Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Entwicklung einer präzisen Fragestellung
2. Festlegung des theoretischen Begriffsrahmens
3. Festlegung und Begründung der Methodenwahl
a. Durchführung:
i. Begründete Auswahl der Beobachtungsmethode entsprechend der Fragestellung
ii. Dokumentation der Beobachtung (Protokoll)
iii. Beschreibung des Kontextes: Lerngruppe / Lernaufgabe
b. Auswertung:
i. Entwicklung eines Auswertungsdesigns
Hilfestellung
Fundstellen aus dem Beobachtungsprotokoll
Partizipation
Fundstellen aus dem Beobachtungsprotokoll
4. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse
5. Pädagogische Konsequenzen
6. Literaturverzeichnis
1. Entwicklung einer präzisen Fragestellung
In dieser Arbeit soll anhand einer Videosequenz zu einer Gruppenarbeit eine systematische, qualitative Beobachtung durchgeführt werden. Bei der Beobachtung soll der Fokus die Oberthemen Hilfestellung und Partizipation liegen und alle Handlungen in ein entsprechenes Auswertungsraster einfügen, welches sich induktiv aus dem Material (Beobachtungsprotokoll) ergibt. Es interessiert auch, ob Unterschiede bei diesen beiden Oberkategorien in Bezug auf das Alter der Kinder festzustellen sind.
So ist insgesamt das Ziel dieser Beobachtung herauszufinden, wie sich das kollaborative und kooperative Lernen zwischen KiTa und Grundschulkindern in altersgemischten Lerngruppen unter Berücksichtigung der Aspekte Hilfestellung und Partizipation gestaltet, um daraus Anregungen für entsprechende Bildungsangebote abzuleiten.
Dazu werde ich zunächst die Begriffe Hilfestellung und Partizipation definieren, sowie die theoretische Basis, die dieser Beobachtung zugrunde liegt erläutern. Da das beobachtete Video eine Szene des kooperativen Lernens zeigt gehe ich genau auf die theoretische Basis kooperativen Lernens ein: einmal auf den sozio-kulturellen Ansatz von Wygotski und auch auf die sozio-kognitven Ansätze von Piaget und Youniss.
Anschließend werde ich dann die gewählte Beobachtungsmethode der nicht-teilnehmenden qualitativen Beobachtung darstellen und zu anderen Methoden abgrenzen und das Beobachtungstranskript aufführen, bevor die bereits im Seminar vorgestellten Beobachtungskategorien vorgestellt werden. Diese sind nicht deduktiv erstellt worden, sondern haben sich aus dem Material und den Gesprächen innerhalb der Arbeitsgruppe ergeben.
Anschließend folgt eine Auswertung und Interpretation der Ergebnisse, bevor im letzten Kapitel „Pädagogische Konsequenzen“ entsprechende Anregungen für mögliche Bildungsangebote in Hinblick auf die Fragestellung abgeleitet werden.
2.Festlegung des theoretischen Begriffsrahmens
a. Klärung zentraler theoretischer Begriffe
An dieser Stelle möchte ich zunächste die Begriffe kollaboratives und kooperatives Lernen sowie die Begriffe Hilfestellung und Partizipation definieren, welche dieser gesamten Arbeit zugrunde liegen.
