Vergleich der Frauenfigur "Ilse" aus Frank Wedekinds Drama "Frühlings Erwachen" und "Doris" aus Irmgard Keuns Roman "Das kunstseidene Mädchen"


Pre-University Paper, 2012

18 Pages, Grade: 1,00


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Inhaltsangaben
2.1 „Das kunstseidene Mädchen“
2.2 „Frühlings Erwachen“

3. Analysen der Protagonistinnen
3.1 „Doris“ – „Das kunstseidene Mädchen“
3.2 „Ilse“ – „Frühlings Erwachen“

4. Die Rolle der Protagonistinnen in der Gesellschaft
4.1 Gesellschaftliches Frauenbild um 1891
4.2 Gesellschaftliches Frauenbild um 1932
4.3 Ilse und Doris – traditionelle Frauen von 1891/1932?
4.4 Stellen Ilse und Doris gesellschaftliche Außenseiterinnen dar?
4.5 Rolle von Männern in Ilses und Doris‘ Leben
4.6 Sind Ilse und Doris emanzipiert?

5. Schluss

6. Anhang
6.1 Literatur- und Quellenverzeichnis
6.1.1 Primärliteratur
6.1.2 Sekundärliteratur
6.1.3 Internetquellen

1. Einleitung

„Frühlings Erwachen“ und „Das kunstseidene Mädchen“ – bereits die Titel der Werke von Frank Wedekind und Irmgard Keun strahlen eine lebensfrohe und frühlingshafte Wärme aus. Ebenso die Protagonistinnen: Ilse und Doris – zwei junge Frauen, die ihr Leben genießen, sich nicht entmutigen lassen und deren Lebensfreude ein Sonnenstrahl in dem Herzen des Lesers ist.

In der folgenden Ausarbeitung werde ich die beiden lebensmunteren Frauen miteinander vergleichen. Den Schwerpunkt wird hierbei das Verhältnis zwischen den Protagonistinnen und der Gesellschaft bilden, um die Rolle, welche ihnen in dieser zukommt, nachvollziehen zu können. Aus diesem Grund werde ich untersuchen, ob sich ihre Lebensentwürfe mit den gesellschaftlichen Frauenbildern vereinbaren lassen, welche Rolle Männer in ihrem Leben einnehmen und ob sie emanzipiert sind oder als gesellschaftliche Außenseiterinnen gesehen werden können.

2. Inhaltsangaben

2.1 „Das kunstseidene Mädchen“

Irmgard Keuns 1932 erschienener Zeitroman „Das kunstseidene Mädchen“[1] thematisiert die „medial produzierten Aufstiegsträume der Weimarer Republik und die sich in ihnen ausdrückenden Glücksversprechen des modernen, großstädtischen Amüsierbetriebs“.[2]

Doris, die uneheliche Tochter einer Garderobiere, möchte aus ihrem Milieu aufsteigen. Die Beweggründe der Achtzehnjährigen liegen sowohl in ihrer niedrigen sozialen Herkunft und der perspektivarmen Zukunft für Stenotypistinnen als auch in dem Abschied von ihrem Freund Hubert, der sie für bessere Karrierechancen mit einer Professorentochter verlässt.

Da sie sich gegen die Aufdringlichkeiten ihres Vorgesetzten in dem kleinen Anwaltsbüro, in welchem sie arbeitet, zur Wehr setzt, wird ihr gekündigt. Durch Beziehungen ihrer Mutter erhält sie eine Statistenrolle im Theater der kleinen Provinz und beschließt, ein „Glanz“ zu werden. Ihre dort gesponnenen Intrigen drohen jedoch zu eskalieren, weshalb sie die Flucht ergreift und hierbei kurzerhand einen stattlichen Pelzmantel entwendet, durch welchen alle Voraussetzungen erfüllt zu sein scheinen, um ein „Glanz“ werden zu können. Voller Illusionen, Ehrgeiz und mit einer nüchtern-pragmatischen Einstellung setzt sie sich nach Berlin ab. Ohne Arbeit und durch einen wechselvollen Aufstiegskampf bedingt, lernt sie viele verschiedene Männer unterschiedlichster sozialer Herkunft kennen und zieht durch Cafés, Kabaretts und Kinos. Doris steht immer wieder an dem Nullpunkt ihrer Karriere und findet sich schlussendlich ohne weitere Zukunftsperspektiven im Wartesaal wieder, dort wo ihre Reise begonnen hat.

