Prozess
6.4. Formen des Clinical Reasoning

Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Formen des Clinical Reasoning

Abbildung 2 Mögliche Tätigkeitsfelder von Diätassistenten

Abbildung 3 Tätigkeitsfelder angestellter Diätassistenten

Abbildung 4 Häufigkeit der Ausführung definierter Tätigkeiten

freiberuflicher und angestellter Diätassistenen/-innen

Abbildung 5 Formen des Clinical Reasoning in der Diättherapie

1. Einleitung

Im Rahmen der Auswahl eines Studiums habe ich zum ersten Mal von Clinical Rea-soning gelesen und mich u. a. dadurch für den Bachelor of Arts für Medizinalfach-berufe entschieden. Im Verlauf der Vorlesungen zum Clinical Reasoning habe ich inhaltlich das vorgefunden, was mich seit längerer Zeit thematisch beschäftigt.

Als Lehrkraft an einer Fachschule für Diätassistenten[1] bin ich u. a. Mitglied im dortigen Prüfungsausschuss und erhalte durch diese Tätigkeit einen Einblick in die Prüfungsleistungen im Bereich der Praktischen Prüfung der angehenden Diätassistenten. Dabei ist mir in den letzten Jahren aufgefallen, dass die Teilnehmer im Prüfungsteil Ernährungs- und Diätberatung nicht immer ideale Ergebnisse präsentieren.

Nach § 7 DiätAss-AprV Absatz 1 erstreckt sich der praktische Teil der Prüfung auf folgende Fächer: Diätetik, Koch- und Küchentechnik sowie Diät- und Ernährungsberatung. In diesem Teil der Prüfung wird ein Klient mit seiner Erkrankung, inklusive notwendiger ergänzender Angaben, unter fachlichen Gesichtspunkten abgebildet. Nach diesem Krankheitsbild und den Angaben zu den Essgewohnheiten richten sich die diätetischen, küchentechnischen Maßnahmen sowie der Inhalt, des in der DiätAss-AprV vorgeschrie-benen Beratungsgesprächs.

Meiner Einschätzung nach fehlt den Prüflingen eine ganzheitliche Sicht unter Einbeziehung von z. B. Lebensumständen und dem aktuellen Stand der Krankheitsbewältigung. Im beschriebenen Prüfungsteil Diät- und Ernährungsberatung könnte z. B. durch die Einbindung von Clinical Reasoning Aspekten in die Unterrichtseinheiten eine Verbesserung der Beratungskompetenz erreicht werden. Damit würden sich die Prüfungsergebnisse und die Fachkompetenz von Diätassistenten verbessern.

Mit dieser Hausarbeit möchte ich darlegen, in welchen Bereichen der Diätassistenz Clinical Reasoning bereits zur Anwendung kommt und künftig kommen könnte. Im Rahmen einer Literatur- und Internetrecherche habe ich sowohl nach Clinical Reasoning im Beruf des Diätassistenten als auch in den angrenzenden therapeutischen Berufen der Physio-, Ergotherapie und Logopädie gesucht.

2. Begriffsbestimmung Clinical Reasoning

Der Begriff des Clinical Reasoning wird unterschiedlich übersetzt oder umschrieben. Nach Jones (1997), in Klemme/Siegmann (2006) wird Clinical Reasoning wie folgt definiert: „Unter Clinical Reasoning sind die Denkvorgänge und die Entscheidungsfindungen des Therapeuten während der Untersuchung und Behandlung eines Klienten zu verstehen.“

Nach der Anthropologin Mattingly (1991, in Lagemann 2003) ist „Clinical Reasoning vor allem ein stillschweigender, halbbewusster, komplexer Problemlöseprozess, den Klienten nicht mit der medizinischen Diagnose, sondern mit seinem individuellen Krankheitserleben in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt.“ Nach Wikipedia® (2010) bedeutet Clinical Reasoning in der wortwörtlichen Übersetzung: „… klinisches Argumentieren, Schlussfolgerung, Beweisführung. Gemeint sind damit Denk-, Handlungs- und Entscheidungsprozesse, welche klinisch tätige Personen (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten u. a.) entweder alleine oder in der Auseinandersetzung mit Berufskollegen und/oder dem betroffenen Klienten treffen.“

Diese Definitionen und Erläuterungen spiegeln gut wieder, dass der Klient im Clinical Reasoning während der Behandlung aus einer ganzheitlichen Sicht betrachtet wird. Es geht nicht allein um eine somatische Sichtweise sondern zusätzlich um Faktoren, die z. B. die Erkrankung positiv oder negativ beeinflussen können. Wie ein Therapeut und der Klient im Laufe der Behandlung mit den Einflüssen umgehen bzw. der Therapeut die aktuelle Situation in den Behandlungsverlauf einbezieht.

Nach Burtchen (2007) handelt es sich in gewisser Weise um Problemlösestrategien, in denen es um kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten geht. Ziel des Clinical Reasoning ist es, die Denkstrukturen von Therapeuten so weiter zu entwickeln, dass nicht nur die Behandlung der Erkrankung im Vordergrund steht, sondern die individuellen Rahmenbedingungen des Klienten in die Therapie einbezogen und berücksichtigt werden. In die Rahmenbedingungen können beispielsweise der aktuelle oder der sich im Laufe der Therapie verändernde Umgang mit der Erkrankung, die sich durch die Erkrankung ggf. veränderte berufliche Situation oder der finanzielle Status einbezogen werden.

Das Clinical Reasoning gliedert sich in unterschiedliche Bereiche, von der Hypo-thesenbildung über psychologische Anteile bis hin zur Kommunikation. Zur besseren Übersicht habe ich in Anlage 1 ein Mind Map mit den wichtigsten Teilbereichen des Clinical Reasoning zusammengestellt. Aufgrund dieser Vielfältigkeit habe ich beschlossen, mich in dieser Arbeit auf den Clinical Reasoning Prozess und die Formen des Clinical Reasoning zu beschränken und herauszuarbeiten inwieweit diese in der Diätassistenz vorkommen.

3. Clinical Reasoning in der Diätassistenz

Erstmals taucht der Begriff Clinical Reasoning auf der Internetseite des VDD in 2010 (www.vdd.de/der-vdd/arbeitgruppe/gesetz/) als Auszug des Positionspapiers zur Notwendigkeit der Novellierung des Diätassistentengesetzes und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung der AG Gesetz (ohne genaues Datum) auf. Derzeit ist die AG Gesetz des VDD dabei, die Novellierung des Diätassistentengesetzes voranzutreiben und beschäftigt sich dabei auch mit dem Thema Clinical Reasoning. In verschiedenen Telefonaten mit Mitgliedern der AG konnte ich erfahren, dass das Thema weiter verfolgt wird und geplant ist, im Rahmen einer Überarbeitung des Lehrplans für die Fachschulausbildung (Höfler, Willig, 1996), das Thema Clinical Reasoning mit aufzunehmen. Im Vorschlag zur Neuordnung der Anlage 1 A und B der DiätAssAPrV in der Fassung vom 01.08.1994 (Stand 19.03.2010) der AG Gesetz ist die geplante neue Aufteilung der Unterrichtstunden beschrieben, der Begriff Clinical Reasoning wird dabei nicht erwähnt. Im Rahmen der Lernziele des Diätologischen Prozesses[2] tauchen Begrifflichkeiten aus dem Clinical Reasoning auf. Meine Hausarbeit würde die Arbeit der AG Gesetz unterstützen, so dass das Clinical Reasoning gezielt als wissenschaftlicher Anteil in die Neuordnung der Unterrichtsstunden eingearbeitet werden könnte.

Der AG der Leitenden Lehrkräfte an Schulen für Diätassistenten in Deutschland wurde das Clinical Reasoning im Rahmen der jährlich stattfindenden Arbeitstagung im November 2010 vorgestellt . In der Mitgliederzeitschrift des VDD, Diät und Information (1/2011: 8-11), wird von Meteling-Eeken/Huehmer im Rahmen eines Artikels zum wissenschaftlichen Arbeiten das Thema Clinical Reasoning erneut aufgegriffen. Weiterhin ist im Rahmen des 53. VDD Bundeskongress 5/2011 in Wolfsburg im vorläufigen Programm (Stand 08.03.2011) geplant, dass Gaby Siegmann, als Buchautorin zum Thema Clinical Reasoning in der Physiotherapie, einen Vortrag zu diesem Thema hält und somit diese Thematik weitere Verbreitung in Diätassistentenkreisen finden wird.

In den angrenzenden therapeutischen Berufen wie Physio- und Ergotherapie ist diese Thematik schon länger bekannt (Feiler 2003; Klemme, Siegmann 2006; Klemme, Nauerth 2004; Lagemann 2003) und wird in deren Ausbildungen sowie über Fort- und Weiterbildungen thematisiert.

4. Der Clinical Reasoning Prozess

Beim Clinical Reasoning Prozess handelt es sich um das hypothetisch-deduktive Reasoning. Nach Klemme, Siegmann (2006) kann die hypothetisch-deduktive Vorgehensweise als eine Strategie im Clinical Reasoning Prozess angesehen werden. Es sollen kognitive Strategien entwickelt werden, um korrekte klinische Entscheidungen zu treffen.

Die einschlägige Literatur unterteilt diesen Prozess in sechs Schritte, die jeweils mit einer Kurzbeschreibung versehen sind.