Viele deutschsprachige Autoren verwenden die Begriffe kollaboratives und kooperatives Lernen synonym, und bezeichnen dieses Lernen als Gruppenlernen oder kooperatives Lernen, wohingegen in englischsprachigen Veröffentlichungen ein klarer Unterschied gezogen wird. Hier bezeichnet der Begriff kollaboratives Lernen einen Prozess, dem das Ziel zu Gunde liegt, ein gemeinsames Verständnis einer Aufgabe zu erreichen. Die Wichtigkeit selbstständig für die Organisation des Lernprozesses verantwortlich zu sein ist nicht zu unterschätzen, denn lt. Klippert gilt: „Nur wer gelernt hat, seinen eigenen Lernprozess selbständig zu organisieren , wird unabhängig werden von fremdbestimmten Lernprozessen und damit die notwendige Selbständigkeit in späteren Entscheidungs- und Handlungssituationen erlangen. Nur wer lernen gelernt hat, wird gemeinsam mit anderen zu mündiger Selbstbestimmung finden.“[1]
Der Begriff kooperatives Lernen hingegen bedeutet lediglich, dass Personen beim Bearbeiten einer Aufgabe in Interaktion stehen.[2] So ist beispielsweise die gemeinsame, aber arbeitsteilige Behandlung von Lernmaterialien als Kooperation unter den Lernenden zu betrachten, während der Prozess der Einigung auf ein gemeinsames Ergebnis als kollaboratives Lernen bezeichnet wird.[3] In dieser Arbeit werden wir diese Begriffe entsprechend unterscheiden.
Da in dieser Arbeit die videografierten Szenen unter Berücksichtigung der Aspekte Hilfestellung und Partizipation betrachtet werden, möchte ich auch diese beiden Begriffe kurz definieren. Dabei bezeichnet der Begriff Hilfe die folgende Situation: „jemandem durch tatkräftiges Eingreifen, durch Handreichungen oder körperliche Hilfestellungen, durch irgendwelche Mittel oder den Einsatz seiner Persönlichkeit ermöglichen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen(…)“[4], und Kooperation … „beschreibt (…), dass Personen in Interaktion stehen und sie sich bei der Erreichung der individuellen (oder Gruppen-) Ziele in einer nicht näher definierten Art und Weise unterstützen“[5]. Daraus folgt dann für den Begriff „Hilfestellung“ diese mögliche Definition: „Unterstützung einer anderen Person in direkter oder indirekter Form. Bei den direkten Hilfestellungen wird die Lösung des Problems genannt, ohne Hinweise oder Umschreibungen des Problems zu nennen. Bei indirekter Hilfe werden Unterstützungen/ Anregungen genannt, die dazu befähigen, sich selbst weiterzuhelfen und eigenverantwortlich Lösungsstrategien zu finden.“[6]
Der Begriff Partizipation lässt sich wie folgt definieren: „Der Begriff Partizipation bezeichnet die Teilnahme einer Person oder Gruppe an Entscheidungsprozessen oder an Handlungsabläufen, die in übergeordneten Strukturen oder Organisationen stattfinden. Die Teilnahme kann mehr oder minder anerkannt, berechtigt und erwünscht sein. Je nachdem ist Partizipation ein vorgesehenes Instrument zur Legitimierung von Entscheidungen bzw. Aktionen durch die Betroffenen oder sie bleibt Forderung.“[7] Angebracht ist auch eine ähnliche Definiton nach Sturzenhecker 2005: „Partizipation ist das Recht, sich als freies und gleichberechtigtes Subjekt an kollektiven und öffentlichen Diskussionsprozessen und Entscheidungen […] zu beteiligen und dabei eigene Interessen zu erkennen, öffentlich einzubringen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, sie zu begründen, zu prüfen, zu entscheiden, zu verantworten und sie zu revidieren.“
Da kooperatives Lernen durch Interaktion zwischen den Kindern gekennzeichnet ist und kollaboratives Lernen durch den Prozess ein gemeinsames Verständnis einer Aufgabe zu erreichen sind Aspekte wie Hilfestellung und Partizipation sehr naheliegend. Partizipation kann dabei meinem Verständnis nach vorallem dem kooperativen Lernen zugeordnet werden, obwohl es auch für das kollaborative Lernen unerlässlich ist, wobei der Aspekt der Hilfestellung vorallem beim gemeinsamen Erreichen des Ziels wie im kollaborativen Lernen unvermeidbar ist.
b. Weitere theoretische Grundlagen
Nun möchte ich noch eine theoretische Basis zum kooperativen Lernen schaffen. Dabei werde ich den sozialen Konstruktivismus, wie den sozio-kulturellen Ansatz von Wygotski, sowie die sozio-kognitven Ansätze von Piaget und Youniss kurz erläutern.