2.2 „Frühlings Erwachen“

Die 1891 von Frank Wedekind verfasste Kindertragödie „Frühlings Erwachen“[3] thematisiert das Erwachen der Sexualität einer von Schule und Eltern verständnislos behandelten Jugend.[4]

Der Gymnasiast Melchior Gabor verfasst auf Wunsch seines unaufgeklärten und besten Freundes Moritz Stiefel einen Aufklärungsbrief und lässt ihn Moritz zukommen. Dieser wird hierdurch jedoch verstärkt vom Lernen abgelenkt, sodass er nicht versetzt wird. Um seinen Eltern diese Schande zu ersparen, bittet er Frau Gabor um Geld zur Flucht nach Amerika, jedoch verweigert sie ihm dieses und Moritz versinkt in tiefen Depressionen, die im Selbstmord enden. Nicht einmal das lebensfrohe Künstlermodell Ilse hat ihn davor bewahren können.

Währenddessen möchte Wendla Bergmann von ihrer Mutter aufgeklärt werden. Frau Bergmann gibt ihr jedoch nur vage Antworten, sodass Wendla kurze Zeit später schwanger wird. Ihre Mutter möchte diesen Skandal vertuschen, indem sie eine Abtreibung organisiert. Durch die Folgen dieser stirbt Wendla.

Melchior wird indessen von der Schule für Moritz’ Selbstmord verantwortlich gemacht und von seinen hilfslosen Eltern in eine Korrektionsanstalt geschickt. Er flüchtet von dort und wird, als er an dem Friedhof vorübergeht, von seinem toten Freund Moritz in seinen Überlegungen bestärkt, Suizid zu begehen. Jedoch stellt ein vermummter Herr sich Moritz‘ Verführungen entgegen, bis Melchior ihm schließlich von den Gräbern fort und zurück ins Leben folgt.

3. Analyse der Protagonistinnen

3.1 „Doris“ – „Das kunstseidene Mädchen“

Die Protagonistin Doris aus Irmgard Keuns Roman „Das kunstseidene Mädchen“ durchläuft im Laufe des Romans eine Entwicklung. Sie orientiert sich maßgeblich am Film und vieles ihrer Verhaltensweisen und Wünsche „bestreitet sich aus dem, was sie auf der Leinwand gesehen hat“[5], ebenso der Wunsch in Berlin ein „Glanz“ zu werden, d.h. einen besonders hohen ökonomischen Standard zu erreichen.

Sie vergleicht sich bereits mit bekannten Schauspielerinnen, bezieht sich jedoch ausschließlich auf Äußerlichkeiten und Besitztümer[6]. Dies wird auch in ihren übrigen Beschreibungen deutlich, sodass es dem Leser schwer gemacht wird, einen Blick in ihre Emotionen zu erhalten. Gleichzeitig spiegelt diese Tatsache ihre starke Fokussierung auf Materielles wider. Sehr prägnant wird dies, als sie sich von ihrem ohnehin geringen Gehalt, welches sie als Sekretärin verdient und von dem sie, trotz ihrer Unabhängigkeit von ihren Eltern, einen Großteil an dieselben abgibt, um für deren finanzielle Absicherung zu sorgen, einen „einen Hut mit Feder“[7] kauft, der ihr nach eigener Aussage vorzüglich zu ihrem blassen Teint steht. Sie legt sehr großen Wert auf ihr Aussehen und lässt Gegenständen eine hohe Wertschätzung zukommen. Dies verdeutlicht ihre Prägung durch das kapitalistische System. Doris ordnet ihre Wahrnehmungen nach kommerziellen Gesichtspunkten und nutzt diese als Indizien für Wohlstand (vgl. S.6, Z.1-9).

