Der Vergleich von kategorialen und dimensionalen Klassifikationssystemen in Anlehnung an das Referat "Psychopathologie im Kindes- und Jugendalter - Einführung und Grundlagen“


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

1. Die kategoriale Klassifikation

2. Vorstellung der Diagnostic Classification 0 - 3, 1. Revision (DC: 0- 3R)

3. Die dimensionale Klassifikation

4. Bewertung der beiden Systeme

5. Kategoriale und dimensionale Klassifikation anhand von aggressivem und antisozialem Verhalten

6. Resümee

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Theoretischer Hintergrund: Die heute bekanntesten kategorialen Klassifikationssysteme zur Diagnosevergabe stellen DSM IV und ICD-10 dar. Die dimensionale Klassifikation ist aber ebenfalls von wichtiger Bedeutung, insbesondere dann wenn Verhaltensausprägungen beschrieben werden sollen.

Fragestellung: Es stellt sich die Frage, welche Vor- und Nachteile diese beiden Ansätze zu bieten haben. Zudem sollen grundlegende Unterschiede verdeutlicht werden. Methode: Die hier angeführten Themen beziehen sich ausschließlich auf Literaturquellen die sich mit der der Diagnostik und Klassifikation von psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter beschäftigen. Ergänzend wurden noch ausgewählte Zeitschriftenartikel verwendet. Die allgemeinen Beschreibungen zu ICD- 10 und DSM IV wurde durch Standardwerke der Allgemeinen Klinischen Psychologie unterstützt. Es wurde versucht, anhand von Beispielen zu arbeiten, was sich jedoch als relativ schwierig herausstellte. Die besagte Literatur versucht die Thematik an Beispielen zu verdeutlichen. Jedoch geschieht dies oberflächlich und allgemein. Themen werden „angerissen“, aber dennoch nicht genug vertieft. Ich meine dies nicht als Kritik. Gerade im klinischen Bereich ist die Arbeit mit diesen Ansätzen im Kontakt mit den Patienten alltäglich und individuell. Mir ist bewusst, dass sich diese Individualität nicht in ein Buchkapitel packen lässt.

Ergebnisse: Ein Ergebnis dieser Hausarbeit ist, dass man die kategorialen und dimensionalen Ansätze nicht getrennt voneinander betrachten darf. Es kristallisiert sich heraus, dass beide Systeme Vor- und Nachteile haben. Eine Forschungsfrage in den nächsten Jahren könnte somit sein, wie sich diese beiden Klassifikationssysteme ergänzen könnten, um somit einen fairen diagnostischen Prozess für den Patienten zu gewährleisten.

Schlussfolgerungen: Man erkennt, dass die Erscheinungsformen von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen variieren. Die Klassifikationssysteme nähern sich der Beschreibung dieser Auffälligkeiten an. Doch fest steht, dass es immer nur eine Annäherung bleiben wird. Den Menschen in seiner gesamten Komplexität wird man nie erfassen können. So werden sich beide Klassifikationssysteme, unabhängig von ihren Ansätzen, damit zufrieden geben müssen, dass sie einzelne Verhaltensweisen und Auffälligkeiten erfassen.

1.Die kategoriale Klassifikation

Die Entwicklung von kategorialen Klassifikationssystemen geht auf Emil Kraeplin zurück (Kuschel, 2001). Der kategorialen Klassifikation/Diagnostik liegt eine Diskontinuitätsannahme zugrunde. Diese Annahme postuliert eine klare Grenze zwischen normalen und abnormen Verhalten (Döpfner, Lehmkuhl, Heubrock und Petermann, 2000).

Jahrzehnte nach Kraeplin haben die kategorialen Klassifikationssysteme wesentliche Weiterentwicklungen erfahren. Die bis heute bekanntesten kategorialen Klassifikationssysteme sind die I nternational C lassification of D isesases in der zehnten Revision , kurz ICD- 10 und das D iagnostic and S tatistical M anual of Mental Disorders in seiner vierten Revision , kurz DSM IV (Davison & Neale, 2002). Beide Systeme sind der operationalen Klassifikation verpflichtet, das heißt, sie versuchen durch operationalisierte Diagnosekriterien einen möglichst objektiven diagnostischen Prozess zu gewährleisten (Petermann, Döpfner, Lehmkuhl und Scheithauer, 2000). Diese Diagnosekriterien beziehen sich auf beobachtbare Erscheinungsweisen einer Störung. (Kuschel, 2001). Theoretischen Entstehungsmodelle, Pathogenese sowie ätiologische Bedingungen werden weniger betrachtet (Kuschel, 2001). Wird eine kategoriale Einteilung bei psychischen Störungen vorgenommen, so setzt dies die Homogenität aller Klienten einer diagnostischen Kategorie voraus (Döpfner & Lehmkuhl, 1997). Beide Klassifikationssysteme haben die multiaxiale Klassifikation gemeinsam (Kuschel, 2001). DSM IV setzt dabei die multiaxiale Klassifikation voraus, bei der ICD- 10 kann sie optional eingesetzt werden (Davison & Neale, 2002). Im Gegensatz zur Erwachsenpsychologie gehört der Einsatz des multiaxialen Ansatzes nach ICD- 10 in der klinischen Kinderpsychologie zur Norm. Meiner Meinung bedingt sich dies dadurch, dass die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sehr komplex und zudem noch nicht abgeschlossen ist. Mit Beurteilung der verschieden Achsen, kann der Therapeut relevante Punkte herausfiltern, die am stärksten zur Entstehung und Aufrechterhaltung einer psychischen Störung beitragen. Eventuell sieht man die Entwicklung von Erwachsenen als abgeschlossen, so dass ausschließlich die Diagnose gestellt wird.

Auf verschiedenen Achsen werden psychische Störungen und eventuell damit verbundene relevante Bedingungen klassifiziert. Jedoch unterscheiden sich die Achsen von DSM IV und ICD- 10. Im DSM IV werden die nachfolgenden Achsen bestimmt:

Achse I : Alle psychischen Störungen mit Ausnahme von Persönlichkeitsstörungen und geistiger Behinderung

Achse II : Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung Achse III : Medizinische Krankheitsfaktoren

Achse IV : Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme Achse V : Globale Beurteilung des Funktionsniveaus

Eine Beurteilung auf diesen fünf Achsen bedeutet für den Diagnostiker, dass er eine Vielzahl an Informationen sammeln muss (Davison & Neale, 2002).

Bei der ICD- 10 werden folgende sechs Achsen bestimmt:

Achse I : Klinisch- psychiatrisches Syndrom Achse II : Umschriebene Entwicklungsstörungen Achse III: Intelligenzniveau

Achse IV: Körperliche Symptomatik

Achse V : Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände Achse VI: Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus (Remschmidt, Schmidt und Poustka, 2002).

Als Grundlage für die multiaxiale Bewertung psychischer Störungen dient die Annahme, dass die für das Krankheitsbild relevanten Faktoren nicht in einer gemeinsamen Diagnose zusammengefasst werden können. Das Konzept der ICD-10 sieht vor, dass die Anzahl der Kodierungen einheitlich zu halten sind und die Reihenfolge der Achsen stetig beibehalten wird. Auf diesen sechs Achsen ist es möglich, bedeutsame Faktoren und aktuelle psychosoziale Begebenheiten zu beschreiben. So kann der Patient als Individuum innerhalb seiner Umgebung betrachtet werden (Komanek, 2008).

Zusammenfassend ist zu erwähnen, dass in zahlreichen Kategorien der ICD- 10 eine Annäherung an DSM IV erfolgt ist (Davison& Neale, 2002). Beide Diagnosessysteme wollen klar voneinander abgrenzbare diagnostische Einheiten beschreiben. Dennoch werden multiple Diagnosen ausdrücklich zugelassen (Döpfner et al., 2000).

Ungeachtet dessen gibt es dennoch grundlegende Unterschiede. Die ICD- 10 hat eine einheitliche internationale Sprache zur Benennung von Krankheiten vor dem Hintergrund des biomedizinischen Modells. Das DSM IV hingegen ist ausschließlich auf psychische Störungen optimiert. Im Vergleich zur ICD- 10 erfolgt eine wesentlich differenziertere Klassifikation, Beschreibung und Kommentierung von Störungen.

Zudem werden Forschungs- und Praxisbelange optimiert (Wittchen & Hoyer, 2006). Die Konzeption der ICD- 10 enthält eine Fassung, die die klinisch - diagnostischen Leitlinien erfasst und zudem eine Auflage, welche die Forschungskriterien betrachtet. Das DSM IV hingegen liegt in einer einheitlichen Fassung vor, die gleichermaßen für Praxis und Forschung genutzt wird (Döpfner et al., 2000). Jedoch kann ich aus eigener Berufserfahrung als Arzthelferin bestätigen, dass die Diagnosevergabe weitaus häufiger nach ICD- 10 aufgrund von Anforderungen der Kostenträger stattfindet. Diese Erfahrung unterstützt auch Steinhausen (2006), indem er erwähnt, dass die ICD- 10 als Klassifikationssystem international von den Krankenversicherungen zur Abrechnung von Leistungen favorisiert wird.

2. Vorstellung der Diagnostic Classification 0 - 3, 1. Revision (DC: 0- 3R)

Neben ICD- 10 und DSM IV als kategoriale Klassifikationssysteme möchte ich die DC: 0- 3R als ein weiteres kategoriales Diagnosesystem vorstellen. Mit den herkömmlichen Klassifikationssystemen ICD-10 und DSM IV ist es schwierig, Auffälligkeiten bei Kleinkindern einzuschätzen. In diesem Diagnosesystem hingegen werden in einem höheren Maße entwicklungspsychologische Zusammenhänge und altersspezifische Besonderheiten von Säuglingen und Kleinkindern berücksichtigt. Deshalb eignet sich dieses multiaxiale Diagnosesystem speziell für die Diagnostik psychischer Störungen/ Auffälligkeiten im Säuglings- und Kleinkindalter (Steinhausen, 2006). Die Konzeption dieses Systems reicht für das Altersspektrum von der Geburt bis zum vierten Lebensjahr (Komanek, 2008). Dabei wird zwischen folgenden Achsen unterschieden:

Achse I : primäre Klassifikation

Achse I : Klassifikation der Eltern- Kind Beziehung

Achse III : körperliche, neurologische- entwicklungsbedingte und seelische

Gesundheitsstörungen oder Bedingungen (wie in anderen Klassifikationssystemen beschrieben) Achse IV : psychosoziale Belastungsfaktoren Achse V : funktionell- emotionales Entwicklungsniveau (Steinhausen, 2006).

Ein so genannter Expertenkonsensus, der Task Force on Diagnostic

Classification in Infancy, entwickelte das DC: 0- 3R, um eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Diese gemeinsame Sprache soll denjenigen dienen, die mit verhaltensauffälligen Kindern in diesem Altersspektrum arbeiten. Die aktuell überarbeitete Fassung enthält Kategorien, die auf Beschreibungen von Symptomen und Verhalten beruhen. Zudem beziehen sich diese Kategorien auf pathophysiologische Prozesse als auch auf ätiologische Annahmen. Die Autoren des DC 0-3R vertreten die Annahme, dass die Klassifikation ein Grundkonzept ist, welches auf empirischer Forschung basiert, und durch nachfolgende Studien weiterentwickelt und stetig verfeinert werden soll.

Die schnellen Veränderungen in der sozioemotionalen Entwicklung dieser Altersgruppe, aber auch die Relevanz und die Qualitäten der Beziehungssysteme des Kindes werden hier berücksichtigt. Weitere Beachtung finden zudem die individuellen Unterschiede in der motorischen, sprachlichen, emotionalen, kognitiven und interaktiven Entwicklung. Somit werden nicht nur die kindlichen Symptome und Verhaltensweisen bei der Diagnosevergabe berücksichtigt, sondern für das Kind weitere relevante Bereiche herangezogen (Komanek, 2007). Diese umfassen die individuelle Entwicklungsgeschichte des Kindes, das Familienleben, Muster des Zusammenlebens in Kultur und Gemeinschaft, die Eltern als Individuen, die Beziehung zwischen primärer Pflegeperson und Kind, konstitutionell- reifebedingte Charakteristika des Kindes sowie Muster des Affekts, der Sprache, der Wahrnehmung, der Sensorik und der Motorik (Komanek, 2008, S. 7). Der Einfluss dieser Bereiche wird aufgrund der vorliegenden Psychopathologie des Kindes betont. Man geht davon aus, dass die Intervention nicht nur auf vorhandene Symptome erfolgen soll, sondern auch auf die Bedingungen die zur Entstehung dieser Symptome beigetragen haben.

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Vergleich von kategorialen und dimensionalen Klassifikationssystemen in Anlehnung an das Referat "Psychopathologie im Kindes- und Jugendalter - Einführung und Grundlagen“
Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Stendal
Veranstaltung
Jugendentwicklung-Jugendprobleme
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V203751
ISBN (eBook)
9783656298618
ISBN (Buch)
9783656300915
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die heute bekanntesten kategorialen Klassifikationssysteme zur Diagnosevergabe stellen DSM IV und ICD- 10 dar. Die dimensionale Klassifikation ist aber ebenfalls von wichtiger Bedeutung, insbesondere dann wenn Verhaltensausprägungen beschrieben werden sollen. Es stellt sich die Frage, welche Vor- und Nachteile diese beiden Ansätze zu bieten haben. Zudem sollen grundlegende Unterschiede verdeutlicht werden.
Schlagworte
Kategoriale Diagnostik, Dimensionale Diagnostik, Kindes- und Jugendalter, ICD-10, DSM-IV, Entwicklungspsychologie
Arbeit zitieren
Susanne Bringezu (Autor:in), 2009, Der Vergleich von kategorialen und dimensionalen Klassifikationssystemen in Anlehnung an das Referat "Psychopathologie im Kindes- und Jugendalter - Einführung und Grundlagen“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203751

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