Wygotski geht in seinem entwicklungspsychologischen Ansatz davon aus, dass Kinder sich Wissen über ihre kulturelle Umwelt und deren Merkmale durch Interaktion aneignen. So können sich die Kinder gegenseitig unterstützen und gegenseitig Anregungen zur Bewältigung einer Aufgabe oder eines Problems geben.[8] Nur durch Interaktion können sie die „Zone der nächsten Entwicklung“ erreichen. Dabei definiert er Entwicklung als wechselseitiges Zusammenwirken von Erlerntem und darüber Möglichem und alles menschliche Wissen als ein sozial konstruiertes Wissen, also Resultat menschlicher Interaktion.[9]
Die Theorien von Piaget und Youniss bauen auf der Theorie Wygotskis auf.
So geht Jean Piaget in seinem sozio-kognitiven Ansatz davon aus, dass alle Kinder nach Äqulibration streben. Dies bedeutet, dass ein Gleichgewicht zwischen Wahrnehmungen und bereits bestehenden kognitiven Strukturen geschaffen werden soll. Dabei können sich kognitive Schemata durch Erfahrungen ändern.
Auch Piaget unterteilt die Entwicklung des Kindes in vier Entwicklungsstufen (sensomotorische, präoperationale, konkret-operationale und formal operationale Phase), die alle durch bestimmte qualitativ zu erwerbene Eigenschaften gekennzeichnet sind. Diese Phasen sind universell und müssen genau wie bei Wygotski nacheinander durchlaufen werden. In allen Phasen versucht das Individuum dabei sich der Umwelt besser anzupassen, da es nach Äquilibration strebt. Die Anpassung (Adaption) kann dadurch durch Assimilations- oder Akkomodationsprozesse vollzogen werden. Dabei bezeichnet Assimilation die Angleichung neuer Wahrnehmungen an ein vorhandenes Schema. Bei der Assimilation wird die Umwelt an das Individuum angepasst. Ein Akkomodationsprozess findet statt, wenn sich das Schema ändern muss, zum Beispiel durch neue Wahrnehmungen, die sich aufgrund ihrer Masse oder Andersartigkeit nicht mehr in ein Schema assimilieren können. An dieser Stelle wird also eher die Anpassung des Individuums an die Umwelt bezeichnet.
Um die verschiedenen Entwicklungsstufen zu durchlaufen sind sozio-kognitive Konflikte unerlässlich, damit Akkomodationsprozesse hervorgerufen werden.[10]
Laut Piaget haben Kinder ab einem Alter von 6-7 Jahren das Bedürfnis mit Gleichaltrigen (in Peergroups) zu lernen, sich mit ihnen auszutauschen, sie zu verstehen und auch ihre eigene Meinung deutlich zu machen. Die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten ist ein Prozess der durch die Ansichten der Peers beeinflusst und gefördert werden kann, beispielsweise durch die Entstehung von Konflikten, die die Entwicklung von Problemlösungsprozessen fördern können.[11]
Ausgehend von der Annahme, dass sich die Entwicklung des sozialen Verstehens in sozialen Interaktionen mit Erwachsenen und Gleichaltrigen vollzieht, die in unterschiedlicher Weise auf die sozial-kognitive Entwicklung des Kindes Einfluss ausüben, betrachtet Youniss besonders die Aktivität in sozialen Interaktionen genauer. Kinder sind in Interaktionen gemeinsam mit ihren Interaktionspartnern aktiv an der Gestaltung von Situationen beteiligt.[12] Dabei sind Erwachsene den Kindern durch Erfahrungs- und Wissensvorsprung voraus wohingegen Gleichaltrige gleichgestellt sind.
