Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau
1.3 Forschungsstand
2. Definition Terrorismus a
3. Indonesien zwischen Autoritarismus und Demokratie
4. Folgen der Anschläge auf Bali 2002
4.1 Politisch
4.2 Ökonomisch
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Die Attentate auf die Ferieninsel Bali am 12. Oktober 2002, bei denen 202 Menschen, vor allem Touristen, ums Leben kamen,1 gelten als verheerendster terroristischer Anschlag in der Geschichte Indonesiens.2 Zwei Bomben detonierten in und vor Nachtklubs in der Stadt Kuta. Kurz darauf kam es zu einer weiteren Explosion in der Nähe des US- Konsulats in der Inselhauptstadt Denpasar, die nur einen Sachschaden verursachte.
Verantwortlich für die Attentate wird das radikal-islamische Terrornetzwerk Jemaah Islamiyah (JI) gemacht, dem eine Verbindung zu al-Qaida nachgesagt wird.3 Als Angriffsziel gibt Imam Samudra, ein verurteilter Drahtzieher der Bombenanschläge, die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten im Afghanistankrieg an. Die hohe Opferzahl von Australiern, bei denen Bali ein beliebtes Reiseziel ist, wird mit den Bestrebungen Australiens zur Unabhängigkeit Osttimors von Indonesien gerechtfertigt. Samudra entgegnet denen, die den Terrorakt im Islam als unerlaubt beschreiben, da er in einem muslimischen Staat verübt wurde: „[G]lobalization has changed the character of the conflict between Muslims and non-Muslims […].“4 Der Islam werde auf globaler Ebene attackiert und die muslimischen Reaktionen sollten sich in der gleichen Weise nicht auf die besetzten Territorien beschränken.5
Das Ereignis trifft Indonesien in der kritischen Übergangsphase zur Demokratie und schädigt das internationale Ansehen,6 sowie die schon durch die Ostasienkrise 1997/98 stark angegriffene Wirtschaft des Landes. Auch begünstigt die innenpolitische Instabilität, verbunden mit einer schwachen Regierung, das Aufkommen von religiös motivierter Gewalt.7
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Folgen die Anschläge von Bali mit sich tragen. Wie gestalten sich die politischen und ökonomischen Konsequenzen der terroristischen Aktionen für Indonesien mit Hinblick auf den Transitionsprozess?
1.2 Aufbau
Um das Attentat von Bali 20028 als terroristischen Akt einzuordnen, scheint es zunächst sinnvoll den Begriff des „Terrorismus“ zu definieren. Folgend wird der Demokratisierungsprozess, in dem sich Indonesien befand (und immer noch befindet), hinsichtlich politischer, wirtschaftlicher und sozialer Gesichtspunkte beschrieben. Dabei wird auch auf die politische Gewalt und islamistische Gruppierungen, insbesondere die JI, eingegangen.
Nach der Hinführung werden konkrete Folgen der Bali-Attentate für Indonesien untersucht. Neben den ökonomischen Auswirkungen, mit dem Schwerpunkt auf der touristischen Entwicklung, werden die politischen Reaktionen analysiert. Das besondere Augenmerk liegt hierbei auf den wechselseitigen Beziehungen mit den anderen ASEAN- Staaten.
1.3 Forschungsstand
Der Gegenstand der Bali-Anschläge wird in Fachzeitschriften umfassend diskutiert.9 Zahlreiche Autoren haben die Ereignisse auf Bali zum Anlass genommen, sich mit der Verbindung des indonesischen Terrorismus zu al-Qaida zu befassen.10 Monographien behandeln jeweils nur Teilaspekte,11 bzw. es erfolgt eine Einordnung in die Gesamtthematik der islamistischen Gruppierungen in Südostasien.12 Zum Begriff des Terrorismus besteht eine Fülle an Literatur.13 Lücken bestehen bei der Untersuchung der Auswirkungen der Terroranschläge. Zwar ist die Strafverfolgung der Täter und ihre Beziehung zum Terrornetzwerk ausreichend konstatiert worden,14 aber es mangelt an Analysen, welche Folgen die Anschläge für die globalen diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehung Indonesiens hatten.