Ebenso, wie sie ihre zahlreichen Beobachtungen analysiert, wertet sie ihre eigenen Handlungs- und Verhaltensweisen mit mitleidloser Schärfe und ist bemüht, sich durch „eine betont sachliche Haltung der Realität gegenüber zu behaupten.“[8] Diese nüchterne Betrachtungsweise misslingt ihr dennoch öfter als sie denkt. Sehr anschaulich wird dies, als sie ihre Trauer über den Abschied ihres Freundes herunterspielt.

„Also ich hatte nichts dagegen, dass er eine nehmen wollte mit Pinke und so – aus Ehrgeiz und wegen weiterkommen, wofür ich immer Verständnis habe (…)“[9]

Ihre nüchterne Tarnschicht, welche unter normalen Bedingungen standhält, beginnt bei dem Treffen mit ihrer Freundin abzublättern und ihre emotionale Seite wird sichtbar.

„Und heulte Tränen in den Kaffee und musste mir mit echt waschledernen Handschuhen immerzu die Nase wischen, weil ich gerade kein Taschentuch da hatte und Therese ihr’s voll Stockschnupfen war. Und heulte Tränen auf das neue Kleid – und hätte nur noch gefehlt, dass die Tupfen nicht waschecht waren und ausgingen und zu allem anderen mein lachsfarbenes Kombination mit verfärbten.“[10]

Doris kämpft einen lautlosen Kampf gegen Sentimentalität, indem sie ihre Gefühlsausbrüche auf Materielles umleitet und eine „Überspielung des Tränengrundes in die Tränenfolge“[11] hervorruft.

Anstelle ihres Freundes erhält nun der Feh, ein stattlicher Pelzmantel, eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. Er hilft ihr über ihre Trauer hinweg, macht sich als Statussymbol häufig nützlich und stellt für sie fast einen lebendigen Partner dar (vgl. S.37, Z.1-3).

Trotz ihrer Trauer und ihrer mitleidslosen Analyse ist Doris eine lebensmuntere Persönlichkeit. Dies wird durch ihre humorvollen Anmerkungen (vgl. S.65, Z.5-10), den ausgelassenen Lebensstil (vgl.S.6, Z.25) und ihren Blick, welcher sich in die Zukunft richtet, zum Ausdruck gebracht.

„ (…) und habe mir einen Schwur gemacht – nämlich, dass ich nicht eine sein will, die man auslacht, sondern die selbst auslacht.“[12]

Da sie sich das Paradigma, nie mehr arbeiten zu wollen, zu eigen macht, erkennt sie, trotz ihrer mangelnden Bildung (vgl. S.43, Z.11-26), dass sie diese Zukunft nur über einen vermögenden Liebhaber erreichen kann, da ihr Körper ihr einziges Kapital darstellt. Dies erklärt, weshalb Materielles für sie einen höheren Stellenwert als Moral einnimmt, da sie sich nur so bei Männern attraktiv darstellen kann. Ebenfalls erklärt es die für ihr Alter erstaunlich vielen sexuelle Erfahrungen, welche für sie selbstverständlich einen Aspekt ihres Lebens darstellen. Ebenso wie Ilse betrachtet Doris diese nicht als verwerflich, sondern empfindet sie als lustvoll (vgl. S.59, Z.1-9).

Da es ihr misslingt, sich als „Glanz“ zu etablieren, ist sie bemüht, sich durch die Verwendung von Metaphern (vgl. S.34, Z.24-25) momentweise auf den ersehnten Status des „Glanzes“ zu heben. Durch jene versucht sie, von oben herab zu benennen, worin sie befangen ist, und den scheinbaren Eindruck von Überlegenheit zu erzeugen. Desweiteren unterstreichen die Metaphern ihr Bemühen, wie im Film zu schreiben, damit, wenn sie später in ihrem Tagebuch liest, das nach ihrer eigenen Aussage vielmehr ein Drehbuch darstellt, „alles wie Kino“[13] ist und sie ihr Leben in möglichst glanzvollen Bildern vorfindet. Auf diesen Glanz legt sie am Ende des Romans jedoch nur noch sporadisch Wert und sie beginnt langsam zu begreifen, dass ein glückliches Leben nicht ausschließlich von ökonomischem Ansehen abhängig ist.

