Die Varietätenlinguistik ist ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft und hat ihren Ursprung in der Dialektologie, die im 19. Jhd. in Italien u.a. von Graziadio Isaia Ascoli begründet wurde. Innerhalb der strukturellen Dialektologie entwickelte Uriel Weinreich 1954 die Konzeption eines Diasystems, einem ››System von Systemen‹‹: Zwei (oder mehr) Sprachsysteme mit partiellen Ähnlichkeiten werden zu einem D[iasystem] zusammengefasst, das damit strukturelle Gleichheiten/Überschneidungen und Unterschiede widerspiegelt. (Bußmann 2002: 166)
Im Allgemeinen entstehen beim Sprechen Varianten, die entweder vereinzelt zufällig entstehen oder gebräuchlich werden. Eine Vielzahl von einzelnen Varianten, die gebräuchlich geworden sind, wie z.B. eine besondere Aussprache oder Grammatik, bilden eine Varietät. Man unterscheidet allgemein drei Dimensionen von Sprachvariationen in der Sprachwissenschaft. (...)
In der italienischen Sprachwissenschaft führte Alberto Mioni noch den Begriff der diamesischen Variation ein, die das Medium betrifft, in dem eine Äußerung vorliegt, also ‚gesprochen‘ oder ‚geschrieben‘. Ludwig Söll orientierte sich an Mionis Terminologie und dient dadurch als Grundlage für die ausführlichen Untersuchungen der deutschen Sprachwissenschaftler Peter Koch und Wulf Oesterreicher. Und auch die italienische Linguistin Monica Berretta erkannte, dass die diamesische Variation in sprachlinguistische Untersuchungen miteinbezogen werden muss. (...)
Diese Einwände werfen die Frage auf, was wirklich vom Kommunikati-onsmedium abhängt. Was ist prototypisch für gesprochene Sprache, was ist im Geschriebenen nicht denkbar?
Diese Arbeit soll zu Beginn einen knappen Überblick über die Auffas-sungen von Koch/Oesterreicher einerseits und Berretta andererseits hinsichtlich der Unterscheidung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit als einer Variation von Sprache geben. Im Anschluss wird dann ein kurzer Überblick zur Terminologie der Merkmale von Sprache gegeben und daraufhin die universellen Merkmale und die einzelsprachlichen Merkmale von geschriebenem und gesprochenem Italienisch dargestellt. Abschließend soll anhand von konkreten Textbeispielen diskutiert werden, inwieweit eine Unterscheidung nach Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Sinne eines Kommunikationsmediums problematisch sein kann und kritisch hinterfragt werden sollte.
Inhaltsverzeichnis
1 Varietätenlinguistik und Sprachvariation
2 Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Varietätenlinguistik
2.1 Das Modell von Koch und Oesterreicher
2.1.1 Terminologische Grundlagen
2.1.2 Die konzeptionelle Dimension
2.1.3 Die mediale Dimension
2.2 Die Position von Monica Berretta
3 Merkmale geschriebener und gesprochener Sprache
3.1 Universelle und einzelsprachliche Kriterien
3.2 Merkmale geschriebener Sprache
3.3 Merkmale gesprochener Sprache
4 Textbeispiele zu Mündlichkeit und Schriftlichkeit
4.1 Italienische Kriegsgefangenenbriefe von Leo Spitzer
4.2 Testi di italiano popolare von Giovanni Rovere
5 Auswertung und Ausblick
Bibliographie
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