Organisation und Struktur des Bundesverfassungsgerichts


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

17 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Die Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit zum Bundesver- fassungsgericht

3. Gesetzesgrundlagen und Stellung im politischen System Deutschland

4. Organisation und Struktur des Bundesverfassungsgericht

5. Beschlussfassung und Sondervotum

6. Verfahrensarten
6.1. Organstreit- und Bund- Länderverfahren
6.2. Verfassungsbeschwerde
6.3. Normenkontrollverfahren
6.3.1. Abstrakte Normenkontrolle
6.3.2. Konkrete Normenkontrolle

7. Weitere Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts

8. Schluss

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Grundgesetz vom 23. 05. 1949 bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für unser heutiges politische System und betont die freiheitlich demokratische Grundordnung. Es werden die Zuständigkeiten, Aufgaben und Funktionen der Verfassungsorgane geregelt, das Verhältnis des Bundes und der Länder zueinander festgeschrieben und die Grundrechte der Bürger und aller anderen Personen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland genannt. Zur Sicherung dieser Rechtsordnung wurde ein weiteres Verfassungsorgan geschaffen, das Bundesverfassungsgericht. Besonders bei politisch umstrittenen Entscheidungen soll das Gericht eine Klärung zur Verfassungskonformität geben. Gerade in diesen Verfahren wird der Öffentlichkeit die große Bedeutung dieses Organs deutlich gemacht. In dieser Arbeit wird zunächst die historische Entwicklung zur heutigen Verfassungsgerichtsbarkeit beschrieben, anschließend erfolgt die Einordnung in das politische System Deutschlands, eine Erläuterung der Organisationsstruktur und die Darlegung der Aufgabenfelder.

2. Die Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit zum Bundesverfassungsgericht

Erste Ansätze, die zu einer Verfassungsgerichtsbarkeit führen sollten, lassen sich bereits im Reichskammergericht seit 1495 und im Reichshofrat seit 1518 im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation finden. Die nicht verwirklichte Verfassung der Frankfurter Paulskirche vom 28.03.1849 ordnet dem vorgesehenen Reichsgericht Befugnisse zu, die einen weiteren Schritt zur heutigen Verfassungsgerichtsbarkeit bedeuteten, so die Zuständigkeit zur Entscheidung über Klagen eines Einzelstaates gegen die Rechtsgewalt wegen Verletzung der Reichsverfassung durch Erlassung von Reichsgesetzen und durch Maßregeln der Reichsregierung. Weitere Befugnisse lagen in der Entscheidung von Streitfällen zwischen Staatenhaus und Volkshaus1, diesen beiden und der Reichsregierung sowie von ÄKlagen deutscher Staatsbürger wegen Verletzung ihrer durch die Reichsverfassung gewährten Rechte“2. Aber diese Verfassung setzte sich nicht durch, Äsie war ihrer Zeit allzu sehr voraus“3. Teile davon wurden in die Verfassung des Königreichs Sachsen von 1852 aufgenommen, sie sah erstmals einen permanenten Staatsgerichtshof vor, der Streitigkeiten zwischen Regierung und Landtag über die Auslegung der Verfassung beseitigen sollte4. Die Reichsverfassung von 1871 sah vor, dass der Bundesrat 5 bei Streitigkeiten einzelner Bundesstaaten nach Aufrufung von einem dieser eingreifen sollte6. In der Weimarer Reichsverfassung vom 11.08.1919 wurde die Verfassungsgerichtsbarkeit, wie sie damals definiert wurde, auf den neugegründeten Staatsgerichtshof übertragen. Dessen Zuständigkeiten beschränkten sich auf föderative Streitigkeiten zwischen Reich und Länder einerseits, Entscheidungen über Anklagen gegen den Reichspräsidenten, den Reichskanzler und einzelne Reichsminister durch den Reichstag andererseits7. Da er Ädie verfassungsgerichtliche Kontrolle der Reichsgesetze und den Organstreit zwischen den Verfassungsorganen des Reiches“ nicht kannte, kann aber auch dieses Organ nicht als vergleichbarer Vorläufer des Bundesverfassungsgerichts gelten8. Die Ergebnisse erster Beratungen über die Zuständigkeiten des Bundesverfassungs- gerichts, wies sie heute in Artikel 93 GG festgeschrieben sind, wurden bereits im November 1945 in einem Verfassungsentwurf niedergeschrieben9. Mit den Artikeln 92, 93 und 94 GG wurde das Bundesverfassungsgericht 1951 schließlich gegründet.