3.2 „Ilse“ – „Frühlings Erwachen“

Die Episodenfigur Ilse aus Frank Wedekinds Kindertragödie „Frühlings Erwachen“ tritt als eine der „unterbürgerlichen Schicht“[14] Angehörige, ebenso lebensfrohe junge Frau wie Doris auf. Dies spiegelt sich bereits in ihrer Kleidung wider, da sie „ein buntes Tuch um den Kopf“[15] trägt. Ohne Angst davor zu haben, Aufsehen zu erregen, hüllt sie sich in bunte, Lebensmut ausdrückende Stoffe. Hierdurch lässt sich auf ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein schließen, welches ihre Handlungen ebenfalls ausdrücken. Ilse entzieht sich der schützenden Hand ihrer Eltern, indem sie z.B. vier Tage nicht nach Hause kommt[16], und ist stolz auf ihre Unabhängigkeit von ihnen. Ihre Aussage „(…) weil ich meine Ballschuhe anhabe. – Mutter wird Augen machen!“[17] zeigt, dass ihr die Anerkennung ihrer Mutter dennoch sehr wichtig ist. Zudem wird der hohe Stellenwert, den Materielles in ihrem Leben einnimmt, zum Ausdruck gebracht, welcher jedoch moralischen Werten unterstellt bleibt.

[...]


[1] Irmgard Keun: „Das kunstseidene Mädchen“. Leipzig 2004

[2] Stefanie Arend / Ariane Martin (Hrsg.): „Irmgard Keun 1095/2005, Deutungen und Dokumente“. Bielefeld 2005, S.45, Z.6-8

[3] Wedekind, Frank: „Frühlings Erwachen“. Stuttgart 2010

[4] vgl. http://www.referate10.com/referate/Literatur/38/Inhaltsangabe--des-Dramas---Fruhlings-Erwachen--von-Frank-Wedekind-reon.php, [ Zugriffsdatum : 26.02.2012]

[5] Klotz, Volker: „ Forcierte Prosa. Stilbeobachtungen an Bildern und Romanen der Neuen Sachlichkeit“. In: Schönhaar, Rainer (Hrsg.):“Dialog“. Berlin 1973, S.261

[6] vlg. Keun, Irmgard: „Das kunstseidene Mädchen“. Leipzig 2004, S.4, Z.7; Vergleiche werden im Folgenden direkt im Text vermerkt.

[7] Ebd., S.5, Z.17-19

[8] Rosenstein, Doris: „Irmgard Keun. Das Erzählwerk der dreißiger Jahre“. Frankfurt am Main 1991, S. 13

[9] Keun 2004, S.11, Z. 9-11

[10] Ebd., S.11, Z. 31-37

[11] Klotz 1973, S. 264

[12] Keun 2004, S.54, Z.36-38

[13] Ebd., S.4, Z.6-10

[14] Fleischer, Carolin: „What’s love? Typologie der Liebe in Frank Wedekinds „Frühlingserwachen““. München 2004, S.5

[15] Wedekind 2010, S.46, Z.5

[16] Vgl. ebd., S.46, Z.17, Vergleiche werden im Folgenden direkt im Text vermerkt.

[17] Ebd., S.46, Z.19f.

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Details

Title
Vergleich der Frauenfigur "Ilse" aus Frank Wedekinds Drama "Frühlings Erwachen" und "Doris" aus Irmgard Keuns Roman "Das kunstseidene Mädchen"
Grade
1,00
Author
Year
2012
Pages
18
Catalog Number
V203057
ISBN (eBook)
9783656308829
ISBN (Book)
9783656311492
File size
568 KB
Language
German
Keywords
vergleich, frauenfigur, ilse, frank, wedekinds, drama, frühlings, erwachen, doris, imgard, keuns, roman, mädchen
Quote paper
Sophie Helle-Feldmann (Author), 2012, Vergleich der Frauenfigur "Ilse" aus Frank Wedekinds Drama "Frühlings Erwachen" und "Doris" aus Irmgard Keuns Roman "Das kunstseidene Mädchen", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203057

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