„Sie haben das Arbeiten verlernt, sie sind aus der Gesellschaft ausgestoßen, niemand gibt ihnen eine Anstellung oder Arbeit, niemand erbarmt sich ihrer, und sie gehen, moralisch und körperlich verkommen, durch Selbstmord oder auf andere elende Weise zugrunde.“
So beschrieb 1905 ein anonym bleiben wollender Autor die damaligen Lebenssituation von Frauen, die dem Gewerbe der Prostitution nachgingen.
Die vorliegende Arbeit stellt einen theoretischen Versuch dar, weibliche, heterosexuelle Prostitution im ausgehenden 19. Jahrhunderts des deutschsprachigen Raums vor dem Hintergrund der Urbanisierung, Industrialisierung und in ihren, von der bürgerlichen Gesellschaft geprägten, Inhalten und Erscheinungsformen zu untersuchen.
Die zentralen Leitfragen dieser Untersuchung beschäftigen sich damit, wie die Prostituierte von der bürgerlichen Gesellschaft wahrgenommen wurde, welche stereotypischen Bilder von ihr existierten und was, daraus resultierend, unternommen wurde, um sie aus dem gesellschaftlichen Leben auszusperren.
Beginnend beschäftigt sich die Arbeit mit der im 19. Jahrhundert rasant einsetzenden Prostitutionsausweitung und versucht mögliche Ursachen dafür darzulegen. Das dritte Kapitel analy-siert die soziale und berufliche Rekrutierung der Prostituierten sowie mögliche Gründe der Frauen sich zu prostituieren. Die zentralen Fragestellungen dieser Arbeit versuchen Kapitel vier und fünf zu beantworten. Um die Sichtweise der Gesellschaft auf die Prostituierten untersuchen zu können, müssen zunächst grundlegende Strukturen der bürgerlichen Sexualmoral und das dadurch geprägte Frauenbild dargestellt werden (4. Kapitel). Aus dem daraus resultierenden Bild der „gefährlichen“ Prostituierten wurden gesetzliche Reglementierungsmaßnahmen ergriffen, um sie für die Gesellschaft unschädlich und „unsichtbar“ zu machen. Diese werden in Kapitel 5 dargestellt. Abschließend folgen ein Resümee und ein kurzer Ausblick auf die diskursive Weiterentwicklung der Prostitutionsfrage seitens der Frauenbewegung.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Themeneinführung, Abgrenzung und Leitfragen
- Quellen- und Forschungslage
- Die Prostitutionsausweitung im 19. Jahrhundert
- Ökonomische Faktoren
- Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft
- Soziale Rekrutierung der Prostituierten
- Berufe mit prostitutivem Charakterbild
- Gründe für die Tätigkeit als Prostituierte
- Prostitution in der bürgerlichen Gesellschaft
- Die bürgerliche Sexualmoral und ihr Frauenbild
- Die Prostituierte im bürgerlichen Blickfeld
- Reglementierung der Prostitution
- Gesetzlicher Schutz vor gesundheitlicher und sittlicher Ansteckung
- Handhabung der Kontrollen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die weibliche, heterosexuelle Prostitution im ausgehenden 19. Jahrhundert des deutschsprachigen Raums im Kontext von Urbanisierung und Industrialisierung. Die Studie untersucht die Wahrnehmung von Prostituierten durch die bürgerliche Gesellschaft, stereotype Bilder, die von ihnen gezeichnet wurden, und die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um sie aus dem gesellschaftlichen Leben auszuschließen.
- Die Ausweitung der Prostitution im 19. Jahrhundert und ihre möglichen Ursachen
- Soziale und berufliche Rekrutierung von Prostituierten sowie die Beweggründe für ihre Tätigkeit
- Das Frauenbild und die Sexualmoral der bürgerlichen Gesellschaft
- Die Konstruktion der Prostituierten als „gefährliche“ Figur und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Reaktionen
- Die rechtliche Reglementierung der Prostitution als Instrument zur Kontrolle und Unsichtbarmachung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Prostitution im 19. Jahrhundert vor und erläutert den Forschungsstand sowie die zentralen Leitfragen der Arbeit. Kapitel 2 beleuchtet die Ausweitung der Prostitution im 19. Jahrhundert und untersucht die ökonomischen und gesellschaftlichen Faktoren, die zu diesem Phänomen beigetragen haben. Kapitel 3 analysiert die soziale Rekrutierung von Prostituierten und die Gründe, die Frauen zur Prostitution trieben. Kapitel 4 untersucht die bürgerliche Sexualmoral und das Frauenbild, das die Wahrnehmung der Prostituierten prägte. Kapitel 5 beschreibt die rechtliche Reglementierung der Prostitution als Reaktion auf die gesellschaftliche Konstruktion der Prostituierten als „gefährliche“ Figur. Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Reaktion auf die Prostitution im 19. Jahrhundert.
Schlüsselwörter
Prostitution, bürgerliche Gesellschaft, Sexualmoral, Frauenbild, Reglementierung, Urbanisierung, Industrialisierung, Stereotype, soziale Rekrutierung, 19. Jahrhundert, fin de siècle, deutschsprachiger Raum.
- Citar trabajo
- Mette Bartels (Autor), 2012, Prostitution in der bürgerlichen Gesellschaft um 1900, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/206515