1. Herausbildung eines „Pre-assessment-image“

Der Therapeut macht sich erste Vorstellungen vom Klienten aufgrund der ersten Angaben, die er erhält. Dies können Informationen sein, wie: Alter, Geschlecht, medizinische Diagnose von z. B. einer Notwendigkeitsbescheinigung oder aus der Krankenakte. Die Vorstellungen entstehen u. a. durch Erfahrungen mit dem Verlauf von ähnlichen Krankheitsbildern oder früheren Begegnungen mit dem Klienten.

2. Prozess der „Cue acquisition“

„Cue acquisition“ bedeutet das Sammeln von Stich- und Schlüsselwörtern um zusätzliche Informationen zu erhalten. Dies geschieht im Rahmen einer ausführlichen Anamnese und dem Befundungsprozess.

3. Hypothesenproduktion

Aus den gesammelten Stich- und Schlüsselwörtern werden erste Hypothesen z. B. über den Klienten, seine Erkrankungen oder seine Prognose entwickelt. Einige Hypothesen werden verworfen, andere in Betracht gezogen, daraus entwik-kelt sich eine Richtung oder auch mehrere alternative Richtungen in die der Therapeut seinen Behandlungsmaßnahmen lenken könnte.

4. „Cue interpretation“

Es erfolgen weitere Datensammlungen und Bildung von Schlüsselwörtern, die bestehende Hypothesen bestätigen oder widerlegen. Dazu können für das Krankheitsbild notwendige Tests herangezogen werden.

5. Hypothesenevaluation

Alle Hypothesen werden evaluiert und diejenige, die am genauesten zutrifft wird ausgewählt.

6. Festlegung der therapeutischen Diagnose

Diese Vorgehensweise ist ein dynamischer Prozess, der im Laufe des therapeutischen Verlaufs immer wieder neu beginnt. Anlage 2 zeigt zur Verdeutlichung dieser Dynamik ein Fließdiagramm. Die farbigen Anteile stellen den möglichen Verlauf bzw. die Neuorientierung dar, die bei neuen Erkenntnissen entstehen.

4.1. Formen des Clinical Reasoning

Die folgende Darstellung fasst die wichtigsten Clinical Reasoning-Formen zusammen und welche Fähigkeiten dafür notwendig sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Formen des Clinical Reasoning; modifiziert nach Feiler et al 2003: 4

5. Tätigkeitsfelder von Diätassistenten

Bei der Ausbildung von Diätassistenten handelt es sich um einen dreijährige Fachschulausbildung, die mit einer staatlichen Prüfung und der entsprechenden staatlichen Anerkennung endet.

Nach § 3 des DiätAssG ist das Ausbildungsziel:

Die Ausbildung soll entsprechend der Aufgaben des Berufes insbesondere die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die zur eigenverantwortlichen Durchführung diättherapeutischer und ernährungsmedizinischer Maßnahmen auf ärztliche Anordnung oder im Rahmen ärztlicher Verordnung wie dem Erstellen von Diätplänen, dem Planen Berechnen und Herstellen wissenschaftlich anerkannter Diätformen befähigen, sowie dazu, bei der Prävention und Therapie von Erkrankungen mitzuwirken und ernährungstherapeutische Beratungen und Schulungen durchzuführen.“

Daraus ergeben sich folgende Tätigkeitsschwerpunkte für Diätassistenten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Tätigkeitsfelder von Diätassistenten

Wie Abbildung 2 zu entnehmen ist, haben Diätassistenten ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet. Sie können im Rahmen der Diättherapie ausschließlich auf Anordnung des behandelnden Arztes tätig werden. Für die Ernährung von gesunden Menschen aller Altersgruppen sind sie ebenfalls zuständig. Im klinischen Bereich haben Diätassistenten Aufgaben sowohl im Rahmen der Speisenzubereitung als auch der Diättherapie mit einzelnen Klienten oder in Gruppenschulungen von z. B. Diabetikern. Je nach Schwerpunkt des Krankenhauses oder der Kurklinik sind sie Mitglied in interdisziplinären Teams.

[...]


[1] Für eine bessere Lesbarkeit habe mich entschieden die jeweils männliche Form zu verwenden. Gemeint sind immer

beide Geschlechter.

[2] In Österreich gibt es die Berufsbezeichnung Diätologe, aus diesem Grund wird der Ablauf von Beratungen dort als

Diätologischer Prozess bezeichnet. Diätologen in Österreich haben das gleiche Aufgabengebiet wie Diätassistenten

in Deutschland.

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Details

Title
Clinical Reasoning in der Diätassistenz. Eine Bestandsaufnahme
College
University of Applied Sciences North Hesse; Bad Sooden-Allendorf
Grade
1,3
Author
Year
2011
Pages
25
Catalog Number
V202665
ISBN (eBook)
9783656289746
ISBN (Book)
9783656290476
File size
684 KB
Language
German
Keywords
Therapie, Beratung
Quote paper
B. A. Michaela Pohl (Author), 2011, Clinical Reasoning in der Diätassistenz. Eine Bestandsaufnahme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202665

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