3. Gesetzesgrundlagen und Stellung im politischen System Deutschland

In Artikel 92 GG heißt es: ÄDie rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt.“10 Die Artikel 93 und 94 GG legen die Grundlagen der Zuständigkeit, der Zusammensetzung und der Verfahren des Bundesverfassungsgerichts dar, die detaillierte Beschreibung ist im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) niedergeschrieben. Dass das Bundesverfassungsgericht eine überragende Stellung in der Bundesrepublik Deutschland besitzt, ist in der großen Zahl seiner Zuständigkeiten begründet. Dazu gehören die in Punkt 5 näher erläuterten Aufgaben zur Klärung von Verfassungsstreitigkeiten zwischen staatlichen Organen, Normenkontrollverfahren und Verfassungsbeschwerden als die wichtigsten, dazu noch weitere verfassungsschützende Verfahren (siehe Punkt 6). Mit diesen Kompetenzen ausgestattet soll das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der Verfassung gewährleisen11. § I, I BVerfGG besagt: ÄDas Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes“12. Damit wird die Sonderstellung dieses Gerichts betont, die es in der Bundesrepublik besitzt; es ist ein eigenes Verfassungsorgan13. Durch die Befugnisse dieses Gerichts können die Handlungen von Parlament und Regierung an den Verfassungsrechtsnormen nachgeprüft werden und somit ein Missbrauch ihrer Macht weitestgehend ausgeschlossen werden14.

4. Organisation und Struktur des Bundesverfassungsgerichts

Wie schon erläutert, ist das Bundesverfassungsgericht oberstes Gericht, also die höchste Instanz in Deutschland, welche Entscheidungen niederer deutscher Gerichte brechen kann, aber dessen Urteile nicht gebrochen werden können. Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit jeweils 8 Verfassungsrichtern. Acht Richter wählt der Bundestag, acht der Bundesrat, jeweils mit Zweidrittelmehrheit. Die Amtszeit beträgt 12 Jahre, die Altersgrenze liegt beim vollendeten 68. Lebensjahr, eine Wiederwahl ist ausgeschlossen. Der scheidende Richter übernimmt die Aufgaben aber noch so lange, bis ein Nachfolger berufen ist. Die Richter können jederzeit die Entlassung aus ihrem Amt beantragen, die dann vom Bundespräsidenten ausgesprochen wird. Vorraussetzungen zur Wahl zum Richter des Bundesverfassungsgerichts sind die Befähigung zum Richteramt und ein Mindestalter von 40 Jahren. Um die richterliche Unabhängigkeit zu wahren ist bestimmt, dass die Richter hauptamtlich tätig sind; weitere Beschäftigungen sind nur als Hochschullehrer zugelassen. Damit richterliche Erfahrung in die Rechtsfindung des Bundesverfassungsgerichts eingebracht wird, müssen drei Richter jeden Senats aus den anderen Bundesgerichten gewählt werden und dort mindestens drei Jahre gewirkt haben. Von diesen jeweils drei Richtern werden in einem Senat zwei von einem der beiden Wahlorgane gewählt, z. B. vom Bundesrat, der dritte Richter dann vom Bundestag. Im anderen Senat wählt dann der Bundestag zwei dieser Richter, der Bundesrat einen. Die Aufgaben der beiden Senate sind in § 14 BVerfGG festgelegt. Der Erste Senat entscheidet in erster Linie über Klagen, die sich gegen Unvereinbarkeiten von Regelungen mit den Grundrechten oder Rechten der Artikel 33, 101, 103 und 104 GG wenden, sowie bei Verfassungsbeschwerden mit Ausnahme derer nach §91 BVerfGG15 und der Beschwerden aus dem Bereich des Wahlrechts16 ; der Zweite Senat ist zuständig bei Verfassungsstreitigkeiten, bei denen es nicht in erster Linie um Auslegung der Artikel 1 bis 17 GG geht sowie für die Normenkontrollverfahren und Verfassungsbeschwerden, die nicht vom Ersten Senat behandelt werden. Bei Überlastung eines Senats kann vom Plenum, es besteht aus allen 16 Richtern, eine abweichende Regelung beschlossen werden. Es entscheidet auch, wenn ein Senat von der Rechtsauffassung des anderen abweichen will17. Den Vorsitz im Plenum hat der Verfassungsgerichtspräsident; dieser steht auch dem Zweiten Senat vor. Sein Stellvertreter steht dem Ersten Senat vor. Da jeder Bürger das Recht und die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde hat (siehe 5.1.) und dies häufig in Anspruch genommen wird, derzeit gehen jährlich ca. 5.000 Verfassungsbeschweren ein, stehen die Verfassungsrichter vor Aufgaben, die sie alleine nicht bewältigen können. Daher sind den beiden Senaten jeweils drei Kammern, besetzt mit jeweils drei Richtern, beigeordnet. Diese Kammern entscheiden zunächst einmal darüber, ob eine Verfassungsbeschwerde angenommen wird. Wenn sie nicht angenommen wird, ist das Verfahren bereits beendet. Über Verfahren, die mit Grundsatzentscheidungen verbunden sind, entscheidet immer das Plenum.