3. Festlegung und Begründung der Methodenwahl
a. Durchführung:
i. Begründete Auswahl der Beobachtungsmethode entsprechend der Fragestellung
Die Beobachtungsmethode der qualitativen Beobachtung war anhand der Videos die war von der Seminarleitung bereits festgelegt.
Diese Methode der nicht-teilnehmenden Beobachtung bietet sich an, da man offen die gewählten Kriterien Hilfestellung und Partizipation beobachten kann.
Bei dieser Methode werden die Kinder von außen durch die Auswertung von Videomaterial beobachtet. Diese Technik, mithilfe welcher die offene Beobachtung ausgewertet wird, ist die strukturierende Inhaltsanalyse. Diese ist eine Kontextanalyse und ein Gegenstück zur quantitativen Beobachtung, wie sie beispielsweise über Evaluationsbögen o.ä. durchgeführt wird.
Ziel der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ist, eine bestimmte Struktur aus dem Material herauszufiltern. Das können formale Aspekte, inhaltliche Aspekte oder bestimmte Typen sein; es kann aber auch eine Skalierung, eine Einschätzung auf bestimmten Dimensionen angestrebt werden.[13] Daher bietet die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
Für unseren Nutzen wollen wir dazu eine Struktur schaffen, die sich auf die Beobachtungsaspekte Hilfestellung und Partizipation bezieht. Dazu werden zunächst Kategorien definiert, entweder deduktiv oder direkt aus dem videografierten Material, wie in unserem Fall. Dazu werden dann Ankerbeispiele und Kodierregeln aufgelistet, die später als Leitfaden für den Auswertenden gelten. Anschließend werden die Fundstellen markiert und den Kategorien zugeordnet, evtl. kann hier direkt eine Ergänzung der Unterkategorien stattfinden. Anschließend können dann die Ergebnisse vor dem Hintergrund der Fragestellung interpretiert werden. Wenn das Textmaterial den Kategorien nicht zugeordnet werden kann, muss das Kategorien System überarbeitet werden.
Dieses Vorgehen zeigt auch die folgende Grafik:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[14]
Die Herausforderung bei der strukturiernden qualitativen Analyse ist es, die Kategorien genau so zu definieren, dass eine eindeutige Zuordnung von Textmaterial möglich ist.[15] Gleichzeitig ist dies aber auch die Chance der qualitativ strukturierenden Analyse, da diese immer möglich ist, wenn nur die Kategorien und Kodierregeln entsprechend geschickt gewählt werden.
[...]
[1] KLIPPERT: Methodentraining. Übungsbausteine für den Unterricht, a.a.O., S. 27.
[2] Vgl. KONRAD: Erfolgreich selbstgesteuert Lernen, a.a.O. S, 75f.
[3] Ebd., S. 75.
[4] Duden
[5] KONRAD: Kooperatives Lernen, a.a.O., S.76.
[6] Wagener, S. 74
[7] http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=447, (21.06.12)
[8] vgl. https://koala.uni-paderborn.de/download/2865032/Frau%20Linnenberg%3B%20Frau%20Sch%C3%A4fer%3B%20Frau%20Allroggen.pptx (07.08.2012)
[9] vgl. KEILER: Lev Vygotskij - ein Leben für die Psychologie. Eine Einführung in sein Werk, a.a.O.
[10] vgl. PIAGET: Die Psychologie des Kindes, a.a.O.
[11] vgl. https://koala.uni-paderborn.de/download/2865032/Frau%20Linnenberg%3B%20Frau%20Sch%C3%A4fer%3B%20Frau%20Allroggen.pptx (07.08.2012)
[12] Vgl. ALISCH, et al., Freundschaften unter Kindern und Jugendlichen – Interdisziplinäre Perspektiven und Befunde, S. 163f.
[13] MAYRING, Philippp: Einführung in die qualitative Sozialforschung- Eine Anleitung zu qualitativem Denken. a.a.O., S.118.
[14] Ebd., S.120.
[15] Vgl. Ebd., S. 118.