2. Definition Terrorismus
Eine allgemeingültige Definition des Begriffs Terrorismus zu finden, ist aus normativen Gesichtspunkten faktisch unmöglich und unter inhaltlich-strukturellen Bezügen nur schwer zu leisten.15 Unstrittig ist aber, dass Terrorismus weniger auf die physischen Folgen der Gewalt, die Zahl der Getöteten, die verursachten materiellen Schäden oder den Zusammenbruch der Infrastruktur abzielt. Vielmehr bezweckt er, nach der Ausführung oder Androhung eines Gewaltaktes, die psychischen Effekte, die Verbreitung von Angst und Schrecken,16 aber auch Sympathie und Unterstützungsbereitschaft,17 wie bereits in den 70er Jahren revolutionär formuliert wurde. Walter Laqueur schreibt, dass Terrorismus „[…] die Anwendung von Gewalt oder die Androhung von Gewalt [ist], beabsichtigt, um Panik in einer Gesellschaft zu säen, die Regierenden zu schwächen oder zu stürzen, oder einen politischen Wechsel herbeizuführen.“18 Daraus tritt noch ein anderer Aspekt hervor: Terrorismus ist gegen das System gerichtet und wird nur von einer extrem risikobehafteten, kleinen Gruppierung ausgeübt, die insgesamt eine relativ geringe Anzahl an Opfern fordert.19 Die ausgeübte Gewalt an einer oder mehreren Person hat in der Regel symbolische Funktion, anstatt persönliche Motive.20 Der Terrorismus agiert gegen die staatliche Organisation und stellt gewissermaßen den „Terror von unten“ dar. Terroristen nutzen gezielt das Mittel der Gewalt, häufig in Form von Anschlägen,21 um ihre politische Ziele gegen ein als repressiv empfundenes politisches System durchzusetzen. Sie suchen unter der Finte der Legitimität als „Freiheits-“ und Widerstandskämpfer“ gegen das verhasste Regime vorzugehen, da der Begriff des Terroristen selbst negativ konnotiert ist.22 Der Terrorismus unterscheidet sich außerdem von anderen bewaffneten Konflikten dadurch, dass er die Maxime der Kriegsführung völlig missachtet, z. B. durch den Angriff der Zivilbevölkerung und dadurch, dass er die zivilen Ressourcen des Gegners eigennützig für seine Ziele gebraucht.
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1 Siehe Effner, Henning: Bombenanschlag auf Bali. Hat die Terrororganisation Jemaah Islamiyah wieder zugeschlagen? In: Kurzberichte aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (2005), S. 1.
2 Vgl. Aschauer, Wolfgang: Tourismus im Schatten des Terrors. Eine vergleichende Analyse der Auswirkungen von Terroranschlägen (Bali, Sinai, Spanien), Wien 2008, S. 185.
3 Vgl. Bolte, Patrick u. a.: Politischer Islam, Separatismus und Terrorismus in Südostasien. Indonesien, Malaysia, Philippinen, SWP-Studie Berlin 2003, S. 42.
4
Acharya, Arabinda: The Bali Bombings: Impact on Indonesia and Southeast Asia, in:
http://www.eurasianpolicy.org/files/publications/AcharyaTheBaliBombings.pdf (abgerufen am 16.03.2010).
5 Vgl. ebd.
6 Vgl. Esderts, Hans-Joachim: “Terror in Paradise”. Der Anschlag von Bali, in: Kurzberichte aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (2002), S. 1.
7 Vgl. Bolte, Politischer Islam, S. 9-10.
8 Die Arbeit beschränkt sich auf die Anschläge von 2002. Drei Jahre später war Indonesien erneutes Ziel terroristischer Gewalt, der 23 Menschen zum Opfer fielen.
9 Siehe Acharya und Bolte, Patrick u. a.: Bomben auf Bali. Republik ohne Richtung: Indonesien nach den Terroranschlägen, in: SWP-Aktuell 40 (2002) sowie Tätzsch, Kathryn: Konflikte im Kontext der indonesischen Innen- und Sicherheitspolitik und der weltpolitischen Großwetterlage, in: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden 21 (2003) 2, S. 90-99.
10 Siehe Acharya, Amitav/Acharya, Arabinda: The Myth of the Second Front: Localizing the ‘War on Terror’ in Southeast Asia, in: The Washington Quarterly 30 (2007) 4, S. 75-90 und Wagener, Martin: Südostasien als Operationsgebiet von Al Khaïda, in: Internationale Politik 58 (2003) 2, S. 35-42.
11 Siehe Aschauer.
12 Hierzu Abuza, Zachary: Political Islam and violence in Indonesia, London 2007.
13 Hilfreich für die Arbeit waren vor allem Münkler, Herfried: Terrorismus als Kommunikationsstrategie. Die Botschaft des 11. September, in: Internationale Politik 12 (2001), S. 11-18 und Straßner, Alexander: Sozialrevolutionärer Terrorismus: Typologien und Erklärungsansätze, in: Ders. (Hrsg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus, Wiesbaden 2009, S. 9-33.
14 Hierzu Abuza und Jones, David Martin u. a.: Looking for the Pattern: Al Qaeda in Southeast Asia - The Genealogy of a Terror Network, in: Studies in Conflict and Terrorism 26 (2003) 6, S. 443-457.
15 Vgl. Straßner, S. 13.
16 Vgl. Münkler, S. 11.
17 Waldmann, Peter: Terrorismus. Provokation der Macht, 2. Aufl., Hamburg 2005, S. 10.
18 Laqueur, Walter: Postmodern Terrorism: New Rules for an Old Game, in: Foreign Affairs 75 (1996) 5, S. 24.
19 Vgl. Straßner, S. 12.
20 Vgl. ebd., S. 17.
21 Nach den jährlich herausgegebenen Bundesverfassungsschutzberichten des Bundesminister des Inneren.
22 Vgl. Straßner, S. 13.