5. Beschlussfassung und Sondervotum

Ein Senat ist beschlussfähig, wenn sechs der acht Richter anwesend sind. Sind nicht genügend Richter eines Senats bei dringenden Entscheidungen anwesend, werden durch Los so lange Richter des anderen Senats bestimmt, ausgenommen der Vorsitzende, bis eine genügende Anzahl Richter zur Verfügung steht18. Eine Verfassungswidrigkeit wird festgestellt, wenn mehr als die Hälfte der Richter dafür stimmt. Bei gleicher Stimmenanzahl wird keine Verfassungswidrigkeit festgestellt. Seit 1970 kann jeder einzelne Richter oder auch mehrere Richter zusammen ihre von dem gültigen Entschluss abweichende Meinung in einem Sondervotum schriftlich darlegen (§30 II, 1, BVerfGG). Dieses Sondervotum wird zusammen mit der Gerichtsentscheidung in der amtlichen Sammlung publiziert19. Das Sondervotum bringt zum Ausdruck, dass das Verfassungsrecht differenziert interpretierbar ist. Für das Gericht ergibt sich daraus die Notwendigkeit, sich mit den abweichenden Meinungen eines einzelnen bzw. der Minderheit eingehender auseinander zu setzen20. Der Inhalt des Sondervotums muss aber bereits während des Entscheidungsprozesses in die Diskussion eingebracht werden, der Autor dieses Votums darf hier also keine neuen Argumente einbringen, die dann eventuell zu einer anderen Entscheidung geführt hätten. Die letztlich getroffene Entscheidung und deren Begründung ist aber dennoch von allen Richtern zu tragen und zu unterschreiben.

6. Verfahrensarten

Das Bundesverfassungsgericht kann nicht selbständig tätig werden, sondern nur auf Anfragen reagieren. Die Zuständigkeiten sind in den Artikeln 93 und 100 GG niedergeschrieben. Die überwiegenden Anfragen betreffen die drei folgenden Bereiche:

1. Organstreit- und Bund- Länderverfahren
2. Verfassungsbeschwerde
3. Normenkontrollverfahren

6.1. Organstreit- und Bund- Länderverfahren

Der Artikel 91, I, 1 GG besagt: “Das Bundesverfassungsgericht entscheidet: über die Auslegung dieses Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch dieses Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind“21. Bei solchen Streitigkeiten stehen sich also Organe des Staates gegenüber, z. B. Bundestag und Bundesrat, wobei eines der beiden Antragsteller, das andere Antraggegner ist und das Verfassungsgericht soll in einer Situation unklarer Zuständigkeiten und Kompetenzen die Verfassungslage klären. Ebenfalls kann der Antragsteller auf eine Maßnahme, z. B. ein Gesetzt, welches für seinen verfassungsrechtlichen Status rechtserheblich ist, oder auf die Unterlassung einer solchen Maßnahme hinwirken. Bei diesem Antrag muss deutlich werden, dass sein Organ durch den Antragsgegner in seinen Rechten unmittelbar verletzt oder zumindest gefährdet ist. Dieser Antrag muss innerhalb von sechs Monaten nach dieser Maßnahme oder deren Unterlassung eingereicht werden22.

[...]


1 Staatenhaus und Volkshaus waren die beiden Kammern des Reichstag.

2 Spanner, Hans: Das Bundesverfassungsgericht. Einrichtung - Verfahren - Aufgaben, München 1972, S. 10f.

3 Schlaich, Klaus: Das Bundesverfassungsgericht. Stellung - Verfahren - Entscheidungen, München 1985, S. 2.

4 Triepel, Heinrich: Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, in: Häberle, Peter (Hg.): Verfassungsgerichtsbarkeit, Darmstadt 1976, S. 56.

5 Ähnlich dem heutigen Bundesrat; Regierungsvertreter der Bundesstaaten für Interessensvertretung der Landesfürsten

6 Spanner, S. 11.

7 Spanner, S. 12.

8 Schlaich, S.2.

9 Lietzmann, Hans: Das Bundesverfassungsgericht. Eine sozialwissenschaftliche Studie, Hemsbach 1988, S. 15.

10 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Werte und Normen für Soldaten, Sankt Augustin 1999, S. 51.

11 Laufer, Heinz: Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozess. Studien zum Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1968, S. 15.

12 Lechner, Hans, Zuck, Rüdiger: Bundesverfassungsgericht. Kommentar, München 1996, S.1.

13 Spanner, S. 14.

14 Laufer, Heinz: Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozess. Studien zum Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1968, S.15.

15 Lechner, Zuck, S. 39.

16 Spanner, S. 24..

17 Schlaich, S.25.

18 §15 II, BVerfGG

19 Schlaich, S. 31.

20 Spanner, S. 40.

21 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), S. 51.

22 §64, I, BVerfGG

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Organisation und Struktur des Bundesverfassungsgerichts
Université
Helmut Schmidt University - University of the Federal Armed Forces Hamburg
Note
1,0
Auteur
Année
2004
Pages
17
N° de catalogue
V203373
ISBN (ebook)
9783668714090
ISBN (Livre)
9783668714106
Taille d'un fichier
1057 KB
Langue
allemand
Mots clés
Bundesverfassungsgericht
Citation du texte
Magister Artium Sebastian Lucius (Auteur), 2004, Organisation und Struktur des Bundesverfassungsgerichts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203373

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Organisation und Struktur des Bundesverfassungsgerichts



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur