Michail Gorbačёv prägte 1985 die beiden Schlagworte „Glasnost“ und „Perestroika“ als Sinnbild für die Modernisierung und Öffnung des sowjetischen Regimes. Er erkannte die Notwendigkeit dieses Prozesses ob der sich stetig verschlechternden wirtschaftlichen Lage, dem starken Druck aus dem Westen und der daraus resultierenden steigenden Unzufriedenheit in der Gesellschaft; Problemfelder, die in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch den Einfluss der sowjetischen Nomenklatura unter Chruščëv und Brežnev entstanden und angewachsen waren. Gorbačёv setzte eine Bewegung in Gang, die eine „nationale Dynamik von gewaltiger Sprengkraft“ auslöste.
Offenheit und Transparenz des politischen Systems gelten auch heute als wichtige Grundvoraussetzungen eines modernen, demokratischen Staates. Die Russische Föderation, der Nachfolgestaat der Sowjetunion, beansprucht für sich, ein solcher demokratischer Staat zu sein. Doch unter Politikwissenschaftlern herrscht diesbezüglich ein reger, oftmals hitziger Diskurs; gerade seit den beiden Amtszeiten Vladimir Putins als Präsident sehen viele Experten ein Zurücktreiben des Regimes in autoritäre Strukturen. Angesichts der scheinbaren Unmöglichkeit, viele der ehemaligen Sowjet-Staaten einer der klassischen Herrschaftsformen zuzuordnen, prägen Wissenschaftler wie Wolfgang Merkel neue Kategorien „defekter Demokratien“. Andere lehnen eine solche Überdehnung des Demokratiebegriffes strikt ab.
Sicherlich ein gewichtiger Grund für die Diskussion ist die über die vergangenen Jahre zu beobachtende institutionelle Entwicklung in Russland, und beispielhaft dafür die des Föderationsrates, der traditionsreichen zweiten Kammer des russischen Parlaments. Gerade hier hat die Ära Putin tiefe Einschnitte hinterlassen, die auch und vor allem auf die oben angesprochene Transparenz von Staat und Politik nicht zu unterschätzende Auswirkungen haben. Ausgehend von einer theoretischen Definition des Autoritarismus soll sich im Folgenden mit der Frage, ob und inwiefern Institutionen in der Russischen Föderation zu einer Autoritarisierung des Systems beitragen, auseinandergesetzt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Von „Perestroika“ zu Putin – die Demokratiedebatte um Russland
- Auswirkungen staatlicher Institutionen auf die zunehmende Autoritarisierung des politischen Systems der Russischen Föderation am Beispiel des Föderationsrates
- Theoretische Grundlagen: Begriff des Autoritarismus
- Definition nach Juan J. Linz
- Übertragung auf den Untersuchungsgegenstand
- Der Russische Föderalismus - historische und verfassungsrechtliche Grundlagen
- Historische Wurzeln des russischen Föderalismus
- Verfassungsrechtliche Verankerung
- Institutionelle Wirklichkeit des Föderationsrates in der Ära Putin - die „Vertikale der Macht“
- Mangelnde Institutionalisierung: Besetzungsverfahren
- Erweiterte Machtfülle des Präsidenten
- Bewertung der Neuformierung des Föderationsrates
- Auswirkungen hinsichtlich der Entwicklung des politischen Systems
- Förderung autoritärer Strukturen
- Auswirkungen auf Gesellschaft und politische Kultur
- Theoretische Grundlagen: Begriff des Autoritarismus
- Kontinuität zur Sowjetperiode und Perspektiven
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Auswirkungen staatlicher Institutionen, speziell des Föderationsrates, auf die zunehmende Autoritarisierung des politischen Systems der Russischen Föderation. Ziel ist es, die Entwicklung des russischen Föderalismus im Kontext des Wandels von „Perestroika“ zu Putin zu analysieren und dessen Einfluss auf die demokratische Entwicklung Russlands zu beleuchten.
- Entwicklung des russischen Föderalismus seit „Perestroika“
- Einfluss des Föderationsrates auf die politische Entwicklung Russlands
- Bedeutung des Autoritarismus für die politische Kultur Russlands
- Mögliche Perspektiven der weiteren Entwicklung des politischen Systems Russlands
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Demokratiedebatte um Russland im Kontext der „Perestroika“ und der Ära Putin. Dabei wird die Entwicklung des politischen Systems in Russland nach dem Fall der Sowjetunion betrachtet und die Frage nach dem Demokratiegrad des Landes diskutiert. Das zweite Kapitel untersucht die Rolle des Föderationsrates in der Russischen Föderation. Hierbei werden die historischen Wurzeln des russischen Föderalismus, die verfassungsrechtlichen Grundlagen und die institutionelle Wirklichkeit des Föderationsrates unter Putin analysiert. Der Fokus liegt auf den Veränderungen im Besetzungsverfahren, der Machtfülle des Präsidenten und der Bewertung der Neuformierung des Föderationsrates. Das zweite Kapitel analysiert die Auswirkungen des Föderationsrates auf die Entwicklung des politischen Systems. Es wird untersucht, inwiefern der Föderationsrat die Förderung autoritärer Strukturen unterstützt und welche Auswirkungen dies auf die Gesellschaft und die politische Kultur hat.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Föderalismus, Autoritarismus, politische System, Russische Föderation, Föderationsrat, „Perestroika“, Putin, Demokratiedebatte, politische Kultur, Institutionelle Entwicklung.
- Quote paper
- B.A. David Liese (Author), 2011, Auswirkungen staatlicher Institutionen auf die zunehmende Autoritarisierung des politischen Systems der Russischen Föderation am Beispiel des Föderationsrates, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206179